Protokoll der Sitzung vom 05.03.2004

überhaupt in der Lage zu sein, allen Schulabgängern, allen Jugendlichen hier einen Ausbildungsplatz anzubieten.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS - Zu- ruf von Minister Herrn Dr. Rehberger)

Aber es geht nicht nur um die absolute Zahl der Ausbildungsplätze. Es geht auch darum, wie viele Betriebe überhaupt ausbilden. Im Berufsbildungsbericht des Jahres 2002 ist ausgeführt worden, dass immerhin 28 % aller Betriebe ausgebildet haben. Mittlerweile sind es laut der Arbeitsverwaltung nur noch 25 % aller Betriebe. Das heißt, drei Viertel aller Betriebe in Sachsen-Anhalt tragen keinen Deut zur Verbesserung der Ausbildungssituation bei. Ich denke, das kann auf Dauer so nicht akzeptiert werden. Genau an dieser Stelle muss sich etwas ändern.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Auch die folgende Zahl haben Sie schon genannt. Wir haben auch die Situation, dass von Ausbildungsjahr zu Ausbildungsjahr zunehmend mehr Jugendliche in den alten Bundesländern ausgebildet werden müssen. Sie haben die Zahl genannt; es sind fast 3 000 junge Leute, die hier nicht die Möglichkeit haben, nach der Schule überhaupt einen Einstieg in das Arbeitsleben zu finden, und ihre Erstausbildung in den alten Bundesländern machen müssen. Man kann jetzt schon sagen, dass diese Jugendlichen, diese jungen Männer und Frauen sehr wahrscheinlich nie wieder nach Sachsen-Anhalt zurückkehren werden.

Ich denke, an dieser Entwicklung wird deutlich, dass alle Appelle an die Wirtschaft und auch das Klinkenputzen von Vertretern der Landesregierung nichts gebracht haben. Statt einer Erhöhung der Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze kam es zu einer Reduzierung der Anzahl auf einen neuen historischen Tiefstand.

(Zuruf von Frau Ferchland, PDS)

Noch in der Landtagsdebatte im September des vergangenen Jahres hatte Herr Rehberger angekündigt: Wir befinden uns im Endspurt, die Wirtschaft wirbt für zusätzliche Ausbildungsplätze.

(Zuruf von Frau Ferchland, PDS)

Heute müssen wir nüchtern feststellen: Herr Minister, die Wirtschaft hat Sie ganz offensichtlich im Regen stehen lassen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS - Mi- nister Herr Dr. Rehberger: Was? So etwas Dümm- liches! - Zuruf von Minister Herrn Dr. Daehre)

Von der Kritik ausgenommen ist ganz ausdrücklich - das will ich erwähnen - das Handwerk; denn dort ist das Ausbildungsplatzangebot im aktuellen Ausbildungsjahr gegenüber dem vergangenen Jahr tatsächlich gesteigert worden.

Das Prinzip der Freiwilligkeit, das seit Jahren Grundlage für die Gespräche mit der Wirtschaft war, ist mehr als gescheitert. Wir befürworten deshalb eine bundesweite gesetzliche Regelung zur solidarischen Ausbildungsfinanzierung.

(Herr Gürth, CDU: Die gesamte Fraktion?)

- Die gesamte Fraktion befürwortet das, selbstverständlich. So etwas wird bei uns diskutiert und auch entschieden.

Inhaltlich geht es dabei im Wesentlichen um zwei Punkte. Zunächst einmal geht es darum, auch in SachsenAnhalt ein ausreichendes Ausbildungsplatzangebot zu haben; denn nur so können wir dem Fachkräftemangel begegnen. Investoren kommen nur dann nach SachsenAnhalt, wenn tatsächlich qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer da sind. Darüber hinaus müssen wir jungen Leuten wieder eine Perspektive geben, um die stetig zunehmende Abwanderung zu stoppen. Dazu gehört in erster Linie die Chance, nach der Schule überhaupt ins Arbeitsleben einsteigen zu können.

Ich will noch kurz etwas zu den Eckpunkten sagen, die bereits angesprochen worden sind. Klar ist, dass kleine und Kleinstbetriebe ausgenommen werden sollen. In der Diskussion ist eine Beschäftigungsgrenze von zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Dabei ist geplant, Betriebe mit weniger als zehn Beschäftigten von der Erhebung der Umlage auszunehmen. Allerdings sollen diese Betriebe Finanzmittel erhalten können, wenn sie über Bedarf ausbilden. Das ist gerade für den Handwerksbereich ausgesprochen wichtig. Ausgenommen werden sollen auch neu gegründete Betriebe. Hierbei ist eine Gründungsphase von drei bis fünf Jahren ins Auge gefasst.

Klar ist auch, dass Betriebe, die über eine noch festzulegende Ausbildungsquote hinaus ausbilden, finanziell entlastet werden sollen, das heißt, zusätzliche Finanzmittel für die bei ihnen entstehenden Ausbildungskosten erhalten.

Das Prinzip der Freiwilligkeit soll weiterhin praktiziert werden. So soll die Möglichkeit bestehen, Branchen von der gesetzlichen Regelung freizustellen, wenn beispielsweise verbindliche tarifvertragliche Regelungen oder andere vergleichbare Vereinbarungen für die Schaffung von Ausbildungsplätzen getroffen worden sind.

(Herr El-Khalil, CDU: Alles unbürokratisch!)

Die Umsetzung der gesetzlichen Regelungen soll durch einen Beirat begleitet werden, in dem Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter ein Mitwirkungsrecht haben. Ich denke, an dieser Stelle kann man ansetzen, damit das Gespenst der Bürokratie, das Sie immer an die Wand malen, nicht zum Tragen kommt. Es gibt dort Strukturen, die genutzt werden können, beispielsweise bei der Berufsgenossenschaft, aber auch in den Verbänden selbst.

Letztendlich, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen - das wissen Sie so gut wie ich -, soll die geplante gesetzliche Regelung nur dann zum Tragen kommen, wenn auch im kommenden Ausbildungsjahr die Anzahl der angebotenen Ausbildungsplätze wieder nicht ausreicht. Damit hat die Wirtschaft es selbst in der Hand, ob es zu einer Umlagefinanzierung kommt oder nicht. - Ich danke für die Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Herr Abgeordneter Metke, es gibt noch eine Nachfrage.

Ja, gern.

Herr Dr. Daehre, bitte sehr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege, ich würde von Ihnen gern einmal erfahren, wie viele Ausbildungsplätze die IG Metall in den letzten Jahren zur Verfügung gestellt hat und wie viele Ausbildungsplätze sie vorhat, in diesem Jahr aus ihrem eigenen Bereich heraus zu schaffen. Vielleicht können Sie später die Zahl nachliefern, in welchem Umfang die Gewerkschaften in den letzten Jahren ausgebildet haben, damit deutlich wird, wie die Gewerkschaft selbst dazu steht.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich bin dankbar für die Frage; denn sie gibt mir Gelegenheit, mit dem absurden Argument aufzuräumen, das hier vorhin auch noch einmal genannt worden ist, die Gewerkschaften selbst würden nicht ausbilden. Man kann natürlich nur ausbilden, wenn es einen entsprechenden Ausbildungsberuf gibt.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der CDU: Danke! - Das reicht!)

- Ich glaube, so einfach kann man sich das nicht machen. Es muss schon einen entsprechenden Ausbildungsberuf geben, damit man nach einer entsprechenden Ausbildungsverordnung auch ausbilden kann.

(Herr Gürth, CDU: Warum machen Sie es nicht?)

Die Qualifikationen für die Tätigkeiten, die Gewerkschaftssekretäre ausüben, werden zum Teil durch ergänzende Studienseminare bzw. durch entsprechende praktische Erfahrung und Tätigkeit erworben. Das heißt, das ist kein Ausbildungsberuf im klassischen Sinne. Daher sind die Gewerkschaften überhaupt nicht in der Lage, einen solchen Ausbildungsberuf anzubieten. Sie können sicher sein, dass, wenn es einen Ausbildungsberuf gäbe, die Gewerkschaften die letzten wären, die nicht entsprechend ausbilden würden.

(Zuruf von Minister Herrn Dr. Daehre)

Daher kann das Argument, das immer wieder angeführt wird, überhaupt nicht tragen.

Herr Metke, würden Sie noch eine Frage des Abgeordneten Herrn El-Khalil beantworten?

Bitte sehr.

Herr Kollege, Sie wissen ja, dass es dem Mittelstand, den kleinen Betrieben hier in Sachsen-Anhalt nicht gut geht; das ist allgemein bekannt.

Darin sind wir uns einig. - Können Sie sich vorstellen, was ein Betrieb mit elf oder zwölf Mitarbeitern tut, der ei

ne Ausbildungsplatzabgabe zahlen müsste, aber das Geld nicht hat? Was macht der Betrieb dann? Können Sie mir das erklären? Wie viele zusätzliche Arbeitslose werden wir dadurch in Sachsen-Anhalt haben?

Das kann ich Ihnen erklären. In den Eckpunkten, die bekannt sind - es gibt keinen Gesetzentwurf, das kann ich nur noch einmal wiederholen -, wird ausdrücklich gesagt, dass es Härtefallregelungen geben soll. Das heißt, wenn ein Betrieb nicht in der Lage ist, die Ausbildungsplatzabgabe zu finanzieren, dann wird dieser Betrieb davon ausgenommen. Darüber besteht Konsens. Das soll im Gesetz geregelt werden.

Der Kollege El-Khalil möchte eine weitere Frage stellen. - Bitte sehr.

Mich interessiert, wie das geprüft wird. Werden die Bilanzen geprüft? Muss dafür ein Wirtschaftsprüfer eingesetzt werden, wobei das alles natürlich ganz unbürokratisch ablaufen wird?

Ich habe bereits gesagt, dass die Arbeitgeberverbände, die Kammern und auch Institutionen wie beispielsweise die Berufsgenossenschaften, aber auch das Bundesverwaltungsamt mit einbezogen werden sollen. Das heißt, es besteht die Möglichkeit, in Verbindung mit den Arbeitgeberverbänden und den Industrie- und Handelskammern diese Fragen branchenbezogen zu regeln. Ich denke, das ist sinnvoll und notwendig; denn - das muss ich einfach noch einmal sagen - das duale System scheint nicht mehr zu funktionieren, und zwar schon seit Jahren nicht mehr.

Das duale System baut darauf auf, dass der Staat für den theoretischen Teil zuständig ist und die Wirtschaft für den praktischen Teil. In diesem Zusammenhang kommt ein Partner seinen Verpflichten bereits seit Jahren nicht mehr nach. Deshalb muss es eine gesetzliche Regelung geben. Meiner Ansicht nach ist das der richtige Weg, um allen jungen Menschen den Einstieg in das Arbeitsleben zu ermöglichen, indem sie einen Ausbildungsplatz finden.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Metke. - Für die CDU-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Gürth sprechen. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Metke, Sie vermitteln schon eine tolle Argumentationskette für die SPD, was die Gewerkschaften betrifft.

(Beifall bei der FDP)