Protokoll der Sitzung vom 20.06.2002

Sowohl in der BSE-Krise als auch bei dem jetzigen Nitrofen-Problem hat sich die Zusammenarbeit zwischen der Lebensmittel- und Bedarfsgegenständeüberwachung, der Futtermittelüberwachung, der für Ökokontrollstellen zuständigen Agrarverwaltung und der ebenfalls einzubeziehenden Umweltverwaltung einschließlich der notwendigen Labore bewährt.

Die vorgelegten Anträge verkennen die Vielschichtigkeit der Problematik. Es ist dem Landesgesetzgeber allein nicht möglich, die Regelungen zu treffen, die hundertprozentige Vorsorge sichern. Das Lebensmittel- und Futtermittelrecht ist nämlich mittlerweile weitgehend harmonisiert, wie es bei ganzheitlicher Betrachtungsweise der Lebensmittelsicherheit auch erforderlich ist. Deswegen ist insbesondere der Bund in der Pflicht.

Erforderliche Rahmenbedingungen sind von der Bundesregierung bisher nicht geschaffen worden. Ich nenne beispielsweise die Anzeigepflicht von Unternehmen und Kontrollstellen oder den Erlass einer Futtermittelkontrolleurverordnung. Das bedarf einer Einbindung sowohl in das Bundesrecht als auch in die europäische Rechtsetzung.

Selbstverständlich sind die jüngsten Ereignisse wie immer in solchen Fällen Anlass, nach Möglichkeiten einer weiteren Verbesserung der Lebensmittelüberwachung

zu suchen. Diesbezüglich sind wir einfach gemeinsam in der Pflicht.

Die Landesregierung überprüft daher zum Beispiel, inwieweit das gesamte Kontrollsystem im Ökolandbau verbesserungsbedürftig ist. Denn wenn man ein ehrgeiziges Ziel, nämlich 20 % auf ökologischer Basis zu erzeugen, vorgibt, muss man auch die Logistik und die vor- und nachgeordneten Bereiche in dieses System einbeziehen. Diesbezüglich besteht auf Bundesebene und insbesondere bei Frau Ministerin Künast Handlungsbedarf.

Das gerade beschlossene Ökolandbaugesetz sollte unter Beachtung der aktuellen Situation nochmals auf den Prüfstand gestellt werden. Sachsen-Anhalt wird deshalb die von Bayern entwickelte Initiative zur Änderung dieses Gesetzes unterstützen. Ökokontrollstellen - so heißt es darin - sollen verpflichtet werden, auch die Behörden über festgestellte Verstöße und Unregelmäßigkeiten zu unterrichten, und sollen diese nicht im stillen Kämmerlein verwahren.

Ebenso hat sich die Landesregierung bei den Beratungen zum Verbraucherinformationsgesetz im Vermittlungsausschuss aktiv für die Stärkung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes eingesetzt. Leider erfüllt der vorliegende Gesetzentwurf in wesentlichen Punkten nicht die Anforderungen, die an ein solches Gesetz zu stellen sind. Es wird eben gerade nicht eine Informationspflicht der Unternehmen bei kritischen Testergebnissen verankert, und es wird nichts dazu gesagt, ob und wie Behörden bei der Weitergabe von Informationen auch haftbar zu machen sind. Aus diesem Grund hat Sachsen-Anhalt diesem Gesetz im Bundesrat nicht zugestimmt.

Ein paar Bemerkungen zum Antrag der PDS-Fraktion. Es wurde, glaube ich, in der damaligen Debatte schon zum Ausdruck gebracht: Nach der Verordnung Nummer 178/2002 vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts - das gilt auch für Futtermittel - sind Futtermittelunternehmer zur Eigenkontrolle verpflichtet, die auch regelmäßige Rückstandskontrollen auf verbotene Stoffe und auf Stoffe, für die Rückstandshöchstmengen festgelegt sind, einschließt. Erkennt der Unternehmer, dass ein Futtermittel nicht den Anforderungen an die Futtermittelsicherheit entspricht, hat er selbst unverzüglich Maßnahmen einzuleiten und die zuständige Behörde zu informieren. Wenn dagegen verstoßen wird - ich sage, das ist bereits geregelt -, müssen natürlich Konsequenzen gezogen werden.

Wir schätzen ein, dass eine darüber hinausgehende rechtliche Reglementierung, die den praktischen Gegebenheiten auch nicht mehr Rechnung tragen würde, Rechtsverstöße dieser Art nicht verhindern kann und dem Landwirt keine grundsätzlichen Garantien bietet.

Selbstverständlich, Herr Oleikiewitz, wird sich die Landesregierung auch bei der weiteren Beratung auf Bundesratsebene zum Verbraucherinformationsgesetz konstruktiv einbringen. Wir werden uns im Sinne unserer Verbraucher und Landwirte konstruktiv darum bemühen, an diesem System zu verbessern, was zu verbessern ist. Selbstverständlich stehen wir Ihnen für eine konstruktive Beratung im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Verfügung. - Danke.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Frau Ministerin Wernicke. - Die Debatte wird fortgesetzt mit dem Beitrag der FDP. Es spricht Herr Dr. Schrader. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! An der Reaktion vieler Abgeordneter merkt man, dass das kein sehr emotionsgeladenes Thema ist. Deshalb will ich mich kurz fassen, aber doch prägnante Punkte bringen. Es ist aber ein sehr sensibles Thema. Das möchte ich schon betonen.

Der erste Teil des Antrags der SPD, dass die Landesregierung im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den „Nitrofen-Skandal“ berichten solle, ist durch den Ausschuss in der konstituierenden Sitzung bereits in Gang gesetzt worden - und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht in vorauseilendem Gehorsam, sondern weil es einfach ein aktuelles Thema war. Unabhängig davon sollte natürlich weiter intensiv diskutiert werden.

Auch die im SPD-Antrag angesprochenen Themen wie die Stärkung des Verbraucherschutzes, Lebensmittelsicherheit, die Kontrollfunktion des Landes und die Allianz für Lebensmittelqualitätssicherung - ein sehr kompliziertes Wort! - sind sehr wichtige Themen, die diskutiert und durch die Landesregierung klar und transparent dargestellt werden müssen und aus meiner Sicht auch mit dem notwendigen Ernst und der gebotenen Sachlichkeit dargestellt werden.

Staatliche Kontrolle, insbesondere die Durchsetzung von staatlichen Regelungen und die Eigenverantwortung der Wirtschaft sind für uns die wichtigsten Kriterien bei diesem Thema. Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sind eine sehr komplexe Thematik, die den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und zunehmend auch den Gesundheitsausschuss dauerhaft begleiten wird. Dort, meine Damen und Herren, muss alles ausführlicher behandelt werden. Da reicht nicht allein eine Berichterstattung. Es reicht auch nicht das Herausgreifen von Einzelthemen. Es muss im Komplex behandelt werden.

Der Antrag der PDS fordert die Landesregierung auf, rechtliche Regelungen zu schaffen, die jedes Unternehmen, welches mit Futtermitteln handelt, verpflichten, jede gehandelte Futtermittelcharge mit einer Garantieerklärung zu versehen.

Leider war ich bei der Debatte in der vergangenen Legislaturperiode nicht dabei, aber für meine Begriffe würde das auch jeden Grünlandbauern betreffen, der ein Fuder Heu verkauft. Ich kann mir nicht vorstellen, wie diese Regelung vonstatten gehen soll, und wäre dankbar, wenn Sie mir diesbezüglich im Ausschuss weiterhelfen würden. Es ist eine zusätzliche Kontroll- und eine zusätzliche Behördenaufgabe.

Diese Forderung ist eine aus dem komplexen Thema Verbraucherschutz herausgegriffene Forderung. Die Vielschichtigkeit der Problematik wird hierbei verkannt. Mit einer solchen Einzelregelung kann die Problematik sicherlich nicht allein gelöst werden. Die Regelung bedeutet mit hoher Wahrscheinlichkeit hohen bürokratischen Aufwand. Auch muss die Kontrollierbarkeit in jedem Falle - das ist ja im Moment unser Problem - in Zweifel gezogen werden.

Lassen Sie mich kurz einige Sätze zur Gesamtproblematik sagen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass durch die sehr sensiblen Themen BSE und Nitrofen eine allgemeine Schuldzuweisung und pauschale Verurteilung der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduzenten, also der Branche insgesamt, Einzug gehalten hat. Es entstand der Eindruck, dass der Verbraucher vor der Lebensmittelbranche geschützt werden müsse.

Dies kann man einfach so nicht hinnehmen. Die Lebensmittel in Deutschland - das muss man einfach objektiv feststellen - sind im Vergleich mit vielen europäischen und außereuropäischen Ländern gut, von guter Qualität und gut kontrolliert. Wahr ist vielmehr, dass der Verbraucher, der Kunde das wichtigste Potenzial der Lebensmittelhersteller ist. Die Landwirte wissen das viel besser als ich. Deshalb die Erzeugergemeinschaften und die Allianzen für Lebensmittelqualitätssicherung.

Wahr ist aber auch, dass es durchaus Mängel in der Umsetzung und in der Kontrollierbarkeit der bestehenden Regelungen gibt. Es gibt nicht zu wenige Regelungen, meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt zu viele. Wir brauchen nicht mehr, sondern weniger, aber effektivere und umsetzbare Regelungen. Verstöße müssen schnell und konsequent verfolgt werden.

Bei der Beurteilung der Konsequenzen der BSE-Fälle, der Nitrofen-Ereignisse und ähnlicher Dinge fordere ich mehr Sachlichkeit, mehr Fachkenntnis und mehr Aufklärung von den Verantwortlichen, insbesondere durch das zuständige Bundesverbraucherministerium.

Namens der FDP-Fraktion beantrage ich die Überweisung des Antrages der SPD in den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Die Zustimmung reicht allein nicht aus, Herr Oleikiewitz, um das heute abzusegnen.

Ich beantrage weiterhin, den Antrag der PDS abzulehnen.

(Zustimmung von Herrn Kehl, FDP, und von Herrn Dr. Volk, FDP)

Herr Czeke, die Intention, die Sie dargestellt haben, ist klar, aber von dieser Stelle aus die Landesregierung zu beauftragen, eine Regelung umzusetzen, halte ich für viel zu weitgehend. Ihre Intention sollte vielleicht im Ausschuss mit behandelt werden, aber ich beantrage, diesen Antrag heute abzulehnen. - Danke schön.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Schrader. - Für die CDU-Fraktion spricht Herr Daldrup. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDUFraktion sieht das Anliegen des SPD-Antrages auf Berichterstattung durch die Landesregierung im Ausschuss für Landwirtschaft und Forsten als berechtigt an. Für uns ist Verbraucherschutz ein hohes Gut und genießt höchste Priorität.

Der aktuelle Nitrofen-Fall hat gezeigt, dass die Kontrolle eine Seite des Verbraucherschutzes ist, dass aber die Zusammenarbeit der verschiedenen Ebenen genauso wichtig ist, vielleicht genauso entscheidend ist. Letztlich kann nur die Transparenz und das Verantwortungsbewusstsein jedes Einzelnen auf diesen Ebenen zu höchstmöglichem Verbraucherschutz führen.

Für Sachsen-Anhalt können wir sagen: Die Gefahrenabwehr hat funktioniert. Die zuständigen Behörden haben sofort reagiert. Sie haben beispielsweise Nitrofen sogleich in die Reihenuntersuchung für Futtermittel aufgenommen. Aufgrund der Tatsache, dass bekannt ist, in welchen Hallen und Lagerstätten in Sachsen-Anhalt etwas gelegen hat, sind auch dort Untersuchungen vorgenommen worden, um festzustellen, ob Nitrofen-Rückstände vorhanden sind.

Meine Damen und Herren! Die Tragik am Nitrofen-Skandal ist, dass wieder einmal die landwirtschaftlichen Betriebe, die offensichtlich nicht die Verursacher der Verunreinigung sind, diejenigen sind, die die Lasten zu tragen haben. 450 gesperrte Betriebe in Deutschland sind dabei ein Alarmzeichen.

Das zeigt, wie weit die Handelsbeziehungen und die Warenströme in Deutschland mittlerweile verzweigt sind. Das zeigt aber auch, dass kein Bundesland im Alleingang - schon gar nicht als Landesgesetzgeber - Verbraucherschutz garantieren kann. An dieser Stelle ist der Bund gefordert. Hierfür muss die Bundesregierung die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, beispielsweise die Anzeigepflicht für Unternehmen.

Wichtig erscheint mir aber auch, dass die Verursacher zur Rechenschaft gezogen werden und klargestellt wird, dass die Bauern in unserem Land - egal ob sie ökologisch oder konventionell wirtschaften - nach wie vor ausgezeichnete Produkte erzeugen und diese auch vermarkten.

Die CDU-Fraktion will den Nitrofen-Fall zum Anlass nehmen, die Kontrollsysteme auf die genannten Kriterien, nämlich die Transparenz, die Vorsorge, die Kontrolle und die Eigenverantwortung, zu überprüfen bzw. zu beleuchten, und schlägt vor, den Antrag der SPD federführend in den Ausschuss für Landwirtschaft und Forsten zu überweisen.

Den Antrag der PDS lehnen wir dagegen ab. Regelungen zu Garantieerklärungen können auch von den Handelnden selbst und frei ausgehandelt werden. Zusätzliche Kontrollmaßnahmen und weitere Ausweitungen von Kontrollen erachten wir als nicht notwendig, da der Nitrofen-Fall auch gezeigt hat, dass im Land SachsenAnhalt diese Kontrollen effektiv sind. - Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Daldrup. - Für die SPD-Fraktion hat noch einmal Herr Oleikiewitz das Wort. Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich will es kurz machen. - Frau Ministerin, ich hatte in meinem Redebeitrag nicht gesagt, dass die Landesregierung allein dafür verantwortlich ist, die entsprechenden Maßnahmen durchzusetzen. Deswegen hatte ich an dieser Stelle ausdrücklich die Verantwortung des Bundes betont. Das wollte ich nur noch einmal richtig stellen.

Zu dem Thema Garantieerklärungen. Wir wissen alle, dass die Futtermittelindustrie bereits durch das Futtermittelgesetz verpflichtet ist, bei bestimmten Schadstoffen entsprechende Grenzwerte einzuhalten. Wenn wir eine zusätzliche Garantieerklärung fordern, muss sich niemand, denke ich, unbedingt an diese Garantieerklärung halten. Das ist so ähnlich wie auf der Autobahn, wo sich

auch niemand an die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h hält. Das sehe ich nicht als eine Drohung an die entsprechenden Stellen, dieses einzuhalten.

Man könnte darüber diskutieren, ob es nicht möglich ist, dass die Futtermittelindustrie selbst freiwillige Garantieerklärungen abzugeben bereit ist, die sich unter den zulässigen Grenzwerten bewegen. Das ist die Frage. Wir haben nichts davon, wenn wir Garantieerklärungen fordern und dabei die Grenzwerte dort belassen, wo sie sind, sondern es hat nur Sinn, wenn wir unter die bestehenden Grenzwerte gehen.

Deswegen ist der Antrag von Ihnen, Herr Czeke, so sehr ich Sie schätze, an dieser Stelle zwar unschädlich, aber er bringt uns nicht weiter. Ich sehe, dass der allgemeine Tenor war, dass der Antrag von uns in den Agrarausschuss überwiesen werden soll. Daher verschließen wir uns dem nicht, ziehen den Antrag auf Direktabstimmung zurück und schließen uns der Überweisung in den Ausschuss an. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke, Herr Oleikiewitz. - Nun bitte Herr Czeke noch einmal.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin Wernicke hat es angesprochen: Eines der Probleme der Verbreitung ist unter anderem auch die Liberalisierung in diesem Umfang; nicht innerhalb der EU, aber wenn ich an den globalen Handel denke, dann weiß ich natürlich, dass sich der eine oder andere dem entzieht. Wenn wir im Antrag der SPD von Lebensmitteln sprechen, möchte ich ein „leckeres“ Beispiel dazu geben.

Es gibt einen US-Konzern, der alle erreichbaren Hühnerfedern von Züchtern und Schlachthöfen aufkauft und durch einen chemischen Prozess das gesamte darin enthaltene Eiweiß isoliert. Das daraus gewonnene Eiweiß wird als „Nährstoffzusatz“ in den Handel gebracht und den Backwaren und Kuchenfertigmischungen beigemischt.

Ich kann jetzt auch verstehen, warum der US-Botschaftsvertreter seinerzeit im Ministerium gesagt hat, er verlange für Europa freien Marktzugang. Wenn ich den Verbraucherinnen und Verbrauchern auf die Packung schreibe, aus welchem Grundstoff das Zusatzmittel stammt, könnte ich mir denken, bleibt das Produkt sicherlich im Regal liegen.

Einen Makel hat die Geschichte. Der große Händler, den ich namentlich nicht nennen werde, hat erkannt, dass er letztlich der Mitverursacher ist. Er hat in seiner Großzügigkeit den betroffenen Landwirten auch Ersatzvornahme angeboten, sprich er holt den Krempel ab und gibt ihnen die Tonnage an unbelasteten Futtermitteln dazu. Man weigert sich aber mit Händen und Füßen dagegen, eine Entschädigung zu leisten. Ich denke, an dieser Stelle funktioniert es auch wieder nicht.