Der Verwaltungsreformzug hatte bis Juni 2002 einen klaren Kurs - das war das Leitbild von 1999 -, einen klaren Fahrplan und ein klares Ziel. Dieser Reformzug wurde mit der Aufhebung der drei Vorschaltgesetze zunächst auf ein Nebengleis geschoben. Da sollte er vielleicht, wenn es nach einigen Strukturkonservativen in der CDU gegangen wäre, auf ewige Zeiten schmoren. - Die Aussage bezüglich der Strukturkonservativen ist Originalton Wolpert.
Dank der FDP und des Ministerpräsidenten, gewiss auch gefördert durch die prekäre Finanzsituation des Landes, dämmerte es vielleicht langsam, dass hiermit tatsächlich der erste Kardinalfehler der neuen Koalition gemacht wurde, wie ich es Ihnen schon damals prophezeite und charakterisierte.
Nun gibt es schüchterne Versuche, den Reformzug wieder in Bewegung zu setzen. Er steht nun aber erst einmal auf einem Nebengleis und ein Zurück gibt es natürlich nicht. Die Zeit ist darüber hinweggegangen
und mit den anstehenden Kommunalwahlen im Jahr 2004, Herr Kosmehl, ist eine Schranke gesetzt, die alle umfassenden Lösungsansätze der Reform erst einmal auf die lange Bank schiebt.
Der Zeitpunkt ist verpasst worden und jetzt kommt vielleicht eines Tages eine völlig andere Zeitschiene auf uns zu; denn der Reformzug - wenn ich diesem Bild bleiben darf - fährt inzwischen langsam auf dem Nebengleis. Mit vielen Nebenstationen und auf großen Umwegen geht es in eine Nebelwand hinein,
Herr Kosmehl, die FDP hat erst für nächstes Jahr ein Leitbild angekündigt, wenn ich einmal daran erinnern darf. Ich bin gespannt, ob Ihnen viel Neues gegenüber dem, was im Jahr 1999 schon eine Rolle gespielt hat, einfällt.
Ich darf auch an die Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes vom 8. Mai 2000 erinnern, denn ich habe daran mitgewirkt. Damals waren wir in Klausur in Friedrichsbrunn und haben zum damaligen Leitbild der Landesregierung Stellung genommen. Ja, die damalige Landesregierung hatte wenigstens ein Leitbild und man konnte als kommunaler Spitzenverband qualifiziert dazu Stellung nehmen.
Das ist heute überhaupt nicht möglich, weil der kommunale Spitzenverband nicht weiß, wohin eigentlich die Reise gehen soll.
Die damalige Opposition stand also mit ihrem Gerede von der fehlenden Freiwilligkeit immer im Gegensatz zum Standpunkt des Städte- und Gemeindebundes. Die Interessenvertretung der Kommunen hat immer eingefordert, den Kommunen endlich eine Perspektive aufzuzeigen, wie sie mit weniger Geld gleichwohl Gestaltungskraft besitzen können. Ich erwarte von der Koalition, dass sie dieser Verantwortung endlich gerecht wird.
Der Reformzug der Landesregierung, von dem Sie sagen, Herr Kosmehl, dass er nun wieder langsam rollt,
- jawohl - erinnert mich an einen Castorzug, der von Frankreich durch Deutschland fährt und dann irgendwie nach Gorleben kommt. Dieser Zug weiß wenigstens, wohin er soll. Aber der Zug, den Sie haben fahren lassen, kennt doch sein endgültiges Ziel noch gar nicht.
(Beifall bei der SPD - Minister Herr Dr. Daehre: Da sind doch auch viele Bremser auf der Schiene vor Gorleben!)
Aber schließlich erreicht der Zug sein Ziel. Bei jedem Reformprozess gibt es immer einige, die schieben, und einige, die bremsen. Das sehen wir auch jetzt in Berlin. Hoffentlich gibt es das Land Sachsen-Anhalt noch, wenn dieser Reformzug sein Ziel erreicht hat.
- Herr Gürth, die erkennbaren Unklarheiten hinsichtlich Reformzielen, Zeitschiene, Orientierungsgrößen und Vernetzung der angestrebten Strukturen widerspiegeln sich
auch in den korrespondierenden Gesetzentwürfen, nämlich in dem Gesetz zur Stärkung der Verwaltungsgemeinschaften, dem Gesetz zum Landesverwaltungsamt, dem Gesetz zur kommunalen Gemeinschaftsarbeit und auch dem heute in Rede stehenden Gesetz, dem Kommunalwahlgesetz.
- Hören Sie doch mal zu und dann können Sie Ihre Fragen stellen. Hören Sie erst einmal zu, denn Sie waren nicht in der Sitzung des Innenausschusses.
Der Innenausschuss hat am 26. November 2003 die Ihnen vorliegende Beschlussempfehlung erarbeitet. Im Ausschuss legten CDU und FDP einen Änderungsantrag vor, mit dem § 46 geändert werden sollte, der bis zu diesem Tag nicht Gegenstand unserer Beratung war.
Man wollte § 46 des Kommunalwahlgesetzes dahin gehend ändern, dass für den Fall freiwilliger Kreisstrukturänderungen während der Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 1. Juli 2008 die Wahlperiode erst mit dem Ende der nächsten Wahlperiode endet, das heißt, statt im Jahr 2009 im Jahr 2014. Das könnte im Einzelfall eine Wahlperiode von neun Jahren bedeuten, das heißt von 2005 bis 2014. Das war, wie gesagt, vor 14 Tagen und scheint nun schon wieder überholt zu sein.
Nachdem die Koalitionsfraktionen diese Änderung im Ausschuss gegen unsere Stimmen verabschiedet hatten, konnte man der Presse entnehmen, dass nach der klaren Informationspolitik des Finanzministers über die Arbeitsergebnisse des Koalitionsausschusses bis zum Jahr 2008 doch eine Kreisgebietsreform stattfinden soll. Im Gesetz müsste nach dieser Entwicklung nun der neue Wahltermin im Jahr 2008 stehen, dem Jahr, in dem Sie die Kreisgebietsreform abgeschlossen haben wollen. Die Regierungssprecherin sagt jedoch: Es bleibt bei 2009.
Was gilt denn eigentlich? Sollten die Personen, die sich wählen lassen, und die Menschen in den Gebieten, in denen gewählt wird, nicht von vornherein wissen, dass es vielleicht um eine Wahlperiode von nur vier Jahren geht?
Wir haben heute eigentlich mit einem diesbezüglichen Änderungsantrag von Ihnen gerechnet. Wir machen Bekanntschaft, möchte ich sagen, mit einer neuen Form der Springprozession der Koalition,
Die Konfusion ist offensichtlich, hat doch der Herr Innenminister bis vor kurzem eine Kreisgebietsreform als überhaupt nicht notwendig angesehen. Nun wird punktuell herumgedoktert und eine klare Linie ist nicht zu erkennen. Vielmehr hat man jetzt den Eindruck, Sie wollen eine Kreisgebietsreform durchführen und wollen anschließend das dazu erforderliche Leitbild vorlegen. Wie soll da eine Reform aus einem Guss zustande kommen?
Die SPD bedauert im Interesse des Landes die Konzeptionslosigkeit der Koalition in Sachen Entwicklung der kommunalen Strukturen und die koalitionsinternen Auseinandersetzungen über den Reformkurs gehen zulas
Wir werden deshalb diesem Entwurf nicht zustimmen, sondern uns der Stimme enthalten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und jetzt bitte die Fragen.
Herr Kollege Polte, lassen Sie mich, bevor ich meine Frage stelle, eine kurze Bemerkung voranstellen. Ich hatte während Ihrer Rede zeitweilig den Eindruck, dass Sie nicht immer an den Beratungen des Innenausschusses in den letzten Monaten teilgenommen haben,
wenn Sie davon ausgehen, dass zum Beispiel hinsichtlich der Gemeinden und der Verwaltungsgemeinschaften kein Ziel benannt wäre. Dieses Ziel haben wir klar definiert; wir haben es im Landtag mit dem Gesetzentwurf verabschiedet und im Innenausschuss auch darüber beraten. Auch die Zielgrößen haben wir festgelegt. Ich weiß nicht, was Sie noch für ein Ziel sehen wollen. Auch die Zeitschiene ist klar und hat in den Beratungen des Innenausschusses ebenfalls eine Rolle gespielt. Ich verstehe Sie diesbezüglich nicht. Sie scheinen da noch im Nebel zu stehen.
Herr Polte, zu meiner Frage. Sie sagten, dass es für die kommunale Spitzenverbände nicht möglich ist, qualifizierte Stellungnahmen abzugeben. Sind Sie mit mir nicht auch der Meinung - ich formuliere es als Frage -, dass die Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände, die sie bisher zu den Reformgesetze abgeben haben, sehr wohl qualifiziert sind?