Protokoll der Sitzung vom 01.04.2004

Aber unsere Hand bleibt ausgestreckt.

Meine Damen und Herren! Die finanzpolitische Situation unseres Landes lässt aber kein Zurück zum alten KiBeG zu. Zu dieser Position stehen wir.

Die Kinderbetreuung ist ein wichtiger Aspekt in einer ganzheitlichen Familienpolitik. Wir dürfen aber die Familienpolitik nicht auf die Frage der Kinderbetreuung reduzieren. Auch das KiBeG hat die fatale Entwicklung bei den Geburten in Sachsen-Anhalt nicht umkehren können.

Wir können und müssen aber beim KiFöG nachjustieren. Insbesondere das elterliche Wunsch- und Wahlrecht hinsichtlich der Nutzung von Einrichtungen in freier Trägerschaft außerhalb der Wohnsitzgemeinde soll klarer geregelt sein. Dort haben sich Entwicklungen abgespielt,

(Frau Dr. Weiher, PDS: Das war aber nicht der Hauptpunkt!)

die wir, die CDU-Fraktion, so nicht billigen können. Deshalb müssen wir zur Not an die Gesetzesgrundlage herangehen.

(Zustimmung von Frau Feußner, CDU, und von Herrn Kurze, CDU)

Der Anspruch auf eine Ganztagsbetreuung bei einem Ausfall der Betreuungsperson, meinst durch Krankheit, soll tatsächlich gewährleistet und möglichst flexibel ausgestaltet werden. Das ist eigentlich geltende Rechtslage. Aber wir haben die Beispielsfälle ernst genommen, in denen sie im Land Sachsen-Anhalt offensichtlich nicht richtig funktioniert hat. Deshalb müssen wir an diese Themen noch einmal herangehen.

Aber, meine Damen und Herren, um die Menschen zu einer Familiengründung zu ermutigen, brauchen wir einen umfassenden Ansatz, der auch Maßnahmen auf der Bundesebene einschließt. Dazu gehört das CDU-Konzept des Familiengeldes. Das lasse ich nicht als ein „Konzept der drei K“ diffamieren.

(Zustimmung bei der CDU)

Das ist ein Konzept, das darauf hinausläuft, dass die Familienarbeit und die Erziehungsleistung in den Familien genauso gesellschaftlich anerkannt werden wie die Erwerbsarbeit.

(Beifall bei der CDU - Frau Bull, PDS: Mit 200 €! Ich lache mich gleich kaputt! - Zurufe von der CDU - Unruhe)

Deshalb stehe ich zu dem Konzept des Familiengeldes.

Meine Damen von der PDS, wenn dahinter eine familienpolitische Diskussion über unser Bild von der Familie

stehen sollte, bin ich gern bereit, mit Ihnen diese Diskussion auch streitig zu führen. Es geht um die Zukunft der Familie in Deutschland, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Dazu gehören natürlich auch Arbeitsmarktreformen. Dazu gehört auch die bessere und stärkere Berücksichtigung von Erziehungszeiten bei der Rente. Dies haben wir, die CDU, auf unserem Bundesparteitag in Leipzig als Programm beschlossen. Dazu gehören auch weitere steuerliche Erleichterungen. Dazu gehört vor allem eine Veränderung des gesellschaftlichen Klimas.

Wir können ja nicht anordnen, dass Kinder geboren werden. Wir müssen ein Klima erzeugen, in dem die Familien wieder Lust auf Kinder haben; dieses müssen wir mit ganzer Kraft ansteuern. Wenn wir das nicht schaffen, dann werden die Bevölkerungsprognosen zutreffen, die uns der eine oder andere jetzt schon einmal zugerechnet hat.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Das Statistische Landes- amt!)

- Das Landesamt ist nicht Schuld daran.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Das hat die Zahlen gelie- fert, nicht der eine oder andere!)

- Moment, Herr Dr. Püchel. Wenn wir gegenwärtig eine Situation haben, dass die derzeitige Geburtenrate in Sachsen-Anhalt nur eine Reproduktion zu etwa 57 % gestattet, dann rechnet das Landesamt einfach die statistischen Zahlen hoch. Aber schon allein die Frage, mit welcher Reproduktionsrate wir vielleicht in fünf oder zehn Jahren zu rechnen haben, ist keine Frage, die das Statistische Landesamt beantworten kann. Das Statistische Landesamt kann gewisse Annahmen machen, ob diese aber wirklich eintreffen, hängt in erheblichem Maße damit zusammen, welche politischen Rahmenbedingungen wir in Sachsen-Anhalt und in Deutschland setzen.

(Zustimmung bei der CDU)

Diesbezüglich haben wir uns eine Aufgabe gestellt: Wir müssen die Familienpolitik stärken, wir müssen einen gesellschaftlichen Klimawandel bis hinein in die Betriebe, bis hinein in die Vorstandetagen, bis hinein in die Propagisten der Spaßgesellschaft erzeugen. Wenn wir das nicht schaffen, werden wir uns im Land SachsenAnhalt noch so viel über geschicktere Umverteilung unterhalten können - uns fehlt einfach die Masse -, wir werden das Problem dann nicht mehr lösen.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Politik muss antreten, Entwicklungen genau zu analysieren. Aber sie muss auch in der Lage sein, den Menschen eine Perspektive zu geben. Um mit den Worten von Bischof Nowak zu sprechen: Wir müssen eine menschenfreundliche Perspektive geben.

Die Koalition hat die Zeichen der Zeit erkannt. Wir werden den Weg, den wir eingeschlagen haben, fortsetzen. Wir werden dort, wo wir festgestellt haben, dass Korrekturen vorgenommen werden müssen, diese Korrekturen auch ohne Scheu vornehmen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass es uns gelingen wird, in diesem Dialog, in den wir die Menschen im Land Sachsen-Anhalt einbeziehen werden, mehr und mehr für unsere Ideen zu werben. Wir haben keinen bequemen

Weg aufzuzeigen; es wird ein mühsamer Weg sein. Aber es wird ein ehrlicher Weg sein, es wird ein wahrhaftiger Weg sein und dann wird es auch ein erfolgreicher Weg sein.

Wir in der Koalition sind gewillt, die nächsten beiden Jahre so weiter zu gehen, damit die Menschen im Land Sachsen-Anhalt eine gute Politik bekommen. Die Menschen in Sachsen-Anhalt haben verantwortlich handelnde Politiker verdient. Wir haben eine verantwortlich handelnde Regierung. Die Koalition wird die Regierung in ihrem Handeln tatkräftig unterstützen und wir werden - mich lacht die Opposition so schön an - auch Kritik gern entgegennehmen. Wenn die Kritik richtig ist, dann werden wir sie auch beherzigen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank - Herr Dr. Püchel, SPD: Dann beeilen Sie sich!)

Danke, Herr Abgeordneter Scharf. - Für die PDS-Fraktion wird die Fraktionsvorsitzende Frau Dr. Sitte sprechen.

Zuvor begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule „Am Salzigen See“ aus Röblingen. Seien Sie willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin! Als Anfang März zum ersten Mal zu lesen war, dass der Ministerpräsident eine Regierungserklärung zur Standortbeschreibung seiner Politik und zur Richtungsvorgabe halten will, dachte ich nur: Na prima, jetzt hören wir die vierte Interpretationsvariante des Koalitionsvertrages.

(Zustimmung bei der PDS)

Die Qualität dieses Vertrages warf schon damals die Frage auf, womit sich die CDU-Opposition eigentlich acht Jahre lang in diesem Haus beschäftigt hat. Zudem wurde der alten Landesregierung in den letzten beiden Jahren gelegentlich vorgeworfen, sie hätte in ihren Schubladen Konzepte gehabt, diese aber nicht umgesetzt. In Bezug auf die Koalitionsvereinbarung bzw. den Koalitionsvertrag konnte man nur zu der Auffassung gelangen, dass Ihre Schubladen gänzlich leer waren.

(Beifall bei der PDS)

Bis heute gibt es nicht ein strategisches Leitbild, nicht wirklich eine identitätsstiftende Idee für Sachsen-Anhalt.

Sicherlich hört sich manches aus der Erklärung des Ministerpräsidenten schlüssig an, aber das Handeln der Landesregierung als Ganzes ist ganz und gar nicht schlüssig. Da werden Minister zurückgepfiffen, öffentliche Meinungsdifferenzen in Kernfragen in einer Weise ausgetragen, dass Betroffene dann oftmals überhaupt nicht mehr wissen, woran sie eigentlich sind und wohin es gehen soll. Wie oft musste daher der Ministerpräsident zu seinen schärfsten Waffen greifen, nämlich der Richtlinienkompetenz und der Regierungserklärung?

Wenn es sich um gelegentliche Meinungsverschiedenheiten zwischen den Koalitionären handeln würde, könnte noch ein Mindestmaß an Verständnis aufgebracht werden. Aber so ist es nicht. Inhaltliche Unklarheiten durchziehen die CDU wie ein Pilzmyzel, das vergiftet

und Klima und Handeln lähmt. Das bedeutet, dass das Land überhaupt nicht in die Offensive kommt.

Andere Länder zu überholen, Herr Ministerpräsident, heißt nicht unbedingt, schneller geworden zu sein. Ebenso gut könnte sich das Tempo der anderen verringert haben.

Aber irgendwie war es schon bezeichnend, dass der Ministerpräsident genau in dem Moment zur Zukunftsdebatte aufrief, als ein Volksbegehren und Studierendenproteste gegen die Politik der Landesregierung in Gang gekommen waren. Als Debattenauftakt wurden sowohl die Ziele des Volksbegehrens als auch die der Studierendenproteste mit dem Etikett „Gruppenegoismen“ versehen. Bezeichnend war nicht einmal das grundsätzliche Zurückweisen dieser Forderungen, sondern der Umstand, dass es in beiden Fällen um Interessen genau der Bevölkerungsgruppe ging, die unsere Zukunft schultern soll.

(Beifall bei der PDS)

Die Bundesrepublik hat bekanntermaßen als großes Zukunftsthema die demografische Entwicklung der Bevölkerung. In Ostdeutschland wird sich die Zahl der Bevölkerung bis 2050 nicht nur halbieren, sondern die in viel geringerem Umfang vorhandenen Nachgeborenen wandern auch noch ab. Es ist dramatisch, was in diesem Zusammenhang auf uns zukommt. Dass immer weniger Kinder geboren werden und dass immer mehr, vor allem Junge, den Osten Deutschlands verlassen, ist nicht naturgesetzlich, sondern gesellschaftspolitisch verursacht. An dieser Stelle muss die Politik ansetzen, will man langfristig und nachhaltig gegensteuern.

Ja, die Jungen wollen sich etwas leisten. Okay, sollen sie auch. Aber zugleich wollen sie etwas leisten. Sie haben das während der Hochwasserkatastrophe im Land deutlich bewiesen. Dafür müssen sie eben auch jeweils eine Chance bekommen.

Der Dreh- und Angelpunkt Ihrer politischen Agenda ist aber mal wieder die Haushaltskonsolidierung. Das ist Ihr roter Faden - und das, obwohl auch hierbei keine Fortschritte zu erkennen sind. Sie tun trotzdem so, als lösten sich damit alle anderen Probleme in Luft auf, jedenfalls früher oder später. Selbst wenn Sie es schaffen, ab dem Jahr 2009 keine Kredite mehr aufzunehmen, so sind auch danach Jahr um Jahr Zinsen und Kredittilgungen aufzubringen.

Grundsätzlich ändert sich also an der Situation nichts. Sie kürzen trotzdem ohne Rücksicht auf Verluste und ohne erkennbare Prioritäten über alle politischen Felder hinweg.

Wir sagen: Diese Haushaltspolitik reicht nicht einmal zum Überwintern.

(Beifall bei der PDS)