Protokoll der Sitzung vom 16.09.2004

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Vor Ihnen liegen der Entwurf der Landesregierung für den Doppelhaushalt 2005/2006, die mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 2004 bis 2008 sowie das Haushaltsgesetz und das Haushaltsbegleitgesetz.

Erstmals legen wir, die Landesregierung, einen Doppelhaushalt für die beiden kommenden Jahre vor. Wir schaffen damit mehr Planungssicherheit für die Ressorts, aber noch mehr für die Empfänger von Leistungen des Landes, insbesondere die Kommunen und viele Einrichtungen im Sozial- und Kulturbereich. Natürlich sind wir uns der Risiken bewusst, die ein längerer Planungszeitraum grundsätzlich mit sich bringt. Wir sind aber der

Meinung, dass diese Risiken in der derzeitigen konjunkturellen Lage begrenzt und überschaubar sind.

(Zuruf von Herrn Bullerjahn, SPD)

Die jüngste Entwicklung der Konjunkturdaten und der Steuereinnahmen spricht eindeutig dafür, dass sich massive Einnahmeeinbrüche, wie sie sich in der jüngsten Vergangenheit im Planungszeitraum dieses Haushalts abgespielt haben, nicht wiederholen werden.

Meine Damen und Herren! Doppelhaushalte sind im Übrigen keine exotische Idee der Regierung SachsenAnhalts. Sie sind in der Praxis der Länderfinanzen längst die Regel und nicht die Ausnahme. 13 von 16 Ländern in Deutschland arbeiten mit Doppelhaushalten. Die Ausnahmen sind Hamburg, Niedersachsen und das Saarland. Dabei schieben einige Länder, wie beispielsweise Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, aufgrund ihrer fünfjährigen Legislaturperioden im Einzelfall auch einen einjährigen Haushalt dazwischen; aber dies ändert nichts an der Tatsache, dass sie im Regelfall Doppelhaushalte aufstellen.

Es hat sich eben die Erkenntnis durchgesetzt, dass mehr Planungssicherheit ein hoher Wert ist und dass dieser hohe Wert die etwas geringere Flexibilität, die damit verbunden ist, durchaus aufwiegt. So sieht es auch die Landesregierung Sachsen-Anhalts.

Meine Damen und Herren! Der Entwurf des Doppelhaushalts für die beiden kommenden Jahre ist Grundlage für die Finanzpolitik im zweiten Teil der aktuellen Legislaturperiode. Der Regierungsentwurf ist die Fortsetzung des Konsolidierungskurses, der mit dem Antritt der CDU-FDP-Regierung im Jahr 2002 eingeleitet und mit den Haushalten 2003 und 2004 und dem Nachtrag 2004 umgesetzt wurde. Die weitere Fortführung dieses Kurses über die beiden Planungsjahre 2005 und 2006 hinaus ist in der mittelfristigen Finanzplanung bis zum Jahr 2008 dargestellt.

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Das ist zum Lachen!)

Ich möchte heute um Ihre Unterstützung für diesen Kurs in den bevorstehenden parlamentarischen Plenar- und Ausschussberatungen werben. Ich werde in dieser Einbringungsrede die zentralen Gesichtspunkte des Regierungsentwurfs erläutern.

Im Regierungsentwurf, meine Damen und Herren, ist für das Jahr 2005 eine Nettoneuverschuldung von 893,7 Millionen € und für das Jahr 2006 von 797 Millionen € vorgesehen. Die Landesregierung legt damit für beide Jahre einen Planentwurf vor, der den verfassungsrechtlichen Anforderungen nachkommt. Die eigenfinanzierten Investitionen liegen im Jahr 2005 bei 939,1 Millionen € und 2006 bei 898,8 Millionen €.

Eigentlich sollte das Einhalten der Verfassungsgrenze für die Nettokreditaufnahme eine Selbstverständlichkeit sein; aber die deutschlandweit katastrophale Finanzentwicklung der letzten Jahre hat uns gelehrt, dass dies nicht so ist. Andere Länder und der Bund haben größte Mühe, verfassungsgemäße Haushalte vorzulegen. Auch wir in Sachsen-Anhalt mussten mit dem Nachtragshaushalt 2004 aufgrund der Veranschlagung des Kassendefizits aus dem Jahr 2003 eine Überschreitung der Verfassungsgrenze hinnehmen. Unter diesen Umständen wird das, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, zu einem Erfolg.

Die Ausgaben werden auf unter 10 Milliarden € sinken - erstmals seit das Land Sachsen-Anhalt eigene Haushalte aufstellt. Im Jahr 2005 sind Ausgaben von rund 9,94 Milliarden € vorgesehen; im Jahr 2006 werden diese nochmals leicht auf 9,91 Milliarden € zurückgeführt. Das heißt, gegenüber dem Nachtrag 2004 bleibt das Haushaltsvolumen in etwa konstant, wenn man es um die wichtigsten Sonderbelastungen des Jahres 2004 bereinigt; hierbei handelt es sich um die Lehrerarbeitszeitkonten, die Hochwassermittel und den etatisierten Jahresfehlbetrag des Jahres 2003. Wenn man nicht um diese Sondereffekte bereinigt, hat man eine sehr starke Abnahme des Haushaltsvolumens, die natürlich das Bild verzerrt.

Der Haushalt erfüllt damit die Vorgaben des Finanzplanungsrates, der im Rahmen des nationalen Stabilitätspaktes eine Zunahme des Haushaltsvolumens, also der Ausgaben der Länder, um maximal 1 % vorschreibt. Sachsen-Anhalt liegt in den Jahren 2005 und 2006 deutlich darunter, in beiden Jahren bei 0 % Ausgabenwachstum. Und dies, meine Damen und Herren, nachdem bereits die Jahre 2003 und 2004 Einschnitte bei den Ausgaben brachten, zuletzt im Nachtrag 2004 um 3,7 %, wenn man wiederum um die einmaligen Sondereffekte korrigiert.

Unter diesen Umständen die Ausgaben konstant zu halten, ist Ausweis der enormen Sparanstrengungen, die bei der Aufstellung des Regierungsentwurfes gemacht wurden. Alle zwangsläufigen Ausgabenzuwächse, etwa durch Tarifsteigerungen, durch Mehrausgaben bei der Sozialhilfe und durch gestiegene Zinsausgaben, konnten vollständig kompensiert werden.

Meine Damen und Herren! Dass trotz dieser Anstrengungen auf der Ausgabenseite die Nettokreditaufnahme noch immer bei knapp 900 Millionen € im Jahr 2005 und 800 Millionen € im Jahr 2006 liegen wird, ist auch für uns eine bittere Wahrheit. Ich sage ganz klar: Mit diesem Ergebnis können wir nicht zufrieden sein und mit diesem Ergebnis sind wir nicht zufrieden; denn wir wissen, dass wir damit noch immer einen langen Weg vor uns haben bis zu dem Punkt, an dem wir beginnen können, in diesem Land wirklich Schulden zu tilgen.

(Zuruf von Herrn Bullerjahn, SPD)

- Herr Bullerjahn, ich bitte um etwas Geduld. Lassen Sie mich meine Ausführungen machen und dann unterhalten wir uns später über die Details.

(Zurufe von der SPD und von der PDS)

Gleichwohl muss deutlich gesagt werden, dass wir seit dem Regierungsantritt im Jahr 2002 unseren konsequenten Sparkurs zu keinem Zeitpunkt verlassen haben und in der Planung bis 2006 auch zu keinem Zeitpunkt verlassen werden, meine Damen und Herren.

(Frau Dr. Kuppe, SPD, und Herr Bullerjahn, SPD: Hört, hört!)

Ein paar Zahlen machen dies deutlich. In der mittelfristigen Finanzplanung 2002 bis 2006, die wir im Sommer 2002 vorlegten, haben wir für das Jahr 2006, das letzte Jahr des damaligen Planungszeitraums, ein Ausgabenvolumen von 9,899 Milliarden € angestrebt. Im Haushaltsplanentwurf 2006, der Ihnen jetzt vorliegt, stehen 9,908 Milliarden €. Dies ist auf der Ausgabenseite genau das, was wir vorhatten.

Ich weise darauf hin, dass unsere damalige Ausgabenplanung - damit wende ich mich an die Opposition - gerade von Ihnen, meine Damen und Herren der Opposition, als außerordentlich ehrgeizig angesehen wurde. Es waren Sie, die damals die angestrebte stufenweise Ausgabensenkung um mehr als 6 % in dem Zeitraum von 2002 bis 2006 für praktisch unmöglich hielten, weil Sie uns nicht zutrauten, einen Konsolidierungskurs auf der Ausgabenseite konsequent durchzuhalten. Aber wir haben diesen Kurs durchgehalten.

Unsere konsequente Politik auf der Ausgabenseite konnte leider nicht die von uns im Jahr 2002 erhofften Früchte tragen in Form einer Nettokreditaufnahme von knapp 100 Millionen € im Jahr 2006 und von null im Jahr 2007, wie sie die damalige mittelfristige Finanzplanung vorsah.

Der einfache Grund: Wie in allen Ländern und im Bund erwiesen sich die Prognosen der Steuereinnahmen als zu hoch, weil die Konjunktur deutschlandweit einbrach und die rot-grüne Steuerreform ein Übriges tat. Gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung aus 2002 fehlen im Jahr 2005 fast 900 Millionen € an Steuereinnahmen einschließlich der Zuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich und der Bundesergänzungszuweisungen, um die Fehlbeträge zu kompensieren. Im Jahr 2006 sind es fast 1 Milliarde €.

Es sind genau diese 900 Millionen € an Mindereinnahmen, die uns 2005 zu einem ausgeglichenen Haushalt fehlen. Mit 1 Milliarde € mehr in den Kassen würde ab dem Jahr 2006 sogar die Schuldentilgung beginnen können.

Beträge dieser Größenordnung, meine Damen und Herren auch von der Opposition, auf kurze Sicht auszugleichen, ist praktisch nicht möglich, es sei denn, man streicht alle Investitionen und beendet alle freiwillige Aufgaben des Landes bis hin zur Schließung von Universitäten, Fachhochschulen, Theatern und Museen.

Ich wundere mich dann gelegentlich über die Aussagen, die jüngst von der Opposition, von Herrn Miesterfeld und Herrn Bullerjahn, in Anbetracht dieser Einnahmeausfälle kamen, was die Möglichkeiten zusätzlicher Einsparungen betrifft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß natürlich, dass in der Politik das zählt, was ist, und nicht das, was sein könnte. Trotzdem zeigen diese Überlegungen zweierlei: Erstens. Der im Jahr 2002 vorgefundene Konsolidierungsbedarf ist mehr als abgearbeitet worden. Aber die Einnahmeausfälle haben einen neuen Konsolidierungsbedarf geschaffen. Zweitens. Die Einnahmeeinbrüche konnten nur zum Teil abgefangen werden. Der Konsolidierungsdruck bleibt deshalb auch in der mittleren Frist bestehen. Der Weg zum Ende der Nettoneuverschuldung hat sich entsprechend verlängert.

Meine Damen und Herren! Dass die Einbrüche der Einnahmen nicht vollständig kompensiert werden können, leuchtet jedem ein, der sich die Dimension des Problems klar macht. Wir haben in Deutschland in den letzten drei Jahren eine beispiellose Zeit der wirtschaftlichen Stagnation und sogar zeitweise der Rezession erlebt, auch dank der jahrelangen Reformverschleppung durch die Bundesregierung. Erst in diesem Jahr zeigen sich zaghafte Anzeichen einer konjunkturellen Erholung, deren Stabilität und deren Dauerhaftigkeit jedoch keineswegs gesichert ist.

Konjunkturbedingt hatten alle Gebietskörperschaften Einnahmeausfälle in bisher nicht gekannter Größenordnung zu verkraften. Die Folge davon war, dass Sachsen-Anhalt in dieser Legislaturperiode bei den eigenen Steuereinnahmen und den Zuweisungen im Rahmen der bundesweiten Steueraufteilung des Finanzausgleichs in jedem Jahr - also 2002, 2003 und in den Planjahren 2004, 2005 und 2006 - unter das Niveau des Jahres 1995 zurückgefallen ist.

In keinem dieser Jahre konnte und wird der Höhe nach das Steueraufkommen des Jahres 1995 erreicht werden. Anders ausgedrückt: In absoluten Zahlen liegt die Finanzausstattung des Landes derzeit unter dem Niveau von vor zehn Jahren. Gleichzeitig mussten seither auf der Ausgabenseite schwere zusätzliche Belastungen hingenommen werden.

So hat es seit dem Jahr 1995 kräftige Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst gegeben, und zwar in der Größenordnung von insgesamt mehr als 25 %. Das sind bei der heutigen Personalstärke - die ist deutlich niedriger als im Jahr 1995 - mindestens 600 Millionen € mehr an Belastung.

So hat sich die Zinslast mehr als verdoppelt, von rund 420 Millionen € im Jahr 1995 auf über 1 Milliarde € in der Planung für das Jahr 2006.

Hinzu kommen die Belastungen aus den Sonder- und Zusatzversorgungssystemen. Sie lagen im Jahr 1995 bei gut 200 Millionen €. In Zukunft liegen sie deutlich über 400 Millionen €.

Nicht zu vergessen: Die Kreditaufnahme lag im Jahr 1995 bei 1,8 Milliarden €. Im Entwurf des Doppelhaushaltes wird sie im Jahr 2006 mit rund 800 Millionen € um 1 Milliarde € niedriger liegen.

Meine Damen und Herren! Diese Zahlen machen deutlich, wie katastrophal die Entwicklung in den letzten Jahren gewesen ist. Richtig ist, dass die Zeit der Einbrüche bei den Einnahmen wohl dem Ende zugeht und die Einnahmenseite damit an Berechenbarkeit gewinnt. Eben dies rechtfertigt auch die Vorlage eines Doppelhaushaltes mit einem Planungszeitraum von zwei Jahren.

Dennoch hat sich das Bild im Vergleich zu der letzten Phase wirtschaftlicher Prosperität in Deutschland in den Jahren 1999 bis 2001 grundlegend geändert. Stabilität der Steuereinnahmen, meine Damen und Herren, das heißt heute: Stabilität auf dem Niveau von vor zehn Jahren. Dies liegt gut eine halbe Milliarde Euro unter dem Niveau der Jahre 1999 bis 2001, den letzten beiden Jahren der Vorgängerregierung.

Meine Damen und Herren! Diese Landesregierung ist im Jahr 2002 mit dem Ziel angetreten, die Landesfinanzen zu konsolidieren. Diese Zielsetzung galt und sie gilt weiterhin.

(Herr Gallert, PDS: Ewig!)

Sie gilt auch unter erheblich erschwerten Bedingungen, die wir aufgrund der Einnahmeeinbrüche hinnehmen mussten. Wir stehen zu unseren Zielen. Wir wollen Sachsen-Anhalt aus einem Teufelskreis befreien, nämlich dem Teufelskreis von immer höher ansteigender Verschuldung und immer erdrückenderen Zinslasten.

(Herr Bullerjahn, SPD: Aber jetzt biegen sich die Balken, Herr Paqué! - Zuruf von Frau Budde, SPD)

Wir wollen die Nettoneuverschuldung Schritt für Schritt auf null zurückführen, auch wenn wir durch die Entwicklung der Einnahmen einige Jahre zurückgeworfen wurden. Nur so lässt sich die Grundlage für eine finanziell gesunde Entwicklung des Landes schaffen. Nur so können wir politischen Handlungsspielraum zurückgewinnen und nur so können wir künftige Generationen vor ungebührlichen Belastungen bewahren.

Herr Bullerjahn, es ist einfach wichtig, auf diese Punkte von strategischer Bedeutung mit Nachdruck hinzuweisen, weil Sie immer - -

(Herr Bullerjahn, SPD: Das höre ich schon zum 50. Mal!)

- Nein, nein. Das hören Sie jetzt bei der Vorlage eines Doppelhaushaltes als eine grundlegende Aussage zur Strategie der Landesregierung, nachdem wir zwei Jahre lang Einnahmeverluste hinnehmen mussten, die Sie nie auch nur annähernd während der Regierungszeit der SPD-Regierung erlebt haben, meine Damen und Herren.

(Frau Dr. Weiher, PDS: Und gegen die Sie auch nichts unternommen haben!)

Meine Damen und Herren! Welche Maßnahmen wird die Landesregierung in den kommenden zwei Jahren ergreifen, um die Neuverschuldung zurückzuführen?

Zuallererst ist an dieser Stelle auf die Personalkosten einzugehen, auf die Fortführung des Personalabbaues. Die Personalausgaben stellen den bedeutendsten konsumtiven Ausgabenblock dar. Hierbei die Weichen richtig zu stellen, ist und bleibt für die künftige Finanzsituation des Landes von überragender Bedeutung. Dies ist in den letzten beiden Jahren geschehen, unter anderem durch eine konsequente Personalbewirtschaftung, die auch über die Landesgrenzen hinweg Beachtung gefunden hat.

Diese Bewirtschaftung funktioniert und der Personalabbau kommt rasch voran. Wir können das an den Zahlen sehen, die wir im Personalbereich realisieren. Ich sage das mit aller Deutlichkeit, weil das auch gerade zu Beginn der Legislaturperiode ein von der Opposition immer angezweifelter Bereich war. Wir haben in diesem Bereich inzwischen einiges vorzuweisen.

Der Stellen- und Personalabbau wird durch eine umfangreiche Umstrukturierung in der Landesverwaltung ergänzt. Ich nenne nur das Stichwort Landesverwaltungsamt.