Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben in Ihrer Einleitung betont, dass die Bewahrung der Schöpfung ein Kernanliegen dieser Landesregierung ist. Sie sagten, die Verantwortung für die Schöpfung rücke in das Zentrum Ihrer Politik. Nun müssten Sie gerade als Christin wissen - wenigstens Sie müssten es wissen -,
Sie müssten eigentlich wissen, dass die Menschheit tausendfach gegen dieses Prinzip verstoßen hat und täglich verstößt. Ihnen scheint die Brisanz der Lage, in der sich die so genannte Schöpfung befindet, nicht klar zu sein,
betrachtet man das, was Sie seit zwei Jahren im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes in Sachsen-Anhalt praktizieren.
Frau Wernicke, Sie wissen vielleicht nicht, dass jede Pflanze, jedes Insekt, jeder Vogel und jedes Säugetier, das ausstirbt, nicht nur die Vielfalt des Lebens vermindert, sondern dass jedes aussterbende Lebewesen unabdingbar auch die nächsten nach sich zieht. Das ist ein Teufelskreis, den zu durchbrechen es eigentlich schon zu spät ist. Dennoch können wir diesen Prozess aufhalten oder zumindest verlangsamen. Wir können es aber nicht, wenn wir das Wort „Schöpfung“ nur auf der Zunge und nicht im Herzen tragen.
Sie betonten den Naturreichtum unseres Landes, Sie sprachen zwar von schönen Flussauen, von Wäldern, von sauberen Flüssen und von Biotopen. All das ist aber nicht Ihr Verdienst; vielmehr es ist das Verdienst einer klugen, am Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen orientierten Politik Ihrer Vorgängerregierung, Frau Wernicke.
Es ist insbesondere ein Verdienst des unermüdlichen Wirkens von in der Naturschutzarbeit ehrenamtlich Tätigen, von Umwelt- und Naturschutzverbänden und der dem primären Schutz von Natur und Landschaft verpflichteten Naturschutzgesetzgebung des Bundes und unseres Landes.
Frau Wernicke, Sie betonten, diese Regierungserklärung sei ein Teil der Nachhaltigkeitsdebatte und ein Schritt im Prozess der nachhaltigen Entwicklung im Land Sachsen-Anhalt. Mit Verlaub: Das ist sie leider nicht. Wir haben offensichtlich verschiedene Auffassungen von Nachhaltigkeit und von dem Wert von Regierungserklärungen.
Ich habe die Positionen, die die CDU-Vertreter zum Thema Nachhaltigkeit, insbesondere im Bereich des Natur- und Umweltschutzes, in den Enquetekommissionen der letzten zwei Legislaturperioden vertreten haben, noch genau im Ohr, meine Damen und Herren. Das hörte sich damals ganz anders an, als Sie das heute vorgeben vertreten zu wollen.
Meine Damen und Herren! Unser Land verfügt noch - ich betone: noch - über einzigartige natürliche Landschaften und Biotope. Sie zu erhalten, ist das Gebot der Stunde, ist politische Aufgabe. Nachlässigkeit richtet selbst vorzügliche Anlagen der Natur zugrunde. Wir können und dürfen uns deswegen keine Nachlässigkeiten leisten. Dafür kann es keine Begründung geben.
Lassen Sie mich nun auf einige Highlights Ihrer Rede eingehen. Es scheint so, als müssten Sie mangels eigener Erfolge auf die Grundlagen der Vorgängerregierung zurückgreifen. So ist zum Beispiel die Umweltallianz nicht etwa von dieser Regierung, sondern von der Vorgängerregierung eingerichtet worden.
Die unbestreitbaren Erfolge im Hochwasserschutz sind im Wesentlichen durch Sonderzahlungen des Bundes
möglich geworden. Die Sanierungshilfen und die Teilentschuldungen, die jetzt auslaufen, sind ebenfalls unter einer SPD-Regierung angeschoben worden.
Die Altlastensanierung, die im Wesentlichen auf den Generalvertrag mit dem Bund zurückzuführen ist, ist zu Zeiten Ihres Vorgängers mit der Bildung der Altlastenanstalt auf eine solide praktische und finanzielle Basis gestellt worden. Wenn ich mich recht erinnere, dann hat gerade die CDU-Fraktion in der letzten Legislaturperiode geschlossen gegen die Einrichtung dieser Anstalt gestimmt.
Als Begründung führten Sie damals unter anderem an, diese Anstalt würde ein Wirrwarr an Verwaltung und Institutionsdschungel bringen. Sie sagten damals, das Land hätte keinen unmittelbaren Zugriff auf die Aufgabenwahrnehmung und die Wirtschaftsführung.
Was tun Sie heute? - Sie verkaufen auch dieses Thema als Erfolgsgeschichte in Ihrer Regierungserklärung - wohl wissend, dass es diese Anstalt nicht gäbe, wenn Sie damals Umweltministerin gewesen wären. Heute sind Sie froh, dass es die Anstalt gibt. Woher hätten Sie sonst damals diese 150 Millionen € genommen, die das Stopfen von Haushaltslöchern erst möglich machte?
Auch im aktuellen Entwurf eines Doppelhaushalts bedienen Sie sich weiter, indem Sie im Jahr 2006 die mit dem Bund vereinbarten landeseigenen Zuführungen auf ein Minimum von 5 Millionen € herunterfahren wollen. Nach uns die Sintflut, mögen Sie denken, wenn nach dem Jahr 2006 umso höhere Zuführungen notwendig werden.
Ich persönlich jedenfalls habe die Erfahrung gemacht, dass das Verschieben von Problemen die Probleme nicht kleiner, sondern eher größer macht.
Nun geht es nicht um meine Probleme; vielmehr geht es um die Probleme des Landes, seiner Menschen und auch der Wirtschaft. Es geht um die Gefahr, dass die Altlastenentsorgung in Zukunft in eine schwer zu beseitigende Schieflage gerät. Das kann nicht in unserem Interesse sein.
Meine Damen und Herren! Was ist denn nun wirklich neu in Ihrer Regierungszeit? Was ist denn nun beispielgebend? Ich nenne als Beispiel die Novelle zum Naturschutzgesetz. Sie ist ein sehr anschauliches Beispiel für den Naturschutz, wie Sie ihn verstehen.
Ein Beispiel für eine zeitgemäße Umwelt- und Naturschutzpolitik? - Mitnichten. Nein, das ist es nicht. Im Gegenteil: Von Ihnen wird ein wesentliches Standbein des praktizierten Naturschutzes, nämlich der ehrenamtliche Naturschutz, weiter eingeschränkt. Wer das tut, hat offensichtlich kein Gefühl dafür, welchen Beitrag Kinder, Jugendliche und Erwachsene in der Vergangenheit in ihrer Freizeit für den Erhalt unserer Natur, für den Arten- und Biotopschutz geleistet haben, und setzt dieses Engagement leichtfertig aufs Spiel.
Das neue Naturschutzgesetz wurde von der Koalition als das bundesweit modernste Naturschutzgesetz, als gesunder Kompromiss zwischen Naturschutz und Wirtschaft gefeiert. Hervorgehoben wurde insbesondere seine Investitionsfreundlichkeit. Was ist von diesem Anspruch nun geblieben? Stehen die Investoren nun
Schlange vor den Toren des Landes Sachsen-Anhalt? - Ich sehe nur Investoren, die schon da waren, als das alte Gesetz noch galt.
Meine Damen und Herren! Sie erinnern sich an das alte Gesetz mit dem grünen Zopf, den Sie, Frau Wernicke, abschneiden wollten. Nein, erfolgreich waren Sie wahrlich nicht. Im Gegenteil: Wir werden heute noch über einen Gesetzentwurf der SPD-Fraktion beraten, der ein echtes Investitionshemmnis in Ihrem investitionsfreundlichen Gesetz beseitigen soll,
Es stellt sich an dieser Stelle die interessante Frage, welche Wirkung die so genannten Investitionserleichterungsgesetze, die Sie in den vergangenen Monaten auf den Weg gebracht haben, entfaltet haben. Ich glaube, sie sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Sie sind Nebelkerzen, nahezu ohne jede Wirkung in der Praxis.
Sie nennen Ihren Politikansatz „neue kooperative Umweltpolitik“. Sie konstruieren einen Gegensatz zwischen Regulation und Kooperation. Dahinter kann man nur die versteckte Zielsetzung erkennen, möglichst viele Umweltstandards abzusenken, möglichst viele Spielräume im Bereich der Verkehrspolitik - diesen haben Sie im Übrigen heute glatt übergangen - und möglichst wenige Hemmnisse gegen industrialisierte Abholzungen zu schaffen, möglichst viel Privatisierung selbst in so sensiblen Bereichen wie der Wasserversorgung und des Abwassers zuzulassen
und möglichst wenig Regulierung im Bereich der Chemiepolitik zu haben. Diese Liste ließe sich fortsetzen.
Der Naturschutz in Sachsen-Anhalt, meine Damen und Herren, ist untrennbar damit verbunden, in welcher Höhe Geld zur Verfügung steht. Das ist keine Frage. Die Mittel für die Förderung von regenerativen Energien wurden abgesenkt bzw. stehen nicht mehr zur Verfügung. Der Naturschutz führt ein Schattendasein; der Umwelthaushalt insgesamt ist unter Druck geraten.
Sie fahren die Förderung für die Natur- und Umweltschutzverbände zurück; Sie fahren die Umweltbildung zurück; Sie kürzen die Mittel drastisch. Gerade das ist es, was besonders bedenklich ist.
Meine Damen und Herren! Gerade die Umweltbildung, gerade die Förderung des Umweltbewusstseins sind unerlässliche Voraussetzungen für die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung, für die Fähigkeit der Menschen, sich mit den Umwelt- und Entwicklungsfragen in der Zukunft auseinander zu setzen. Das ist kein gutes Zeichen, meine Damen und Herren, vor allem nicht mit Blick auf das von Ihnen so hervorgehobene Prinzip der Nachhaltigkeit.
Sie beschwören geradezu das Prinzip „Kooperation vor Konfrontation“. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber Kooperation sollte auf Augenhöhe der Akteure erfolgen.
Das ist offensichtlich nicht Ihr Ziel. Sie suchen sich Feindbilder, neben den Umweltverbänden nun auch die Umweltverwaltung, deren Einfluss es zu reduzieren gilt. Ständiges Rochieren in der Verwaltung und das ständige Schaffen von neuen Strukturen heben aber nicht das Selbstvertrauen der Mitarbeiter. Im Gegenteil: Dies schürt Ängste und unterdrückt die Kreativität. Das ist schädlich, meine Damen und Herren.
Herr Oleikiewitz, bitte sagen Sie jetzt Ihren letzten Satz. Ich habe Ihre Redezeit bereits um mehr als sechs Minuten verlängert. Bitte sehr.