Protokoll der Sitzung vom 14.10.2004

Meine Damen und Herren! Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 b auf:

Aussprache zur Regierungserklärung

Der Ältestenrat schlägt die Redezeitstruktur D vor, das heißt eine Debattendauer von 85 Minuten. Es gibt folgende Reihenfolge und Redezeiten: SPD 13 Minuten,

CDU 25 Minuten, PDS 13 Minuten und FDP neun Minuten.

Als erster Debattenredner wird Herr Oleikiewitz für die SPD-Fraktion sprechen. Bitte sehr.

(Herr Bullerjahn, SPD, meldet sich zu Wort)

- Bitte sehr, Herr Bullerjahn.

Da die Frau Ministerin, denke ich, sehr ausführlich geredet hat, gilt auch für den Debattenredner, dass ihm eine entsprechende Redezeit zugestanden wird.

Wir hatten, weil gut 40 Minuten angekündigt waren, die Redezeitstruktur D gewählt. Aber, Herr Oleikiewitz, wenn es dringend nötig ist, dann haben Sie natürlich mehr Zeit.

Ich habe also zehn Minuten mehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Wernicke, wir hatten eben die zweifelhafte Freude, einen Geschäftsbericht, getarnt als Regierungserklärung, zu hören

(Beifall bei der SPD)

- alles ohne Neuigkeitswert und das wenigste ist Ihr Verdienst, werte Frau Ministerin.

(Oh! bei der CDU - Unruhe)

Es war ein Geschäftsbericht, mehr nicht. Wenn das Schule macht, meine Damen und Herren, dann stehen uns noch sieben solcher Berichte, solcher langweiligen Erklärungen bevor - schade um die Zeit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Herr Borgwardt, CDU: Zwei Jahre und die nächsten fünf Jahre!)

Es fällt mir schwer, meine Erklärung hierzu nicht zu Protokoll zu geben.

(Frau Weiß, CDU: Schade! - Unruhe)

Es lohnt sich kaum, zu dieser Berichterstattung Stellung zu nehmen, aber ich tue es trotzdem; denn ich habe mir sehr viel Mühe gegeben, das aufzuschreiben, was ich Ihnen vortragen werde.

(Herr Czeke, PDS: Mühe allein genügt nicht! - Heiterkeit bei der PDS)

Es tut mir besonders Leid, Frau Ministerin, dass ich in Ihren Lobgesang nicht einstimmen kann. Im Gegenteil: Mir ist eher zur Anstimmung elegischer Gesänge zumute, wenn ich an das denke, was Sie eben vorgetragen haben und was Sie seit zweieinhalb Jahren im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes im Land praktizieren.

Wir haben lange gerätselt, warum Sie unbedingt zu diesem Politikbereich, ausgerechnet zum Thema Umweltpolitik eine Regierungserklärung abgeben. Nach Ihrer Rede scheinen mir Ihre persönlichen Beweggründe etwas klarer zu sein, die sachlich-fachlichen bleiben mir allerdings nach wie vor verborgen.

Ihre persönlichen Beweggründe, Frau Ministerin, kann ich rein menschlich verstehen, wünschen Sie sich doch

nach wie vor, in der Öffentlichkeit endlich auch als Umweltministerin wahrgenommen und anerkannt zu werden.

(Herr Gürth, CDU: Ist sie schon längst!)

Möglicherweise glauben Sie auch selbst, eine hervorragende Umweltministerin zu sein,

(Herr Gürth, CDU: Das ist sie schon!)

getreu der Feststellung von Julius Cäsar: Die Menschen glauben fest an das, was sie sich wünschen.

(Herr Ruden, CDU: Sehr schön!)

Aber Sie haben in der Vergangenheit leider alles getan, um die angestrebte Anerkennung eher nicht zu erhalten; denn kaum ein Bereich steht so wenig im Zentrum der Politik dieser Landesregierung, geschweige denn der dafür zuständigen Ministerin wie die Umweltpolitik.

Ihre Statements, Ihre Presseerklärungen zu umwelt- und naturschutzfachlichen Problemen, Ihre öffentlichen Auftritte und nicht zuletzt Ihr Agieren als Fachministerin - ich komme noch zu entsprechenden Einzelentscheidungen - lassen leider die Schlussfolgerung zu, dass die Umweltpolitik eher fünftes Rad am Wagen denn wichtiges Anliegen ist.

(Beifall bei der SPD)

Wer kurze Zeit nach der Übernahme des Amtes als zuständige Ministerin für den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen öffentlich erklärt: „Wir werden dem Jobkiller Naturschutz endlich den grünen Zopf abschneiden“, hat sich entweder nie mit dem Arten- und Biotopschutz, nie mit den Problemen zunehmenden Flächenverbrauchs, nie mit der Ausräumung der Landschaft und vor allem nie ernsthaft mit der wichtigen Rolle der Naturschutzverbände und des Ehrenamtes im Naturschutz beschäftigt oder hat von vornherein ein gestörtes Verhältnis zu diesen Dingen.

(Beifall bei der SPD)

Wer bei der Einbringung der letzten Novelle zum Naturschutzgesetz feststellt: „Wir haben beim Naturschutz dringenden Handlungsbedarf gesehen; denn wir brauchen jetzt ein günstiges Investitionsklima“, lässt wohl keine Fragen nach der Wertigkeit von Umwelt- und Naturschutz in seinem Handeln offen, ganz abgesehen davon, dass der Umwelt- und Naturschutz mit solchen Aussagen als Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung gebrandmarkt wird.

Sie haben keine Gelegenheit ausgelassen, den Eindruck zu erwecken, dass weniger strenger Naturschutz, weniger Regeln und Vorschriften in diesem Bereich zu mehr Beschäftigung führen.

Sie selbst wissen, dass es nicht so ist. Sie selbst wissen, dass durch den bisher praktizierten Umweltschutz kein einziger Arbeitsplatz verloren ging und keine Investition verhindert wurde. Sie wissen es, aber Sie behaupten trotzdem das Gegenteil. Das ist politisch schädlich und das ist fahrlässig mit Blick auf die Ausbildung eines die eigentlichen Probleme erkennenden Umweltbewusstseins in unserer Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie sagen: Der schlechteste Naturschutz ist der, der von der Bevölkerung, von den Kommunen, von der Wirtschaft und von

der Landwirtschaft nicht akzeptiert wird. - Das ist das eigentliche Problem, das Problem, bei dem wir uns maßgeblich unterscheiden.

Sie verfolgen einen an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientierten Umwelt- und Naturschutz. Sie wollen die Natur verwalten. Sie wollen sich die Natur maßschneidern.

Wir haben einen anderen Ansatz. Wir verstehen unter dem Ziel des Umwelt- und Naturschutzes primär den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, den Schutz der wichtigen Funktionen der Medien Wasser, Luft, Flora und Fauna. Wir verstehen unter der primären Aufgabe der Umwelt- und Naturschutzpolitik die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, die es gerade in Krisenzeiten vor dem Zugriff kurzatmiger wirtschaftspolitischer Entscheidungen zu schützen gilt.

Sie haben behauptet, dass die Umweltpolitik in Deutschland ein entscheidender Standortnachteil ist - eine ungeheuerliche Behauptung, Frau Ministerin.

(Zuruf von Ministerin Frau Wernicke)

Das ist Unsinn; denn inzwischen wird eine intakte Umwelt, eine vielfältige Flora und Fauna auch von Unternehmern selbst als entscheidender Standortvorteil betrachtet. Dies gilt erst recht für die Menschen, die in dieser Umwelt leben und arbeiten.

Sie selbst haben eben betont, wie furchtbar, wie katastrophal die Umweltsituation in der DDR gewesen ist. Damit haben Sie sicherlich nicht Unrecht, aber das, wovon Sie eben noch schwärmten, nämlich schöne Flussauen, naturbelassene Wälder, saubere Luft und sauberes Wasser, wäre ohne die Umweltschutzgesetzgebung des Bundes und des Landes nach der Wende nicht das, was es heute ist.

(Beifall bei der SPD)

Diese Gesetzgebung entwickelte und schützte unsere Umwelt damals und sie muss es auch heute tun.

(Herr Ruden, CDU: Die ist von Kohl erlassen worden! - Unruhe)

Jedes Zurückweichen hinter bisher geltende Standards - das ist es ja, was Sie damit sagen wollen - ist schädlich für die Umwelt, ist schädlich für den Standort SachsenAnhalt, ist schädlich für Investitionen, ist schädlich für Tourismus und ist schädlich für den Menschen. Das ist die andere Wahrheit, Frau Wernicke.

Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben in Ihrer Einleitung betont, dass die Bewahrung der Schöpfung ein Kernanliegen dieser Landesregierung ist. Sie sagten, die Verantwortung für die Schöpfung rücke in das Zentrum Ihrer Politik. Nun müssten Sie gerade als Christin wissen - wenigstens Sie müssten es wissen -,