Protokoll der Sitzung vom 05.03.2004

Das ist leider in der Form nicht wahrgenommen worden.

(Herr Gürth, CDU: Das bringt leider auch nicht mehr Geld, Herr Kollege! Da kann man rumkra- wallieren, wie man will!)

Nun zu den vorgeschlagenen Regelungen - Herr Gürth, Sie können mich ruhig ausreden lassen -, die heute sicherlich mit der entsprechenden Mehrheit verabschiedet werden.

Im Grundsatz haben diese Regelungen zum Inhalt, dass der Konsolidierungszeitraum auf einen Zeitraum von acht Jahren erweitert wird, dass unaufschiebbare Investitionen auch während der vorläufigen Haushaltsführung getätigt werden können und dass die Kreditaufnahmeermächtigung für Investitionen erweitert wird. Der Grundsatz, dass der Beitrag aus Kreditermächtigungen nur bis zu einem Viertel der durchschnittlichen Beiträge der vorangegangenen beiden Vorjahre aufgenommen werden kann, entfällt gänzlich.

So, Herr Wolpert: Wie ist das nun mit der Schuldenfalle? Ich denke, der Landesrechnungshof hat Recht: Sie betreiben durch diese Regelungen eine Dynamisierung der Verschuldung der Kommunen. Der Wunsch, dass ausgewiesene Fehlbedarfe abgebaut und das Entstehen neuer Fehlbedarfe in künftigen Jahren vermieden werden soll, wird mit der Haushaltspolitik Ihrer Regierung ein Wunsch bleiben.

Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, waren oft sehr verwundert, dass Mittel aus bestehenden Förderprogrammen durch die Kommunen nicht abgerufen wurden. Dies hatte seine Ursache in erster Linie in der fehlenden Kofinanzierungskraft der Kommunen. Da, wie bereits erwähnt, der Landeshaushalt 2004 den Kommunen keine Verbesserung der Finanzzuweisungen brachte, bürden Sie den Kommunen eine höhere Verschuldung zulasten zukünftiger Generationen auf.

(Zuruf von Herrn El-Khalil, CDU)

Als Grundlage für diese Regelung dient Ihnen der noch „geringe“ Verschuldungsgrad der Kommunen. Nein, das ist nicht zukunftsfähig. Zukunftsfähig wäre ein zweistufiger Verwaltungsaufbau im Lande, wäre die dringend notwendige Funktional- und Verwaltungsreform. Doch dazu gab es von Ihnen bisher nur Regelungen, die das Landesverwaltungsamt stärken und aufblähen, sowie eine Vergrößerung der Verwaltungsgemeinschaften, die dann nicht mehr beherrschbar sind.

(Herr Gürth, CDU: Sie hatten acht Jahre Zeit, Ihre Wünsche umzusetzen!)

Meine Damen und Herren der Koalition! Wie bereits in der Innenausschusssitzung vorgetragen, weist Ihre Regelung einen gravierenden handwerklichen Fehler auf. Dieser besteht - der Ausschussvorsitzende ist darauf eingegangen - in der Pflicht nach § 23 der Gemeindehaushaltsverordnung. Fehlbeträge sind demnach unverzüglich zu decken, spätestens jedoch im zweiten dem Haushaltsjahr folgenden Jahr. Dies ist eine Sollvorschrift, richtig. Nun haben Sie jedoch mehrfach betont, dass Soll gleich Ist ist. Ich bin gespannt auf die Reaktionen der Kommunalaufsichten und der Rechnungsprüfungsämter. Beide sind in ihrer Tätigkeit bei Verstößen

gegen diese Vorschrift im Zusammenhang mit der jeweiligen Jahresrechnung an geltendes Recht gebunden.

An dieser Stelle hätten Sie die Möglichkeit für eine Korrektur. Jedoch wurden unsere Bedenken einfach vom Tisch gewischt.

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Die Möglichkeit, dass die nunmehr vorliegende Regelung die Handlungsspielräume für die Kommunen bereits im laufenden Haushaltsjahr erweitert, wurde durch die Koalition verschenkt, da diese unseren damaligen Gesetzentwurf nicht als Grundlage für diese Änderungen nutzte. Das ist aus der Sicht der Kommunen zu bedauern.

Wenn ich als kommunaler Mandatsträger dieser Regelung meine Zustimmung gebe, dann tue ich das nicht, weil ich dieses Vorgehen generell begrüße, sondern weil ich auch künftig Aufgaben im freiwilligen Bereich zur Verbesserung der Lebenssituation der Einwohnerinnen und Einwohner in meiner Landeshauptstadt, in meiner Heimatstadt Magdeburg, gestalten möchte. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Grünert. - Bevor ich Herrn Madl für die CDU-Fraktion das Wort erteile, dürfen wir Schülerinnen und Schüler der Integrierten Gesamtschule Regine Hildebrandt aus der Landeshauptstadt Magdeburg begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun bitte, Herr Madl.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Grünert, es war wieder genau wie gestern, so ein richtiges Tönen auf die Kommunalen.

Ich bin seit dem Jahr 1990 Bürgermeister einer Kleinstadt in Sachsen-Anhalt. Ich habe mir, als wir begonnen haben zu investieren, überlegt, dass es vielleicht nicht eines derart großen Investitionsvolumens bedurft hätte, wenn in den Jahren von 1949 bis 1990 systematisch an Infrastrukturmaßnahmen gearbeitet worden wäre. Wenn systematisch an freiwilligen Aufgaben gearbeitet worden wäre, dann hätten wir heute vielleicht nicht den Stand, den wir haben und vor dessen Hintergrund Bürgermeister Hilferufe loslassen müssen, um ihre kommunalen Haushalte überhaupt noch rund zu kriegen. Das ist für mich nur ein Polemisieren, ein Tönen und Schreien. Das passt eigentlich gar nicht hier her.

(Beifall bei der CDU)

Dass wir uns in Sachsen-Anhalt nicht allein auf dieser Position befinden, wird anhand eines Artikels deutlich, der am 28. Februar 2004 im „Tagesspiegel“ Berlin-Brandenburg erschienen ist. Er hieß: Hilferuf der Bürgermeister aus dem finanziellen Abgrund - Oberhäupter der Städte fordern ein neues Gesetz, um den drohenden Kollaps ihrer Kommunen zu verhindern. Die Städte in Brandenburg sind finanziell am Ende. Zitat: „Wir können unsere Aufgaben nicht mehr erfüllen. Wir schaffen es nicht mehr.“ Das erklärten die Oberbürgermeister von Potsdam, Frankfurt, Cottbus und Brandenburg.

Wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben versucht, mit dem Gesetz zur Erleichterung der Haus

haltsführung der Kommunen ein Instrument zu schaffen, mit dem die Möglichkeit eröffnet wird, dass die Kommunen trotz der defizitären Haushalte ihre Aufgaben sowohl im pflichtigen als auch im freiwilligen Bereich weiterhin erfüllen können.

Es ist - ich habe das bereits in meiner Einbringungsrede gesagt - ein Instrument, das - davon bin ich überzeugt -, wenn es die Kommunen sinnvoll einsetzen, auch zu Effekten bei der Haushaltsführung und bei der systematischen Abarbeitung ihrer pflichtigen und freiwilligen Aufgaben führen kann.

Die drei Gründe, die für die Schaffung dieses Gesetzes ausschlaggebend waren: Wir wollten die Haushaltsführung flexibilisieren. Das heißt, wir wollten den Konsolidierungszeitraum verlängern, um den für den Haushalt Verantwortlichen mehr Sicherheit zu geben.

Wir wollten den Weg für unaufschiebbare Investitionen freimachen. Damit sind nicht nur die bereits im Vorjahr begonnenen gemeint, sondern auch neue unaufschiebbare Investitionen, weil wir insbesondere in den letzten zwei Jahren gesehen haben, dass bei den kleinen Unternehmen und im Mittelstandsbereich die Arbeitsplätze wegbrechen. Das resultiert unserer Meinung nach auch wesentlich aus der mangelnden Investitionstätigkeit der Kommunen insbesondere im ländlichen Raum.

Wir wollten damit eigentlich auch ein Instrument schaffen, mit dem eine zügige Bedienung von Fachförderprogrammen ermöglicht wird, und wir wollten damit die kommunale Entwicklung vor Ort gewährleisten.

Wir wollten ferner den Kommunalaufsichtsbehörden Hilfestellungen und auch ein Stück Rechtssicherheit bei der Beurteilung von Kommunalhaushalten geben, damit genau das nicht passiert, Herr Grünert, was Sie beschrieben haben, nämlich dass die Kommunen in eine Schuldenfalle steuern. Genau das wollen wir nicht.

Während der Einbringungsrede im Dezember 2003 hat jemand gesagt: Es ist ein Instrument, mit dem man vielleicht leichtfertig umgehen kann. Ich habe es damals bereits gesagt, und ich sage es heute wieder: Mit diesem Instrument wird der Leichtfertigkeit nicht Vorschub geleistet. Es ist ein Instrument, das derjenige, der es will, leichtfertig handhaben kann und auf diese Weise möglicherweise nicht den richtigen Weg geht. Aber ich denke, dass die Männer und Frauen, die an der Basis zu entscheiden haben, nicht leichtfertig entscheiden, sondern sinnvoll mit diesem Instrument umgehen.

Klaus Jeziorsky hat gesagt, dass das Innenministerium der Bitte nachkommen wird, noch entsprechende Handlungsempfehlungen zur Verfügung zu stellen. Ich denke, im Großen und Ganzen ist das ein interessantes Instrument, um auf dem Weg der Haushaltskonsolidierung weiterzukommen. - Ich bitte darum, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Madl. - Nun bitte für die SPD-Fraktion Herr Dr. Polte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! In der Sitzung des Landtages am 20. November 2003 wurde der Gesetzentwurf der PDS-Fraktion abgelehnt, der das Ziel hatte, den Kommunen mehr kom

munalpolitische Handlungsfähigkeit bei nicht genehmigungsfähigen Haushalten zu verschaffen. Danach sollte aus der Muss-Regelung für den Haushaltsausgleich eine Soll-Regelung werden. Dieser Gesetzentwurf wurde damals, denke ich, aus nachvollziehbaren Gründen von den Fraktionen von CDU, FDP und SPD abgelehnt.

Herr Kolze - ja, er ist da - hat damals im Namen der CDU-Fraktion Folgendes erklärt - ich darf das zitieren -:

„Da ist man schnell dabei, über die Modifizierung althergebrachter Haushaltsgrundsätze nachzudenken. Jedoch führt ein solches Vorgehen gerade nicht zu einer dauerhaften Verbesserung der Finanzsituation.“

Dann heißt es weiter:

„Da durch den PDS-Antrag objektiv keine Verbesserung der Situation bei den Kommunalfinanzen eintritt, könnte es auch sein, dass hierdurch die Kommunen nur noch weiter in die Schuldenfalle gelockt werden. Genau das können wir nicht wollen... Auf keinen Fall dürfen wir durch Scheinlösungen die finanzielle Lage in der Zukunft noch verschärfen.“

O-Ton Herr Kolze.

Nun frage ich Sie, meine Damen und Herren von der Koalition: Was hat sich eigentlich so grundlegend verändert, dass die Regierung 14 Tage später einen Gesetzentwurf mit dem Grunde nach gleichgerichteten Zielsetzungen eingebracht hat?

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Durch eine Verlängerung des Konsolidierungszeitraums soll nämlich den Kommunen Luft verschafft werden für im Rahmen der Konsolidierungsmaßnahmen notwendige Strukturveränderungen. Im Ergebnis ändert sich überhaupt nichts am Grundproblem bei unseren Kommunen, der dramatisch schlechten Haushaltssituation.

Ich darf daran erinnern: Bereits im Jahr 2003 konnte fast die Hälfte der Kommunen im Land keinen Haushaltsausgleich herbeiführen. Im Jahr 2004 ist die gleiche Tendenz zu erkennen. So können Erhebungen des Städte- und Gemeindebundes zufolge beispielweise 88 % der Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern keinen Haushaltsausgleich realisieren. An dieser Stelle sehe ich den eigentlichen Handlungsbedarf der Regierung.

(Beifall bei der SPD)

Was soll denn passieren, wenn eine Kommune trotz ihrer intensiven Konsolidierungsbemühungen einen Haushaltsausgleich mittelfristig entsprechend den vorgesehenen neuen Regelungen des Gesetzes nicht herbeiführen kann? Wir sehen auch die Gefahr, dass die Ausweitung der in § 96 Abs. 2 der Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt vorgesehenen Kreditermächtigung dazu führen wird, dass die Kommunen über einen längeren Zeitraum im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung arbeiten und verstärkt Kredite aufnehmen.

Meine Damen und Herren! Das zur Verabschiedung anstehende Gesetz ist der untaugliche Versuch, den Kommunen bei ihren finanziellen Nöten einen Rettungsschlauch zuzuwerfen, der aber voller Löcher ist und aus dem hörbar die Luft entweicht.

(Zustimmung bei der SPD)

Mit dem Gesetzentwurf wird kein echter Beitrag zur Verbesserung der kommunalen Haushaltssituation geleistet.

Es wird vorrangig das Verfahren im Umgang mit defizitären Haushalten geregelt. Mit dem Gesetz wird auch der Druck auf das Land verringert, seiner Fürsorgepflicht für eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Kommunen nachzukommen.

Das Gesetz, so meine und unsere Befürchtung, wird die Wirkung eines Überschuldungsleitfadens entfalten. Wenn ich die eingangs zitierten Ausführungen des Abgeordneten Herrn Kolze zum Maßstab nehme, dann kann man dem Gesetz nicht zustimmen. - Danke.