Protokoll der Sitzung vom 02.04.2004

Eines der Ergebnisse ist, dass es diesen Standortsicherungsvertrag gibt.

Wir sind jetzt aber im Jahr 2004 und wir stehen wieder vor einer schwierigen Situation. Was ich von dieser Landesregierung verlange, ist, dass sie kein Verständnis für diese Schließungsabsicht aufbringt. Das ist das Mindeste, was sie tun kann. Und ich erwarte, dass sie mit daran arbeitet, diese Schließung abzuwenden.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Es gibt inzwischen eine zweite Chance. Das ist wirklich nur eine Chance, aber sie muss ergriffen werden. Nach dem Protest der Arbeitnehmer und der Gewerkschaft in Berlin vor der Konzernzentrale ist der Vorschlag zur Schließung vom Aufsichtsrat nicht beschlossen worden, sondern es ist formuliert worden: wird zur Kenntnis genommen. Es ist völlig logisch, dass der Konzern nicht sagt, er sieht das anders. Das hat vermutlich auch niemand erwartet. Aber jetzt ist eine Zeitlücke da, die genutzt werden muss. Ich erwarte von der Landesregierung, dass sie sich der Argumentation der Arbeitnehmervertretung anschließt.

(Beifall bei der SPD)

Ich erwarte ferner, dass sie aktiv an der Entwicklung eines Konzeptes mitarbeitet, das erstens Waggonbau heißt und zweitens zusätzlich andere Lösungen enthält. Der Waggonbaustandort darf nicht von vornherein aufgegeben werden. Ich erwarte, so wie es bei anderen Themen auch gemacht wird, dass versucht wird, das

Maximale herauszuholen, und natürlich erwarte ich auch ein positives Ergebnis.

(Beifall bei der SPD)

Nutzen Sie die Chance, meine Damen und Herren von der Landesregierung! Wir setzen darauf, dass Sie es schaffen. Wir würden Ihnen gern hinterher auch Beifall klatschen, wenn der Standort gerettet ist.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Budde. - Bevor wir gleich den Beitrag der Landesregierung hören, habe ich die Freude, Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Weferlingen begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun erteile ich Herrn Minister Dr. Rehberger das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Budde, dass Sie hier so wortreich und lautstark geredet haben, verstehe ich. Wer vor zwei Jahren Herrn Schröder und Herrn Höppner und Sie in Ammendorf erlebt hat, der ist inzwischen wirklich tief enttäuscht und fühlt sich nach Strich und Faden betrogen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Deswegen ist es ganz klar, dass diejenigen, die hier als die Täuscher, als diejenigen dastehen, die versprochen haben, was nicht gehalten worden ist, jetzt versuchen, die Schuld irgendwo anders hinzuschieben. Das ist nachvollziehbar, wird deswegen aber nicht richtiger.

Meine Damen und Herren! Dass das Bombardier-Werk in Ammendorf Ende 2005 schließen soll, ist für die Stadt Halle und für das Land Sachsen-Anhalt ein schwerer Schlag. Das habe ich wiederholt zum Ausdruck gebracht. Sie wissen, dass in Sachsen-Anhalt die Zahl der Arbeitsplätze in der Industrie im vergangenen Jahr stärker gewachsen ist als in den übrigen Bundesländern, in denen der entgegengesetzte Prozess stattgefunden hat.

Wir werden in Sachsen-Anhalt auch im Jahr 2004 entgegen dem Bundestrend per saldo wieder einen Aufwuchs bei den industriellen Arbeitsplätzen haben. Zurzeit werden quer durch das Land Sachsen-Anhalt mehr als 15 000 industrielle Arbeitsplätze geschaffen.

Natürlich trifft es uns trotzdem, dass wichtige Standorte wie Ammendorf geschlossen werden sollen. Erstens wird dadurch die Bilanz natürlich nicht so gut, wie wir sie gern hätten.

(Frau Hajek, SPD, und Frau Tiedge, PDS, lachen)

Die 15 000 Arbeitsplätze kommen nicht hinzu; es muss eine Gegenrechnung gemacht werden. Im vergangenen Jahr war es letztlich per saldo lediglich ein Plus von 1 200, aber immerhin.

Im Übrigen ist das natürlich keine Lösung für die unmittelbar Betroffenen, die dort Beschäftigten. Sie haben meine volle Sympathie und auch meine Unterstützung,

soweit sie Verträge durchsetzen wollen, die sie geschlossen haben. Das ist doch sonnenklar, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Budde, Sie sollten nicht den Eindruck erwecken, als ob die Landesregierung die Belegschaft nicht unterstützen würde, wenn diese ihre Rechte nachdrücklich vertritt.

Meine Damen und Herren! Im Jahr 2002 - das möchte ich hier, um der Geschichtsklitterung entgegenzuwirken, erwähnen - wurde zwischen dem Konzern, der Landesregierung und der Bundesregierung abgesprochen, dass das Werk in Ammendorf nicht als Produktionsstandort Bestand haben sollte, sondern dass es zu einem Servicestandort mit 300 bis 450 Beschäftigten umgestaltet werden sollte. Das sollte Bestand haben. Ich bin schon sehr enttäuscht, dass Bombardier auch diese Absprache jetzt nicht einhalten möchte. Das ist eine große Enttäuschung.

(Frau Fischer, Leuna, SPD: Und was tun Sie da- gegen? Natürlich nichts!)

Allerdings, meine Damen und Herren - auch das muss man sehen -, ist der Einzige, der mit einer gewissen Aussicht auf Erfolg von der politischen Ebene her intervenieren könnte, der möglicherweise das Blatt wenden könnte, der Bund, die Bundesregierung,

(Zurufe von der SPD: Ach so! - Da haben wir es!)

und zwar einfach deswegen, weil der Bund der einzige Gesellschafter der Bahn AG ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es gibt in Deutschland nur ein Unternehmen - ich kann es nicht ändern -, das durch Aufträge für Ammendorf wirklich dafür sorgen könnte, dass die Produktion dort weitergeht. Das ist die Bahn AG. Und für die Bahn AG verantwortlich ist ein Aufsichtsrat, in dem der Bund sitzt, meine Damen und Herren.

(Zuruf von Frau Grimm-Benne, SPD)

Was sagt denn nun die Bundesregierung? Was sagt derjenige, der sich im Jahr 2002 mit der Botschaft feiern ließ: Ammendorf ist gerettet?

(Zuruf von Herrn Felke, SPD)

In diesen Tagen hat der Abgeordnete Dr. Bergner die Bundesregierung gefragt, was sie denn zu den Dingen sagt. Ich lese Ihnen jetzt die Antwort der Bundesregierung vor. In der Antwort der Bundesregierung vom 24. März 2004 - das ist also erst wenige Tage her - auf die Frage, was sie zur Schließung des Werkes in Ammendorf sagt, heißt es:

„Die Bundesregierung bedauert ausdrücklich den Verlust von Arbeitsplätzen, der mit der von Bombardier bekannt gegebenen Entscheidung zur Schließung des Waggonbauwerkes in Ammendorf zum Jahresende 2005 verbunden ist. Die unternehmerische Entscheidung des kanadischen Konzerns zur Standortschließung nach Prüfung betriebswirtschaftlicher Kriterien kann allein von dessen Führung getroffen werden. Sie ist auch vor dem Hintergrund der Gesamtsituation von Bombardier zu sehen.“

Das ist die Botschaft einer Regierung, deren Kanzler vor zwei Jahren noch erklärt hat: Ich habe Ammendorf gerettet.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Frau Feußner, CDU: Da stellen Sie sich noch hierher, Frau Budde!)

Das, meine Damen und Herren, ist die Botschaft einer Regierung, die genau von der Partei getragen wird, der auch Frau Budde angehört. Frau Budde, was haben Sie eigentlich unternommen, um den Herrn Kanzler an seine Zusagen zu erinnern und als SPD Sachsen-Anhalts in Berlin durchzusetzen, dass für Ammendorf Aufträge ausgelöst werden?

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU - Herr Stahlknecht, CDU: Jawohl!)

Herr Minister Rehberger, möchten Sie eine Frage von Herrn Polte beantworten?

Na klar.

(Herr Gürth, CDU: Es ist eben nicht Philipp Holz- mann in Frankfurt am Main!)

Bitte schön, fragen Sie, Herr Polte.

Herr Minister, im Jahr 1989 war Herr Haussmann, FDP, Bundeswirtschaftsminister. Ich habe noch im Ohr, dass er sagt: Wirtschaft ist Sache der Wirtschaft. Ich beobachte nun verstärkt Folgendes: Kommt die Wirtschaft in irgendwelche Probleme, dann wird an die Politik appelliert, sie solle die Probleme lösen.

(Zurufe von der CDU)

Dann soll die Politik die Probleme lösen,

(Frau Fischer, Merseburg, CDU: Da vorn sitzt sie! - Weitere Zurufe von der CDU)

kommt sozusagen von allen Seiten. Dann ist eben eine Intervention durch den Staat, dann sind vielleicht sogar Subventionen gefragt. Ist das eigentlich zukunftsfähig, auch aus der Sicht eines FDP-Ministers? Das muss ich einmal fragen.

(Zustimmung von Herrn Stadelmann, CDU)