Dann sagen Sie in Ihrer Pressemitteilung: Wir halten Kurs, aber das Tempo hängt von den Einnahmen ab und die können wir nicht steuern.
Na ja, ich sage dazu einmal: Dem einen oder anderen Kollegen in unserem Haus wird an der Stelle vielleicht die denkwürdige „Titanic“-Rede des Herrn Rehhahn noch einmal in Erinnerung gerufen werden, aber ich sage auch, jenseits des realsatirischen Werts dieser Aussage sind die Dinge natürlich so zu bewerten. Natürlich ist es so.
Wir haben für jeden Landeshaushalt ab dem Jahr 2006 eine Unsicherheit in der Einnahmen-Ausgaben-Differenz von mindestens 300 bis 400 Millionen €. Diese Dinge akkumulieren sich doch über die Jahre hinweg. Insofern ist so eine Aussage, wir haben das Ziel, die Nettoneuverschuldung in den darauf folgenden Jahren um jährlich 150 Millionen € zu senken, in etwa so eine Aussage, als würde ich versuchen, den Wetterbericht für den Tag der Haushaltseinbringung im Jahr 2011 vorauszusagen.
Diese Dinge können wir nicht prognostizieren. Es gibt natürlich den Vorteil, dass es die Landesregierung dann nicht mehr zu verantworten haben wird. An der Stelle muss man aber ganz deutlich sagen: Das ist eine Nullaussage, das hat keine politische Bindungskraft.
Wir sollten solche Spiele lieber lassen und auf die nachvollziehbaren Ansätze zurückkommen. Da ist es übrigens so, dass Sie die vorgesehene Reduzierung der Nettoneuverschuldung um 150 Millionen €, die Sie jährlich haben wollen, schon selbst für die Jahre 2005 und 2006 nicht einhalten; es sind nur knapp 100 Millionen €.
Das nächste Problem: Die Verfassungskonformität dieses Landeshaushalts. Sie sagen: Der Haushalt 2005 ist verfassungskonform; eine Differenz von 45 Millionen €. Wir sagen ausdrücklich: Diese Verfassungskonformität steht auf dem Papier. Die Realität wird Sie einholen. Die Realität wird so aussehen, dass die Neuverschuldung die Investitionen übersteigen wird.
Nur einige Beispiele dafür: Nehmen wir einmal die Personalkostenansätze. Wenn man alle Einzelfaktoren herausrechnet, die die Vergleiche der Jahresscheiben 2004 und 2005 verschieben, dann ist es so, dass für die Personalkosten im Jahr 2005 87 Millionen € weniger zur Verfügung stehen werden, als im Jahr 2004 geplant wurden. Ich sage einmal, vor dem Hintergrund dessen, dass wir in den letzten Jahren eine durchschnittliche Steigerung der Personalkosten um 10 Millionen € pro Jahr zu verzeichnen hatten, sind diese Planungen aus unserer Sicht absolut unrealistisch.
Nun kann es sein - wie man das politisch auch immer bewerten mag, wird morgen das Thema unseres Antrages sein -, dass Sie die Kürzung des Weihnachtsgeldes bei den Beamten durchsetzen, aber damit zu rechnen, bei den Angestellten Einsparungen in Höhe von 40 Millionen € über die Kürzung des Weihnachtsgeldes in Tarifverhandlungen fixieren zu können, erscheint uns außerordentlich mutig.
Selbst wenn Ihnen das gelingen sollte, würden Sie über den Personalabbau noch 20 Millionen € im Saldo einsparen müssen, und das, obwohl dieser Saldo in den letzten Jahren immer ein Plus von etwa 10 bis 15 Millionen € erbracht hat, nämlich der Saldo aus Personalkostenerhöhung durch Tarifsteigerungen und Älterwerden der Landesbediensteten auf der einen Seite und Personalabbau auf der anderen Seite.
Sie waren es doch, die gesagt haben, auch in den letzten Jahren haben wir radikal Personal abgebaut. - Wenn das bis dahin zu einem Ergebnis über der Null geführt hat, wie soll es denn dann im nächsten Jahr unter der Null sein? Für das Jahr 2006 haben Sie dann wieder eine Steigerung um 16 Millionen € drin. - Wir glauben einfach nicht daran.
Die nächste Geschichte: Investitionszuweisungen an die Kommunen. Zu einem Teil werden sie natürlich wieder konsumtiv verbraucht werden. Fast alle oder der größte Teil von Ihnen sind kommunale Abgeordnete. Sie wissen, wie die Dinge dort gehändelt werden.
Die Steigerung von Veräußerungsgewinnen in der Ergänzungsvorlage - das ist übrigens auch neu, dass wir mit dem Haushalt gleich die Ergänzungsvorlage mit verhandeln können - um 18 Millionen € scheint für uns außerordentlich zu hinterfragen zu sein. Das war der Posten, der in den letzten Jahren am stärksten in die Kritik geraten ist, weil die Erwartungen nie erfüllt worden sind.
Die nochmalige Senkung der Zinsausgaben ist im Grunde genommen kaum noch nachvollziehbar. Wir haben jetzt schon eine Grenze erreicht. Jetzt haben Sie die Zinsausgaben nochmals gesenkt. - Wir denken, die Puffer von 45 Millionen € sind längst aufgebraucht.
Wir sagen, der nächste Haushalt wird in der Realität nicht verfassungskonform sein. Wer diesen Haushaltsplan als verfassungskonform feiert, verwechselt die Fassade mit der Realität.
Trotzdem wird unser Weg in den Haushaltsberatungen - das sage ich hier auch ganz deutlich - nicht davon bestimmt sein, eine reale Verfassungskonformität zu erreichen. Unsere zentralen Zielsetzungen werden sich darauf beziehen, die Binnenverteilung dieses Haushalts zu verändern.
Ich sage hier auch noch einmal für jeden, der das hören will: Natürlich ist eine solche Zielsetzung unter den steuerpolitischen Rahmenbedingungen kaum verantwortungsvoll umzusetzen. An dieser Stelle sage ich ausdrücklich - das ist die einzige Übereinstimmung mit Herrn Paqué -: Jawohl, wir haben primär ein Einnahmeproblem und nicht primär ein Ausgabeproblem. Aber wir wollen es auf zwei völlig verschiedene Arten lösen.
Gemäß der Schwerpunktsetzung der PDS-Landtagsfraktion für die Haushaltsberatungen seit Beginn der Legislaturperiode werden wir uns vor allen Dingen auf den Bereich der Zukunftsinvestitionen, also auf die Schaffung der Voraussetzungen für den Sprung Sachsen-Anhalts in die wissensbasierte Gesellschaft, konzentrieren. Es ist festzustellen, dass dabei in den letzten zwei Jahren die größten Fehler schon passiert sind. Insbesondere die Einsparmaßnahmen im Hochschulbereich, die ab dem Jahr 2006 voll wirksam werden, zeitigen bereits jetzt negative Folgen für die Leistungsfähigkeit unserer Hochschulen.
Der Zeitpunkt der Bekanntgabe der OECD-Studie hätte für unser Herangehen gar nicht besser sein können. Was ist der zentrale Kritikpunkt an Deutschland? - Der zentrale Kritikpunkt an Deutschland ist die viel zu niedrige Studienrate. Inzwischen ist es so, dass im OECDDurchschnitt mehr als die Hälfte eines Jahrgangs studiert. Deutschland liegt bei 35 %.
Was macht das Land Sachsen-Anhalt? Genau in dieser Phase, fünf Jahre vor dem demografischen Einbruch, reduziert das Land Sachsen-Anhalt weiterhin die Kapazitäten von Fachhochschulen und Universitäten. Das ist genau kontraproduktiv.
Es ist so, dass die Arbeitslosigkeit unter den Akademikern in den OECD-Ländern nicht höher ist. Wir müssen uns einfach mit der Konsequenz abfinden, dass die strukturelle Arbeitslosigkeit in diesem Land inzwischen auch etwas mit dem zu geringen Bildungsniveau zu tun hat. Wer die strukturelle Arbeitslosigkeit bekämpfen will, muss an die Bildungsfrage anknüpfen.
An keiner anderen Stelle wird wohl so deutlich, dass die Landesregierung die Zeichen der Zeit nicht verstanden hat.
Dazu zählen insbesondere die Streichung des Feststellenprogramms, aber auch die Streichung im Bereich der Jugendfreizeit. Insbesondere die Streichung des Feststellenprogramms scheint für uns ein verheerender Fehler zu sein. Wenn wir denn wirklich die Investitionen in die Menschen wollen, wenn wir denn wirklich unseren Kindern und Jugendlichen die besten Voraussetzungen für eine Entwicklung in dieser Gesellschaft geben wollen, dann müssen wir doch davon ausgehen, dass diejenigen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, hochqualifizierte und hochmotivierte Kräfte sind. Aber was machen wir? - Wir bauen diese Feststellen ab.
Natürlich weiß unsere Fraktion und wissen auch die Mitglieder der Kreistagsfraktionen, dass überlegt wird, wie man das in den Kommunen ersetzen kann. Aber eines sage ich ganz deutlich: Es kann doch nicht ernsthaft unser Ziel sein, dass solche Aufgaben in Zukunft mit EinEuro-Jobs erledigt werden. Das wird aber die Konsequenz dieser Entwicklung sein.
Wie viel ist uns die Arbeit in diesem Bereich eigentlich wert, wenn solche Dinge letztlich mehrheitsfähig sind und umgesetzt werden?
Ein ähnliches Problem hat bereits für erheblichen Zündstoff in der öffentlichen Debatte gesorgt, und zwar ging es um die Reduzierung der Mittel für die Schülerbeförderung. Man muss sich Folgendes vorstellen: In diesem Jahr und im letzten Jahr gab es eine erhebliche Anzahl von Schulschließungen, die zu einem großen Teil - das ist völlig richtig - aufgrund der demografischen Entwicklung nicht zu umgehen war. Allerdings gab es auch eine Anzahl von Schulschließungen,
die in einem zu rigiden Herangehen bei der Schulentwicklungsplanung begründet waren. Was macht man im nächsten Jahr? - Man kürzt die Zuweisungen an die Landkreise für die Schülerbeförderung.
- Warten Sie doch ab. Ich nehme den Haushalt Ihrer Landesregierung, den ich auf den Tisch bekommen habe, und die Beschlüsse erst einmal ernst. Wenn sie es dann selbst nicht tut, dann ist das noch eine ganz andere Frage.
In dieser Situation haben wir das Problem, dass die Landkreise das natürlich nicht ausgleichen werden. Was
ist die logische Konsequenz? - Die Qualität der Schülerbeförderung wird sich verschlechtern. Was ist die logische Konsequenz aus der Sicht der Schüler? - Diejenigen Eltern, die es sich leisten können, die ein zweites Auto besitzen und die Chance dazu haben, bringen ihr Kind selbst zur Schule; die anderen müssen mit der verschlechterten Situation klar kommen.
Damit sind Lernchancen und deren Qualität davon abhängig, inwieweit die Haushalte in der Lage sind, solche Ressourcen zu aktivieren.
Inzwischen gab es erheblichen Druck. Die Landesregierung hat reagiert und die radikale Kürzung im Jahr 2006 zurückgefahren. Aber sie hat folgenden Weg gewählt: Sie hat in das Haushaltsbegleitgesetz den denkwürdigen Satz geschrieben: Je nach Maßgabe des Haushaltes werden diese Mittel bereitgestellt.
Was meinen Sie denn, wie die Leute, die davon betroffen sind, nach solchen Prozessen, wie wir sie jetzt unter anderem bei der Beamtenbesoldung haben, mit solchen Sätzen umgehen? Wissen Sie, es würde schon ausreichen, wenn der Finanzminister irgendwann im Laufe des Haushaltsjahres eine Haushaltssperre erlässt - und schon würden bei einer solchen Rechtslage die Zuweisungen für die Schülerbeförderung an die Landkreise wieder reduziert werden können. Ich glaube, so viel Vertrauen können Sie inzwischen bei niemandem mehr voraussetzen, dass er sich auf eine solche Zusage verlässt.
Ähnlich verhält es sich mit den Kürzungen im Bereich der Musikschulen in Höhe von rund einer halben Million Euro. Was wird passieren? - Die Musikschulen werden selbstverständlich versuchen, diese Ausfälle auszugleichen. Die Landkreise werden den Musikschulen kaum helfen können. Was tun sie? - Sie erhöhen die Zuschüsse, die die Eltern für den Unterricht zu zahlen haben. Auch hierbei haben wir wieder eine soziale Ausdifferenzierung hinsichtlich derer, die das in Anspruch nehmen können. Es wird wieder diejenigen treffen, deren Eltern nicht in der Lage sind, diese finanziellen Ressourcen zusätzlich bereitzustellen.