Protokoll der Sitzung vom 21.11.2003

warten, bis die Konjunktur anläuft, und dann kommen automatisch die Arbeitsplätze.

Richtig ist natürlich, dass mehr als 70 % der mittelständischen und kleinen Betriebe, die eigentlich Arbeitsplätze für Behinderte schaffen müssten, die dazu verpflichtet sind, gar keine Arbeitsplätze schaffen. Ob dafür allein die Quote ausreicht, wage ich zu bezweifeln.

Ich will jetzt nicht weiterreden. Ich finde, das Thema müsste in den Ausschuss; denn angesichts dessen, was Frau Vogel gesagt hat, angesichts ihrer Kritik an dem Gesetz, müsste jetzt eigentlich die Schlussfolgerung kommen, dass wir es besser machen müssen, dass wir andere, viel bessere Gesetze brauchen. Nichts zu tun, wäre das Schlimmere.

Ich kann jetzt nicht auf alle einzelnen Punkte eingehen und auch nicht auf die Ausbildung; denn vieles, was der Wirtschaftsminister gesagt hat, ist richtig. Das unterstütze ich auch. Daher plädiere ich für die Ausschussüberweisung, weil man sich dann länger mit dem Thema beschäftigen kann; denn es wird uns längere Zeit bewegen - nicht nur das, was im Vermittlungsausschuss herauskommt, sondern auch die anderen Punkte des Antrages. Wenn das keine Mehrheit findet - worüber ich mich wundern würde; denn das müsste nach Ihrem Beitrag Ihre Zustimmung finden -, dann werden wir uns bei der Abstimmung über den Antrag der Stimme enthalten.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Bischoff. - Nun spricht Herr Scholze für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir als Liberale stehen - das ist unser Grundanliegen - sowohl für die größtmögliche Freiheit als auch für das höchstmögliche Maß an Eigenverantwortung für jeden einzelnen Menschen in der Gesellschaft. Dieses Grundprinzip gilt auch als Wegweiser für eine liberale Politik für Menschen mit Behinderungen. Für uns ist Politik für Menschen mit Behinderungen keine Sparten- oder gar Nischenpolitik - nein, es ist Bürgerrechtspolitik und in dem speziellen Fall heute eben auch Wirtschaftspolitik.

Mit dem In-Kraft-Treten des SGB IX am 1. Juli 2001 wurde im Bereich der Politik für Menschen mit Behinderungen ein wegweisender Paradigmenwechsel vollzogen. Eigenverantwortung der Menschen ist klares Ziel und Aufgabe des eigentlich noch neuen Gesetzes. Eben wegen dieser freiheitlichen Grundintention unterstützen wir ausdrücklich das Anliegen des SGB IX.

Vor genau diesem Hintergrund ist es eigentlich ein Stück weit unverständlich, dass nach den erst zweieinhalb Jahren, in denen Erfahrungen mit diesem noch so grundsätzlich neuen Gesetz gewonnen werden konnten, schon Änderungen erfolgen sollen; denn die Umsetzung des SGB IX und seine Ausfüllung mit Leben setzt die Bereitschaft voraus, dicke Bretter beharrlich zu durchbohren. Ein Erfolg oder Misserfolg lässt sich, realistisch betrachtet, erst nach weiteren Jahren der Erfahrung tatsächlich beurteilen.

Die Gesetzesüberschrift „Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen“

täuscht nach meiner Auffassung mehr vor, als sich tatsächlich im Detail dahinter verbirgt. Vielmehr werden an vielen Stellen des Entwurfes Anpassungen vorgenommen, die diesen Titel nicht unbedingt rechtfertigen.

(Herr Bischoff, SPD: Was schlagen Sie vor?)

Wenn ich mir die Aktivitäten von Rot-Grün in Berlin in den letzten Jahren auf allen Politikfeldern vergegenwärtige, kann ich nicht erkennen, wie ein nachhaltiger wirtschaftlicher Aufschwung realisiert wurde bzw. realisiert werden soll. Doch genau dieser Aufschwung ist die Voraussetzung für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und eröffnet insbesondere Menschen mit Behinderungen Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Viele von Ihnen kennen vielleicht den Ausspruch von Menschen mit Behinderungen: Wir sind nicht behindert, wir werden behindert. Dieser Ausspruch hat auch Gültigkeit für Rot-Grün; denn die behindern einen wirtschaftlichen Aufschwung und damit auch die Chancen von Behinderten auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Lachen bei und Zuruf von der SPD: Wer hat Ihnen die Rede aufgeschrieben?)

Daher ist auch Ihr Ansatz, meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion, in Punkt 1 Ihres Antrages falsch. Die Erhöhung der Beschäftigungspflichtquote auf 6 % bringt keinen Menschen mit Behinderung in Lohn und Brot. Die Ausgleichsabgabe nach Ihrem Modell soll Kassen füllen und Unternehmen bestrafen. Den Beweis, dass eine Beschäftigungspflichtquote von 6 % tatsächlich Arbeit und Ausbildung von Behinderten fördert, bleiben Sie dabei schuldig.

Insofern - das muss ich sagen - ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung, die Beschäftigungspflichtquote bei 5 % zu belassen, nur zu begrüßen. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit behinderter Menschen in dem Zeitraum, in dem die Pflichtquote gesenkt wurde und Arbeitgeber und Verbände sich für Beschäftigungsmöglichkeiten Behinderter engagierten, verdeutlicht, dass nicht die Höhe der Ausgleichsabgabe entscheidend für die Einstellung eines Arbeitnehmers mit Behinderung ist, sondern dass es auf die Motivation, Einsicht und Überzeugung der Arbeitgeber ankommt. Daher ist die Festlegung der Beschäftigungspflichtquote auf 5 % und deren Überprüfung im Jahr 2007 ein Weg, den wir für sinnvoll halten.

Meine Damen und Herren! Sie können davon ausgehen, dass die Landesregierung von Sachsen-Anhalt bei der notwendigen Weiterentwicklung des Rechts für Menschen mit Behinderungen nicht abseits stehen wird. Bei den anstehenden Beratungen im Bundesrat sollen die Interessen der Länder noch besser verankert werden. Nicht umsonst gibt es dort wohl bereits um die 80 Änderungsanträge.

Um den Kreis zum Anspruch der Gesetzesüberschrift zu schließen: Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir mit noch so schönen Gesetzen einen Erfolg bei der Ausbildung und Beschäftigung von behinderten Menschen nicht herbeibeschließen können, wenn es uns nicht gelingt, die wirtschaftliche Situation in Deutschland insgesamt zu verbessern.

Sie sehen, meine Damen und Herren - ich hoffe, es ist mir in der Kürze der Zeit gelungen, das darzustellen -, auch ohne den Antrag der PDS-Fraktion sind wir bzw. die Landesregierung in dieser Frage am Ball. Daher

werden wir den Antrag ablehnen. Eine Überweisung des Antrages an den Ausschuss halte ich an dieser Stelle angesichts der Formulierungen auch nicht für sinnvoll. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Zu- ruf von Frau Dr. Weiher, PDS)

Vielen Dank, Herr Scholze. - Nun spricht zum Abschluss der Debatte noch einmal Herr Dr. Eckert. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was ich von der Landesregierung möchte, ist einfach, dass sie das ursprüngliche Gesetz von September 2000 umsetzt. In diesem Gesetz steht: Wird die Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter nicht um 25 % bzw. 50 000 gesenkt, wird die Pflichtquote von 5 % auf 6 % erhöht. In keinem Fall wurden 25 % erreicht, in einem Monat wurden 24 % erreicht. Jetzt will ich einfach nur, dass das Gesetz umgesetzt wird, dass die Pflichtquote also von 5 % auf 6 % erhöht wird.

(Zustimmung bei der PDS)

Das ist auch das Ansinnen der deutschen Behindertenverbände, die sich dazu mehrfach geäußert haben. Sie sind sehr vorsichtig und verantwortungsbewusst an die Problematik herangegangen. Im November vergangenen Jahres haben die deutschen Behindertenverbände gesagt: Toller Erfolg, schauen wir einmal nach, wie nachhaltig dieser Erfolg ist. Dann musste man feststellen, dass es kein nachhaltiger Erfolg war. Es war vielmehr das Ergebnis sehr kurzfristiger, temporärer Maßnahmen.

Das ist eigentlich genauso, als wenn man jemandem sagt: Wir machen einmal eine Prüfung und wir legen fest, welche Kriterien für die Prüfung gelten. Dann macht man die Prüfung und stellt fest, die Kriterien sind nicht erfüllt, aber das Abschlusszeugnis bekommt er trotzdem. Genau das geht meines Erachtens nicht.

(Zustimmung bei der PDS - Minister Herr Dr. Daehre: Bis 1990 haben wir es so gemacht!)

Daher möchte ich ganz einfach nur, dass dieses Gesetz aus dem Jahr 2000 so umgesetzt wird. Ich kann einfach nicht erkennen, warum die Arbeitgeber für ihr in der überwiegenden Mehrheit nicht gesetzeskonformes Verhalten noch belohnt werden. Das ist doch der Ansatz.

Zweiter Punkt. Sie haben gesagt: Ausbildungsmöglichkeiten verbessern. Ich habe auch deutlich gemacht, es könnte mit den im Gesetz enthaltenen Überlegungen möglich sein. Es geht also in die richtige Richtung. Die Bundesregierung bleibt aber wieder auf der Hälfte der Strecke stehen, weil wiederum kaum untersetzt wird, wie das umgesetzt werden soll.

Daher muss ich sagen - das ist jetzt der dritte Punkt -: Für Ostdeutschland wird das nicht greifen. Wenn ich mich richtig erinnere, haben etwa 80 % unserer Betriebe eine Belegschaft bis 20 Personen. Das bedeutet, das trifft uns nicht nur, sondern wir müssen auf diese Bedingungen anders reagieren. Das wird in diesem Gesetz überhaupt nicht beachtet. Darum geht es mir. Deshalb stelle habe ich die Bitte, sich dafür einzusetzen, dass das Gesetz entsprechend unseren Bedingungen geändert wird.

Ein kleiner Blick zu Frau Vogel: Erst habe ich wirklich gedacht, Sie wollen die Kritik nicht nur untersetzen, sondern auch helfen, dass das Bundesgesetz so verändert wird. Sie haben ja richtig zugestimmt. Insofern verstehe ich nicht - Herr Bischoff hat es noch einmal zum Ausdruck gebracht -, warum Sie unserem Antrag nicht zustimmen können. - Danke schön.

(Zustimmung bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Dr. Eckert. - Es wurde beantragt, diesen Antrag der PDS-Fraktion in der Drs. 4/1154 in die Ausschüsse zu überweisen. Wer stimmt dem zu? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen und damit die Mehrheit. Damit ist der Überweisungsantrag abgelehnt worden.

Wir stimmen jetzt über den Antrag selbst ab. Wer stimmt dem zu? - Die PDS-Fraktion. Wer stimmt dagegen? - Die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Die SPD-Fraktion. Der Antrag ist damit mehrheitlich abgelehnt worden. Der Tagesordnungspunkt 25 ist beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf:

Beratung

Erfüllung des so genannten „Heidekompromisses“ durch die Bundeswehr

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/1155

Alternativantrag der Fraktionen der FDP und der CDU - Drs. 4/1183

Ich bitte Herrn Czeke, den Antrag einzubringen.

(Minister Herr Dr. Daehre: Herr Czeke, geben Sie es mal zu Protokoll!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, mich kurz zu fassen. Ich werde es nicht zu Protokoll geben, garantiert nicht.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU - Minis- ter Herr Dr. Daehre: Das hätte mich auch über- rascht! - Herr Tullner, CDU: Aber anfangen kön- nen Sie bitte! - Zustimmung bei der CDU)

- Ich habe für meine Einbringung noch ein wenig mehr Zeit. - Sie werden sich garantiert wundern, warum wir im zweiten Teil unseres Antrags insbesondere auf Hillersleben abstellen. Ich weiß nicht, wer im MDR vor kurzem, am 22. Oktober 2003, die Reportage zum Thema „Geheimprojekt Hillersleben - Die Versuchsstelle der Deutschen Wehrmacht“ gesehen hat.

Aus der geschichtlichen Situation heraus möchte ich Ihnen etwas zur Kenntnis geben. Wir hatten es heute schon einmal, dass eine Fraktion meinte, sie sei erst wieder neu im Landtag und müsse sich das eine oder andere erst aneignen. Im Jahr 1935 wurde in der Colbitz-Letzlinger Heide der zweitgrößte Versuchsplatz der Deutschen Wehrmacht erbaut. Hier wurden Wunderwaffen erprobt wie zum Beispiel die „Dora“, die bis heute größte Kanone. Sie wurde hier getestet; sie verschoss sieben Tonnen schwere Granaten.

Die Kollegen unter uns, die sich mit der Sprengkraft ein wenig auskennen, wissen, welche Gefahr heute noch von solcher Fundmunition ausgeht. Experten garantieren, dass Sieben-Tonnen-Geschosse noch heute im Sand der Heide liegen, noch nicht geborgen sind.

Wir haben uns in diesem Hohen Haus schon mehrfach über das Thema der Bergung von Munition und Munitionsteilen unterhalten, sodass dann anschließend die Presse getitelt hat, ich würde wohl Lkw in Dreierreihen von Magdeburg bis nach Paris stellen wollen. - Das ist weit gefehlt. Zudem ist der Bund so klamm an Geld, dass er das nie bezahlen könnte.

Der Kollege Schulz hat vorhin richtigerweise, als es um die Objekte und Institutionen der militärischen Zunft auch auf sachsen-anhaltinischem Gebiet ging, von „klassischer Landesverteidigung“ gesprochen. Das ist vollkommen korrekt. Die Militärdoktrin hat sich in der Bundesrepublik Deutschland ganz gravierend gewandelt - abgewendet von der klassischen Landesverteidigung hin zu - das ist dann wohl auch so - einem Angriffskrieg, der auch tatsächlich dort trainiert wird bzw. trainiert werden kann. Das, denke ich, stößt an die Grenzen, die unser Grundgesetz gebietet.

Es wird dann immer gefragt: Wenn wir jetzt mit dem Antrag tatsächlich die Anlage in Hillersleben bis in die Endkonsequenz der Konversion zuführen, wo nehmen wir dann das Geld dafür her? - Im Einigungsvertrag ist eindeutig geregelt, dass dies aus den militärischen Altlasten zu bezahlen ist. Unter anderem ist dort auch der Abzug der sowjetischen Truppen geregelt worden.

Mich würde schon interessieren, ob denn aus diesem Topf noch Geld da ist, das wir dafür einsetzen könnten; denn es geht nicht nur um die militärische Nutzung. Die Grundidee eines früheren Landtagsbeschlusses, der hier einmal gefasst wurde, war, den südlichen Teil der zivilen Nutzung zuzuführen. Das wird jetzt mit allen Möglichkeiten, die aufgetan worden sind, infrage gestellt.