Protokoll der Sitzung vom 23.01.2004

Ich möchte eines deutlich sagen, damit in der Öffentlichkeit keine Verwirrung entsteht: Die Entscheidungen sind noch nicht gefallen. Ich möchte an dieser Stelle in die Richtung von Herrn Gallert und Herrn Bullerjahn auch noch sagen: Wir werden uns in wenigen Wochen in diesem Gremium über den Haushaltsabschluss 2003 unterhalten. Dabei werden uns noch die Tränen kommen.

(Herr Bullerjahn, SPD: Ihnen vor allem, Herr Scharf!)

- Wenn Sie ehrlich sind, Ihnen auch.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Wir werden uns angesichts dieser finanzpolitischen Rahmenbedingungen, denen wir uns nicht entziehen können, ernsthaft überlegen müssen, wie wir trotz dieser Enge die Impulse setzen können, die unser Land braucht. Das machen wir in der Gesamtverantwortung.

(Herr Gallert, PDS: Wir auch!)

Herr Scharf, es gibt noch Nachfragen von Frau Bull und von Herrn Bischoff. - Bitte sehr, Frau Bull.

Vielleicht habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt. Ich hätte gern Folgendes gewusst: Möchten Sie mit einem Landeserziehungsgeld befördern, dass Bildung und Erziehung besser bei Mutti und Vati zu Hause stattfindet oder möchten Sie mit einem Landeserziehungsgeld die Familien in ihrer materiellen Situation entlasten?

Frau Bull, das ist doch Ihre olle Kamelle.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Frau Bull, PDS: Sie brauchen einfach nur zu antworten!)

Wenn Sie jetzt noch etwas polemischer gewesen wären, was Sie vielleicht morgens um halb zehn noch nicht wollen, hätten Sie gefragt: Steht die CDU weiter für die drei K - Kinder, Kirche, Küche.

(Zuruf von Frau Bull, PDS)

Damit hätten Sie alle alten Schemata im Landtag wieder ausgebreitet.

So können wir uns doch nicht unterhalten. Wir müssen überlegen, wie die familienfördernden Maßnahmen wirklich zielgenau und finanziell effektiv gestaltet werden können. Dazu sind wir verpflichtet; denn wir haben nicht das Geld, um es zum Fenster hinauszuschmeißen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Bischoff.

Herr Scharf, es ist gut, dass Sie sich auf Ihrer Klausurtagung diesem Thema widmen wollen. Das tun sehr viele. Das Thema Familie war im letzten halben Jahr überall präsent.

In der ersten Wahlperiode, als Sie die Regierung stellten, wurde auch darüber diskutiert, ein Landeserziehungsgeld einzuführen. Sie haben es damals zugunsten der Kinderbetreuung nicht gemacht. Sie haben es ziemlich genau durchgerechnet. Andere Länder wie Sachsen hatten damals schon ein Landeserziehungsgeld eingeführt.

Sie haben vorhin gesagt, dass Familien, die sich für Kinder entscheiden, in der Regel auch mehrere Kinder haben wollen. Mir ist aber nicht bekannt, weder aus Thüringen noch aus Sachsen, dass dort innerhalb der letzten zehn Jahre wesentlich mehr Kinder geboren wurden als in Sachsen-Anhalt. Dieser Effekt - das müsste man durchaus merken - scheint nicht eingetreten zu sein. Das ist ein Grund, weshalb ich sage: In der ersten Wahlperiode, in der noch mehr Geld vorhanden war, hat man es nicht gemacht, aber jetzt kommt man mit dieser Idee.

Die Frage ist für mich eher, ob man wieder eine Kinderkasse einrichtet - das haben wir auch schon einmal gefordert - oder ob man andere Instrumente findet, um die Familien zu entlasten. Hierfür gibt es mehrere Möglichkeiten. Ich könnte mir vorstellen, dass man beispielsweise die Mehrwertsteuer für Kinderartikel senkt usw. Davon würden alle profitieren. Solche Überlegungen halte ich für angebracht.

Aber ein Landeserziehungsgeld einzuführen hat wirklich den Geruch, dass die Frauen auf Kosten der öffentlichen Kinderbetreuung dazu verführt werden sollen, zu Hause zu bleiben.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Kollege Bischoff, Ihr Hinweis ist ein sehr schönes Beispiel dafür, wie komplex Familienpolitik ist. Es ist offensichtlich nicht so, dass es eine Schraube gibt, an der man stellen kann, und dann hat man einen gewünschten Effekt. Um es anders zu sagen: Man kann Kinder nicht

kaufen. Dafür sind die Regelkreise viel zu komplex. Deshalb dürfen wir auch nicht annehmen, dass wir allein mit materiellen Bedingungen - jetzt sage ich einmal das unschöne Wort - das Reproduktionsverhalten in Deutschland wesentlich verändern können. Das glaube ich nicht.

Übrigens war das nach meiner Kenntnis zu DDR-Zeiten auch nicht so. Die familienpolitischen Maßnahmen haben nach meiner Kenntnis im Wesentlichen dazu geführt, dass die Eltern überlegt haben, wann sie ihren Kinderwunsch realisieren. Aber wenn Sie sich einmal die Statistik anschauen und sehen, wie viele Kinder geboren worden sind, während die Frauen meinetwegen zwischen 18 und 40 Jahren alt waren, so werden Sie feststellen, dass das durch die familienpolitischen Maßnahmen nicht wesentlich beeinflusst worden ist.

(Herr Gallert, PDS: Ah! - Weitere Zurufe von der PDS)

- Nein, nein. Die Eltern haben nur überlegt, wann der günstigste Zeitpunkt für die Realisierung ihrer Kinderwünsche ist.

(Unruhe bei der PDS - Herr Bullerjahn, SPD: Das ist falsch! - Weitere Zurufe)

Auch wenn wir uns darüber streiten, will ich eines festhalten: Es gibt keine monokausalen Steuerungsmechanismen für Familienpolitik.

(Zustimmung bei der CDU)

Das müssen wir ganz einfach wissen. Deshalb ist auch der einfache Hinweis darauf, dass ein Landeserziehungsgeld in Sachsen und in Thüringen keine spürbaren statistischen Effekte hervorgerufen hat, für mich überhaupt nicht erstaunlich.

Frau Wybrands, Sie möchten intervenieren?

(Frau Wybrands, CDU: Eine Frage!)

Dann stellen Sie diese.

Herr Scharf, würden Sie mir dahin gehend Recht geben, dass dem Landeserziehungsgeld der Gedanke zugrunde liegt, dass die Eltern die Wahlfreiheit haben? Sie können sich entscheiden, entweder ihr Kind zu Hause zu erziehen oder ihr Kind in eine Kindereinrichtung zu geben. Das ist letztlich der Grund für die Einführung eines Landeserziehungsgeldes.

Das Stichwort Wahlfreiheit ist ganz wichtig.

(Zustimmung bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Es steht aber auch die Idee dahinter, dass Familienarbeit stärker als bisher gesellschaftlich anerkannt werden muss. Das ist richtige harte Arbeit.

(Beifall bei der CDU)

Ich persönlich bin der festen Auffassung, das muss durch die Gesellschaft auch finanziell stärker als bisher honoriert werden.

(Unruhe bei der SPD)

Da wir nicht einfach in die Steuerkasse greifen können, habe ich gesagt, das muss zur Not zulasten derjenigen passieren, die keine Kinder erziehen. Das wird für die Betroffenen hart werden. Aber ich bin bereit, diesen Weg zu gehen, wenn ich Mitstreiter finde.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr, Herr Scharf. - Für die SPD-Fraktion wird die Abgeordnete Frau Grimm-Benne sprechen. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Wenn wir die Ausführungen des Ministerpräsidenten richtig verstanden haben - das haben wir heute Morgen ausgeschlafen getan -, dann war der Beitrag des Ministerpräsidenten eine schallende Ohrfeige für seinen Sozialminister Kley.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Gallert, PDS: Das ist wohl wahr! - Herr Bullerjahn, SPD: Zu Recht!)

Aber, Herr Ministerpräsident, eines verstehe ich nicht. Wenn Sie auf der einen Seite Frau von Angern dafür dankbar sind, dass sie diese Debatte mit ihrem Beitrag angeregt hat, dann verstehe ich auf der anderen Seite nicht, warum Sie sie wie ein naives junges Mädchen behandeln und versuchen,

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

ihre Zukunftsinvestitionen, die sie vorschlägt, kleinzureden.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zuruf von der PDS)