Es hat also den entschädigungslosen Eigentumsentzug beanstandet. Es hat aber nicht die Nichtigkeit des Artikels 233 §§ 11 ff. des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch, das heißt der Bestimmungen zur Abwicklung der Bodenreform, festgestellt.
Des Weiteren hat das Gericht über die Frage der Entschädigung noch nicht entschieden. Diese Frage hielt es für noch nicht spruchreif. Es hat die Parteien, die Bundesrepublik und die Beschwerdeführer, aufgefordert, dazu innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft des Urteils Stellung zu nehmen.
Hinzu kommt, dass das Urteil selbst noch nicht rechtskräftig ist. Erst wenn das Urteil rechtskräftig werden sollte und das Gericht zu der Frage der Entschädigung eine Entscheidung getroffen haben sollte, wäre die Bundesregierung gehalten, unter Berücksichtigung des Urteils eine Änderung der bundesgesetzlichen Vorschriften zur Abwicklung der Bodenreform herbeizuführen. Dann wären die gesetzlichen Voraussetzungen für die Länder hinsichtlich von Entschädigungsleistungen geschaffen.
Infolge dessen sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Voraussetzungen für den Erlass eines Rückabwicklungsgesetzes und demzufolge auch für eine entsprechende Bundesratsinitiative nicht gegeben. Im Übrigen würde es sich um den Erlass von Regelungen zur Entschädigung handeln. Gegebenenfalls wären die Bestimmungen der §§ 11 ff. des Artikels 233 EGBGB abzuändern.
Bei den Bestimmungen zur Abwicklung der Bodenreform handelt es sich um bundesgesetzliche Regelungen; dies sagte ich schon. Damit ist der Bund allein für etwaige Entschädigungsregelungen zuständig. Das hat nichts mit der Auskehrung von Entschädigungen zu tun. Aber für die Regelung selbst wäre der Bund zuständig.
Deshalb liegt es nicht in der Kompetenz des Landes Sachsen-Anhalt, ein Landesgesetz zur Rückabwicklung zu erlassen, sodass es diesbezüglich, wie in dem Antrag der PDS gefordert, keiner näheren Prüfung bedarf.
So wie der von mir bereits genannte Artikel 233 §§ 11 ff. EGBGB die Grundlage für die Ansprüche der neuen Länder auf Übertragung der Bodenreformflächen in das Landeseigentum bildete, wären etwaige bundesgesetzliche Regelungen zur Entschädigung dann die Grundlage für die Vorgehensweise der neuen Länder hinsichtlich der Gewährung von Entschädigungsleistungen.
Ich möchte an dieser Stelle auf die von mir eingangs vorgetragenen Ausführungen, was die Versachlichung der Situation angeht, zurückkommen, und zwar auch mit Blick auf das in Straßburg noch anstehende Verfahren der Alteigentümer. Die Richter haben bei der Entscheidung, über die wir jetzt diskutieren, dem Eigentum einen sehr hohen Wert beigemessen.
Die Bundesregierung will - meines Erachtens zu Recht - ihre Verhandlungsposition zum Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz nicht gefährden; denn auch hierbei könnte die Entschädigungshöhe zur Disposition stehen. Ich weiß nicht, ob die PDS eine höhere Entschädigung für die Alteigentümer begrüßen würde. Ich denke schon, dass man der Bundesregierung da eine Verhandlungsposition ermöglichen muss, bei der man ausgewogen beide Seiten betrachten kann.
In dem jetzigen Stadium des Verfahrens, in dem die Entscheidung noch nicht rechtskräftig und auch unvollständig ist, da eine Entscheidung zur Frage der Entschädigung noch aussteht, ist es einfach verfrüht, über etwaige Entschädigungsregelungen zu entscheiden. Es ist auch verfrüht, gesicherte Aussagen zu der Art der Entschädigung zu treffen, wie Rückgabe von Flächen oder Entschädigung in Geld oder in sonstiger Weise oder gar zur Höhe der Entschädigung. Wir können den zweiten Schritt nicht vor dem ersten tun.
Nach meiner Erfahrung ist es in einem solch frühen Verfahrensstadium angebracht, das vorliegende Straßburger Urteil sachlich zu erklären und so viel wie möglich die Gelegenheit zu nutzen, die Betroffenen zu informieren. Ich denke, die betroffenen Bürger haben mehr Verständnis dafür, dass man mit Augenmaß an die Sache herangeht, als für übereilte Reaktionen, die zu Unsicherheit und zu einer bestimmten Erwartungshaltung führen. Dem Rechtsfrieden in den Dörfern wäre das sicherlich nicht dienlich.
Aus den dargelegten Gründen ist der vorliegende Antrag der PDS aus meiner Sicht abzulehnen. Möglich und sachlich geboten erscheint es mir dagegen, die Mitglieder des Agrarausschusses oder des Rechtsausschusses über die Situation im Land Sachsen-Anhalt, über die eingegangenen Ansprüche sowie die Art und den Umfang der geltend gemachten Ansprüche zu informieren. Ich denke, aus diesem Grund wäre es dienlich, dem Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der FDP zuzustimmen. - Vielen Dank.
Danke, Frau Ministerin. - Für die FDP-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Kosmehl sprechen. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einer Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz konnten wir entnehmen, dass die Bundesregierung beabsichtigt, Rechtsmittel gegen das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einzulegen. Damit ist Punkt 1 des Antrages der PDS obsolet.
Zwei Bemerkungen kann ich mir an dieser Stelle, Herr Krause, aber nicht verkneifen. Welches Rechtsempfinden haben Sie, wenn Sie von uns verlangen, ein rechtsstaatlich garantiertes Instrument - damit meine ich das Einlegen von Rechtsmitteln - nicht zu nutzen? Welches Rechtsstaatempfinden haben Sie? Wenn wir - ich personifiziere das einmal - den Beschwerdeführern nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nahe gelegt hätten, keine Rechtsmittel einzulegen, kein weiteres Verfahren anzustrengen, dann wären Sie der Erste gewesen, der nach dem Rechtsstaat gerufen hätte. Also, das ist schon sehr schwierig.
Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen. Ich bin Ihnen, Frau Ministerin, sehr dankbar, dass Sie das auch schon getan haben. Wir dürfen im Rahmen der Argumentation die Fälle nicht außen vor lassen, die in den 70er- und 80er-Jahren gespielt haben. Der Kollege Püchel hat es bei der letzten Debatte im Oktober 2002 bereits angesprochen. Damals haben genau diese gesetzlichen Regelungen, die das EGBGB nur nachzeichnet,
dazu geführt, dass die Erben, soweit sie die Voraussetzungen der sozialistischen Rechtsordnung nicht erfüllten, die von ihnen ererbten Grundstücke nicht nutzen konnten und eine Rückführung in den Bodenfonds stattgefunden hat.
Nur weil es auch Schlampereien gab, sind viele Grundstücke nicht zurückgeführt worden. Ansonsten wären die heute nicht mehr da.
Dass Sie das bei der ganzen Diskussion ausblenden, das gehört für mich zu dem Punkt Vergangenheitsbewältigung, den ich bei Ihrer Partei nicht nachvollziehen kann. Wenn Sie schon darauf Wert legen, dass auch das Recht der DDR in gewisser Weise nachempfunden wird und dass insbesondere die Rechtswirklichkeit in der DDR nicht gänzlich ausgeblendet wird, dann müssten Sie diese Thematik auch hier mit besprechen. Das hätte zumindest zu einer vollständigen Darlegung gehört.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch zu dem Punkt 2 möchte ich mich ganz kurz fassen; denn die Frau Ministerin hat bereits ausführlich vorgetragen, dass es natürlich nicht geht, dass das Land sozusagen als Einzelkämpfer vorprescht und ein Gesetz vorlegt. Das ist bundesrechtlich zu regeln, wenn es geregelt werden muss.
Lassen Sie mich aber zu dem weiteren Verfahren noch einige Anmerkungen machen. Ich habe in einer Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 22. Januar 2004 einen Satz gefunden, der mich sehr verwundert hat. Da heißt es nämlich, dass das Gericht der Überzeugung sei, dass das Modrow-Gesetz von einem frei gewählten Parlament in der DDR angenommen worden sei.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sollte im weiteren Verfahren noch einmal von der Bundesregierung angesprochen werden. Diese Volkskammer, die das Modrow-Gesetz erlassen hat, ist am 8. Juni 1986 - und alles andere als frei - gewählt worden, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Einen anderen Punkt sollte man dabei auch nicht außer Acht lassen, nämlich die Frage des weiteren beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängigen Verfahrens, das sich mit den Enteignungen zwischen den Jahren 1945 und 1949 beschäftigt. Es wird die Frage sein, wie sich das weiterentwickelt.
Vielleicht, Herr Krause, haben Sie und diejenigen, die die Beschwerdeführer sind, sich unter Umständen zu früh gefreut. Vielleicht müssen wir die gesamte Bodenreform rückabwickeln, wenn auch noch die Enteignungen nach dem Jahr 1945 für nicht mit der Menschenrechtskonvention vereinbar erklärt werden. Was das in der europäischen Dimension bedeuten würde, wenn wir einmal weiterdenken, möchte ich hier nicht weiter ausführen.
Es sind sehr viele Fragen offen geblieben. Deshalb ist es richtig, diese Fragen - auch die Höhe der Entschädigung - durch das Gericht selbst, das die Fragen aufgeworfen hat, klären zu lassen. Deshalb stimmen wir dem Alternativantrag der Fraktionen der FDP und der CDU zu. Die SPD-Fraktion hat einen inhaltlich gleichlauten
den Antrag gestellt. Ich meine, dass unserem Antrag sicherlich eine Mehrheit zustimmen kann. Wir hoffen auf eine ausführliche Berichterstattung zum gegebenen Zeitpunkt. - Vielen Dank.
Danke, Herr Abgeordneter Kosmehl. - Für die SPD-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Oleikiewitz sprechen. Bitte sehr.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für die PDS ist die heutige Debatte sicherlich ein Höhepunkt der bisherigen Debatten über das Thema Bodenreform. Es ist aber noch lange nicht der Höhepunkt der Wahrheit bei dieser Geschichte.
Wir haben hier im Landtag gerade über dieses Thema sehr emotional geprägte Debatten geführt. Ich freue mich, dass das heute nicht ganz so verläuft, wenngleich ich bei diesem Thema natürlich nicht ganz unemotional bin.
Es ging aus der Sicht der PDS immer um die ungerechte Praxis bei der Vollziehung des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes, also um diejenigen, die nach ihrer Ansicht berechtigt waren, über Bodenreformeigentum zu verfügen, es nach dem Gesetz aber eben nicht waren.
Die PDS hat bei dieser Debatte in der Vergangenheit - das wurde von meinen Vorrednern schon angesprochen - immer diejenigen ausgeblendet, die nicht mehr ihr Recht einklagen konnten, die zu DDR-Zeiten Unrecht erleiden mussten, egal ob durch den einfachen Entzug ihrer Flächen im Zuge der Vollziehung der Besitzwechselverordnung oder weil sie sich der Zwangskollektivierung entzogen oder widersetzten oder weil sie in Grenzgebieten wohnten, die sie freimachen mussten. Auch denen wurde das ihnen einstmals durch die Bodenreform verliehene Eigentum entzogen. Von diesen Leuten haben Sie in der Vergangenheit und heute nicht gesprochen. Sie existieren für Sie nicht.
Meine Damen und Herren! Gerade das Thema Zwangskollektivierung ist ein Thema, das sicher bei der Bodenreform eine wichtige Rolle spielt.
Dabei verlor die Bodenreform eigentlich ihre Bedeutung; denn die Urheber dachten daran, landlosen Familien, landarmen Bauern Boden zu geben, um wirtschaften zu können. Das war der Sinn dieser Reform.
Nach der Zwangskollektivierung allerdings ging der Staat nachlässig mit diesem Boden um; gerade so als ob er nichts mehr Wert sei, wurde dieser Boden in den entsprechenden Verwaltungen der Kreise gehandhabt. Es wurden Grundbücher nicht weitergeführt, der Grundsatz der Vererbung wurde überhaupt nicht mehr erwähnt und der Boden wurde, ohne diejenigen zu fragen, die im Grundbuch standen, in volkseigenes Grundvermögen einverleibt. Wer sich diesem Verfahren widersetzte und
Dieses Unrecht, meine Damen und Herren, war das eigentliche Unrecht beim Vollzug der Bodenreform. Ich kenne kein Beispiel, Herr Krause, wo sich ein Mitglied Ihrer ehemaligen Partei diesem Vorhaben widersetzte oder sich für Betroffene eingesetzt hätte.
Mit der Wende begann dann ein neues Kapitel in Sachen Bodenreform. Es gab - ich glaube, am 6. März 1990 - eine Sitzung der Volkskammer, in der das Modrow-Kabinett und die Volkskammer - die, wie schon gesagt wurde, nicht frei gewählt, also für mich nicht entsprechend rechtlich legitimiert war -
ein Gesetz beschlossen, das sozusagen das Volleigentum an Bodenreformflächen herstellte. Ich weiß nicht ganz genau, inwieweit die damalige Bundesregierung dabei Schützenhilfe geleistet hat. Ich weiß nur, dass entsprechende Gespräche vor der Verabschiedung des Gesetzes auch mit der Bundesrepublik geführt worden sind. Ich kann das nicht bewerten, weil ich hierüber zu wenig weiß.
Dieses Modrow-Gesetz war aber für viele und auch für Sie Anlass, nun endlich das „Eigentum“ an solchen Flächen einzuklagen. Die zwei Jahre nach der Verabschiedung dieses Gesetzes waren jedenfalls für mich - ich komme von einem Dorf und habe es als Ratsmitglied in einer Gemeinde miterlebt - fast ein rechtsfreier Raum.