Protokoll der Sitzung vom 04.03.2004

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen die wesentlichen Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus der Hochwasserkatastrophe des Jahres 2002 umgesetzt werden.

Die Auswertung der Hochwasserkatastrophe hat deutlich gemacht, dass sich das dreistufige System der Katastrophenabwehr mit der grundsätzlichen Verantwortung der örtlichen Ebene insgesamt bewährt hat. Die Landkreise und kreisfreien Städte sollen daher auch zukünftig die für die Katastrophenabwehr zuständigen Katastrophenschutzbehörden sein. Ihre Kenntnisse der räumlichen und personellen Verhältnisse vor Ort sowie ihre Ortsnähe waren und sind auch zukünftig entscheidend für eine erfolgreiche Katastrophenabwehr.

Gleichwohl hat die Hochwasserkatastrophe deutlich gemacht, dass im Hinblick auf die Vorbereitung und Abwehr derartiger Katastrophenlagen Verbesserungsbedarf besteht. Festgestellte Defizite betrafen insbesondere den Informationsaustausch und die Abstimmung zwischen den Behörden sowie die Koordination von Kräften. Mangelnde Kenntnisse von Aufgaben und Zuständigkeiten, zu wenig aus- und fortgebildetes Personal und teilweise auch eine unzureichende Vorbereitung erschwerten in Einzelfällen das Zusammenwirken aller Kräfte.

Mit klarstellenden und ergänzenden Regelungen, insbesondere zu Zuständigkeiten und Aufgaben des Landesverwaltungsamtes und des Ministeriums des Innern sowie zur Besetzung der Katastrophenschutzstäbe, wollen wir hierzu eindeutigere gesetzliche Grundlagen als bisher schaffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Schwerpunkte des Gesetzentwurfes kurz erläutern.

Erstens. Zur Sicherung der Arbeitsfähigkeit der Katastrophenschutzstäbe soll in dem Gesetz künftig herausgestellt werden, dass in den Katastrophenschutzbehörden ein ausreichend großer Personenkreis mit den erforderlichen fachlichen und operativen Kenntnissen im Bereich der Katastrophenabwehr vorhanden sein muss. Es ist daher darauf zu achten, dass in allen beim Katastrophenschutz mitwirkenden Behörden entsprechende Personalplanungen optimiert und durch die erforderlichen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen untersetzt werden.

Zweitens. Das Landesverwaltungsamt und das Ministerium des Innern sollen neben der Fachaufsicht auch eigene Aufgaben im Katastrophenschutz wahrnehmen. Sie sollen zukünftig folgerichtig als obere bzw. oberste Katastrophenschutzbehörden bezeichnet werden und auch wirken.

Im Hinblick auf die notwendige Unterstützung der unteren Katastrophenschutzbehörden bei großflächigen und extremen Katastrophenlagen werden dem Landesverwaltungsamt und dem Ministerium des Innern mit der Neufassung der gesetzlichen Regelungen in stärkerem Maße Steuerungs- und Lenkungsfunktionen übertragen, als es bislang für die Regierungspräsidien vorgesehen war. Das Landesverwaltungsamt und das Ministerium des Innern können danach künftig die Gesamtleitung der

Katastrophenabwehr übernehmen. Sie werden damit in die Lage versetzt, flexibel und der Katastrophenlage angepasst zu reagieren.

Drittens. Das Landesverwaltungsamt muss bereits im Rahmen des vorbereitenden Katastrophenschutzes Informationen bündeln und koordinieren, um seine Aufgaben im Katastrophenfall erfüllen zu können. In dem Gesetz soll daher ausdrücklich festgeschrieben werden, dass die obere Katastrophenschutzbehörde für die Aufgaben des Katastrophenschutzes zuständig ist, die über den Bereich einer unteren Katastrophenschutzbehörde hinausgehen.

Viertens. Für das Ministerium des Innern als oberste Katastrophenschutzbehörde wird klargestellt, dass es für die länderübergreifende Zusammenarbeit zuständig ist.

Meine Damen und Herren! An dem Anhörungsverfahren wurden sowohl die kommunalen Spitzenverbände als auch die Landesverbände der im Katastrophenschutz mitwirkenden Organisationen beteiligt. Auch Vertreter des Landesfeuerwehrverbandes, des Technischen Hilfswerkes sowie der Bundeswehr erhielten dort die Gelegenheit zur Stellungnahme.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass keine der beteiligten Organisationen und kein Verband grundsätzliche Bedenken gegen den Gesetzentwurf vorgebracht hat. Es freut mich, dass wir mit den klarstellenden Regelungen zu Befugnissen und Aufgaben der im Katastrophenschutz beteiligten Behörden offensichtlich ins Schwarze getroffen haben.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein wichtiges Ergebnis der Anhörung ist, dass die Entscheidung, am grundsätzlichen System der Katastrophenabwehr mit der bestehenden Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung festzuhalten, breite Zustimmung gefunden hat. Das bestätigt unsere fachliche Position, dass Entscheidungen zur Katastrophenabwehr grundsätzlich und so weit wie möglich auf der kommunalen Ebene, von den Landkreisen und kreisfreien Städten, zu treffen sind. Ihre detaillierten Kenntnisse der räumlichen und personellen Verhältnisse vor Ort waren und sind auch zukünftig entscheidend für eine erfolgreiche Katastrophenbekämpfung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Allen Kritikern, die generell eine zentralisierte Katastrophenabwehr fordern, sei daher gesagt: Das entspricht nicht den Erfahrungen der Praktiker und entspricht auch nicht den Erkenntnissen in anderen Ländern. Nicht umsonst unterstreicht der Kirchbach-Bericht für Sachsen, dass die Bekämpfung einer Katastrophe ihren Ausgang vor Ort nehmen muss.

Ich sage daher an dieser Stelle ganz klar: Die Forderung nach einer generell zentralisierten Katastrophenabwehr führt nicht weiter. Es würde die Katastrophenabwehr eher behindern. Daher halte ich weder die Einführung eines Zweistufensystems, welche das Landesverwaltungsamt außen vor ließe, noch die generelle Übernahme der Führung durch obere oder oberste Landesbehörden für sinnvoll.

Das Landesverwaltungsamt als die zentrale Bündelungsbehörde der Landesverwaltung ist Ansprechpartner für die Landkreise und kreisfreien Städte. Auch im Landesverwaltungsamt befinden sich wie in den Kreisverwaltungen oder Stadtverwaltungen die verschiedenen

Organisationseinheiten, die im Rahmen der Katastrophenabwehr mitwirken oder zu beteiligen sind, unter einem Dach. Notwendige Abstimmungen können insofern zeitnah und gebündelt innerhalb einer Behörde getroffen werden.

Wir haben deshalb in dem Gesetzentwurf einem Zweistufenmodell der Katastrophenschutzbehörden eine klare Absage erteilt. Die breite Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf vonseiten der Praxis ist ein positives Signal und zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie um eine zügige Ausschussberatung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Minister. - Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Als erster Debattenredner wird der Abgeordnete Herr Gärtner für die PDS-Fraktion sprechen. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum ersten Mal beschäftigt sich der Landtag heute nach der Hochwasserkatastrophe im Jahr 2002, welche viele Bürgerinnen und Bürger im Land schwer geschädigt hat, mit daraus folgenden gesetzlichen Änderungen auf der Landesebene. Immer wieder hat sich der zeitweilige Ausschuss Hochwasser des Landtages in den letzten Monaten bei seinen Vor-Ort-Besuchen mit dem Katastrophenschutzmanagement während der Hochwasserflut im August 2002 innerhalb und zwischen den einzelnen zuständigen Ebenen auseinander gesetzt.

Als diesbezüglicher Höhepunkt stellten sich die Vorgänge um den Deichbruch in Seegrehna bei Wittenberg dar. Dort spielte nicht nur der Einsatz eines dubiosen externen Fachberaters eine Rolle, sondern diese Angelegenheit war auch Ausdruck der ungenügenden Kommunikation und Abstimmung zwischen den Ebenen Landkreis, Regierungspräsidium und Innenministerium. Es war offensichtlich ein Kompetenzwirrwarr entstanden, welcher zu einer Kette von Missverständnissen und Fehlern führte.

Insofern muss ich dem Minister widersprechen. Dort hat es klare Fehler und ein Fehlmanagement gegeben. Das muss aus unserer Sicht künftig verhindert werden. Dazu sind wir im Interesse des Schutzes der Bevölkerung verpflichtet. Insofern ist der Landtag gefordert, klare gesetzliche Vorgaben zu machen.

Meine Damen und Herren! Das Katastrophenschutzgesetz muss klare Zuordnungen treffen. Das bislang geltende Gesetz hat keine ausreichenden Regelungen getroffen und muss aus der Sicht der PDS-Fraktion, aber offensichtlich auch aus der Sicht aller anderen Fraktionen hier im Hohen Hause geändert werden. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, wie bei künftigen Katastrophen kreisübergreifenden Charakters die Leitung organisiert wird.

Nunmehr hat die Landesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt. Aus unserer Sicht bleibt dieser auf halber Strecke stehen und reagiert nur halbherzig auf die Erfahrungen aus der Hochwasserkatastrophe 2002. Es soll letztlich der dreistufige Aufbau beibehalten werden. Die Regierungspräsidien werden lediglich durch das Lan

desverwaltungsamt ersetzt und das Ministerium kann im Zweifelsfall die Leitung an sich ziehen.

Aus der Sicht der PDS sollte eine Straffung der Führungsebenen erfolgen. Es wäre wünschenswert, ein zweistufiges Modell einzuführen. Eine Zentralisierung der Zuständigkeit sollte nicht im Landesverwaltungsamt, sondern direkt im Innenministerium erfolgen. Dort liegt die politische und die fachliche Verantwortung. Wie am Ende das Landesverwaltungsamt einbezogen wird, ist letztlich eine Sache des Ministeriums. Aber die politische Führung muss aus unserer Sicht im Ministerium erfolgen.

Untere Katastrophenschutzbehörden sollten die Landkreise bleiben. Diese besitzen die lokale Kompetenz und die Übersicht. Damit können Fehler wie beim Management des Deichbruchs in Seegrehna durch klare Kompetenzzuweisungen vermieden werden.

Ich sage auch ganz deutlich: Wenn es sich wie im Fall der Hochwasserkatastrophe 2002 um einen bundesländer- und landkreisübergreifenden Katastrophenfall handelt, muss das Ministerium des Innern zwingend die Leitung übernehmen. Auch das muss im Gesetz geregelt werden.

Es sind aber auch Mängel während der Hochwasserkatastrophe deutlich geworden, die nicht gesetzlich geregelt werden können. Es hat sich gezeigt, dass alle an der Bekämpfung der Katastrophe beteiligten Kräfte wenig oder nur unzureichend darauf vorbereitet waren. Es ist künftig zu gewährleisten, dass eine umfangreiche und regelmäßige Aus- und Fortbildung von Feuerwehr und Hilfskräften erfolgt. Es ist sicherzustellen, dass schnellstmöglich in allen betroffenen Gemeinden der Aufbau von Wasserwehren mit finanzieller Unterstützung des Landes vollzogen wird. Diese Aufgabe kann auch von der Feuerwehr übernommen werden. Letztlich wird das auch im Abschlussbericht des zeitweiligen Ausschusses eine Rolle spielen.

Es hat sich gezeigt, dass die Zusammenarbeit und Koordination der ehrenamtlichen und hauptamtlichen Hilfskräfte zum Teil sehr ungenügend war. Künftig muss eine klare Aufgabenteilung von THW, freiwilligen Feuerwehren, Polizei, BGS, Bundeswehr und anderen Hilfskräften erfolgen und die Führung muss durch die im Gesetz genannten Behörden einheitlich erfolgen. Die Bildung von Nebenstrukturen muss konsequent unterbunden werden.

Das sind aus der Sicht der PDS-Fraktion erste wichtige Schlussfolgerungen, die gezogen werden müssen.

Meine Damen und Herren! Ich hoffe auf eine konstruktive Beratung in den Ausschüssen, die dazu führt, dass die Erfahrungen, die wir im zeitweiligen Ausschuss Hochwasser in den letzten Monaten gesammelt haben, noch in den Gesetzentwurf einfließen und wir eine fraktionsübergreifende Lösung finden.

Ich plädiere dafür, den Gesetzentwurf in den Ausschuss für Inneres - federführend - und in den zeitweiligen Ausschuss Hochwasser - mitberatend - zu überweisen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Herr Abgeordneter Gärtner. - Für die CDU-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Kolze sprechen. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ereignisse der Hochwasserkatastrophe im August 2002 werden allen noch lebhaft in Erinnerung sein. Die Rede ist von einem Jahrhundert-, ja Jahrtausendhochwasser. Die Rekordpegelstände haben Verantwortliche und Helfer vor bis dahin unbekannte Probleme und Aufgaben gestellt. Mit dem unermüdlichen Einsatz unzähliger freiwilliger Hilfskräfte, die zum Teil aus der gesamten Bundesrepublik angereist waren, wurde der Flut getrotzt. In Sachsen-Anhalt haben wir das Glück, kein Menschenleben beklagen zu müssen.

Meine Damen und Herren! Mit dem nun vorliegenden Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Katastrophenschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt werden anderthalb Jahre nach dem Jahrhunderthochwasser die gesetzestechnischen Schlussfolgerungen der Flutkatastrophe umgesetzt.

Dabei möchte ich zunächst aber betonen, dass sich auch das Katastrophenschutzgesetz in seiner alten Fassung durchaus als tauglich erwiesen hat. Im Grundsatz hat sich das Prinzip der Ortsnähe bewährt. Die Leitung bei Katastrophenlagen muss dort liegen, wo man über die erforderliche Nähe sowie die Sach- und Ortskenntnis verfügt, also bei den Landkreisen.

Die Aufgabe des vorliegenden Gesetzentwurfs ist es also, aufgrund der aktuellen Erkenntnisse und Entwicklungen die alten Regelungen zu konkretisieren und dort Klarheit zu schaffen, wo sich diese als unzureichend oder als ungenau erwiesen haben.

Meine Damen und Herren! Damit in Zukunft das Zusammenwirken von Katastrophenschutzbehörden und Aufsichtsbehörden verbessert wird, sollen die Aufgaben der Landkreise und kreisfreien Städte, des Landesverwaltungsamtes und des Innenministeriums klarer voneinander abgegrenzt werden. In der Praxis hat es sich während des Hochwassers gezeigt, dass es ohne eine eindeutige Aufgabenzuweisung und Kompetenztrennung zu Anwendungs- und Auslegungsschwierigkeiten kommen kann.

Nunmehr wird klargestellt, wann das Landesverwaltungsamt als obere Katastrophenschutzbehörde und wann das Innenministerium als oberste Katastrophenschutzbehörde zuständig sind und wann sie Aufgaben an sich ziehen können.

Das Landesverwaltungsamt als obere Katastrophenschutzbehörde wird als Fachaufsicht und daneben dann tätig, wenn Aufgaben anfallen, die über den Bereich der unteren Katastrophenschutzbehörde hinausgehen, insbesondere wenn überörtliche Hilfe angefordert und bereitgestellt werden muss.

Das Innenministerium als oberste Fachaufsichtsbehörde ist in erster Linie für die Zusammenarbeit mit anderen Ländern und mit dem Bund zuständig.

Obere und oberste Katastrophenschutzbehörde können die Gesamtleitung der Katastrophenabwehr dann an sich ziehen, wenn das aufgrund einer landesweiten oder länderübergreifenden Lage oder aufgrund der Überforderung der unteren Behörden notwendig wird. Damit wird an der grundsätzlichen Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte festgehalten.

Dieses Prinzip gewährleistet, dass diejenigen Entscheidungen treffen, die sich vor Ort am besten auskennen. So kann schnell und lageangepasst reagiert werden.

Kompetenzgerangel und Unsicherheit über Zuständigkeiten werden somit für die Zukunft ausgeschlossen. Im Notfall ist aber das Eingreifen der übergeordneten Behörden klar geregelt.

Für das Funktionieren der Katastrophenschutzstäbe auf allen Ebenen ist es darüber hinaus dringend erforderlich, dass ein ausreichend großer Personenkreis für den Katastrophenfall geschult wird. Mit der Neufassung soll diesem Erfordernis mehr Gewicht verliehen werden.