Protokoll der Sitzung vom 04.03.2004

Die Statistiken weisen eine höhere Arbeitslosenrate für Menschen mit Behinderungen aus. Das ist der Beweis für die Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt. Obwohl zur Verwirklichung des Ziels, Behinderte in den Arbeitsmarkt zu integrieren, Instrumente zur Verfügung stehen, die einerseits die Behinderten unmittelbar fördern und andererseits die Bereitschaft der Arbeitgeber, Behinderte zu beschäftigen, unmittelbar beeinflussen, zum Beispiel durch die Zahlung von Lohnkostenzuschüssen, ist es nicht gelungen, Menschen mit Behinderungen in stärkerem Umfang und dauerhaft in den Arbeitsmarkt einzubinden.

Während die allgemeine Arbeitslosenquote in den letzten elf Monaten um ca. 7 % gestiegen ist, ist die Arbeitslosenquote Schwerbehinderter um 16 % angewachsen. Das heißt, die Arbeitslosigkeit bei Schwerbehinderten ist mehr als doppelt so stark gestiegen. Das trifft insbesondere auf schwerbehinderte Jugendliche unter 25 Jahren zu.

Die Idee, den Übergang schwerbehinderter Menschen aus den Werkstätten für behinderte Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu fördern, unterstützen wir mit ganzem Herzen. Dabei sollen ehemalige Werkstattbeschäftigte mehrfach auf Pflichtarbeitsplätze angerechnet werden. Aber so richtig es ist, für den betroffenen Personenkreis die Anrechnung auf die Pflichtquote zu verbessern, so wenig bin ich davon überzeugt, dass es uns allein damit gelingen wird, einem größeren Personenkreis zusätzliche Chancen zu eröffnen.

Die Idee der Integrationsvereinbarungen soll weiter ausgebaut werden. Wir meinen, vom Ansatz her ist das zu begrüßen. Für eine sinnvolle Weiterentwicklung fehlen aber Erhebungen in Bezug darauf, wie viele Arbeitgeber diese Vereinbarungen bisher genutzt haben. Nur auf der Grundlage solcher Erhebungen können wir sagen, ob sich die bisherige Praxis bewährt hat und was verbessert werden kann.

Frau Abgeordnete Vogel, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Dr. Eckert zu beantworten?

Am Ende, Herr Eckert.

Die Zahl der tatsächlich mit Schwerbehinderten besetzten Arbeitsplätze ist in Sachsen-Anhalt seit dem Jahr 1990 relativ konstant bei 13 800 geblieben. Im Jahr 2001

ist gegenüber dem Jahr 2000 eine Steigerung der Beschäftigtenquote von 3,2 % auf 3,4 % zu verzeichnen, und dies trotz der komplizierten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der letzten Jahre.

Jedem in diesem Hause ist bewusst, wie außerordentlich schwierig es bei der jetzigen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage ist, Beschäftigungs- und Ausbildungsplätze für Schwerbehinderte im ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. Deshalb wertet die CDU-Fraktion dieses Engagement der sachsen-anhaltischen Wirtschaft positiv und würdigt an dieser Stelle ausdrücklich die erfolgreiche Integration Schwerbehinderter in unserem Bundesland.

Wenn wir uns die Beschäftigungsquote Schwerbehinderter in der Landesverwaltung anschauen, können wir sagen, dass es auch dort seit dem Jahr 1991 gelungen ist, den Anteil der schwerbehinderten Arbeitnehmer kontinuierlich zu erhöhen. Die anfängliche Beschäftigungsrate von 2,6 % ist auf 3,85 % im Jahr 2002 gestiegen.

Ein weiterer guter Weg zur Förderung der Arbeitsplätze für Schwerbehinderte ist die Auftragsvergabe an Werkstätten für Menschen mit Behinderungen. Diese Möglichkeit haben die einzelnen Ministerien über die Jahre hinweg zunehmend und immer erfolgreicher genutzt. Aber gemessen an der fünfprozentigen Pflichtquote ist dieser Anteil noch zu erhöhen. Mir fehlen in der Antwort auf die Große Anfrage Aussagen dazu, bis wann dieser Beschäftigungsanteil Schwerbehinderter in der Landesverwaltung realisierbar wäre.

Der zweite Schwerpunkt meiner Ausführungen beschäftigt sich mit dem Pflegequalitätssicherungsgesetz. Mithilfe der von der Union eingeführten Pflegeversicherung konnte in Deutschland in den letzten Jahren eine flächendeckende Pflegeinfrastruktur geschaffen werden.

Das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Pflegequalitätssicherungsgesetz soll die Strukturen der Pflegeversicherung modernisieren, die Pflegequalität sichern und die Verbraucherrechte schützen. Ob dieses Ziel mit diesem Bundesgesetz zu erreichen ist, darf indes bezweifelt werden.

Jedes Pflegeheim und jeder Pflegedienst sollte zur Einrichtung eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements verpflichtet werden. Nach einem mehr als einjährigen Hin und Her und zwei Referentenentwürfen ist leider immer noch nicht ganz klar, was auf ambulante, teil- und vollstationäre Pflegeeinrichtungen hinsichtlich des Qualitätsmanagements zukommen wird. Unabhängige Sachverständige sollen in regelmäßigen Abständen die Qualität der Pflegedienste prüfen. So besteht die Gefahr, dass dieses Gesetz zum Misstrauensgesetz verkommt und - was noch schlimmer ist - dass die Arbeitskraft der Pflegekräfte durch die umfangreiche Dokumentationspflicht den Pflegebedürftigen entzogen wird.

Als verbraucherpolitische Sprecherin unserer Fraktion begrüße ich es jedoch ausdrücklich, dass die Rechte der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen durch dieses Gesetz gestärkt werden. Sie können ihre Rechte durch verstärkte Beratung und Information wirksamer wahrnehmen.

Die Qualität der Pflegeplätze in Sachsen-Anhalt hat sich in den letzten 14 Jahren überwältigend erhöht. Wir können jetzt auf ein vielfältiges Angebot an Pflegeleistungen und Wohnformen mit Service und Betreuungsangeboten

blicken. Unser Ziel ist die Förderung und Erhaltung der selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung von älteren und behinderten Menschen.

Die Umsetzung des Rahmenvertrages nach § 93d des Bundessozialhilfegesetzes ist ein weiterer großer Block in der Großen Anfrage. Da die vorliegende Antwort der Landesregierung schon fast ein halbes Jahr alt ist, hat sich der darin geschilderte Sachstand überlebt. Aus den Ausschussberatungen wissen wir, wie schwierig sich die Verhandlungen hierzu gestalten. Wir wissen aber auch, dass der Stand der Umsetzung den bundesdeutschen Vergleich nicht zu scheuen braucht. Wir sind zuversichtlich, dass es gelingen wird, die Verhandlungen im Konsens zwischen den Leistungserbringern und den Kostenträgern zum Abschluss zu bringen.

Zusammenfassend lassen Sie mich festhalten, dass uns durch die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage für unsere Arbeit, insbesondere in den Ausschüssen, ein umfängliches Zahlen- und Datenmaterial zur Verfügung steht. Auf der Grundlage dieser Antwort gilt es nun, nach den besten Wegen zu suchen, wie die Lage sozial benachteiligter Menschen in unserem Land weiter verbessert werden kann.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Dr. Eckert, nun können Sie Ihre Frage stellen.

Frau Kollegin, ich stimme Ihnen in dem zu, was Sie zu den Integrationsvereinbarungen gesagt haben. Wie bewerten Sie unter dem Aspekt die Tatsache, dass nur das Ministerium für Gesundheit und Soziales - Stand Dezember des vergangenen Jahres - eine derartige Vereinbarung abgeschlossen hat?

Die CDU-Fraktion ist der Meinung, dass diesbezüglich noch nachgebessert werden muss.

Vielen Dank, Frau Vogel. - Nun erhält der Fragesteller Gelegenheit für ein Schlusswort. Bitte sehr, Herr Bischoff.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Eckert, jetzt muss ich reagieren. Was die Debatte über Fragen, die nicht gestellt worden sind, angeht, so gibt es in diesem Bereich so viele Fragen, die hätten gestellt werden können, dass dies mit Sicherheit nicht die letzte Große Anfrage ist, die wir eingebracht haben. Ich gebe zu, unser Kollege Nehler hätte die Anfrage besser stellen können, als ich es getan habe. Aber ich weise darauf hin, dass die Antwort seit Oktober vorliegt. Es wäre Ihnen ohne weiteres möglich gewesen, eine Große Anfrage zu stellen. Ich will keine Debatte über eine Große Anfrage der PDS führen, die nie gestellt worden ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Richtig aber ist, dass ich nicht in einen Wettbewerb mit Ihnen darüber eintreten will, wer der bessere Fragestel

ler ist; denn ich glaube, Sie sind da ein Stückchen mehr im Stoff, sodass ich da wahrscheinlich einen Nachteil hätte.

(Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD)

Wir haben diese Große Anfrage gestellt, um entsprechendes Datenmaterial zu bekommen. Wir werden dies auswerten. Mit Sicherheit wird zu gegebener Zeit nachgefragt werden, wie sich die Dinge auf Bundes- und Landesebene entwickeln. In diesem Zusammenhang danke ich für die Anregungen, die im Rahmen der Redebeiträge gegeben worden sind.

(Beifall bei der SPD)

Vielen herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Bischoff. - Meine Damen und Herren! Die Aussprache zur Großen Anfrage der SPD-Fraktion ist damit beendet. Somit ist der Tagesordnungspunkt 2 erledigt.

Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 3:

a) Beratung

Erarbeitung des „Sozialpolitischen Gesamtkonzeptes“

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/1367

b) Erste Beratung

Familienpolitisches Konzept der Landesregierung

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/1371

Zunächst bringt für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Herr Bischoff den Antrag der SPD-Fraktion ein. Bitte sehr, Herr Bischoff.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin jetzt am Anfang gleich zweimal dran, werde dafür morgen dann aber nicht mehr sprechen.

(Unruhe - Herr Gürth, CDU: Können Sie ruhig!)

Da es jetzt um das familienpolitische Konzept der Landesregierung geht, hätte ich eigentlich erwartet, Herr Gürth, dass die Ränge der CDU voll sind.

(Beifall bei der SPD)

Aber es ist nur etwa die Hälfte da. Das war ja Thema auf Ihrer Klausurtagung und soll - wie ich mehrfach gehört habe - ein Schwerpunktthema werden. Daher ist das geringe Interesse nicht nachvollziehbar. Aber darauf komme ich gleich noch.

Fast ein Jahr ist vergangen, seitdem der Ministerpräsident ein sozialpolitisches Gesamtkonzept angekündigt hat. Die Regierung und die sie tragenden Fraktionen verweisen gern darauf, dass sie nicht nur reden, sondern handeln wollen. Herr Kurze - er ist leider nicht da - betont im Sozialausschuss immer, man könne Anträge auf Selbstbefassung deshalb nicht annehmen, weil man - im Gegensatz zur Vorgängerregierung, die nur geredet habe - endlich handeln wolle. Deshalb müssen wir Sie jetzt beim Wort nehmen. Vielleicht haben Sie bei allem Handeln den Inhalt Ihres Handelns vergessen.

(Beifall bei der SPD)

Ach ja, da gibt es ja noch das Parlament. Herrje, das haben wir vergessen. Die wollen das ja auch wissen. - So ganz ist das nicht richtig; denn eigentlich ist es nur die kleinere Hälfte, die das wissen will. Die größere Hälfte ist zufrieden damit, dass die Regierung handelt.

(Frau Bull, PDS: Das macht sie ja nicht!)

Die Oppositionspolitiker bekommen ja auch Diäten. Da könnten sie doch wenigstens die Klappe halten. - So jedenfalls kommt mir manchmal der Landtag bzw. die Reaktion einiger Abgeordneter vor.