Protokoll der Sitzung vom 21.11.2003

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Theil, ich will vorweg schicken, dass ich mit dem Beginn Ihrer Ausführungen durchaus einverstanden bin. Sie haben gesagt, dass insgesamt die finanzielle Situation der Kommunen in Deutschland prekär sei. Genau das war eines der Ergebnisse auf der gestrigen Sitzung des Finanzplanungsrates, nämlich dass den Kommunen geholfen werden muss. Aber gleichzeitig ist festgestellt worden, dass sich, wenn man die Zahlen ansieht - das haben wir gemeinsam getan -, das Bild zeigt, dass es in ganz Deutschland so ist. Das muss von vornherein einmal gesagt werden.

Wir sitzen in Sachsen-Anhalt nicht auf einer Insel, wo eine böse Landesregierung den Kommunen besondere Lasten aufbürdet;

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

vielmehr befinden wir uns in Deutschland in der schwersten Finanzkrise von Bund, Ländern und Gemeinden, die wir seit 20 Jahren hatten. Darunter leiden auch wir in Sachsen-Anhalt.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Liebe Frau Theil, ich will darauf verzichten, hier ein umfangreiches Zahlenmaterial auszubreiten. Aber lassen Sie mich einen Punkt, den Sie angeführt haben, korrigieren. Sie haben gesagt, in den neuen Haushaltsplanentwurf wäre bei den allgemeinen Finanzzuweisungen ein um 114 Millionen € geringerer Betrag eingestellt worden. Das ist nicht richtig. Die Höhe der Finanzausgleichsmasse bleibt konstant; sie wird sogar ganz leicht zunehmen, aber im Wesentlichen bleibt sie konstant. Das kann man an den Zahlen ablesen. Man muss sich die Zahlen nur genau ansehen.

Bei den Investitionen gibt es in der Tat eine Kürzung, aber sie ist im Vergleich zu den Kürzungen, die wir bei

Investitionen in anderen Bereichen des Landeshaushalts vorgenommen haben, unterdurchschnittlich.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Gallert?

Bitte am Schluss. - Dieser Punkt muss deutlich hervorgehoben werden. Es kann nicht die Rede davon sein, dass wir den Kommunen hiermit Sonderlasten aufbürden; vielmehr versuchen wir - übrigens auch bei der Verrechnung der Steuerausfälle über die Jahre -, den Kommunen möglichst entgegenzukommen.

Das, was ich zu einem frühen Zeitpunkt hier gesagt habe, bleibt vollkommen richtig: Kommunen und Land sitzen in einem Finanzverbund; Kommunen und Land sitzen in einem Boot. Das ist unverändert richtig. Aber wir nehmen für uns durchaus in Anspruch, dass wir alles tun, um die Belastung für die kommunalen Haushalte in einer insgesamt äußerst schwierigen Situation möglichst gering zu halten.

Meine Damen und Herren! Darüber hinaus muss man ein wenig im Auge behalten, dass wir es nicht mit einer Situation zu tun haben, in der für alle Kommunen des Landes das Gleiche gilt. Es gibt enorme Unterschiede. Es gibt auch enorme Unterschiede hinsichtlich der eigenen Einnahmen der Kommunen, vor allem durch die Gewerbesteuer. Also hierbei darf man nicht alles über einen Kamm scheren. Wir haben uns in der Landesregierung vorgenommen, dies in Zukunft etwas stärker zu berücksichtigen.

Meine Damen und Herren! Auf einen Punkt muss ich bei dieser statistischen Gesamtschau, die Sie, Frau Theil, gemacht haben, selbstverständlich hinweisen. In den Jahren von 1995 bis 2002 ist der Anteil der Landesschulden an der Gesamtschuld in diesem Land deutlich gestiegen, nämlich von 74 auf 82 %. Das heißt, das Land hat erheblich mehr Schulden in Kauf genommen. Der Anstieg bei der kommunalen Verschuldung liegt bei ca. einem Drittel. Das ist ebenfalls unbefriedigend. Daran muss sich etwas ändern.

Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass das Land die finanziellen Probleme der Kommunen so weit wie möglich auffängt. Dass wir in dieser Situation trotzdem eine neue Perspektive brauchen, ist völlig unbestritten. Das Land und die Kommunen müssen aber ihre Hausaufgaben machen.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle im Anschluss an die vorherige Debatte eine kleine Bemerkung: Wenn wir uns als Regierung diese scharfe Polemik mit Blick zur Schulentwicklungsplanung anhören müssen, dann muss ich sagen, dass diese Schulentwicklungsplanung zum einen der sinkenden Anzahl der Kinder in diesem Land und zum anderen der finanziellen Situation geschuldet ist.

Wir können einfach nicht - das wissen Sie genauso gut wie wir - eine Schulversorgung auf einem Niveau aufrechterhalten, wie sie es bisher war. Wir müssen diese Schulversorgung anpassen; denn sonst wird uns von anderen Ländern vorgeworfen, dass wir im konsumtiven Bereich Geld verschwenden.

Meine Damen und Herren! Wenn man heute in die Zeitung schaut, kann man lesen, dass sich sogar ein SPD

Abgeordneter aus Thüringen inzwischen dem Tenor westdeutscher Vorwürfe anschließt und darauf hinweist, dass Transfermittel nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern verwendet werden dürfen. Wenn diese Haushaltslöcher aber dadurch entstehen, dass man keine Anpassungen vornimmt und eine Schulentwicklungsplanung nicht vernünftig durchführt, dann würden wir die Verantwortung dafür tragen. Wir sagen ganz klar: Hier müssen die entsprechenden Anpassungen vollzogen werden, damit wir solchen Vorwürfen nicht ausgesetzt sind.

Meine Dame und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss darauf eingehen, was im Moment im Bundestag und im Vermittlungsausschuss an Reformen auf dem Tisch liegt. Frau Theil hat dankenswerterweise die Gemeindewirtschaftsteuer angesprochen. Aber das ist nicht der einzige Punkt. Es gibt einen anderen großen Komplex, der sich mit der Arbeitslosenhilfe, der Sozialhilfe und „Hartz IV“ beschäftigt.

Wie man heute der Presse entnehmen konnte, gibt es dabei schon Fortschritte. Ich sage ganz klar: Diese Landesregierung steht dafür, dass ein vernünftiger Weg bei der Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe gefunden wird, der die Kommunen finanziell entlastet. Was die Bundesregierung mit Hartz IV ursprünglich vorgelegt hat, hatte zum Inhalt - liebe Frau Theil, das muss man zur Kenntnis nehmen -, dass über 10 Milliarden € über die Umsatzsteuer in die Kassen des Bundes umgeschichtet werden sollten. Auf der Bundesseite behauptete man, dass es entsprechende Einsparungen bei den Kommunen geben würde.

Meine liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten! Wir haben von vornherein gesagt, dass das Milchmädchenrechnungen sind. Wir haben deshalb dem Hartz-IVKonzept Widerstand im Bundesrat entgegengesetzt. Siehe da, es scheint Bewegung in die Angelegenheit zu kommen. Wir scheinen uns einer vernünftigen Lösung zu nähern, bei der einerseits die Bundesanstalt für Arbeit und andererseits die Kommunen zusammenarbeiten und das Ganze nicht auf dem Rücken der Kommunen ausgetragen wird, indem auf die Kommunen noch zusätzliche Belastungen zukommen. Das ist der konstruktiven Rolle zu verdanken, die eine Reihe von Ländern, aber auch Sachsen-Anhalt, in diesem Vermittlungsprozess spielt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Lassen Sie mich noch ein Wort zur Gemeindewirtschaftsteuer sagen. Es ist ganz klar, wir brauchen eine Veränderung der Gemeindefinanzen. Aber es kann nicht so sein, dass diese Veränderungen einfach in Form eines Gesetzentwurfes vorgelegt werden, der mit heißer Nadel gestrickt wurde, obwohl zwei Jahre lang eine Kommission zusammensaß, die dazu Vorschläge gemacht hat. Diese Vorschläge wurden berechnet. Kaum hatte man die Vorschläge berechnet, stülpte die SPD das Ganze wieder um. Inzwischen hat sie einen weiteren Schritt zurück gemacht.

Wir haben inzwischen ein Modell vorliegen, lieber Herr Dr. Püchel, von dem wir gar nicht wissen, was es im Einzelnen finanziell bedeutet. Es ist ein Modell mit folgenden Auswirkungen: Es hilft zwar die Gemeindefinanzen kurzfristig zu sanieren, das geschieht aber auf

Kosten der mittelständischen Wirtschaft. Das machen wir nicht mit. Das sagen wir ganz deutlich.

(Frau Fischer, Naumburg, SPD: Das ist doch gar nicht wahr! - Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD - Zustimmung bei der CDU - Herr Dr. Püchel, SPD: Da klatschen die auch noch!)

Die mittelständische Wirtschaft müsste mit diesem Entwurf, der mit ertragsunabhängigen Komponenten vorgelegt wurde, eine Substanzbesteuerung hinnehmen. Das wäre in ganz Deutschland so, wenn dieses Gesetz beschlossen würde. Das gilt in besonderer Weise für Mittel- und Ostdeutschland, da unsere Wirtschaft bekanntlich nur aus kleinen und mittleren Unternehmen besteht.

(Zuruf von der PDS)

Das werden wir nicht mitmachen. Genauso werden wir es nicht mitmachen, dass in diese Besteuerung zusätzlich Freiberufler hineingenommen werden, die kein Gewerbe betreiben, sondern einen freien Beruf ausüben, der kammerrechtlichen Restriktionen unterliegt und ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem Klienten und dem Freiberufler impliziert. Das sind ordnungspolitische Frage, die man nicht einfach vom Tisch wischen kann.

(Herr Gürth, CDU: Richtig!)

Hierzu brauchen wir eine vernünftige Lösung. Es wird darüber nachgedacht. Das wird wahrscheinlich nach den Beratungen im Vermittlungsausschuss der Fall sein. Es wird im Vermittelungsausschuss wahrscheinlich nicht zu einer Lösung kommen.

Aber, lieber Herr Dr. Püchel, wir verschließen uns gegebenenfalls nicht einer Übergangslösung - das haben wir immer gesagt -, die die schwierige Finanzlage der Kommunen im nächsten Jahr ein Stück weit auffängt. Es ist wichtig, dass wir dann mit der notwendigen Sorgfalt, die wir bisher bei der Bundesregierung vermissen mussten, eine grundlegende Reform anstreben, sowohl was die Einkommensbesteuerung generell als auch was die Gemeindefinanzen betrifft. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke, Herr Finanzminister. Es gibt noch eine vertagte Anfrage von Herrn Gallert. - Bitte sehr, Herr Gallert.

Herr Finanzminister, ich bitte Sie jetzt wahrscheinlich zum dritten oder vierten Mal, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Finanzausgleichssumme im Vergleich der Jahresscheiben 2003 und 2004 erheblich sinkt und dieser Umstand aus dem Haushaltsplan deshalb nicht hervorgeht, weil wir diese Verrechnungsklauseln haben. Das ist von Herrn Müller im Ausschuss bereits deutlich dargelegt worden.

Außerdem ist es so, dass die Höhe der Finanzausgleichsmasse sinkt, da Sie im letzten Jahr noch eine Summe in Höhe von deutlich über 20 Millionen € außerhalb des FAG über diesen Berechnungsschlüssel ausgekippt haben. Die kommunalen Verantwortlichen interessieren sich doch nicht für die Verrechnungswege hin und her, sondern sie interessieren sich dafür, ob sie

weniger oder mehr bekommen. Sie erhalten deutlich weniger, nämlich 114 Millionen € im Jahr 2004. Das kann man nicht ignorieren, indem man sich an seinen eigenen Haushaltsplänen festhält.

(Beifall bei der PDS)

Punkt 2, Herr Paqué. Sie schimpfen - zum großen Teil vollkommen berechtigt - auf die Bundesregierung. Alles klar, alles schön.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Die Gemeindewirtschaftsteuer hilft zwar ein wenig, aber sie löst das Problem nicht. Von Ihnen kommt jedoch kein einziges Wort darüber, was die Landesregierung auf Bundesebene zugunsten der Kommunen tun will.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Sie haben zehn Minuten lang geschimpft, aber keine einzige Alternative aufgezeigt.

Lieber Herr Gallert, zum ersten Punkt. Wir haben das im Finanzausschuss ausführlich besprochen. Es gibt natürlich einen Verrechnungsmodus, den wir aber so gestalten, Herr Gallert, dass wir die Kommunen möglichst schonen. Das müssen Sie auch dazu sagen. Was wir im letzten Jahr gemacht haben, ist mit voller Zustimmung von Ihrer Seite, auch im Finanzausschuss, geschehen. Ich habe die Worte noch im Ohr.

(Herr Gallert, PDS: Ansonsten wären es 180 Mil- lionen gewesen!)

- Ich finde es schon ein wenig unerhört, gewissermaßen das Entgegenkommen, dass die Landesregierung in der Verrechnung über die Jahresscheiben - -

(Unruhe bei der SPD und bei der PDS - Frau Budde, SPD, lacht)

- Also, Frau Budde, Ihr höhnisches Lachen ist an dieser Stelle völlig unangebracht.

(Herr Gallert, PDS: Das hat damit nichts zu tun, Herr Paqué!)

- Selbstverständlich, Sie haben es doch selbst gesagt. Es geht um die Verrechnung zwischen den Jahresscheiben, die wir in einer Weise gestalten, dass sie nicht zum Nachteil der Kommunen gereicht.

(Herr Gallert, PDS: Das ist zu schwer! Das kann ich Ihnen jetzt nicht erklären! - Frau Budde, SPD: Es ist schlimm, wenn man seinen eigenen Haus- halt - -)