Protokoll der Sitzung vom 08.07.2004

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit persönlich bei Frau Dr. Weiher und dem Ausschuss für Finanzen für die konstruktive Begleitung dieses Haushalts bedanken.

Lassen Sie mich die drei Gründe zusammenfassen, welche entscheidend dafür waren, dass die Landesregierung einen Nachtragshaushaltsplan für das Jahr 2004 bereits in der ersten Jahreshälfte erarbeitet hat.

Zunächst wird mit dem Nachtrag der Ausgleich des Fehlbetrages aus dem Haushaltsjahr 2003 vorgenommen. Die Landeshaushaltsordnung schreibt den Ausgleich eines Fehlbetrags im nächsten oder spätestens im übernächsten Jahr vor, das heißt für das Jahr 2003 entweder im Jahr 2004, spätestens jedoch im Jahr 2005.

Der zweite wichtige Grund für den Nachtrag sind die Folgen des Vermittlungsausschussergebnisses vom Dezember des vergangenen Jahres, und zwar insbesondere die Einigung über das teilweise Vorziehen der Steuerreform sowie über die so genannten Hartz-Gesetze, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Arbeitsmarktreformen der Bundesregierung stehen.

Die Steuerrechtsänderungen und weitere Einnahmeausfälle, die konjunkturell bedingt sind, führen in der Summe zu Mindereinnahmen für das Land und für die Kommunen in Höhe von knapp 90 Millionen €. Meine Damen und Herren! Dies ist eine Größenordnung, die ohne Korrekturen am Haushaltsplan allein im Vollzug nicht aufgefangen werden kann.

Der dritte wesentliche Grund war die Umgestaltung der haushaltsmäßigen Abbildung der EU-Förderpolitik. Sachsen-Anhalt hat im Rahmen der Halbzeitevaluierung des Operationellen Programms einen Änderungsantrag bei der EU eingereicht. Über diesen ist noch nicht entschieden worden. Daneben hat die EU die so genannte Leistungsreserve des Operationellen Programms für Sachsen-Anhalt freigegeben. Für beide Maßnahmen bedarf es einer Ermächtigung im Haushaltsplan, um mit den geänderten Ansätzen schon in diesem Haushaltsjahr arbeiten zu können.

Diese drei Beweggründe wurden kombiniert mit einer weitgehenden Auflösung der in den Haushaltsplan 2004 eingestellten globalen Minderausgabe und zusätzlichen Einsparungen, die noch über die globale Minderausgabe hinausgehen. Wir, die Landesregierung, haben damit im Grunde nur den Haushaltsplan 2004 an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst.

Dabei war - dies ist natürlich bitter - eine deutliche Erhöhung der Neuverschuldung unvermeidbar. Die im Haushaltsplan 2004 vorgesehene Kreditaufnahme musste um 387 Millionen € aufgestockt werden, sodass die Neuverschuldung nunmehr 1,336 Milliarden € beträgt.

Meine Damen und Herren! Neben der schon angesprochenen Abdeckung des Fehlbetrages und der Mindereinnahmen bei den Steuern mussten wir zusätzlich erhebliche Mehrausgaben für die Grundsicherung berücksichtigen. Frau Dr. Weiher hat dies bereits erwähnt.

Das Grundsicherungsgesetz wurde im letzten Jahr neu eingeführt. Belastbare Angaben für die Kommunen über die Kosten in diesem Bereich lagen daher erstmals im Frühjahr 2004 vor, das heißt nach der Abrechnung der letztjährigen Leistungen.

Gegenüber den Kommunen hat das Land Wort gehalten. Die zusätzlichen Kosten der Grundsicherung wurden aufgefangen. Für das Land bedeutet das allerdings eine zusätzliche fiskalische Belastung und letztlich eine höhere Nettokreditaufnahme. Es wurden Kürzun

gen vorgenommen, auf die ich noch konkreter eingehen werde.

Herr Minister, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Rothe zu beantworten?

Das würde ich gern anschließend machen.

Im Anschluss daran, Herr Rothe.

Meine Damen und Herren! So weit zum Grundgerüst des Nachtragshaushaltsplanes. Ich möchte zwei Problembereiche herausgreifen und diese ausführlicher betrachten: den Jahresabschluss 2003 und den Jahresfehlbetrag. Sie sind die wichtigsten Ursachen für die Erhöhung der Neuverschuldung.

Zum ersten Punkt. Als der Entwurf des Nachtragshaushaltsplanes 2004 von der Landesregierung verabschiedet wurde, zeichnete sich ein Jahresfehlbetrag in Höhe von 354 Millionen € ab.

Wie bereits in den Vorjahren, so waren auch in diesem Jahr die üblichen Jahresabschlussarbeiten zu diesem Zeitpunkt weitgehend beendet. Die einzigen noch offenen Positionen waren die Erstattungszahlungen der Europäischen Kommission. Im Einzelnen handelte es sich um Abschlusszahlungen für die zurückliegende Förderperiode der Jahre 1994 bis 1999. Offen war ein Betrag von rund 87 Millionen €. Erfahrungsgemäß ist es bei Erstattungen der Europäischen Kommission immer schwierig, deren genauen Eingang vorherzusagen, zumal die EU bei Abschlusszahlungen leider an keinerlei Fristen gebunden ist.

Da der größte Teil dieser Abschlusszahlungen längst fällig war, bin ich im März dieses Jahres nach Brüssel gereist, um auf hoher politischer Ebene sicherzustellen, dass die Abschlusszahlungen alsbald erfolgen. Tatsächlich ist mir in Brüssel zugesagt worden, dass die Erstattungsanträge kurzfristig bearbeitet würden.

Die Generaldirektion Regionalpolitik - Herr Meadows -, die für die Abwicklung des EFRE-Programms zuständig ist, hat mir eine Auszahlung des Gesamtbetrages in Höhe von 65 Millionen € aus dem EFRE-Programm noch in der ersten Jahreshälfte zugesichert. Weiterhin hat mir die Generaldirektion Regionalpolitik die Unterstützung für die baldige Auszahlung der noch fehlenden Mittel aus dem EAGFL-Programm in Höhe von 10 Millionen € und aus dem ESF-Programm in Höhe von 12 Millionen € zugesagt. Das sind Programme, bei denen die Prüfung der Mittelverwendung längst erfolgt ist.

(Zustimmung von Herrn Dr. Sobetzko, CDU)

Diese Zusage war die Grundlage für die Kalkulation des Jahresfehlbetrages 2003 im Nachtragshaushalt 2004, wie er im Mai im Landtag behandelt worden ist.

Insofern, meine Damen und Herren, gehen die Vorwürfe und Behauptungen, die Haushaltsplanung der Landesregierung sei an dieser Stelle unseriös oder klammere

sich an irgendwelche Strohhalme unsicherer Einnahmen, ins Leere.

Die EU-Kommission hat ihre Zusage allerdings nicht eingehalten. Sie hat es getan, ohne ihr Vorgehen wirklich stichhaltig zu begründen.

(Herr Bullerjahn, SPD: Immer die anderen!)

Die Auszahlung eines Teils der Außenstände wird sich daher verzögern. Das bedeutet, dass von der Gesamtsumme von 87 Millionen € ein Teilbetrag von 36 Millionen € voraussichtlich erst in der zweiten Jahreshälfte eingehen wird. 51 Millionen € sind inzwischen bei der Bundeskasse eingegangen. Die Zuweisung an das Land wird zurzeit veranlasst.

Besonders ärgerlich sind die Verzögerungen beim ESF und beim EAGFL, bei denen, wie gesagt, die Prüfungen der sachgerechten Verwendung längst abgeschlossen sind; beim ESF seit Anfang 2003 und beim EAGFL seit Dezember 2003.

Lassen Sie es mich anhand eines Beispiels darstellen, um die Kuriosität der Angelegenheit wirklich deutlich zu machen. Hinsichtlich eines Teilbetrages von knapp 10 Millionen € bedarf es noch einer Korrektur von Währungsumrechnungsdifferenzen. Die Fördermittel wurden noch zu Zeiten des Ecu und der D-Mark gewährt. Daraus resultierten geringfügige Kursschwankungen. Bei diesem Betrag handelt es sich allenfalls um wenige Prozentpunkte der Gesamtsumme. Das lässt sich mit einem Taschenrechner ermitteln. Dennoch ist ein so geringer Betrag Anlass für die Europäische Union, die Auszahlung des Gesamtbetrages vorerst vollständig zurückzuhalten.

Meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen versichern, dass wir nach diesen Erfahrungen bei der EU am Ball bleiben werden, um zu gewährleisten, dass die EU ihren Zahlungsverpflichtungen in Zukunft zeitnah nachkommt. Denn eines ist klar: Wenn solche Verzögerungen auftreten, dann führen sie auch in unserem Haushalt zu Belastungen, denn wir treten letztlich in Vorleistung und haben Zinsverluste hinzunehmen.

Meine Damen und Herren! Während des parlamentarischen Verfahrens mussten wir die Konsequenzen aus diesem Vorgehen ziehen. Ich habe mich daher entschlossen, die Bücher für das Haushaltsjahr 2003 zu schließen, sobald in Kürze die 51 Millionen € eingegangen sind. Der Jahresfehlbetrag 2003 fällt damit höher aus als bisher angenommen und beläuft sich auf knapp 390 Millionen €, wobei die zusätzlichen Belastungen durch die Grundsicherung und die neuen Steuerschätzungen noch hinzukommen. Die noch ausstehenden EU-Einnahmen, mit deren Eingang im Laufe des Jahres zu rechnen ist, werden nachveranschlagt. Die Neuverschuldung wird sich dadurch nicht erhöhen.

Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat zusätzliche Einsparungen in Höhe von 50 Millionen € vorgenommen. Damit nutzt sie die Aufstellung des Nachtragshaushalts, um in besonders schwieriger Zeit einen weiteren Beitrag zur Konsolidierung der Landesfinanzen zu leisten. Das festzustellen ist mir besonders wichtig; denn damit beweisen wir, dass die Landesregierung von dem eingeschlagenen Sparkurs nicht abweicht.

(Zustimmung bei der CDU)

Zusätzlich war im Haushaltsplan 2004 eine globale Minderausgabe von knapp 100 Millionen € veranschlagt. Im

Rahmen der Aufstellung des Regierungsentwurfs für den Nachtragshaushalt wurde diese weitgehend aufgelöst.

Meine Damen und Herren! Der Veranschlagung von globalen Minderausgaben liegt, wie Sie wissen, die bildhafte Theorie vom Bodensatz eines Haushalts zugrunde. Globale Minderausgaben sind unspezifizierte Einsparverpflichtungen, die durch das Verbleiben eines Bodensatzes, eines kleinen Restes bei einer Vielzahl von Ansätzen, erwirtschaftet werden müssen. Je enger nun ein Haushalt bemessen ist - der diesjährige Haushalt ist eng bemessen -, desto größer ist das Risiko, dass diese Einsparverpflichtung nicht durch Reste erwirtschaftet werden kann. Mit anderen Worten: Durch die Auflösung der globalen Minderausgabe hat die Landesregierung ein an dieser Stelle beträchtliches Risiko für den Haushaltsvollzug beseitigt.

Allein der Blick auf die Entwicklung der Neuverschuldung, meine sehr verehrten Damen und Herren, lässt eine sachgerechte Bewertung des Nachtrags und der von der Regierungskoalition verfolgten finanzpolitischen Handlungslinie nicht zu. Das sage ich mit aller Deutlichkeit in Richtung Opposition, die in ihrer Kritik allseits geneigt ist, an den absoluten Zahlen anzuknüpfen.

(Herr Gallert, PDS: Überhaupt nicht!)

Vielmehr ist der Nachtragshaushalt ein Teil des einheitlichen und schlüssigen Gesamtkonzeptes der sachsenanhaltischen Landesregierung und er ist ein Teil der Fortsetzung unseres Sparkurses - ich wiederhole es noch einmal - unter extrem schwierigen externen Bedingungen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Die Einsparungen und die Auflösung der globalen Minderausgaben bedeuten in der Konsequenz natürlich unvermeidbare Einschnitte in die Finanzausstattung der betroffenen Aufgabenbereiche. Der Handlungsspielraum für den Haushalt ist eng, und er wird zusätzlich verengt durch neue globale Minderausgaben, die während des parlamentarischen Verfahrens auf besondere Initiative der Fraktionen ausgebracht wurden. In vergleichbarer Weise wird sich auswirken, dass Sozialhilferückflüsse für Mehrausgaben verwendet werden. Auch das geschah auf Initiative der Fraktionen.

Um auch die neuen Einsparverpflichtungen zu erfüllen, wird im Haushaltsvollzug des Nachtrags sicherlich eine sehr strenge Ausgabendisziplin notwendig sein. Das sage ich nicht zuletzt auch gerichtet an die Regierungsfraktionen, die den Sparkurs der Landesregierung mittragen und unterstützen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle klar und offen aussprechen: Sowohl der Haushaltsplan als auch der Nachtragshaushalt 2004 sind auf Kante genäht. Zur Verdeutlichung darf ich an dieser Stelle den Präsidenten des Landesrechnungshofes zitieren. Er hat in seiner bildhaften Sprache festgestellt: Der Haushalt hat keine Luft zum Atmen.

Meine Damen und Herren! Ich hoffe natürlich, dass er atmet. Aber von Polstern, die vielleicht noch irgendwo zu entdecken sind, kann nicht die Rede sein.

Meine Damen und Herren! In den Vorjahren lagen die größten Unsicherheiten und Risiken im Bereich der Steuereinnahmen. Im Vollzug des Haushaltsplans 2004 liegen sie eher auf der Ausgabenseite. Dies ist der Kehrseite der Kürzungen bei den Ausgaben. Diese lie

gen in vielen Punkten an der Grenze des Machbaren und des Vertretbaren.

Wir werden daher in den kommenden Wochen und Monaten vor allem die Entwicklung der Ausgaben genau beobachten müssen. Nur so können wir rechtzeitig auf eventuelle Fehlentwicklungen reagieren. Die Regelungen zur Haushaltsführung werden dies berücksichtigen müssen. Sie sind in einer Ergänzung zum Haushaltsführungserlass 2004 mit Verkündung des Nachtragshaushalts, wenn er heute den Landtag passiert, zu präzisieren.

Eines kann ich jedoch bereits zum jetzigen Zeitpunkt klar sagen: Es bedarf äußerster Ausgabendisziplin, um einen ordentlichen Haushaltsvollzug zu gewährleisten und die globalen Minderausgaben zu erwirtschaften. Eine Lockerung der Ausgabendisziplin würde große Belastungen für den Vollzug mit sich bringen. Dies wäre angesichts der finanziellen Lage des Landes das völlig falsche Signal. Der Nachtrag ist eben kein ordentlicher Schluck aus der Pulle, der frisches Geld ins Land bringt. Er ist vielmehr die zweifellos bittere Konsequenz aus den finanzwirtschaftlichen Entwicklungen des letzten Jahres und auch dieses Jahres.

(Herr Sachse, SPD: Das ist eine Katastrophe!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte abschließend eine Gesamtbewertung des Entwurfs des Nachtragshaushaltsplans 2004 vornehmen. Er ist das Ergebnis des Haushaltsjahres 2003, das unter Einnahmegesichtspunkten als katastrophal bezeichnet werden muss. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur daran, dass wir im Jahr 2003 das niedrigste Steueraufkommen seit 1995, dem Jahr der Integration des Landes in den gesamtdeutschen Finanzausgleich, zu verzeichnen hatten. Es betrug gerade einmal 4,2 Milliarden €.

Der Nachtrag ist zugleich die Umsetzung und Anpassung des Haushaltsplans an die jüngsten Entscheidungen der Bundesregierung. Darüber hinaus ist er, gemessen an den äußerst schwierigen Rahmenbedingungen, eine Fortsetzung der bisherigen Sparpolitik der Landesregierung.