gruppen, konkret über den Umgang mit dem Bündnis für ein kinder- und jugendfreundliches Sachsen-Anhalt diskutiert. Herr Böhmer erwiderte auf meinen Redebeitrag, dass die CDU seiner Meinung nach bereits gezeigt habe, dass ihr die Betreuung von Kindern wichtig sei. Das habe ich aber vielleicht nicht wissen können, da ich bei In-Kraft-Treten des Kinderbetreuungsgesetzes im Jahr 1991 gerade einmal 14 oder 15 Jahre alt gewesen sei. - Richtig, Herr Böhmer, ich war zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre alt. Das sehe ich aber nicht als Defizit; denn bekanntlich gilt: Lesen bildet.
Ich bin froh, dass wir in diesem Parlament eine gute Mischung unterschiedlicher Altersgruppen und Erfahrungsschätze haben. Was aber in meinen Augen tatsächlich ein Defizit ist, Herr Böhmer, ist, wenn man das, was außerhalb dieses Parlaments geschieht, nicht sieht oder nicht sehen will.
Die über 300 000 gesammelten Unterschriften, von denen mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr als 250 000 gültig sein werden, sind ein sehr überzeugend formulierter Wählerinnen- und Wählerwille. Nicht weil ich davon ausgehe, dass Sie im Jahr 2006 wieder gewählt werden wollen, sondern weil ich davon ausgehe, dass Sie Mitglied einer demokratischen Partei sind, erwarte ich, dass Sie diesen Willen auch ernst nehmen.
Ernst nehmen bedeutet für mich nicht, dass Sie schon einmal prophylaktisch verschiedene Interessengruppen gegeneinander ausspielen: die Jungen gegen den Alten, den Sport gegen die Kinder und die Kultur gegen die Hochschulen. Ernst nehmen bedeutet für mich nicht nur, dass Sie sich mit dem Bündnis an einen Tisch setzen, sondern auch, dass Sie gemeinsam mit den Vertreterinnen nach Finanzierungsmöglichkeiten suchen, die deutlich zeigen, dass es nicht nur eine hohle Phrase ist, dass Sie etwas gegen den Abwanderungstrend gerade bei jungen Menschen und Familien tun wollen.
Ich bin mir dabei sehr wohl bewusst, dass das Finden einer Finanzierungsmöglichkeit nicht einfach sein wird.
Dem Radio war noch heute früh zu entnehmen, dass Ihr aktueller Kompromissvorschlag beinhaltet, dass arbeitslose Eltern, wenn sie krank sind, für ihre Kinder einen Ganztagsanspruch haben sollen. - Das zeigt mir einmal mehr, dass Sie die Grundkritik der über 300 000 Menschen, die unterzeichnet haben, leider immer noch nicht verstanden haben.
Es geht nicht darum, dass Eltern ihre Kinder in die Betreuung abschieben wollen, sondern es geht darum, dass Kinder einen eigenen Ganztagsbetreuungs- und Bildungsanspruch unabhängig vom Erwerbsstatus ihrer Eltern haben sollen. Dreh- und Angelpunkt sind also die Kinder und nicht die Eltern.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch gleich auf Ihre Allianz der Realisten zu sprechen kommen. Ich per
sönlich gelte in meiner Partei als Realpolitikerin, aber ein Wegsparen der nächsten Generation wird mit mir nicht möglich sein.
Deshalb nehme ich sogar in Kauf, dass ich nicht zu Ihrem Insiderkreis gehören werde. Da sind wir auch schon bei einem gravierenden Unterschied in unserer Politik. Für die PDS-Fraktion stehen die Perspektiven junger Menschen nun einmal ganz oben auf der Agenda.
Nach Ansicht der PDS-Fraktion sind Investitionen in die Bildung und die Chancengleichheit junger Menschen die einzige Chance für die gesamte Gesellschaft, und das gerade in Sachsen-Anhalt. Genau deswegen bin auch ich als junger Mensch in die Politik gegangen, um Chancen und Möglichkeiten aufzuzeigen, für die es sich lohnt, in diesem Land zu bleiben.
Übrigens waren es sehr viele junge Menschen, die für das Volksbegehren gegen das so genannte Kinderförderungsgesetz Unterschriften gesammelt haben. Ich persönlich zolle allen diesen Menschen hohe Anerkennung, denn sie haben teilweise unter den widrigsten Umständen Unterschriften gesammelt und sich dabei nicht entmutigen oder demotivieren lassen. Wenn wir mal ganz offen miteinander sind: Das im Land geltende Volksabstimmungsgesetz ist doch wohl eher ein Volksabstimmungsverhinderungsgesetz.
Doch auf diese Thematik kommen wir noch zurück. Was ich aber sagen will, ist Folgendes: Hut ab vor all jenen, die sich von der enormen Hürde von 250 000 Unterschriften nicht haben abschrecken lassen und bis zum Schluss an einen Erfolg geglaubt haben.
Mir ist sehr wohl klar, dass der Erfolg des Volksbegehrens eine herbe Niederlage für Sie als Landesregierung ist. Trotzdem, eine Schönrederei des Gesetzes ist weltfremd. Auch die Vorhersage des Untergangs des Abendlandes seitens Ihrer Mittelstandsvereinigung führt nicht zu einem greifbaren Ergebnis.
Das Bündnis für ein kinder- und jugendfreundliches Sachsen-Anhalt hat eine demokratische Mitbestimmungsmöglichkeit mit einem großen Kraftakt wahrgenommen. Ich fordere daher die Landesregierung auf, mit dieser gelebten Demokratie auch genauso demokratisch umzugehen und eben keine in ihren Möglichkeiten stehende Verzögerungstaktik auszuspielen.
Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Es geht mir nicht darum, dass wir uns gegenseitig vorrechnen, wie viel Zeit eine Verwaltungsfachangestellte oder ein -angestellter für die Prüfung einer Unterschrift benötigt. Ich erwarte einfach von Ihnen, dass Sie Ihr Möglichstes tun, um tatsächlich eine unverzügliche Prüfung zu gewährleisten.
Ich möchte an dieser Stelle Ihren Parteifreund Herrn Bergner aus dem Jahr 1999 aus der Debatte zu der damaligen Volksinitiative zitieren:
„Was sollen die fast 300 000 Unterzeichner der Volksinitiative von einem solchen Verfahren denken? Dieses Anliegen muss all denen, denen
300 000 Unterschriften nicht irgendein Votum sind und denen vor allen Dingen das Anliegen der Kinderbetreuung nicht egal ist, doch wert sein, darauf einzugehen.“
Frau Hüskens von der FDP fordert für ihre Fraktion, dass unaufgeregt darüber gesprochen werden müsse, wie bestimmte Probleme mit dem seit März 2003 geltenden Kinderförderungsgesetz gelöst werden können. Als ich diese Worte in einer dpa-Meldung las, wurde ich unwirsch an die vor genau einem Jahr mit Herrn Kley an dieser Stelle geführte Debatte erinnert. Als ich in dieser Debatte die großen Probleme in der Umsetzung des Kinderförderungsgesetzes darlegte, warf er mir Populismus vor. Ich kann mich auch an Worte wie „grottenschlecht“ oder „wenn der Geist nicht blitzt, aber die Stimme“ erinnern.
Nun könnte ich mich ja aufgrund der Aussage von Frau Hüskens hinstellen und sagen „Ätsch, ich habe Recht gehabt!“, aber, wissen Sie, diese Thematik ist viel zu ernst, sodass ich lediglich froh darüber bin, dass die Einsicht nun auch bei der FDP-Fraktion und damit hoffentlich auch bei ihrem Minister angekommen ist.
Der SPD im Lande möchte ich auch einen Teil meiner Redezeit widmen. Im Theater in Magdeburg habe ich im letzten Sommer ein Stück mit dem Titel „Wie der Wind hier weht“ gesehen. So ähnlich würde ich auch das Suchverhalten der SPD im Lande bezeichnen: eben noch die sich als Koalitionspartnerin Anbiedernde und ihr eigenes Gesetz drastisch Verschlechternde und jetzt auf der Showbühne als für das Volksbegehren Kämpfende, natürlich erst laut werdend, nachdem genügend Unterschriften im Säcklein waren.
Liebe Kollegen der SPD-Fraktion: Ich will damit natürlich nicht sagen, dass ich Ihren Schritt nicht begrüße. Nein, ich kann ihn sogar sehr gut verstehen. Ich hätte ihn mir allerdings etwas früher gewünscht, nämlich bevor Sie sich entschieden haben, den Abbaukurs der Landesregierung mitzutragen. Ich gebe zu, Ihr damaliges Verhalten wurmt mich bis heute und ich vertrete noch immer den Standpunkt, dass sich CDU und FDP alleine eine solche Verschlechterung in der Kinderbetreuung nicht getraut hätten. Aber trotzdem: Willkommen auf unserem arbeitsintensiven Segelboot im Sturm!
Abschließend möchte ich noch eines feststellen: Die ca. 310 00 Unterschriften sind meiner Ansicht nach nicht nur ein Zeichen in Richtung CDU-FDP-Landesregierung. Es ist ein an alle Parteien gerichtetes Stoppzeichen. Keine Regierung, unabhängig davon, von welcher Partei sie getragen wird, sollte über die Bevölkerung hinweg Streichungen an der Qualität der Kinderbetreuung vornehmen. In dem Volksbegehren setzten die Unterzeichner mit ihrer Unterschrift ein deutliches Stoppzeichen. Sparen ja, aber nicht auf Kosten der Schwächsten. - Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau von Angern. - Meine Damen und Herren! Begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Osterburg.
Nach den Antragstellern, meine Damen und Herren, hat nunmehr für die Landesregierung der Minister für Gesundheit und Soziales Herr Kley um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Minister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schaut man in das Volksabstimmungsgesetz, könnte man sich fragen, warum immer die Landesregierung genannt wird, denn hierbei geht es ja im Wesentlichen um den Landtag. Auch das Kinderförderungsgesetz wurde damals mit fast zwei Dritteln der Angehörigen des Landtages verabschiedet.
Nichtsdestotrotz sehen wir uns als Landesregierung natürlich als bescheidener Dienstleister der Abgeordneten in der Pflicht,
hier unterstützend tätig zu werden, das heißt Vorschläge zu unterbreiten, in der Diskussion zu helfen und natürlich auch Vermittlungsaufgaben im Umgang mit der Volksinitiative wahrzunehmen.
Meine Damen und Herren! Die Landesregierung nimmt das Anliegen derjenigen, die das Volksbegehren zur Kinderbetreuung unterzeichnet haben, sehr ernst. Wir nehmen aber auch die Interessen all derjenigen Bürgerinnen und Bürger ernst, die das Volksbegehren nicht unterzeichnet haben und an einer Konsolidierung des Landeshaushaltes sowie an einer qualifizierten Betreuung der Kinder interessiert sind.
Wir haben als Regierung eine Gesamtverantwortung für das Land auch hinsichtlich der Sozial- und der Finanzpolitik. Diese Verantwortung werden wir auch wahrnehmen.
Wenn die SPD an dieser Stelle alte Vorwürfe erneuert, Bezug nimmt auf die Umsetzung von Gerichtsbeschlüssen bezüglich der besonderen Betreuung von behinderten Kindern, dann mag das in der Redeerarbeitung einfach sein, aber es bringt uns im Inhalt nicht weiter. Es hätte mich interessiert, welche Vorstellungen Sie hinsichtlich des weiteren Vorgehens haben. Aber ich sehe aus der von Ihnen dargereichten Hand, dass wir auch weiterhin gemeinsam diesen nicht leichten Kurs in unserem Land im Bereich der Betreuung unserer Kinder beibehalten wollen.
Wir werden an dieser Stelle selbstverständlich zunächst das gesetzliche Verfahren respektieren und sowohl die Auszählung abwarten und natürlich auch bei allen darauf hinweisen, dass diese Beschlüsse finanzielle Konsequenzen haben.