Protokoll der Sitzung vom 07.05.2004

Danke, Herr Minister. - Für die SPD-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Rothe sprechen. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion wird dem Antrag der PDS-Fraktion zustimmen, weil die Angelegenheit, um die es heute geht, entscheidungsreif ist.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Der Landtag hat dieses Thema bereits in seiner 35. Sitzung am 4. März 2004 auf Antrag der SPD-Fraktion diskutiert. Wir halten die Fusion der Feuerwehr-Unfallkassen Sachsen-Anhalt und Thüringen für zweckmäßig, weil sie die Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerledigung steigert, ohne die Besonderheiten der Feuerwehr zu vernachlässigen. Mit Herrn Kolze und Frau Tiedge bin ich mir so weit einig, dass angesichts der Bedeutung der Arbeit der Feuerwehrleute, speziell wenn sie im Ehrenamt ausgeübt wird, der Wunsch der Kameradinnen und Kameraden respektiert werden sollte, eine eigenständige Unfallversicherung zu haben.

Bei der Delegiertenversammlung des Landesfeuerwehrverbandes am 24. April 2004 in Heyrothsberge hat der Geschäftsführer der Feuerwehr-Unfallkasse den Sachstand aus der Sicht der Kasse dargestellt. Ich spare es mir, hier noch einmal die sehr unerfreulichen Einzelheiten der Verhandlungen mit Herrn Minister Kley zu referieren. Frau Tiedge hat darauf schon hingewiesen. Da ist ein Vertrauensschaden entstanden und diesen Vertrauensschaden hat auch der Vorsitzende des Landesfeuerwehrverbandes, Herr Sievers, zu Recht festgestellt und kritisiert.

Ein Antrag auf Genehmigung der Zusammenlegung der beiden Feuerwehr-Unfallkassen liegt der Landesregierung bereits seit dem vergangenen Oktober vor, und wie uns Herr Gebhardt als Geschäftsführer der FeuerwehrUnfallkasse Sachsen-Anhalt mitteilte, gibt es ein Schreiben der Erfurter Landesregierung, die auf eine positive Entscheidung in Magdeburg wartet. Auch Sie, Herr Minister Jeziorsky, haben nicht deutlich ausräumen können, dass der Ball jetzt bei Ihnen liegt.

Der Antrag der Koalitionsfraktionen erweckt den irreführenden Eindruck, als sei erst jetzt die Grundlage für Verhandlungen zwischen den Landesregierungen von Sachsen-Anhalt und Thüringen gegeben. Es heißt in Ihrem Antrag, meine Damen und Herren:

„Die Landesregierung wird gebeten, diesbezüglich Verhandlungen mit der Landesregierung des Freistaates Thüringen aufzunehmen.“

Ich verweise wiederum auf die Darstellung der Entwicklung durch Frau Tiedge und ich erlaube mir, einen Pressebericht vom 21. Oktober 2003 zu zitieren. Da hat der anerkannt gute Pressesprecher des Innenministeriums, Herr Dr. Schuppe, sich dahin gehend geäußert, dass, wenn eine Konzentration aus wirtschaftlichen Gründen angestrebt werde, dann die Feuerwehr-Unfallkassen Länder übergreifend zusammengelegt werden sollten. Dann wird Herr Schuppe wörtlich zitiert:

„Die Gespräche dazu mit Thüringen und Brandenburg sind schon sehr weit.“

Ja, wozu bedarf es dann heute noch des Antrags, dass man Verhandlungen aufnehmen möge, meine Damen und Herren? Das soll doch nur kaschieren, was an Unerfreulichem passiert ist.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Da bin ich - ich freue mich, dass auch der Chef der Staatskanzlei da ist - bei den Abläufen innerhalb der Landesregierung und bei der Frage der Repräsentanz des federführenden Ministeriums. Beim Landesfeuerwehrverbandstag am 24. April war der Herr Sozialminister nicht da. Offenbar fürchtete er den „Löschangriff nass“ nach all dem, was vorangegangen war. Herr Staatssekretär Pleye - die Hausspitze des MI ist Gott sei Dank heute hier vertreten -, weniger furchtsam veranlagt, hat sich beim Landesfeuerwehrverbandstag geäußert, aber ich frage mich natürlich, mit welcher Autorität im Hintergrund.

Das federführende Ministerium hat sich immer gedrückt. Herr Pleye hat gesagt, dass offensichtlich in der Thüringer Landesregierung die Akzeptanz für eine gemeinsame Feuerwehr-Unfallkasse vorhanden sei. Er bezog sich auf ein Gespräch, das er mit dem Thüringer Innenminister Trautvetter in der Vorwoche geführt hatte.

(Staatsminister Herr Robra: Auch in Thüringen ist der Sozialminister federführend!)

- Herr Minister Robra, unsere Landesregierung redet sich bei der Initiative Mitteldeutschland gern auf die angeblich fehlende Bereitschaft der Thüringer Seite heraus. In diesem konkreten Fall jedenfalls verhält es sich völlig anders.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Die Fusion der beiden Feuerwehr-Unfallkassen wird nicht von der Thüringer Landesregierung behindert. Vielmehr bedarf es in Magdeburg einer wiederholten Beschlussfassung des Landtags, damit die Landesregierung im Sinne der Feuerwehrleute tätig wird.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS - Herr Gürth, CDU: Quatsch!)

Das wird letztlich auch an dem Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP deutlich; denn Sie sagen selbst: Sie müssen die Landesregierung erst noch bitten, damit sie tätig wird und Verhandlungen aufnimmt.

Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion wird dem weitergehenden und weitaus besseren Antrag der PDSFraktion zustimmen. Wenn dieser keine Mehrheit findet, dann wollen wir Ihrer edlen Absicht nicht im Wege stehen, die Landesregierung zum Jagen zu tragen.

(Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Kosmehl sprechen. Bitte sehr.

(Ah! und Unruhe bei der SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Rothe, ein so emotionales Thema, wie es die Feuerwehr-Unfallkasse nun einmal ist, bedarf, denke ich, auch einer emotionalen Rede. Gleichwohl - lassen

Sie mich das vorwegnehmen -: Mehr als Populismus habe ich heute von Ihnen nicht gehört.

(Lebhafter Beifall bei der FDP - Oh! bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob Herr Minister Kley zur Landesdelegiertenkonferenz kommen muss oder ob er andere Termine, die er hatte, auch nicht wahrnehmen

(Heiterkeit bei der SPD)

oder auch wahrnehmen musste.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war keine Veranstaltung der Feuerwehr-Unfallkasse, sondern des Landesfeuerwehrverbandes. Insofern fällt vielleicht die Abwägung etwas leichter. Ich kann Ihnen aber eines versichern - das hätten Sie auch erkennen müssen; denn Sie wohnen gar nicht so weit entfernt -: Herr Minister Kley hat zum Beispiel im Landkreis Schönebeck im letzten Jahr eine Veranstaltung durchgeführt, während der er sich der Diskussion gestellt hat. Sie suggerieren, dass er sich dieser Diskussion nicht stellen würde. Das macht er sehr wohl.

Meine Damen und Herren! Das, was Herr Kollege Kolze ausgeführt hat, will ich gar nicht im Einzelnen noch einmal wiederholen. Ich denke, wir alle sind uns dahin gehend einig, dass eine Unfallversicherung für Feuerwehrkameradinnen und -kameraden unverzichtbar ist. Der Dienst, den die zumeist ehrenamtlichen Helfer für unsere Gesellschaft leisten, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt und gar nicht oft genug gewürdigt werden. Deshalb denke ich, dass ich im Namen aller auch heute noch einmal allen Feuerwehrangehörigen Dank sagen kann, verbunden natürlich mit den Wünschen, allzeit gesund aus Einsätzen zurückzukehren.

Leider, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind Unfälle nicht auszuschließen. Wenn diese geschehen sind, muss eben eine Unfallkasse einspringen und Verletzten, Betroffenen oder Hinterbliebenen Hilfe leisten. Eine solche Unfallkasse ist mit der Gründung der Feuerwehr-Unfallkasse Sachsen-Anhalt geschaffen worden. Anders als in anderen Bundesländern hat sich der Gesetzgeber in Sachsen-Anhalt für eine Spezialkasse entschieden, die neben der allgemeinen Unfallkasse auftritt und speziell auf die Bedürfnisse der Feuerwehrangehörigen und auf eine Schätzung des Ehrenamtes ausgerichtet ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Zeitpunkt der Verantwortungsübernahme der CDU-FDP-geführten Landesregierung im Jahr 2002 war die Feuerwehr-Unfallkasse Sachsen-Anhalt in folgende Situation geraten: Aufgrund eines tragischen Unfalls waren die Rücklagen der FUK nahezu aufgebraucht. Die Rücklagen betrugen Ende 2002 noch 100 000 € und konnten mit einer von der FUK selbst initiierten Beitragserhöhung bis Ende 2003 auf ca. 300 000 € erhöht werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Rücklagen reichen nicht aus, um von einer leistungsfähigen Unfallkasse für die Feuerwehrkameradinnen und -kameraden zu sprechen. Deshalb war es wichtig, nach sachgerechten Lösungen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Unfallkasse für die Feuerwehrkameradinnen und -kameraden zu suchen. Insofern ist der Prüfauftrag, auf dessen Grundlage bei der Landesregierung mit der Prüfung begonnen worden ist, richtig gewesen.

Einen Aspekt, Herr Rothe, möchte ich an dieser Stelle aber auch einmal einführen. Es geht nämlich um die Frage, warum eigentlich - unbeschadet des tragischen Unfalls - die Rücklagen so gering waren. Es lässt sich Erstaunliches feststellen: Es gibt ein Schreiben des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Gesundheit des Landes Sachsen-Anhalt vom Juni 1996, dem zu entnehmen ist, dass die angesparten Rücklagen in einer Größenordnung von insgesamt 950 000 DM als zu hoch angesehen worden sind. Es wurde deshalb angeregt, diese Rücklagen abzuschmelzen. Sie haben quasi die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Feuerwehr-Unfallkasse bereits aufs Spiel gesetzt. Das sollten Sie, denke ich, bei Ihren Ausführungen immer im Hinterkopf haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Wie dem auch sei. - Jetzt müssen wir für unsere Feuerwehrkameradinnen und -kameraden eine leistungsfähige Kasse finden.

Meine Damen und Herren! Die Feuerwehr-Unfallkasse Thüringen ist ein möglicher Partner. Nachdem sich die dafür zuständigen Feuerwehr-Unfallkassen und die diese Problematik begleitenden Landesfeuerwehrverbände dafür entschieden haben, hoffe ich, dass nach dem Vorliegen positiver Prüfungsergebnisse die Landesregierung zur Tat schreiten kann und wir die Feuerwehr-Unfallkasse Mitte bilden können. Diese ist dann leistungsfähiger als die Feuerwehr-Unfallkasse Sachsen-Anhalt.

Ob es das endgültige und das bestmögliche Ergebnis ist, lasse ich an dieser Stelle offen. Es wird zumindest den Interessen und den Belangen der Feuerwehrkameradinnen und -kameraden gerecht. Ich hoffe, dass die gemeinsame Feuerwehr-Unfallkasse Mitte die Leistungsfähigkeit behält, damit diese für die Kameraden da sein kann, wenn Unfälle geschehen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Danke, Herr Abgeordneter Kosmehl. - Für die PDS-Fraktion wird Frau Tiedge nicht mehr sprechen. Herr Kolze von der CDU-Fraktion verzichtet ebenfalls auf einen Redebeitrag.

Dann treten wir in das Abstimmungsverfahren ein. Eine Überweisung ist nicht beantragt worden. Deshalb stimmen wir jetzt über den Antrag in der Drs. 4/1560 ab. Das ist der Antrag der Koalitionsfraktionen. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Bei Enthaltungen der Oppositionsfraktionen ist dieser Antrag angenommen worden.

Wir stimmen jetzt über den Antrag der Fraktion der PDS in der Drs. 4/1565 ab. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Antrag abgelehnt worden. Wir beenden damit die Behandlung von Tagesordnungspunkt 16.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Beratung

Gründungsgeschehen in Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/1562

Der Einbringer ist der Abgeordnete Herr Dr. Thiel. - Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute früh hat Professor Böhmer während der Haushaltsdebatte einen wichtigen Satz gesagt. Er meinte: Wir müssen die Wirtschaftskraft stärken, um das Bruttoinlandsprodukt zu erhöhen und damit höhere Einnahmen zu erzielen. Wenn wir das nicht schaffen, dann werden unsere Konzepte gescheitert sein.

Es gibt wohl keinen Zweifel daran, dass die Gründung von neuen Unternehmen von entscheidender Bedeutung für die Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung in Sachsen-Anhalt ist. Mit der augenblicklichen Situation im Land wird das trotz einiger weniger Lichtblicke unterstrichen. Die Wirtschaftskraft des Landes reicht gegenwärtig lediglich für die Erwirtschaftung von etwa 60 % dessen aus, was im Land für den Konsum, die Investitionen und die öffentlichen Leistungen ausgegeben wird. Die Lücke zwischen den Ausgaben und dem Bruttoinlandsprodukt wird durch Kapitalimporte und Transferleistungen aus den alten Bundesländern gedeckt. Diese Kluft hat die Entwicklung des Landes im letzten Jahrzehnt bestimmt und wird auch künftig noch für längere Zeit für Sachsen-Anhalt bestimmend sein.