Protokoll der Sitzung vom 09.07.2004

Auch in anderen Kriminalitätsbereichen, zum Beispiel bei der Eigentumskriminalität, sind Rückgänge in den Fallzahlen an den Orten festzustellen, an denen die Polizei Kameras zur Videobeobachtung einsetzt. So wurde zum Beispiel zu Beginn dieses Jahres in einer Straße in Schönebeck eine Kamera installiert, weil dort im Jahr 2003 insgesamt 163 Straftaten - Raubdelikte, Körperverletzungen, Diebstähle und Sachbeschädigungen - festgestellt worden. Nach der Inbetriebnahme der Kamera und durch die flankierenden Maßnahmen der Polizei wurden im ersten Halbjahr dieses Jahres nur noch 47 Delikte - das sind immer noch zu viel, aber immerhin ein Rückgang - festgestellt.

Insgesamt ist die Videoüberwachung ein wirksames Mittel zur Unterstützung der Polizei bei der Verhinderung von Straftaten. Sie trägt dazu bei, unsichere Plätze wieder sicherer zu machen und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu stärken.

Die lagebildabhängigen Kontrollen konnten aufgrund der erweiterten Befugnisse optimiert werden. Im Bereich der Bundesautobahn A 2 und deren Peripherie wurden im Rahmen eines Pilotprojektes verstärkt gemeinsame behördenübergreifende Fahndungs- und Kontrollmaßnahmen durchgeführt. Vermehrt wurden Straftaten von erheblicher Bedeutung festgestellt, die vornehmlich von osteuropäischen Tätern begangen wurden.

Aufgrund bestehender Fahndungsausschreibungen wurden freiheitsentziehende Maßnahmen gegen zahlreiche dieser Personen angeordnet. Von insgesamt 125 Ermitt

lungsverfahren im Zusammenhang mit lagebildabhängigen Kontrollen in den Jahren 2001 bis einschließlich 2003 wurde der größte Teil seit Mitte 2003 eingeleitet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben bei der Polizei landesweit das elektronische Vorgangsbearbeitungssystem Ivopol eingeführt. Ermittlungsverfahren können damit effizienter als bisher bearbeitet werden. Alle Sachbearbeiter können nunmehr landesweit tagesaktuell auf alle laufenden Verfahren zugreifen. Dadurch eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten, Beziehungen zwischen einzelnen Verfahren zu erkennen und zum Beispiel reisende Straftäter zu ermitteln, die in kurzer Zeit oftmals eine Vielzahl von Straftaten begehen.

Eine Vorreiterrolle hat das Land Sachsen-Anhalt auch dadurch erworben, dass es als eines der ersten Bundesländer ein flächendeckendes elektronisches System zur Abnahme von Fingerabdrücken mit dem Namen Livescan eingeführt hat. Neben einer deutlichen Qualitätssteigerung bei der Abnahme von Fingerabdrücken erfolgt der Austausch entsprechender Daten nunmehr beinahe im Sekundentakt.

Lassen Sie mich auch dies an einem Beispiel verdeutlichen. Sie alle erinnern sich an das abscheuliche Verbrechen an einem jungen Mann, der in der vergangenen Woche auf dem Truppenübungsplatz Colbitz-Letzlinger Heide tot aufgefunden worden ist. Seine Identität war zunächst nicht bekannt. Mithilfe des Livescan-Gerätes konnten seine Fingerabdrücke sofort an das Bundeskriminalamt weitergeleitet werden, das seine Identität in kurzer Zeit feststellte. Dadurch konnte die Mordkommission das Umfeld des Opfers schnell ermitteln und die Täter in kürzester Zeit festnehmen.

Mit der digitalisierten Täterlichtbildsammlung, auf die von allen Polizeidienststellen bis hinunter zu den Polizeirevieren zugegriffen werden kann, hat die Polizei unseres Landes im Bundesvergleich ebenfalls Maßstäbe gesetzt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die von mir beispielhaft genannten Maßnahmen für eine möglichst effektive Arbeit der Polizei sind trotz der angespannten Haushaltslage und der Beiträge, die die Polizei zur Haushaltskonsolidierung erbringen musste - dazu gab es einen großen Konsens aller Beteiligten, auch der Gewerkschaften -, konzipiert und in den Dienststellen mit hoher Motivation für die polizeiliche Arbeit umgesetzt worden.

Meine Damen und Herren! Die Leistungsbilanz der Polizei kann sich sehen lassen. Sie hat in den vergangenen zwei Jahren ihre Leistung bei der Kriminalitätsbekämpfung, der Verkehrsüberwachung und der Gefahrenabwehr kontinuierlich verbessert. Besondere Erfolge wie im Bereich der Kinderpornografie mit der Ermittlung von 26 500 Tatverdächtigen in 166 Staaten weltweit belegen dies.

Auch die Aufklärung von Straftaten im Bereich der Rauschgiftkriminalität oder in den Bereichen der Schleusung, der Zwangsprostitution, der Hehlerei und des illegalen Waffenbesitzes können uns zumindest für die polizeiliche Arbeit auf der Habenseite angerechnet werden.

Aus der Diskussion über weitere Ermittlungserfolge möchte ich auch die DNA-Analyse nicht herauslassen. Auch diese ist eine wichtige eingeführte Maßnahme im polizeilichen Bereich. Unsere Polizei konnte mittels der

DNA-Analyse Täter in Mordfällen bzw. bei Vergewaltigung überführen.

Dass unsere Polizei ihre Aufgaben zur Gefahrenabwehr auch im Bereich der Großeinsätze innerhalb und außerhalb unseres Landes vorbildlich erfüllt, belegten die entsprechenden Reaktionen der Kollegen, wenn unsere Polizeibeamten außerhalb Sachsen-Anhalts im Einsatz waren. Es ist auch belegt durch den engagierten Einsatz unserer Polizei zum Beispiel bei Unwettersituationen wie beim Hochwasser 2002.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir und uns allen ist sicherlich klar, dass die genannten Erfolge in besonderem Maße ein Verdienst aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Polizei sind, die in den vergangenen Jahren mit beachtlicher Ausdauer und hoher Motivation nicht nur ihre täglichen Aufgaben erfüllt haben, sondern die auch sehr konstruktiv an der Reform der Polizeiorganisation bzw. der Effizienzoffensive mitgearbeitet haben bzw. diese nach ihren jeweiligen Möglichkeiten in den Dienststellen umgesetzt haben. Dafür möchte ich an dieser Stelle allen Bediensteten meinen Dank und meine Anerkennung aussprechen.

Unsere Polizei genießt aufgrund ihrer Leistungen im Land, aber auch bundesweit Anerkennung und Ansehen. Ich bin nach wie vor zuversichtlich - das lasse ich mir auch nicht nehmen, Herr Rothe -, dass wir mit der vorbildlichen Leistungsbereitschaft unserer Polizei die noch vor uns liegenden schwierigen Aufgaben auch unter finanziellen Gesichtspunkten gut bewältigen werden. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Minister. - Für die FDP-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Kosmehl sprechen. Bitte.

Frau Präsidentin, bitte erlauben Sie mir eine Vorbemerkung. Ich glaube, Herr Rothe ist, was den Punkt der Einhaltung der Redezeit betrifft, dem Hohen Hause noch einiges schuldig geblieben. Das habe ich dem Protokoll aus der letzten Wahlperiode entnommen. Damals haben Sie Ihre Redezeit bei der Aussprache zu der Großen Anfrage deutlich überzogen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! An erster Stelle möchte ich den Fragestellern danken, und zwar allen Fragestellern, denen der SPD-Fraktion genauso wie denen der CDU-Fraktion in der dritten Wahlperiode, deren Große Anfrage zur Polizei und zur Verkehrssicherheit die wesentliche Grundlage für die Große Anfrage der SPD-Fraktion darstellt.

(Zustimmung bei der CDU)

Damit dies nicht falsch verstanden wird, möchte ich anmerken: Ich finde es gut, dass wir nochmals umfangreiche Antworten und Zahlen bekommen, die für unsere weitere Arbeit mit bestimmend sein können. Ich möchte daher namens der FDP-Fraktion ausdrücklich anregen, dass wir eine der nächsten Sitzungen des Innenausschusses dazu nutzen sollten, die Ergebnisse noch etwas vertiefter auszuwerten und die Antworten noch etwas intensiver zu beleuchten.

Die Große Anfrage ist aus meiner Sicht der untaugliche Versuch der SPD-Fraktion, die Funktionsunfähigkeit der Polizei unter Beweis zu stellen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Es ist die logische Folge einer Kampagne, die die SPDFraktion seit einigen Wochen und Monaten immer wieder zu fahren versucht, indem sie die innere Sicherheit im Land als gefährdet darstellt.

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Sie verschließen die Au- gen vor den Problemen!)

- Sofort. - Zugegebenermaßen haben sich viele Probleme seit der Beantwortung der Großen Anfrage der CDUFraktion in der dritten Wahlperiode nicht wesentlich verändert, zum Beispiel das Problem der Altersstruktur unserer Landespolizei. Doch auch in finanziell angespannten Zeiten wird es in den kommenden Jahren einen Einstellungskorridor für junge Beamtinnen und Beamte geben, 20 Stellen im mittleren Dienst und 50 im gehobenen Polizeivollzugsdienst. Dies entspricht zwar nicht unseren Zielvorstellungen, die wir im Koalitionsvertrag verankert haben, aber von einer Gefährdung der inneren Sicherheit im Land Sachsen-Anhalt kann trotzdem nicht die Rede sein, auch wenn Sie, Herr Rothe, es immer wieder gern so darstellen.

Meine Damen und Herren! Seit dem Jahr 2002, seit der Regierungsübernahme von CDU und FDP, sind die tatsächlichen Einstellungszahlen deutlich gestiegen. Das ist der Unterschied, Herr Rothe, zu dem Konzept, das der frühere Innenminister vorgelegt hat. Ich nenne die Zielzahlen, die damals festgelegt worden waren, und zitiere dazu eine Bemerkung aus der Aussprache zur Großen Anfrage der CDU-Fraktion, in der Herr Püchel Folgendes ankündigte:

„Dieser Korridor sieht ab 2001 80 bis 90 Neueinstellungen pro Jahr vor.“

Diese Zahlen haben Sie nie erreicht. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden unsere Zielzahlen weiter verfolgen. Dort, wo es möglich ist, werden wir versuchen, einen noch breiteren Einstellungskorridor zu schaffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich an dieser Stelle noch kurz auf das Problem des Haushaltsansatzes eingehen, das der Kollege Rothe angesprochen hat. Herr Rothe, Sie haben diesbezüglich im Ausschuss keinen schriftlichen Antrag gestellt. Das müssen Sie auch nicht. Sie haben abgewartet, was die Koalitionsfraktionen machen. Sie haben geschaut, wie bewegen wir uns. Die PDS-Fraktion hat einen Antrag gestellt. Dann sind Sie auf das Pferd aufgesprungen und haben gesagt: Dann sage ich auch noch etwas dazu; dann beantrage ich das auch.

Die Gegenfinanzierung war unseriös - eine Einnahmeerhöhung im Bereich des Katasterwesens, obwohl der Jahresabschluss im letzten Jahr im Defizit lag.

(Herr Kolze, CDU: Ja!)

Das sind Vorschläge, die können wir nicht mittragen. Im Finanzausschuss - das ist überraschend, wir haben im Innenausschuss die 600 000 € nicht vollständig refinanzieren können, weil wir im Einzelplan 03 durch Umschichtungen eben nur die Hälfte realisieren konnten - hätten Sie noch einmal die Chance gehabt, eine Mittel

erhöhung zu beantragen. Dort haben Sie keinen Antrag gestellt. Da waren es dann die Finanzpolitiker der Fraktionen der CDU und der FDP, die in anderen Einzelplänen noch nach Mitteln für die Polizei gesucht haben, wofür ich ihnen sehr dankbar bin.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was bleibt als Fazit? - Als Fazit bleibt: Die innere Sicherheit in Sachsen-Anhalt ist nicht gefährdet. Die Versäumnisse der Vergangenheit - das sage ich ausdrücklich - sowohl bei der sächlichen als auch bei der personellen Ausstattung, deren Probleme Sie spätestens seit der Antwort auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion kannten, haben Sie nicht beseitigt. CDU und FDP haben damit begonnen, diese Versäumnisse aufzuholen und das Defizit abzubauen.

Das geht nicht von heute auf morgen. Wir bekommen von heute auf morgen keine homogene Altersstruktur in der Polizei hin. Wir arbeiten aber daran. Gleiches gilt für die sächliche Ausstattung. Auch da ist von heute auf morgen gerade wegen der finanziellen Belastung, die unser Land derzeit hat, keine Änderung machbar. Aber wir arbeiten daran.

Als Beispiel dafür gilt auch die Umstellung auf Leasingfahrzeuge. Wir haben jetzt die Möglichkeit, schrittweise eine moderne Fahrzeugflotte aufzubauen. Diese Fahrzeugflotte war vor allen Dingen veraltet, weil - außer in der ersten Wahlperiode - während der acht Jahre, die Sie Regierungsverantwortung getragen, nahezu keine Fahrzeuge mehr angeschafft worden sind, zumindest nicht in dem Maße, wie es notwendig gewesen wäre, um von einer tatsächlich ordnungsgemäßen sächlichen Ausstattung der Polizei zu sprechen. Die Auswirkungen dieser Versäumnisse, die Sie zu verantworten haben, werden wir Stück für Stück, aber konsequent beseitigen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die PDS-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Gärtner sprechen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist mittlerweile eine Tradition dieses Hauses, dass einmal in der Legislaturperiode auf der Grundlage der Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage zur Situation der Polizei in Sachsen-Anhalt diskutiert wird. Allerdings waren die Rahmenbedingungen für die Polizeiarbeit in unserem Land zu keinem Zeitpunkt so schwierig wie heute.

Inhaltliche Aspekte von Polizeiarbeit weichen zunehmend rein fiskalischen Aspekten. Spätestens nachdem die Dienstanweisung des Polizeipräsidenten der Polizeidirektion Stendal öffentlich wurde, welche beinhaltet, dass die polizeilichen Einsätze mit Kraftfahrzeugen aufgrund von Benzinmangel eingeschränkt werden sollen, ist das mehr als deutlich geworden. Er hat nur den Fehler gemacht, das schriftlich darzulegen. Die anderen machen das auf anderen Wegen.

Aber der Reihe nach. Es ist zunächst einmal der SPDFraktion zu danken, dass sie diese Große Anfrage gestellt hat und dass wir heute umfassend über die Situation der Polizei im Land debattieren können. Vorausgeschickt sei auch noch, dass ich beim Lesen der Ant

wort der Landesregierung schon das eine oder andere Mal den Eindruck hatte, dass man sich beim Formulieren dieser Antwort eine große rosa Brille aufgesetzt hat. Es scheint im Wesentlichen alles prima im Lande zu sein.

Diesen Eindruck konnten wir aber bei den zahlreichen Besuchen in den letzten Wochen und Monaten vor Ort und bei Gesprächen mit Experten nicht bestätigt finden. Eher ist das Gegenteil der Fall.

Wie auch in der Großen Anfrage, standen im Mittelpunkt der Gespräche die Ergebnisse der neuen Polizeistrukturreform, der geplante und zum Teil schon vollzogene Stellenabbau, verbunden mit Privatisierungsvorhaben, die Einführung des so genannten BSM - bedarfsorientierten Sichtmanagement -, die aktuelle Kriminalitätsentwicklung, die Kürzungen im Polizeihaushalt sowie die damit in Verbindung stehenden Auswirkungen auf die Polizeiarbeit.

Meine Damen und Herren! Durch die engagierte Arbeit von Polizistinnen und Polizisten im Land Sachsen-Anhalt konnte die Aufklärungsquote bei Straftaten im Land konsequent erhöht bzw. auf hohem Niveau stabil gehalten werden. Das ist aber aufgrund der Politik der Landesregierung infrage gestellt. Stellenabbau und Privatisierung in erheblichen Größenordnungen gefährden diese Ergebnisse. Auch wenn die Polizei im Land gute, engagierte Arbeit leistet, bleibt festzuhalten, dass die Stimmung und die Motivation in der Polizei auf einem Tiefpunkt angelangt sind.

Nun zu einzelnen Punkten, die auch in der Frage eine Rolle gespielt haben. Zur Polizeistrukturreform. Ziel dieser Reform war ist, durch eine Effektivierung des Polizeistations- und Reviersystems die Flächenpräsenz der Polizei besser zu gestalten. Die PDS stand diesen Plänen ursprünglich skeptisch gegenüber.

Vor Ort wurde jedoch deutlich, dass diese Verringerung nicht zu einer Einschränkung der Präsenz geführt hat. Das Stationssystem war mit einer zum Teil Drei-MannBesetzung nicht sinnvoll. Die Kräfte konnte durch die Reform gebündelt werden. In Sachsen-Anhalt gibt es nunmehr nur noch ein Revier pro Landkreis mit Nebenstellen. Fazit: Aus unserer Sicht war diese Reform letztlich sinnvoll.

(Herr Tullner, CDU: Hört, hört!)