Es war eine Situation, in der man als Finanzminister zwischen zwei Übeln wählen musste. Die Kritiker haben es später natürlich leicht, mit dem Vorteil des besseren Wissens im Nachhinein Schwächen in der Feinabstimmung nachzuweisen. Freimütig bekenne ich, dass man über die Einzelheiten in diesem Zusammenhang natürlich trefflich streiten kann. Aber das ändert nichts an der grundlegenden Tatsache, dass bei der Höhe, bei dem Ausmaß der Steuerausfälle ein Haushaltsausgleich im Vollzug nicht möglich war.
Meine Damen und Herren! Es zeichnet sich deutlich ab, dass auf das Land auch im Jahr 2004 Steuerausfälle zukommen. Diese ergeben sich zum größeren Teil infolge des Ergebnisses der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss im Dezember des letzten Jahres und zu einem kleineren Teil infolge anderer Steuerrechtsänderungen. Wir haben diese Steuerausfälle zunächst mit 80 Millionen € veranschlagt. Wir gehen davon aus, dass dieser Betrag hinreichen wird, um die Steuerausfälle abzubilden, die uns die Steuerschätzung in einer Woche präsentieren wird.
Aber: Es bleiben natürlich auch in dieser Hinsicht gewisse Risiken. Das exakte Ergebnis der Steuerschätzung wird im Laufe des parlamentarischen Verfahrens eingespeist werden können. Im Moment ist die Presse voll von unterschiedlichen Zahlen. Es ist aber noch keine Klarheit dahin gehend zu gewinnen, in welche Richtung genau die Steuerschätzung geht.
Meine Damen und Herren! Der Nachtragshaushalt ist auch notwendig, um die rechtlichen Voraussetzungen für den bestmöglichen Einsatz von Geldern aus dem operationellen Programm der EU für die Periode 2000 bis 2006 zu schaffen. Im Rahmen der Halbzeitevaluierung des operationellen Programms hat das Land SachsenAnhalt bei der EU einen Änderungsantrag eingereicht. Über diesen ist noch nicht entschieden worden. Wir gehen aber davon aus, dass die EU in den nächsten Monaten dazu eine Entscheidung treffen wird. Außerdem hat die EU die so genannte Leistungsreserve des operationellen Programms für Sachsen-Anhalt freigegeben.
Bei beiden Maßnahmen bedarf es einer haushaltsmäßigen Ermächtigung, um mit den geänderten Ansätzen schon in diesem Haushaltsjahr arbeiten zu können. Diese ist eben auch im Nachtragshaushalt verankert worden.
Meine Damen und Herren! Die Landesregierung setzt mit dem Nachtragshaushalt 2004 ihren Konsolidierungskurs konsequent fort.
- Herr Püchel und Herr Bullerjahn, warten Sie einen Augenblick. Dann werden Sie die Antwort auf Ihre Fragen bekommen.
Wer mit Blick auf die unerfreulich hohe Nettokreditaufnahme etwas anderes behauptet, der verkennt die zusätzlichen Einsparungen, die wir bei der Aufstellung des Haushaltsplans geleistet haben.
Die im Haushaltsplan 2004 veranschlagten globalen Minderausgaben von knapp 100 Millionen € wurden mit dem Nachtrag weitgehend aufgelöst. Lediglich drei Ressorts müssen im weiteren Vollzug einen kleinen Anteil der globalen Minderausgabe noch mit Einsparungen untersetzen. Dazu ist ihnen eine Frist bis zum 30. September 2004 gesetzt worden.
Mit der Vertitelung der globalen Minderausgabe ist nun auch die Voraussetzung für deren Erwirtschaftung im Haushaltsvollzug sichergestellt; denn eines ist klar, meine Damen und Herren: Es wird bei den vielen Kürzungen, die wir bereits in der Vergangenheit hatten, natürlich immer schwieriger, eine globale Minderausgabe in angemessenem Umfang zu erwirtschaften.
Darüber hinaus wurden weitere Einsparungen in Höhe von 50 Millionen € umgesetzt. Dies ist eine beachtliche Kraftanstrengung, für die ich mich bei meinen Kollegen noch einmal ausdrücklich bedanke; denn ich weiß, dass bereits der Grundhaushalt 2004 erhebliche Einschnitte mit sich gebracht hatte, und beim Haushalt 2003 war das nicht anders.
Im Ergebnis führt dies alles dazu, dass im Jahr 2004 das Ausgabevolumen abzüglich des etatisierten Jahresfehlbetrags aus dem Jahr 2003 gegenüber dem Volumen des ursprünglichen Haushaltsplan 2004 nochmals um 0,55 % gesenkt wurde. Dies bedeutet gegenüber dem Haushalt 2003, wenn man den Grundhaushalt 2004 noch in Rechnung stellt, eine Ausgabensenkung von fast 3 %. Damit gehört das Land Sachsen-Anhalt im Jahr 2004 wie schon im Jahr zuvor eindeutig zu den Ländern in Deutschland mit der restriktivsten Ausgabenpolitik.
Die stabilitätspolitische Vorgabe des Finanzplanungsrats, mit der eine maximale nominale Ausgabensteigerung um 1 % pro Jahr vorgeschrieben wird, um im Geiste des Stabilitätspaktes die Bedingungen für einen angemessenen Beitrag der Länder zur Erreichung der Stabilitätsziele zu erfüllen, sind damit vom Land SachsenAnhalt deutlich unterschritten worden. Wir liegen mit einer Ausgabenschrumpfung von 3 %, also einem MinusWachstum von 3 %, vier Prozentpunkte unter dieser Vorgabe des Finanzplanungsrates. - Herr Dr. Püchel und Herr Bullerjahn, das sollte eigentlich unter makroökonomischen Aspekten die Antwort auf Ihre Frage sein:
Eine Senkung der Ausgaben um 3 %. Das ist kein Pappenstiel, wenn Sie bedenken, dass wir mit Tarifsteigerungen in dem großen Block der Personalausgaben arbeiten müssen und dass wir in vielen anderen Bereichen auch Teuerungen hinnehmen müssen.
Eines ist völlig klar: Das fiskalische Problem SachsenAnhalts liegt eindeutig und allein auf der Einnahmenseite und nicht auf der Ausgabenseite.
Meine Damen und Herren! Ich komme zur Höhe der Kreditaufnahme des Landes und zu ihrer verfassungsrechtlichen Problematik. Die Höhe der Nettokreditaufnahme des Landes beläuft sich im Entwurf des Nachtragshaushalts auf 1,317 Milliarden €. Sie liegt damit rund 400 Millionen € über dem Niveau der eigenfinanzierten Investitionen.
Gemäß Artikel 99 Abs. 2 der Landesverfassung dürfen die Einnahmen aus Krediten die Summe der im Haushaltsplan für Investitionen veranschlagten Ausgaben nicht übersteigen. Ausnahmsweise darf die Höhe der
Kreditaufnahme der Summe der eigenfinanzierten Investitionen übersteigen, um eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abzuwehren.
Meine Damen und Herren! Ich habe zu Beginn dargestellt, dass in Deutschland und auch in Sachsen-Anhalt seit drei Jahren eine massive Wachstumsschwäche bei hoher konjunktureller Arbeitslosigkeit und Unterauslastung des Produktionspotenzials herrscht. Die Landesregierung ist angesichts dieser Lage berechtigt, die in Artikel 99 Abs. 2 festgelegte Kreditgrenze zu überschreiten.
Der Verfassungsgeber hat weiterhin in Artikel 99 Abs. 3 Satz 2 die so genannte Finalität der erhöhten Kreditaufnahme zum Ausdruck gebracht. Danach muss die Kreditaufnahme nach Umfang und Verwendung bestimmt und geeignet sein, die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abzuwenden. Tatsache ist nun, dass die verfassungsmäßige Grenze nur einzuhalten wäre, wenn es zu weiteren drastischen Kürzungen im konsumtiven Bereich käme. Im investiven Bereich würde schon rein rechnerisch eine Kürzung nicht helfen, weil dadurch auch die Verfassungsgrenze weiter sinken würde.
Diese Kürzungen im konsumtiven Bereich würden aber an rechtliche Grenzen stoßen, und sie hätten schwerwiegende Konsequenzen für die Funktionsfähigkeit der Verwaltung und insbesondere negative Beschäftigungswirkungen in unserer Region.
Ich gehe jetzt die wesentlichen konsumtiven Ausgabeposten durch. Die Personalausgaben in der Hauptgruppe 4 haben wir bereits im Nachtragshaushalt in Höhe von rund 11 Millionen € reduziert. Eine weitere Reduzierung ist angesichts des ganz eng geschnürten Personalabbaukonzeptes der Landesregierung nicht möglich. Wir hätten alle bestehenden Tarifverträge - im Übrigen können durch die darin verankerten Teilzeitregelungen erhebliche Ausgaben eingespart werden - kündigen und mindestens im deutlich vierstelligen Bereich Mitarbeiter entlassen müssen, um dieser Forderung gerecht zu werden. Die sozialen Folgen brauche ich Ihnen wohl nicht darzustellen, von dem konjunkturellen Nachfrageausfall infolge sinkender Einkommen ganz zu schweigen.
Im Bereich der sächlichen Verwaltungsausgaben in der Hauptgruppe 5 wird die Landesregierung mit diesem Nachtragshaushalt erneut sparen.
Damit liegt das Land Sachsen-Anhalt, meine Damen und Herren, mit 147 € pro Kopf bereits deutlich günstiger als Sachsen mit 162 € pro Kopf. Im Vergleich der Nachbarländer ist das in absoluten Zahlen immerhin eine Einsparung von rund 35 Millionen € an sächlichen Verwaltungsausgaben.
Ein ähnliches Bild ergibt sich im Vergleich mit den westdeutschen Flächenländern. Wir liegen bereits, was die Hauptgruppe 5 betrifft, am unteren Rand. Eine weitere Einsparung ist kaum zu leisten, ohne an dieser Stelle die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben zu gefährden. Zudem tritt das Land auch insoweit als Nachfrager auf dem Markt auf. Damit würde eine weitere Reduzierung dieser
Bei den nichtinvestiven Zuweisungen und Zuschüssen haben wir bereits in der Vergangenheit massiv gekürzt. Ich erinnere nur an das Kinderförderungsgesetz. Auch im Grundhaushalt 2004 und im Nachtrag werden zusätzliche Kürzungen bei der institutionellen Förderung vorgenommen. Eine weitere Reduzierung hätte in diesen Bereichen zusätzliche negative Beschäftigungswirkungen zur Folge, die nicht zu verantworten sind.
Die Kommunen schließlich befinden sich zurzeit in einer ähnlichen finanziellen Misere wie das Land. Erhebliche Kürzungen im Finanzausgleichsgesetz würden die finanzielle Lage unserer Kommunen zusätzlich verschärfen. Wir würden damit lediglich das Problem auf die kommunale Ebene verschieben, aber in der gemeinsamen Betrachtung von Land und Kommunen insgesamt keine Besserung erzielen. Die Landesregierung hält es deshalb nicht für sachgerecht, durch erneute Einschnitte den Investitionsspielraum der Kommunen weiter einzuengen. Kürzungen in diesem Bereich hätten ebenfalls unmittelbar negative Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung.
Mit Blick auf die Verfassungsgemäßheit des Haushalts lautet deshalb das Fazit: In einer Situation des gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichts mit hoher Unterauslastung des Kapitalstocks und mit großer Unterbeschäftigung würde eine weitere Beschränkung der Konsumausgaben, so weit überhaupt rechtlich möglich, die Funktionsfähigkeit der Landesverwaltung infrage stellen und dem volkswirtschaftlichen Kreislauf im Land SachsenAnhalt wesentliche Nachfrageimpulse entziehen. Insofern können wir nicht das einnahmebedingte etatisierte Defizit aus dem Jahr 2003 durch eine noch weitergehende drakonische Einschränkung der Konsumausgaben im Jahr 2004 gegenfinanzieren.
- Frau Budde, denken Sie doch einmal unvoreingenommen über die Situation nach; dann werden Sie sie auch verstehen.
(Frau Budde, SPD: Wenn wir vor zwei, drei Jah- ren das mit der Nachfrage gesagt hätten, dann hätten Sie uns sonst was erzählt!)
Der zwingende Verzicht auf diese Ausgabenkürzung bei einem etatisierten Einnahmeausfall ist damit bei sachgerechter Betrachtung genauso zu interpretieren wie eine gezielte Ausgabenerhöhung bei konstanten Einnahmen, und zwar als geeigneter stabilitätspolitischer Beitrag dazu, die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beheben. Damit werden wir in sehr schwieriger Lage unserer Gesamtverantwortung für das Land gerecht, und zwar sowohl auf der finanzpolitischen als auch auf der wirtschafts- und stabilitätspolitischen Seite.
Meine Damen und Herren! In dem Ihnen vorliegenden Nachtragshaushalt haben wir wie im Jahr zuvor die Investitionsausgaben möglichst von Kürzungen ausgenommen. Trotz der enormen Einnahmeverluste liegt die Investitionsquote ohne die Fluthilfeausgaben bei rund 18,4 %. Weitere Kürzungen bei den Investitionen in diesem Jahr würden die wirtschaftliche Lage in SachsenAnhalt in nicht hinnehmbarer Weise zusätzlich gefährden. Was für die Konsumausgaben gilt, trifft natürlich in noch höherem Maße für die Investitionen zu.
Mit Blick auf den Doppelhaushalt 2005/2006 werden wir allerdings - das haben wir ja angekündigt - eine umfassende Überprüfung unserer Förder- und Investitionspolitik vornehmen, auch auf der Grundlage eines Subventionsberichts, der gerade in meinem Hause erstellt wird. Auch bei den Investitionen werden künftig noch stärker als bisher Prioritäten gesetzt werden müssen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! SachsenAnhalt befindet sich durchaus nicht allein in einer solch extrem schwierigen Situation. Im Jahr 2003 haben acht von 16 Ländern eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts geltend gemacht. Weitere vier sind bei den Ist-Ergebnissen über die verfassungsrechtliche Regelgrenze gerutscht. Im Jahr 2004 haben bereits - so ist der gegenwärtige Zwischenstand - neben SachsenAnhalt weitere fünf Länder sowie Berlin mit ihrer geplanten Nettokreditaufnahme in der Sollplanung die eigenfinanzierten Investitionen überstiegen. Nach der Steuerschätzung - so steht jedenfalls zu befürchten - dürften weitere hinzukommen.
Der Bund hat eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts seit 2002 erklärt. Damit hat die Bundesregierung ihre Vorbildfunktion schon seit längerem aufgegeben. Nach neuesten Verlautbarungen und Spekulationen in der Presse wird sich daran unter dieser Bundesregierung auch in Zukunft nichts ändern. Im Gegenteil: Während wir im Land unter schwierigsten Bedingungen unsere Hausaufgaben machen,
wird in der rot-grünen Berliner Koalition darüber sinniert, ob man Schluss machen sollte mit der Sparpolitik.