Protokoll der Sitzung vom 22.01.2004

(Herr Czeke, PDS: Sehr gut! - Herr Grünert, PDS: Da waren wir schon einmal weiter!)

Wenn wir an dieser Stelle als Landesregierung unsere Gesundheitsziele neu justieren und hierbei auch die Frage der Bewegungsarmut mit wesentlichen präventiven Bereichen in den Fokus nehmen, dann muss auch gesagt werden - wir sind ja vorhin schon dafür kritisiert worden -, dass das nicht konkret abrechenbar wäre.

Herr Dr. Eckert, ich danke Ihnen für die Unterstützung in diesem Bereich und dafür, dass Sie noch einmal darauf hinweisen, dass das ein ganz wesentlicher Punkt ist, der uns hilft, im Gesundheitswesen dafür zu sorgen, dass sich die Menschen insgesamt wohler fühlen.

Wir haben im Bereich der Kindertagesstätten - das wurde von Ihnen noch gar nicht angesprochen - jetzt ein großes Programm initiiert, bei dem wir gegenwärtig in der zweiten Stufe sind. Es ist das Projekt „Toben macht schlau“. Wir haben das Projekt auf den Weg gebracht, weil wir sehr wohl erkannt haben, dass die körperliche Bewegung ein erstes Ausdrucksmittel der Kinder ist.

Hierbei geht es nicht nur darum, Wohlbefinden zu erzeugen, sondern auch darum, zukünftige Intelligenz zu unterstützen. Allzu lange wurde der Sport nur als Möglichkeit der Erholung gesehen. Wir als Landesregierung haben sehr wohl erkannt, dass mit der Bewegung der Kinder auch ein zusätzliches Mittel zur Steigerung der Intelligenz vorhanden ist und dass damit auch Unterstützung für frühkindliche Entwicklungsvorgänge gegeben werden kann.

Wir werden Ihnen zu gegebener Zeit, wenn dieses Projekt, welches wir mit der Otto-von-Guericke-Universität gemeinsam durchführen, erste Erfolge gezeigt hat, darüber berichten.

Seit dem Jahr 1993 wird vom Kultusministerium die Aktion „Sport in Schule und Verein“ wesentlich unterstützt, eine Bewegung, die zu einer Verknüpfung von schulischen und freiwilligen Angeboten führt und seitdem auch wesentliche Erfolge gezeitigt hat. Denn es kann nicht nur in der Schule Sport getrieben werden. Unsere Vereine, unsere vielen Ehrenamtlichen stehen jederzeit bereit, den Kindern mit interessanten Angeboten mehr zu bieten, als ihnen im Schulsport, wo auch noch die Benotung im Vordergrund steht, geboten werden kann.

Dabei hat die Landesregierung trotz angespannter Haushaltslage im vorigen Jahr durch die Fortführung des Programms „Ü 55“ seitens des Wirtschaftsministeriums Unterstützung gegeben. Es konnten 2 500 Übungsleiterstellen weitergeführt werden - das ist eine wesentliche Unterstützung für unsere Sportvereine.

Sie sehen bereits an meiner Aufzählung, dass die gesamte Landesregierung mit dem Thema Sport für Jugendliche und Kinder verbunden ist und dass es nicht allein eine Aufgabe des Kultusministers sein kann.

Auf der Sportministerkonferenz im Herbst 2003 hatten wir die EU-Kommissarin Viviane Reding bei uns zu Gast, die eine wesentliche Trägerin des Europäischen Jahres der Erziehung durch Sport ist, und haben mit ihr gemeinsam überlegt, welche Maßnahmen möglich sind. Das Land Sachsen-Anhalt ist also auch in die Antragstellung und in die Ausprägung der Projekte im Laufe dieses Europäischen Jahres involviert.

Ich möchte an dieser Stelle das wiederholen, was ich vorhin schon zum Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen gesagt habe: Wir dürfen nicht nur europäische Jahre zum Anlass nehmen, etwas zu tun. Wir befinden uns in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess und wir sehen dies auch als stete Aufgabe.

Der Sport, so habe ich, glaube ich, in meiner kurzen Rede verdeutlichen können, spielt sehr wohl eine wesentliche Rolle in der Politik der Landesregierung für Kinder und Jugendliche. Wir werden gemeinsam mit dem Landessportbund noch einige spezifische Maßnahmen durchführen, um den Kinder- und Jugendsport zu fördern.

Aber auch der Sport für Erwachsene - im Bereich der Gesundheitsprävention von uns immer wieder angesprochen - ist wichtig, wie auch - das ist ein Thema, das uns in Zukunft beschäftigen wird - der Sport für die älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger, die ganz andere Anforderungen an Sportstätten stellen, die dann auch ganz andere Anforderungen an Sportangebote stellen werden und die eine Klientel sind, die wir nicht vergessen dürfen.

Ich wünsche eine interessante Beratung nach der Annahme des Alternativantrages der Koalitionsfraktionen.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Danke, Herr Minister. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Kurze. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Durch einen gemeinsamen Beschluss haben das Europäische Parlament und der Europäische Rat das Jahr 2004 zum Europäischen Jahr der Erziehung durch Sport ausgerufen. In diesem Jahr will die Europäische Union auf die Potenziale und die besondere Bedeutung des Sports im Bereich der Erziehung aufmerksam machen. Sie will auf die Möglichkeiten der Kooperation zwischen Bildungseinrichtungen und Sportorganisationen aufmerksam machen und diese für Kooperationen sensibilisieren.

Dieses Jahr bietet die Chance, die Bedeutung des Sports herauszustellen, die Chancen für die Politikfelder Erziehung, Sozialpolitik, Integration und Jugendpolitik besonders hervorzuheben, und macht deutlich, wie wichtig Sport in der heutigen Gesellschaft ist.

Aus verschiedenen Untersuchungen und Studien ist seit geraumer Zeit bekannt, dass Kinder und Jugendliche Defizite in ihrem Bewegungsverhalten und in ihrem Bewegungsstatus aufweisen. Die Alfried-Krupp-von-Bohlenund-Halbach-Stiftung hat diesbezüglich den ersten deutschen Kinder- und Jugendsportbericht in Auftrag gegeben und diesen zwischenzeitlich auch vorgestellt.

Der Bericht enthält eine differenzierte Analyse der Situation des Kinder- und Jugendsports in Deutschland und bietet Vorschläge für dessen Verbesserung und Weiterentwicklung. Mit diesem Bericht wird die Bedeutung des Sports für die körperliche und soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in seiner ganzen Vielschichtigkeit dargestellt und ausgewertet. Der Bericht dokumentiert den deutlichen Rückgang der körperlichen und

motorischen Leistungsfähigkeit der Kinder und Jugendlichen gegenüber Gleichaltrigen vor 30 Jahren.

Dieser Entwicklung gilt es nun entgegenzuwirken. Hierzu brauchen wir nicht nur das Engagement unserer Sportvereine, die durch gut ausgebildete Übungsleiter und Trainer dieser Entwicklung begegnen können. Wir brauchen auch die Politik, die gefordert ist, kinderfreundliche Städte zu schaffen und dem Sport auch im Schulunterricht wieder eine höhere Priorität einzuräumen. Wir brauchen natürlich auch Lehrer, die engagiert sind und auch nach dem Unterricht Angebote schaffen, die es den Kindern ermöglichen, sich sportlich zu betätigen.

Dass wir den Freizeitbereich als sehr wichtig einschätzen, hat die Regierung mehrmals deutlich gesagt. Die Förderung des Breiten- und des Leistungssports für Junge und für Alte wird es in dieser Größenordnung, in der wir sie haben, auch weiterhin geben. Das hat für uns eine sehr große Bedeutung.

Wenn wir uns anschauen, dass jeder zweite Schüler und jede vierte Schülerin Mitglied eines Sportsvereins in Sachsen-Anhalt sind, dann sehen wir, dass es eine große Bevölkerungsgruppe betrifft.

Der Bericht belegt, dass weder verbindliche Standards in der Bewegungserziehung, noch gesicherte Konzepte für gesundheitsorientierten Sport im Verein und in der Schule existieren. Deshalb muss man diesen Bericht entsprechend auswerten.

Ich kann und will an dieser Stelle nicht auf alle Aspekte eingehen. Ich denke, auch meine begrenzten Ausführungen machen deutlich, dass es unbedingt erforderlich ist, diesen Bericht im Ausschuss für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport sowie im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft auszuwerten und die Ergebnisse des Berichts umzusetzen.

Dies geschieht zurzeit in einer Phase, in der die Landesregierung bereits ein Bildungsprogramm für Kindertagesstätten entwickelt und erprobt. Ziel ist es dabei, Kindertagesstätten zu qualifizieren und ihre Stellung im Bildungssystem zu stärken. Ein Bestandteil dieses Programms ist unter anderem das Projekt „Bildung durch Bewegung“, das vom Institut für Sportwissenschaften der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg entwickelt worden ist. Danach soll es eine Handreichung für die Praxis geben, die auf der Analyse der Bedingungen und Möglichkeiten für Bewegungserziehung in Tageseinrichtungen basiert. Wir wollen diese Dinge also von klein auf umsetzen.

Die Erkenntnisse dieses Projekts werden einfließen in die Entwicklung eines Fortbildungsprogramms für den Bereich Körper, Bewegung und Gesundheit und in einen von mehreren Bereichen des Bildungsprogramms für Kindertagesstätten in unserem Land, über das wir im Ausschuss für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport in regelmäßigen Abständen diskutieren.

Nicht zu vergessen ist in dieser Aufzählung das Angebot der Sportjugend des Landes, in den nächsten drei Jahren Bewegungsprojekte in Kindertagesstätten durchzuführen, die die Bildung durch Bewegung vor Ort mit gezielten Einzelmaßnahmen umsetzen sollen.

Über die Kreissportbünde bzw. die Sportjugenden der Kreise können diese durch das Land geförderten Maßnahmen und Veranstaltungen abgerufen werden. Aber auch andere Träger beteiligen sich an diesen Initiativen des Landes. So gibt es auch Krankenkassen in unserem

Land, die Projekte zu Bewegung, Sport und gesunder Ernährung anbieten. Ich nenne beispielsweise das Projekt „Dicke Kinder im Kindergarten“. Das ist ein Ansatz einer Krankenkasse, der, so denke ich, wirken wird.

Mit diesem bewusst klein gewählten Ausschnitt wollte ich auf die bereits vorhandenen Aktivitäten der Regierung in diesem Zusammenhang hinweisen.

Zu guter Letzt noch ein Wort: Unabhängig davon halte ich es für ausgesprochen wichtig, dass sich die beiden bereits erwähnten Landtagsausschüsse dieser Thematik annehmen und die vorliegenden Empfehlungen des Ersten Deutschen Kinder- und Jugendsportberichts letztlich als Beratungsgrundlage nutzen.

Ich finde auch den Vorschlag, der vorhin von Dr. Eckert eingeworfen wurde, ganz gut, eine Anhörung mit unserem Antrag zu verknüpfen. Ich denke, das sollte am heutigen Abend nicht das Problem sein. Deshalb bitte ich im Namen meiner Fraktion um Zustimmung zu unserem Alternativantrag unter der Maßgabe, dass die vorgeschlagene Anhörung in den Antrag aufgenommen wird. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Danke, Herr Kurze. - Für die SPD-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Bischoff sprechen. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Kley, es ist klar, dass die Eltern das erste Erziehungsrecht haben, was Bildung, Bewegung und Gesundheit angeht. Das muss man nicht immer wieder betonen.

Vielleicht hatten wir es damit einfacher. Unsere Eltern haben uns rausgeschickt. Wir mussten Kohlen holen, Holz hacken, Pferdeäpfel für die Erdbeerpflanzen sammeln usw. Wir hatten sportlich genug zu tun und haben gar nicht gemerkt, dass wir dabei mit erzogen worden sind.

Ich glaube, dass es unbedingt zusammengehört, dass Bildung sowohl zu Hause wie auch in der Schule stattfindet. Das gilt auch für den Sport. Ich glaube, der Sport gehört in die Schule; natürlich gehört er auch in das Elternhaus.

Ich möchte mit meinem Beitrag auf einen anderen Aspekt des Antrages eingehen. Der eigentliche Ansatz ist das Europäische Jahr der Erziehung durch Sport. Nun sollte man die europäischen Jahre sicherlich nicht allzu sehr strapazieren, aber es ist sinnvoll, europaweit bestimmte Schwerpunkte zu setzen. Schließlich muss man zunächst darüber nachdenken, was hinter dem Gedanken der Erziehung durch Sport steckt.

Der Antrag kommt etwas spät, aber vielleicht nicht zu spät. Die ersten Abgabetermine für die Projekte zum Europäischen Jahr der Erziehung durch Sport - ich musste erst im Internet nachschauen; ich gestehe ein, dass ich das nicht wusste - waren bereits im Juli 2003 - das war der erste Termin -, ein weiterer lag im Oktober 2003 und der letzte ist der 1. März 2004.

Daraus schließe ich, dass Sie, Herr Minister, schon vor einem Jahr gewusst haben, dass es dieses Europäische Jahr der Erziehung durch Sport gibt. Das hätten wir auch

gern gewusst. Ich habe davon nichts gehört. Vielleicht waren Sie der Meinung, die Abgeordneten verfügen über einen Internetzugang und können sich kundig machen. Ich muss sagen, ich hätte gern einmal im Ausschuss darüber geredet. Vielleicht hätte man den einen oder anderen Verein noch dazu überreden können, einen Antrag zu stellen.

Beispielsweise hätte ich auch gern gewusst, wie viele Anträge zu den jeweiligen Stichtagen eingereicht wurden, wie viele Anträge bereits bewilligt wurden und welches Ziel bzw. welche Absicht damit verfolgt wird. Schließlich sollten dadurch gemeinschaftliche Projekte zwischen Sportvereinen und Bildungsträgern gefördert werden. Deshalb sind die inhaltliche Ausrichtung der vorliegenden Anträge und Angaben über die beteiligten Vereine und Institutionen schon interessant.

Mich interessiert auch, wie der Landessportbund dieses Europäische Jahr der Erziehung durch Sport begleitet. Gibt es ein zwischen dem LSB, dem Sozialministerium und dem Kultusministerium abgestimmtes Konzept?

Der Aspekt der Bildung wurde bereits angesprochen, der Anspruch, den Sportunterricht besser in den Schulunterricht zu integrieren. Wir wissen, dass nicht nur im Bildungsbereich Nachholbedarf besteht, sondern dass auch die Bewegungsfreudigkeit der Kinder zu wünschen übrig lässt, und zwar in einem Alter, in dem der Bewegungsdrang von Natur aus am größten ist.

In diesem Zusammenhang sollte im Ausschuss darüber berichtet werden, wie der Sportunterricht in den jeweiligen Schulformen abgesichert ist und in welchem Umfang Sportunterricht ausfällt. Darüber hinaus interessiert mich - ich weiß nicht, Herr Kultusminister, ob man das erheben kann -, wie viele Kinder sich ein ärztliches Attest besorgen, um vom Sportunterricht befreit zu werden. Derartige Daten wären wichtig; denn sie ließen Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand und auf das Elternhaus zu.

Positiv wurde bisher zu Recht das Projekt „Sport in Schule und Verein“ bewertet. Wie sieht hierbei die weitere Entwicklung aus?

Ebenfalls wichtig ist die Frage nach dem Erhalt der Sporteinrichtungen an den Schulstandorten zum jetzigen Zeitpunkt; denn die Schulentwicklungsplanung in den Landkreisen ist inzwischen weitestgehend abgeschlossen. Wir wissen jetzt ziemlich sicher, welche Schulstandorte in den nächsten acht Jahren gesichert sind und welche nicht. Dies kann ich zumindest für Magdeburg sagen. Was geschieht mit den Sportanlagen an Standorten, die geschlossen werden sollen? Gibt es dafür ein Konzept oder Nachnutzungsregelungen?

Ich komme auf den Ausgangspunkt zurück. Das Europäische Jahr der Erziehung durch Sport wirft auch die Frage auf, wozu durch Sport erzogen werden soll, welchen Sinn diese Projekte haben sollen. Sicherlich geht es dabei um das Erbringen von Leistungen und um die Verbesserung des Gesundheitszustandes. Das ist klar. Aber über den Sport werden auch zahlreiche soziale Werte vermittelt, und zwar ohne den pädagogischen Zeigefinger zu erheben. Sport wäre beispielsweise ohne Rücksichtnahme oder Fairness nicht vorstellbar.

(Zustimmung von Herrn Czeke, PDS)