Protokoll der Sitzung vom 20.11.2003

(Zuruf von Minister Herrn Becker)

denn der Grund dafür, dass dieses Gesetz im Entwurf stecken geblieben ist, ist eigentlich der Streit zwischen den Innen- und den Rechtspolitikern.

Es stimmt, der Entwurf eines Informationszugangsgesetzes ist nicht neu. Bereits im Jahr 2001 war ein Gesetzentwurf zu dieser Thematik Gegenstand der parlamentarischen Debatte. Wie schon gesagt worden ist, hat im Innenausschuss eine Anhörung zu dem damaligen Gesetzentwurf stattgefunden.

Seit der Debatte im Jahr 2001 hat sich zum Beispiel das Land Nordrhein-Westfalen entschlossen, ein solches Gesetz zu verabschieden. Dieses ist bereits am 1. Januar 2002 in Kraft getreten. Somit gibt es bereits vier Bundesländer, die ein Informationsfreiheits- bzw. -zugangsgesetz verabschiedet haben.

Auch im Bund wird über ein solches Gesetzesvorhaben schon längere Zeit diskutiert. Es ist, wie Frau Tiedge richtigerweise erwähnt hat, in der Koalitionsvereinbarung zwischen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen festgeschrieben. Jetzt gibt es etwas Neues: Der Bundesparteitag der SPD in Bochum hat sich in den vergangenen zwei Tagen wiederholt mit diesem Thema beschäftigt und nochmals mit einem Beschluss bekräftigt, dass ein solches Gesetz auf Bundesebene endlich verabschiedet werden soll.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, insbesondere auf der Regierungsbank, ich bitte Sie, doch ein klein wenig leiser miteinander zu sprechen.

(Zustimmung von Frau Dr. Kuppe, SPD, und von Frau Fischer, Leuna, SPD - Zuruf von der SPD: Gar nicht! - Minister Herr Dr. Daehre: Wir haben nichts zu sagen hier, richtig! - Zuruf von Frau Dr. Kuppe, SPD)

Leider haben wir das Informationszugangsgesetz noch nicht, deswegen braucht man wahrscheinlich immer noch diese Art der Kommunikation. Wenn man es erst hätte, dann wäre es viel einfacher.

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Ein internationaler Vergleich zeigt, dass andere europäische Länder bereits positive Erfahrungen mit einem solchen Gesetz gemacht haben. So führen die skandinavischen Länder an, dass es bei ihnen aufgrund eines Informationsfreiheitsgesetzes und des damit verbundenen

offenen Umgangs mit Informationen der Verwaltung weniger Korruption gebe.

Dem Grundanliegen dieses Gesetzentwurfs ist daher zuzustimmen. Mehr Transparenz der Verwaltung für die Bürgerinnen und Bürger umfasst auch den freien Zugang zu öffentlichen Daten und Akten. Durch diese größere Transparenz kann bei der Bevölkerung ein besseres Verständnis für behördliche Entscheidungen entstehen.

Als Einwand gegen ein solches Gesetz wird, insbesondere von den Innenpolitikern, immer wieder angeführt, dass es einen unvorhersehbaren Mehraufwand für die Verwaltung bedeuten würde. Die Erfahrungen in den beiden anderen Bundesländern haben bislang gezeigt, dass es zu keiner Überlastung der Ämter kommt, und haben dieses Argument widerlegt.

Häufig wird gegen ein solches Gesetz auch eingewendet, dass es gerade nicht zu einer Überlastung der Verwaltung kommt, dass von diesem Gesetz zu wenig Gebrauch gemacht wird und es daher ins Leere laufen und nicht benötigt würde. Dem ist wohl zu widersprechen. Die geringe Anzahl der Anträge auf Zugang zu Informationen ist wohl der Tatsache geschuldet, dass die Bevölkerung von diesen gesetzlichen Möglichkeiten noch zu wenig Kenntnis hat.

Frau Grimm-Benne, möchten Sie eine Frage der Abgeordneten Frau Röder beantworten?

Am Schluss meiner Rede. - Der Anspruch auf Zugang zu Informationen wird auch nicht vorbehaltlos durch dieses Gesetz geregelt. Unter gewissen Voraussetzungen ist ein Antrag auf Zugang zu Informationen abzulehnen: wenn dem Informationsersuchen öffentliche Interessen, wie Rechtsdurchsetzung und Strafverfolgung, behördliche Entscheidungsprozesse, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder personenbezogene Daten entgegenstehen.

In den Ausschüssen werden wir Gelegenheit haben, über die Einzelheiten der gesetzlichen Regelungen in dem Gesetzentwurf zu debattieren und zu beraten, auch unter Einbeziehung der Erfahrungen mit ähnlichen Gesetzen in anderen Bundesländern. Wir stimmen daher einer Überweisung in den Ausschuss für Recht und Verfassung als federführenden Ausschuss und in den Ausschuss für Inneres als mitberatenden Ausschuss zu. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Grimm-Benne. - Nun bitte Ihre Frage, Frau Röder.

Frau Grimm-Benne, Sie sind in dieser Legislaturperiode genau wie ich zum erstenmal hier, darum können Sie das vielleicht nicht wissen. Meine Frage: Wie kommt es, dass die SPD-Fraktion innerhalb von zwei Jahren ihre

Beurteilung zweier fast wortgleicher Gesetzentwürfe so grundlegend ändert?

(Herr Bullerjahn, SPD: Fragen Sie mal die CDU! - Herr Dr. Püchel, SPD: Fragen Sie mal die CDU, was die so alles ändern in den Jahren! Ganz spannende Geschichte! - Herr Bullerjahn, SPD: Da haben Sie es jetzt einfach besser! - Herr Dr. Püchel, SPD: Gnade der späten Geburt!)

Frau Röder, es ist richtig, wir beide sind in dieser Legislaturperiode zum ersten Mal im Plenum. Wenn Sie die einzelnen Redebeiträge in dem Protokoll lesen, dann sehen Sie, wer zu diesem Thema gesprochen hat. Deshalb habe ich vorhin gesagt, es ist ein Streit zwischen Innenpolitikern und Rechtspolitikern. Auch die Innenpolitiker der SPD-Fraktion haben zu diesem Gesetzentwurf eine durchaus andere Auffassung. Wir Rechtspolitiker haben uns in diesem Fall durchgesetzt.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Herrn El-Khalil, CDU)

Vielen Dank, Frau Grimm-Benne. - Nun kommt der Beitrag der CDU-Fraktion. Es spricht Herr Kolze. Bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Informationszugangsgesetz begehrt die PDSFraktion im Hinblick auf die Verwaltungsverfahren einen Informationszugang für alle Bürgerinnen und Bürger unabhängig von einer individuellen Betroffenheit. Sie begründeten das damit, dass das Verwaltungshandeln in der Bundesrepublik Deutschland traditionell vom Grundsatz des Amtsgeheimnisses geprägt sei. Eine tatsächlich öffentliche Verwaltung existiere nicht.

Schon dieses Begriffsverständnis geht fehl. Wenn behauptet wird, dass im geltenden Recht ein legitimes Informationsinteresse der Bürgerinnen und Bürger verneint werde, wird verkannt, was überhaupt ein legitimes Informationsinteresse ist.

Nehmen wir nur das Grundrecht der Informationsfreiheit. Nach Artikel 5 Abs. 1 des Grundgesetzes hat jeder das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Bei den hier ins Auge gefassten Unterlagen handelt es sich aber keinesfalls um allgemein zugängliche Quellen. Das Grundrecht auf Informationsfreiheit begründet keinen Anspruch auf Zugang zu den öffentlichen Stellen.

Die PDS-Fraktion kritisiert das Fehlen einer öffentlichen Verwaltung. Aber was ist eine öffentliche Verwaltung? Eine öffentliche Verwaltung soll nicht heißen, dass jeder freien Zugang zu allen Vorgängen in dieser Verwaltung hat. „Öffentlich“ heißt auch nicht, dass alles offen zu liegen hat. Damit ist aber nicht gemeint, dass alles geheim sein müsse.

Es ist richtig, dass im geltenden Verwaltungsrecht die Informationszugangsrechte in erster Linie für die am Verfahren unmittelbar Beteiligten vorgesehen sind. Nur diesen Beteiligten werden Informationsrechte zur Wahrung

ihrer individuellen Rechte gegenüber dem Staat eingeräumt. Voraussetzung ist, dass diese Bürgerinnen und Bürger eine Betroffenheit in eigenen Rechten geltend machen können. Eben diese Betroffenheit begründet das legitime Informationsinteresse. Das ist richtig so.

Wenn wir, wie von der PDS-Fraktion gewünscht, auf ein berechtigtes Interesse des Auskunftssuchenden in Zukunft verzichten wollten, so könnte jeder ohne jegliche Begründung sämtliche Informationen abfragen. Damit ist dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Das ist, glaube ich, auch jedem klar. Jeder könnte - und sei es nur, um seinen Nachbarn zu ärgern - in dessen Verfahren herumstöbern und die so gewonnenen Erkenntnisse vielfältig einsetzen. Es gibt nämlich auch den Missbrauch in den Grenzen eines Gesetzes. Wie wollen wir den eingrenzen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die PDSFraktion hat hierfür eine Reihe von Paragrafen vorgeschlagen, die die Ablehnung des Informationsersuchens rechtfertigen können. Es soll also grundsätzlich ein legitimes Informationsinteresse bestehen. Diesem Informationsinteresse würde jedoch nicht nachgekommen werden, wenn dies der Schutz öffentlicher Interessen, der Schutz der Rechtsdurchsetzung und der Strafverfolgung, der Schutz behördlicher Entscheidungsprozesse, der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und der Schutz personenbezogener Daten erfordert. Ich frage Sie: Wer soll das prüfen?

In beinahe jedem Verwaltungsverfahren geht es um irgendwelche Daten der genannten Art. Nach dem Willen der PDS-Fraktion soll dann eine verfassungsmäßig gebotene Abwägung zwischen dem Recht auf freien Informationszugang und dem Schutz der Betroffenen auf Nichtherausgabe ihrer Daten vorgenommen werden. In der Konsequenz würde das bedeuten, dass bei jedem Verfahren eine solche zeitaufwendige Abwägung zu erfolgen hätte.

Wie würde dann das Recht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung gewertet werden? Wer würde es überprüfen können? Bei jeder Entscheidung hätten wir einen potenziellen Kläger: der Auskunftsersuchende, wenn sein Auskunftsbegehren abgelehnt würde, und der Betroffene, wenn der Auskunftsersuchende Informationen aus einem Verfahren erhalten würde, in dem er in eigenen Rechten nicht betroffen wäre. Die Verwaltungsgerichte werden sich hierfür bedanken.

Ich sehe, dass meine Redezeit abgelaufen ist. Deswegen möchte ich meinen Redebeitrag an dieser Stelle beenden. Ich folge dem Begehren meiner Kollegin aus der FDP-Fraktion zur Überweisung des Antrages in die genannten Ausschüsse. - Danke.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kolze. - Bevor ich abschließend noch einmal Frau Tiedge das Wort erteile, habe ich die Freude, eine Seniorengruppe aus der Gemeinde Sülzetal begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Nicht jeder Redner bekommt so viel Beifall wie Sie eben. - Nun bitte, Frau Tiedge.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie viel ist uns mehr Demokratie eigentlich wert? Die heutigen Redebeiträge, insbesondere der von Herrn Minister Becker und von den Koalitionsfraktionen, haben mir gezeigt, dass eine erneute Anhörung unbedingt notwendig ist. Wir haben denselben Stand wie vor Jahren, als wir den Gesetzentwurf das erste Mal eingebracht haben. Ich kann mich zwar sehr gut mit kritischen Sachargumenten auseinander setzen, aber das, was ich heute gehört habe, was immer wieder als Scheinargumente hervorgehoben wird, ist durch nichts, aber auch durch nichts bisher in der Praxis belegt worden.

(Beifall bei der PDS)

Wenn an erster Stelle davon gesprochen wird, dass mit diesem Gesetz dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet werde, dann frage ich mich: Was unterstellt man unseren Bürgerinnen und Bürgern eigentlich? Unterstellt man ihnen, dass sie, wenn sie ein zusätzliches Recht bekommen, dieses nur missbrauchen, anstatt mit ihm ordentlich umzugehen, wie das in den anderen Ländern bisher geschieht?

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

Ich weiß nicht, Herr Minister Becker, bei welcher Anhörung Sie gewesen sind. Bei der Anhörung, bei der ich dabei gewesen bin, haben wir einen breiten Konsens erreicht. Wir haben Lob für unseren Gesetzentwurf erhalten. Die Vertreter aus allen anderen Ländern, die ein solches Gesetz bereits haben, haben uns erklärt, dass wir einen guten Gesetzentwurf vorgelegt haben.

Die von den Vertretern der anderen Länder genannten Änderungen, die nicht nur redaktionelle, sondern auch inhaltliche Änderungen waren, haben wir in unseren Gesetzentwurf eingearbeitet. Nur die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände haben hinsichtlich einer Überlastung der Verwaltungen in den Kommunen Bedenken geäußert. Dem wurde in den Anhörungen durch die Vertreter, insbesondere durch die Datenschutzbeauftragten der anderen Länder, nachweislich widersprochen. Es wurde gesagt, dass es diese Überlastung nicht gebe.

Wenn Sie mir aufmerksam zugehört haben, dann haben Sie auch festgestellt, dass ich Ihnen erklärt habe, welche Erhebungen aus Schleswig-Holstein vorgelegen haben, wie viel die Bürgerinnen und Bürger davon Gebrauch gemacht haben und in welcher Schnelligkeit die Verwaltungen in der überwiegenden Zahl der Fälle reagiert haben. Innerhalb einer Woche wurden die Akten vorgelegt und es gab keinerlei Bedenken hinsichtlich der Notwendigkeit der Geheimhaltung. Es gab auch keine Flut von Klagen vor dem Verwaltungsgericht. Es ist einfach nicht wahr, wenn Sie so etwas stereotyp wiederholen.

Die Regelungen, die es zum Informationszugang gibt, sind eben nicht ausreichend. Ansonsten würde nicht ein Land nach dem anderen ein Informationszugangs- oder -freiheitsgesetz - wie auch immer man das nennen möchte - einführen. Das Informationszugangsgesetz ist wichtig, weil der Zugang zu den Akten nicht jedem Bürger zusteht und die Notwendigkeit für uns besteht, mehr demokratische Rechte für unsere Bürgerinnen und Bürger einzufordern.

(Beifall bei der PDS)

Ich denke, es ist legitim, wenn wir aufgrund der Vielzahl neuer Abgeordneter insbesondere in den Koalitionsfraktionen sagen, dass wir eine Anhörung mit den Vertretern der anderen Länder, insbesondere den Datenschutzbeauftragten, zu diesem Gesetzentwurf haben möchten. Hören Sie gut zu und fragen Sie die Vertreter zu dem, was Sie heute zu kritisieren hatten. Sie werden dann erfahren, dass es gute Gesetze sind, die in den Ländern bisher nur auf positive Resonanz gestoßen sind.