Nein, ich würde ganz gerne zu Ende sprechen. Ich beantworte Ihnen die Fragen selbstverständlich am Ende, Herr Gürth, auch wenn ich mir keine Illusionen darüber mache, wie Sie mit unseren Argumenten umgehen.
Der TED sagte eindeutig: In der Bevölkerung ist ein solches Gesetz, ist Tariftreue natürlich erwünscht.
Die Menschen haben eigene Vorstellungen und beurteilen das ja immer nach ihrer eigenen Situation. Eine Tariftreue gehört offensichtlich zu dem, was sie gern bei ihrer Entlohnung für ihre Arbeit sehen möchten.
Zu dem vierten Teil - ganz toll -, Investitionserleichterungen: Gemeinden unter 10 000 Einwohnern können jetzt über ganz viele Dinge selbst entscheiden: ob Jahrmärkte stattfinden oder abgeschafft werden, ob sie wieder aufgehoben werden. Vermutlich wird das eine richtige Investitionswelle auslösen, und die kleinen Gemeinden unter 10 000 Einwohnern werden sich gar nicht
Also, Herr Gürth, lassen Sie mich Ihr so genanntes Investitionserleichterungsgesetz bis hierhin etwa so zusammenfassen:
Im Rahmen der von der CDU und der FDP gestern ausgerufenen sozialen Gerechtigkeit durch mehr Differenzierung arbeiten untertariflich bezahlte Bauarbeiter auf den zu Tausenden emporschießenden Investitionsbaustellen ohne vorherige Prüfung der Bebaubarkeit, damit es schnell geht. Etwaige dabei entstehende schützenswerte Denkmale der Moderne brauchen gar nicht erst funktionsfähig gemacht werden, sondern können wieder abgerissen werden. Zwischenzeitlich starten die Handwerker einen Wettlauf um den Ausbau von Waschbecken und Heizungen - dank dem neuen Vorleistungssicherungsgesetz ein schönes Perpetuum mobile. Nur schade, dass Perpetuum mobile noch nie funktioniert haben. Ich nenne so etwas mit Kanonen auf Spatzen schießen.
Herr Hatton hat Ihnen ja schon erklärt, was er gern im zweiten Gesetz zu lesen wünscht: Das kommunale Wirtschaftsrecht soll geändert werden, das Bildungsfreistellungsgesetz soll abgeschafft werden und die Streichung des Feiertages der Heiligen Drei Könige soll erfolgen. Insofern also schnell, Herr Gürth, damit Sie schnell ein zweites Investitionssicherungsgesetz einbringen.
Frau Abgeordnete Budde, herzlichen Dank, dass Sie bereit sind, zwei Zwischenfragen zu beantworten. - Als Erstes erteile ich Herrn Abgeordneten Sänger das Wort.
Sehr geehrte Frau Budde, Sie sprechen von ruinösem Wettbewerb in diesem Land Sachsen-Anhalt. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich meine, nicht der ruinöse Wettbewerb, sondern die fehlenden Aufträge sind das Thema.
Deshalb meine Frage an Sie: Kennen Sie den festgelegten Mindestlohn und wissen Sie, wie der kalkulierte Mittellohn im Durchschnitt dieses Landes aussieht? Dann wissen Sie letztlich auch, ob es einen ruinösen Wettbewerb gibt.
Wissen Sie, ich mache das Argument des ruinösen Wettbewerbs an der Aussage vieler Handwerker fest, dass sie schon lange keine öffentlichen Aufträge mehr bekommen haben, weil diese Aufträge immer diejenigen bekommen, die am billigsten anbieten, während sie selbst versuchten, tariflich zu entlohnen,
sie aber bei den öffentlichen Aufträgen, die zugegebenermaßen die Mehrheit der Aufträge darstellen - das wissen Sie und das weiß ich - keine Chance mehr ha
ben, weil das Argument der Wirtschaftlichkeit bzw. des wirtschaftlichen Angebotes von den Auftraggebern überhaupt nicht akzeptiert wird.
Bereits in der Anhörung zum Tariftreuegesetz, bei der auch die Vertreter der kommunalen Gebietskörperschaften und der kommunalen Verbände anwesend waren, wurde aus den Äußerungen der Vertreter des Städte- und Gemeindebundes und des Landkreistages ganz klar, dass sie dieses Gesetz, wo irgend möglich, umgehen und nicht anwenden werden, weil sie aus den zur Verfügung stehenden Mitteln so viel Aufträge wie möglich finanzieren wollen, jedoch die Aufträge nicht danach bemessen, dass sie wirtschaftliche Entlohnung und Wirtschaftlichkeit sichern. Das ist für mich das Hauptargument. Ich glaube, jeder würde sich gegen ruinösen Wettbewerb am Bau wenden.
Mindestlöhne waren für uns kein Thema. Sie gelten auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Europa, die hier arbeiten. Sie können nicht der Gradmesser dafür sein, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Ostdeutschland entlohnt werden, denn hier gibt es gesonderte tarifliche Regelungen. Das wissen Sie so gut wie ich. Ich weiß, dass die Baugewerbeverbände und der Bauverband versuchen, bezüglich der Mittellöhne mit Ihnen eine alternative Lösung zu finden. Das kann durchaus ein gangbarer Weg sein.
Trotzdem halten wir an unserer Auffassung fest: Das Beste wäre ein Tariftreuegesetz, das nicht nur auf Landesebene, sondern auch im Bund gilt. Wenn Sie noch ein paar andere Kronzeugen brauchen, dann sehen Sie nach Bayern und nach Baden-Württemberg; es gibt auch andere Länder. Herr Rehberger, ich kenne das Argument, dass die das zur Abgrenzung ihrer eigenen Märkte gemacht haben.
Bleiben wir bei den Löhnen: Herr Gürth, ich bin am Anfang auch dem Argument aufgesessen, in einem Bundestariftreuegesetz seien die ostdeutschen Löhne nicht verankert. Das heißt doch nicht, dass ein Unternehmen, das auf einer westdeutschen Baustelle arbeitet, nachweisen muss, dass es für die gesamte Zeit seiner Existenz westdeutsche Löhne zahlt. Es muss lediglich nachweisen, dass es denjenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die auf dieser Baustelle arbeiten, für den Zeitraum der Abarbeitung dieses einen Auftrages westdeutsche Löhne zahlt. Damit greift Ihr Argument gegen das Bundestariftreuegesetz auch nicht mehr.
Sehr geehrte Frau Budde, Sie signalisierten, dass Sie auch bereit sind, die Frage des Abgeordneten Herrn Gürth zu beantworten. - Bitte sehr, Herr Gürth.
Ich stelle mir einen Handwerksbetrieb in Quedlinburg vor, in dem diejenigen Arbeitnehmer, die im Westen arbeiten, mehr Geld bekommen. Das kommt mir irgendwie bekannt vor.
Unabhängig davon, dass es dann für einen Handwerksbetrieb in Quedlinburg kaum eine Chance gäbe, wirklich zu einer halbwegs - -
Ich gehe davon aus, dass es die SPD-Fraktion mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wirklich ernst meint.
Glauben Sie, dass wir einen einzigen der 25 000 in Sachsen-Anhalt arbeitslos gemeldeten Bauarbeiter mithilfe des Vergabegesetzes, das Sie in Kraft gesetzt haben, in Lohn und Brot bringen, dass wir einen einzigen zusätzlichen Arbeitsplatz schaffen können?
Vielmehr war es das Ziel des Vergabegesetzes, dass nicht noch mehr Unternehmen, die nach Tarif entlohnen, ihre Tore schließen müssen und noch mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeitslos werden.
(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der PDS - Herr Kühn, SPD: Das haben sie gar nicht ver- standen!)
Besten Dank, Frau Abgeordnete Budde. - Meine Damen und Herren! Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrüßen Sie bitte mit mir gemeinsam die Damen und Herren der Merkur-Akademie Halle. Seien Sie herzlich willkommen!