Glauben Sie wirklich, dass ein Vater, der mit seiner eigenen Arbeitslosigkeit zu kämpfen hat, der sich womöglich überflüssig und nicht gebraucht vorkommt, glauben Sie wirklich, dass dieser Vater sein Kind bzw. seine Kinder immer ausreichend motivieren kann, ihnen Mut für die Zukunft und Freude auf das Leben vermitteln kann? - Das ist keine Elternschelte, sondern ein realistischer Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen.
(Beifall bei der SPD und von den Vertrauensper- sonen des Volksbegehrens „Für ein kinder- und jugendfreundliches Sachsen-Anhalt“ - Zustim- mung bei der PDS - Frau Feußner, CDU: Das wird mit Hartz IV jetzt alles besser! Bestimmt!)
Ich habe deshalb große Achtung vor denen, die dies trotz aller widrigen Umstände immer wieder versuchen und auch schaffen. Ich weiß aber auch, dass es viele nicht mehr schaffen, dass viele verzweifelt sind und resigniert haben. Für diese Menschen können wir nicht über Nacht Arbeitsplätze schaffen. Aber wir können etwas für ihre Kinder tun, und dazu rufe ich Sie auf.
(Beifall bei der SPD, bei der PDS und von den Vertrauenspersonen des Volksbegehrens „Für ein kinder- und jugendfreundliches Sachsen-Anhalt“)
Es geht uns auch nicht um Zwangsbetreuung, wie man uns unterstellt. Niemand soll gezwungen werden, sein Kind in einer Kindertagesstätte zu lassen. Wer sich zu Hause intensiv und liebevoll um seine Kinder kümmern will, den unterstützen wir, wo wir können. Klar aber ist - das werden wir auch morgen mit unserem Gesetzentwurf fordern -, dass es uns die ganze Zeit um das Recht des Kindes auf Bildung und auf Förderung geht,
und zwar unabhängig von seinen sozialen und familiären Rahmenbedingungen. Genau daran krankt das jetzige Kinderförderungsgesetz.
(Beifall bei der SPD - Frau Wybrands, CDU: Un- abhängig von den Eltern! - Frau Budde, SPD: Das kann doch nicht wahr sein!)
Ich möchte zum Schluss kommen, weil meine Redezeit abgelaufen ist. Ich bitte, den Gesetzentwurf des Volksbegehrens in den Finanzausschuss, in den Innenausschuss und federführend in den Gleichstellungsausschuss zu überweisen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. - Frau Abgeordnete, trotz Ihres Vortrages kann ich immer noch nicht erkennen, wie die SPD eigentlich zum Volksbegehren steht. Sind Sie bereit, sich zu erinnern, dass damals FDP, SPD und CDU gemeinsam einen Kompromiss gefunden haben und dass wir diesen Kompromiss bisher auch gemeinsam getragen haben? Haben sich inzwischen innerhalb der SPD andere Kräfte durchgesetzt, die die frühere Entscheidung als einen Fehler betrachten, oder muss ich eher annehmen, dass die Äußerung des designierten Landesvorsitzenden Herrn Hövelmann gilt, erst einmal zu sehen, wohin der Hase läuft, und erst ganz zum Schluss zu sagen, in welche Richtung man laufen will? Mir ist das nach Ihrer Rede immer noch unklar geblieben.
Herr Scharf, wir werden morgen einen Gesetzentwurf einbringen. Ich habe bereits ganz am Anfang gesagt, dass wir das Volksbegehren ernst, richtig ernst nehmen. 260 000 Menschen haben gesagt: Das, was ihr in dem Kompromiss, auch getragen von Teilen der SPD, gemacht habt, geht hinsichtlich Förderung und Bildung der Kinder in die falsche Richtung.
Deswegen haben wir einen Gesetzentwurf eingebracht, bei dessen Erarbeitung wir sowohl die finanzielle Situation des Landes als auch die Forderungen des Volksbegehrens nach einem Ganztagesanspruch gesehen haben. Das möchten wir zu einem Kompromissvorschlag vereinen. Ich stehe morgen wieder an dieser Stelle, Herr Scharf, und werde für diesen Kompromissvorschlag werben und dafür kämpfen, dass dieser Kompromissvorschlag durchkommt. Es wäre nämlich die Sternstunde der Demokratie,
wenn deutlich würde, dass wir zwar im Landtag etwas gemeinsam beraten und entschieden haben, dass wir im Zusammenhang mit dem Volksbegehren aber mitbekommen haben, dass das nicht von allen so gesehen wird. Die logische Folge wäre dann, beide Seiten zu einem gemeinsamen Gesetzentwurf zusammenzubringen.
Herr Kosmehl ist so polemisch und er wird wieder versuchen, mich vorzuführen. Darauf möchte ich nicht antworten.
Herr Kosmehl, Frau Grimm-Benne möchte nicht antworten. Das wird respektiert. - Für die FDP-Fraktion erteile ich der Abgeordneten Frau Seifert das Wort. Bitte sehr, Frau Seifert.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Vertreter des Volksbegehrens! Vor uns liegt ein Gesetzentwurf des Volksbegehrens des Bündnisses „Für ein kinder- und jugendfreundliches Sachsen-Anhalt“. Wir diskutieren und debattieren über einen Gesetzentwurf, der sich weitestgehend am Gesetz der Vorgängerregierung, dem Gesetz zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen, dem KiBeG, orientiert.
Über 250 000 Sachsen-Anhalter haben ihren Willen bekundet, sich aktiv in die gesetzliche Regelung der Kinderbetreuung in unserem Land einzubringen - ein demokratisches Recht, das in unserer Landesverfassung verankert ist. Die FDP wird dieser Verpflichtung den Bürgern gegenüber selbstverständlich nachkommen und sich der Aufgabe stellen, über den vorliegenden Gesetzentwurf zu beraten. Wir werden deshalb einer Überweisung in den Ausschuss für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport, in den Innenausschuss und in den Finanzausschuss zustimmen.
Obwohl, wie schon erwähnt, der zu beratende Gesetzentwurf sich stark an das alte KiBeG anlehnt, haben wir als Fraktion positiv zur Kenntnis genommen, dass wichtige Aspekte, wie beispielsweise der Bildungsauftrag, aus dem neuen Gesetz der Landesregierung, dem Kinderförderungsgesetz, in Teilen übernommen wurden bzw. sich stark an diesem Gesetz orientieren.
Im Entwurf des Volksbegehrens ist zum Beispiel vom pädagogischen Auftrag der Einrichtungen die Rede, der aus meiner Sicht vielleicht den Eindruck von Verschulung erwecken könnte; das KiFöG hingegen spricht bewusst von Bildungsarbeit. Aber das gemeinsame Ansinnen, die Tageseinrichtungen mit einem Bildungsauftrag zu stärken, findet meine Zustimmung.
Positiv bewerte ich auch die Absicht, Kindern mit Migrationshintergrund uneingeschränkten Zugang zu unseren Tageseinrichtungen zu gewähren. Dieses Ansinnen verfolgen wir als Fraktion auch. In der Diskussion in den Ausschüssen unter Hinzuziehung von Fachleuten wird sich zeigen, inwieweit wir diese Absicht realisieren können.
Dem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes folgend, wurde vom Volksbegehren auch der Auftrag aufgenommen, den Mehraufwand bei der Betreuung von benachteiligten Kindern über das Bundessozialhilfegesetz zu regeln.
Sehr geehrte Damen und Herren! Es wird Sie sicherlich nicht überraschen, dass wir als Vertreter der Koalitionsfraktionen wesentlichen Ansätzen des Gesetzentwurfes nicht zustimmen können. Das betrifft beispielsweise den Umfang der Betreuungszeit, die Finanzierungsregelungen, die Regelungen zur baulichen Beschaffenheit und Ausgestaltung der Einrichtungen und auch die Veränderungen des Personalschlüssels im Kindergartenbereich sowie die Regelungen zum Fachpersonal. Diese Punkte werden zu diskutieren sein. In dieser Hinsicht vertreten die Fraktionen unterschiedliche Herangehensweisen und sie haben auch eine unterschiedliche Sicht auf die Dinge.
Ich möchte nur ganz kurz erwähnen, dass die FDP-Fraktion und ich davon ausgehen, dass Betreuungseinrichtungen als staatlich finanzierte Betreuung die Familien unterstützen sollen, dass sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicherstellen sollen, daneben aber auch die Verantwortung und das Recht der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder anerkennen müssen.
Übernehmen soll die staatliche Betreuung das Recht und die Pflicht der Eltern zur Erziehung ihrer Kinder nicht.
Dieser Diskussion im Ausschuss sehe ich mit Interesse entgegen. Gleiches gilt für die Veränderung des Personalschlüssels und für den Einsatz des Fachpersonals.
Fast kein anderes Bundesland leistet sich eine solche Kinder-Erzieher-Relation. Ebenso ist es bei weitem nicht die Regel, dass Kinder ab dem dritten Lebensjahr ausschließlich von pädagogischen Fachkräften betreut werden.
Sehr geehrte Damen und Herren! Überrascht bin ich von der Tatsache, dass die Tagespflege im Gesetzentwurf des Volksbegehrens keinerlei Beachtung findet. Für mich ist das völlig unverständlich. Besonders unter dem Aspekt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist diese flexible Betreuungsform zukunftsträchtig und aus meiner Sicht unverzichtbar,
ganz abgesehen von der Tatsache, dass eine solche individuelle Betreuungsform weder unseren ganz kleinen Sachsen-Anhaltern noch deren Eltern vorenthalten werden darf. Deshalb halte ich eine staatliche Finanzierung einer solchen Betreuungsform durchaus für legitim.
Zusammenfassend ist festzustellen: Mit dem gültigen Kinderförderungsgesetz hat Sachsen-Anhalt eine staatlich finanzierte Kinderbetreuung, die keinen nationalen oder internationalen Vergleich zu scheuen braucht. Mit der Einführung des Bildungsauftrages der Kindertagesstätten wurde und wird eine Qualität der staatlichen Kinderbetreuung sichergestellt, die ihresgleichen sucht.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr verehrte Vertreter des Volksbegehrens! Aber nicht zuletzt muss selbst das jetzt gültige Modell der staatlichen Kinderbetreuung für ein Land wie Sachsen-Anhalt zukünftig finanzierbar bleiben. Alle Anwesenden - das zeigt auch die heutige Diskussion - kennen die Haushaltssituation, in der wir uns befinden. Würde der Gesetzentwurf des Volksbegehrens Gesetzeskraft erhalten, entstünde für das Land eine finanzielle Mehrbelastung in
Höhe von 41,1 Millionen €. Für die Landkreise und die kreisfreien Städte als örtliche Träger der Jugendhilfe betrüge die Mehrbelastung 22,6 Millionen €. Welche Mehrbelastung auf die Eltern zukäme, lässt sich überhaupt noch nicht beziffern.
Woher soll nun das Geld kommen? Eine höhere Neuverschuldung ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich. Demnach kann nur innerhalb des Haushalts dort gespart werden, wo keine Rechtsverpflichtungen außerhalb der Landeskompetenz vorliegen. Ganz spontan würden mir dort einfallen: die Jugendpauschale, das Blinden- und Gehörlosengeld, die Zuschüsse für die Jugendarbeit und die Zuwendungen an den Landessportbund. Hinzu käme dann auch noch die Einstellung der Förderung von Projektarbeit für Frauen. Aber auch dann würden die fehlenden Mittel immer noch nicht kompensiert sein.
Wahrscheinlich würden auch Einschnitte im Kulturbereich oder in den Schulen, beispielsweise bei Lehr- und Lernmittelzuschüssen und bei den Schulfahrten, nötig sein.
Das jetzt gültige Kinderförderungsgesetz ist auch mit Blick auf die Verantwortung für die Kinder, die zu Jugendlichen werden und auch dann eine finanzielle Unterstützung vom Land brauchen, entwickelt worden. Es ist entwickelt worden mit Blick auf die Verantwortung für die Kinder, die einmal erwachsen werden und dann die Schulden von heute, die wir verursacht haben, übernehmen müssen.
Mir persönlich geht es gar nicht um die Höhe der aufzubringenden Finanzierung, sondern um die Verantwortung, die wir als Regierung von Sachsen-Anhalt allen Bürgern und allen Altersgruppen gegenüber haben. Dennoch sehe ich der Debatte um die Gegenfinanzierungsvorschläge mit großer Sorge entgegen.
Ich beantrage hiermit die Überweisung des Gesetzentwurfes des Volksbegehrens in den Ausschuss für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport, in den Innenausschuss und in den Finanzausschuss.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Seifert. - Nun erhält als letzte Rednerin der Fraktionen für die PDS-Fraktion die Abgeordnete Frau von Angern das Wort. Bitte sehr, Frau von Angern.