Protokoll der Sitzung vom 14.10.2004

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal auf die Seite des Angebots an betrieblichen Ausbildungsstellen zurückkommen. Die Bundesagentur stellt in ihrer Statistik einen erneuten Rückgang der Zahl betrieblicher Ausbildungsplätze fest. An dieser Stelle gibt es deutliche Hinweise - Herr Metke, Sie haben diesen Punkt angesprochen -, dass diese Statistik nicht optimal ist, dass sie nicht das wirkliche Bild widerspiegelt. Sie haben gesagt, der Wirtschaftsminister würde jetzt plötzlich auf andere Statistiken zurückgreifen und das sei ein eigenartiges Verfahren. Aber Sie haben kein einziges Argument gebracht, Herr Metke, warum die Kammerstatistiken keine guten und besser interpretierbaren Statistiken sind.

(Zuruf von Frau Ferchland, PDS)

In der Tat ist es so, dass bei den Agenturstatistiken das Problem des Einschaltungsgrades besteht. Dieser liegt nur zwischen 80 und 90 %, und es gibt sogar Gründe für die Vermutung, dass der Einschaltungsgrad der Bundesagentur im Trend abnimmt. Insofern muss diese statistische Quelle in der Tat hinterfragt werden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich würde bitten, das am Schluss zusammenzufassen.

Bei den Kammern als zuständigen Stellen wird eine Statistik über die eingetragenen Ausbildungsverhältnisse geführt. Im Unterschied zur Geschäftsstatistik der Bundesagentur, bei der nur Ausbildungsplätze erfasst werden, die von den Unternehmen tatsächlich gemeldet werden - der Einschaltungsgrad liegt, wie gesagt, zwischen 80 und 90 % -, erfassen die Kammern ausnahmslos alle Betriebe, die Ausbildungsverträge schließen.

Nach dieser Kammerstatistik wurden zum 30. September bei den Kammern insgesamt 15 189 neue Ausbildungsverhältnisse, davon 11 462 betriebliche Ausbildungsplätze, eingetragen. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das einen Zuwachs um 205 neu eingetragene Ausbildungsverhältnisse. Dieser Zuwachs konnte ausschließlich durch einen Zuwachs im betrieblichen Bereich erzielt werden. Die Anzahl der außerbetrieblichen Ausbildungsverhältnisse ist nach der Kammerstatistik zum Erhebungstermin leicht rückläufig.

Besonders erfreulich ist, dass der Zuwachs bei den betrieblichen Ausbildungsplätzen bei allen großen Kam

mern festgestellt werden kann, auch bei den Handwerkskammern, die in den vergangenen Jahren regelmäßig Rückgänge bei den betrieblichen Ausbildungsplätzen zu verzeichnen hatten. Wir alle wissen, wie bedeutsam gerade das Handwerk für die Ausbildung in Deutschland ist.

Diese positive Entwicklung beim Angebot betrieblicher Ausbildungsverhältnisse freut uns sehr, zeigt sie doch, dass die Wirtschaft den Ausbildungspakt ernst nimmt und große Anstrengungen unternommen hat, um zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen. Diese Entwicklung könnte nach unserer festen Überzeugung noch besser sein, wenn es uns gelänge, die Kosten der betrieblichen Ausbildung deutlich zu senken.

Meine Damen und Herren! Ein wesentlicher Faktor bei den Kosten ist natürlich die Ausbildungsvergütung. Wir haben als Land schon frühzeitig in diesem Jahr die Initiative ergriffen und eine Gesetzesinitiative in den Bundesrat eingebracht, die das Ziel hat, die Möglichkeiten zur Absenkung der Höhe der Ausbildungsvergütung in nicht tarifgebundenen Betrieben zu erweitern. Nach der derzeitigen Rechtslage müssen auch diese Betriebe mindestens 80 % der tariflich festgelegten Ausbildungsvergütung bezahlen, was oftmals die finanziellen Möglichkeiten dieser Betriebe übersteigt und die Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze verhindert.

Meine Damen und Herren! Aufgrund dieser Rechtslage haben wir in Sachsen-Anhalt nicht selten den Fall, dass sich alle Beteiligten, also der Ausbilder, der Jugendliche und die Eltern des Jugendlichen, über den Abschluss eines Ausbildungsvertrages und die dazugehörige Vergütung einig sind, ein solches Ausbildungsverhältnis aber nicht zustande kommt, weil die Kammer die Eintragung aufgrund einer so genannten nicht angemessenen Vergütung verweigert.

Dies kann nach unserem Verständnis nicht sein. Wir wollen das ändern. Ich bin daher sehr froh, dass es uns nach langen Verhandlungen gelungen ist, im Bundesrat eine Mehrheit für unseren Vorschlag zu gewinnen, und unser Vorschlag nun als Gesetzesinitiative der Länder an die Bundesregierung und den Bundestag herangetragen werden kann.

Lieber Herr Metke, seien Sie mit Ihrem Urteil in der Hinsicht vielleicht noch etwas geduldiger. Wir werden sehen, was in dem Prozess herauskommt. Es kann sehr wohl sein, dass das Ganze im Vermittlungsausschuss landet und dass wir möglicherweise einen vernünftigen Kompromiss finden, dem auch die SPD-Seite zustimmt. Dann haben wir die Flexibilität erreicht. Wenn das erreicht ist, wollen Sie es sicherlich auch in diesem Hohen Haus loben. Ich wäre deswegen mit entsprechenden Urteilen an dieser Stelle ein bisschen vorsichtiger.

Meine Damen und Herren! Es geht uns nicht darum, Dumpinglöhne für Auszubildende einzuführen oder die Tarifautonomie zu untergraben, aber wir wollen, dass wir in der aktuellen Situation alle Möglichkeiten nutzen, durch eine angemessene Ausgestaltung der Ausbildungsvergütungen finanzielle Spielräume zu schaffen. Dazu rufen wir auch die Tarifpartner auf.

Ich sehe, dass die Redezeit vorüber ist. Deswegen weise ich nur ganz kurz darauf hin, dass wir inzwischen im Land sehr gute Beispiele für flexible Regelungen haben, wo finanzielle Freiräume geschaffen und zusätzliche Lehrlinge eingestellt wurden. Ich denke an das Soda

werk in Staßfurt, wo das in beispielhafter Weise geschehen ist.

Meine Damen und Herren! Sie sehen an meinen Ausführungen, die ich in Vertretung von Herrn Dr. Rehberger gemacht habe, dass trotz aller Probleme auf dem Ausbildungsmarkt von einer Ausbildungsmisere in SachsenAnhalt gerade im Vergleich zu den anderen ostdeutschen Ländern nicht die Rede sein kann. Die Situation bessert sich. Wir sind auf einem sehr guten Weg. Wir werden weiterhin alle Möglichkeiten nutzen, um jedem Jugendlichen, der ausbildungswillig und ausbildungsfähig ist, in Sachsen-Anhalt eine berufliche Perspektive zu gewährleisten. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Danke. - Jetzt kommt die Frage des Abgeordneten Herrn Metke. Bitte sehr.

Herr Minister, Sie haben kritisiert, dass ich kein Argument zu den unterschiedlichen Zahlenwerken vorgebracht habe. Ich werde es einmal in eine Frage kleiden: Ist Ihnen bekannt, dass gerade zu Beginn des Ausbildungsjahres einige Jugendliche, die aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen gern von den Betrieben eingestellt werden, auch mehrere Ausbildungsverhältnisse eingehen und sich dann sozusagen erst im zweiten Schritt klärt, welcher Ausbildungsvertrag aufrechterhalten wird?

Könnten Sie sich vorstellen, dass beispielsweise diese Tatsache auch dazu beiträgt, dass es offensichtlich erhebliche Unterschiede zwischen dem, was die Kammern ermitteln, und dem, was die Bundesagentur ermittelt, gibt? - Das ist ein Nachtrag zu der Argumentation dafür - wenn Sie mir folgen können -, warum es in diesem Zusammenhang unterschiedliche Zahlen gibt.

Sehr geehrter Herr Metke, ich selbst bin natürlich kein Spezialist für diese Zahlen. Diese Frage müsste in der Tat Herr Dr. Rehberger beantworten. Ihr Argument leuchtet mir an dieser Stelle keineswegs ein; mir leuchtet nicht ein, wieso ein spezifisches Problem in Bezug auf die Zahlen der Kammern im Unterschied zu den Zahlen der Bundesagentur vorliegen sollte. Das Problem, das Sie geschildert haben, ist ein generelles Problem, aber eben kein spezifisches Problem in Bezug auf die Kammerzahlen.

(Zustimmung von Frau Fischer, Merseburg, CDU, und von Herrn Schröder, CDU)

Danke, Herr Minister. - Für die FDP-Fraktion wird nunmehr der Abgeordnete Herr Dr. Schrader sprechen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werter Herr Kollege Metke, zum seriösen Umgang miteinander gehört - wir legen insbesondere im Wirtschaftsausschuss sehr viel Wert darauf -, dass man, wenn man Zahlen nennt, alle Zahlen nennt - auch wenn

die Zahlen ihre „Hinkefüße“ haben; das gebe ich ehrlich zu - und nicht nur diejenigen, die gerade genehm sind.

Meine Damen und Herren! Die Formulierung des Themas „Ausbildungsmisere in Sachsen-Anhalt setzt sich fort“ fordert eine Bemerkung meinerseits heraus, die ich an den Beginn stellen möchte: Werte Antragssteller, wollen Sie mit der Formulierung etwa zum Ausdruck bringen, dass sich die Ausbildungsmisere im Land im Vergleich zur letzten Legislaturperiode fortsetzt? - Das glaube ich nicht. Ich glaube es einfach nicht.

Wenn Sie es trotzdem behaupten würden, dann muss ich sagen: Es stimmt eigentlich nicht. Ich werde es Ihnen gleich beweisen. Wenn Sie es nicht so verstanden wissen wollen - davon gehe ich aus -, dann kann ich nur sagen: Die Formulierung ist so nicht zutreffend.

Um eines vorweg klarzustellen: Die Probleme auf dem Ausbildungsmarkt dürfen nicht verharmlost werden und sie werden auch nicht verharmlost. Das ist ein ernstes Problem. Aber mit der Formulierung „Ausbildungsplatzmisere“ wird ein Negativbild gezeichnet und eine Stimmung geschürt, was so einfach nicht stimmt. Es ist nicht hilfreich.

Die Situation in diesem Jahr ist ähnlich der in den vergangenen Jahren und, ich betone, auch der in den Jahren, in denen Sie an der Regierung waren. Es hat sich immer so fortgesetzt. Um die Fakten und Zahlen gerade für dieses Jahr richtig einordnen zu können, muss man eines bedenken - der Finanzminister hat darauf hingewiesen -: Zu Beginn des Jahres ist der Ausbildungsmarkt in Sachsen-Anhalt wie in Gesamtdeutschland durch die unsinnigen Pläne der Bundesregierung zur Ausbildungsplatzabgabe kräftig durcheinander gerüttelt worden.

(Zustimmung bei der FDP und von Herrn Gürth, CDU)

Es gab eine absolut starke Verunsicherung und große Befürchtungen, die sich, Gott sei Dank, nicht weiter fortgesetzt haben, weil die Bundesregierung eingelenkt hat.

Herr Metke, ich weiß - ich habe das vermisst -, dass Sie ein großer Befürworter der Ausbildungsplatzabgabe sind. Sie haben deutlich gemacht, dass Sie gegen den Ausbildungspakt und für die Ausbildungsplatzabgabe sind. Glauben Sie ernsthaft, dass damit etwas gewonnen wäre? - Ich glaube, die Bundesregierung hat gut daran getan - ich möchte Herrn Clement und Herrn Schröder dazu gratulieren -, die Zügel noch herumzureißen.

(Zustimmung bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, etwas differenzierter auf das Zahlenwerk einzugehen. Sie haben Recht - in Ihrem Antrag ist es formuliert -: Es besteht entsprechend den Ergebnissen der Geschäftsstatistik der Bundesagentur für Arbeit mit Stand vom 30. September eine Lücke von 1 176 Ausbildungsplätzen. Aber wir müssen sehen, dass wir uns im ostdeutschen Maßstab vergleichen. Der Finanzminister hat es schon erwähnt: In diesem Jahr sind wir, wie in den vergangenen Jahren auch - das betone ich immer wieder -, mit vorn. Die sächsischen Zahlen habe ich nicht, aber alle anderen ostdeutschen Bundesländer liegen hinter uns, und zwar beträchtlich. Den Vogel schießt Berlin mit einem Anteil an derzeit noch nicht vermittelten Bewerbern von 14,3 % ab.

Meine Damen und Herren! Nun muss man feststellen, dass diese Ergebnisse der Bundesagentur differenziert betrachtet werden müssen, und zwar unter zwei Gesichtspunkten:

Erstens. Der Bund hat die Finanzierung für die außerbetrieblichen Stellen in diesem Jahr zurückgefahren. Das ist Fakt.

Zweitens. Die Ergebnisse werden durch die Kammerstatistik stark relativiert.

Nun kann man fragen: Soll man eher der Kammer oder eher der Bundesagentur glauben? Ich denke, das Ergebnis liegt vielleicht in der Mitte. Ich komme zu der Zahl des Ausbildungspaktes, von der Sie sagten, dass sie nicht erfüllt worden sei. Sie ist erfüllt worden.

Bei den Kammern - ich betone das noch einmal - werden alle eingetragenen Ausbildungsverhältnisse geführt, bei der Bundesagentur nur die, die die Unternehmen freiwillig melden. Zwischen diesen Zahlen klafft tatsächlich ein Unterschied. Die Kammer erfasst tatsächlich alle Betriebe und - jetzt kommt es - die Kammern haben die Zahl der neuen Ausbildungsverhältnisse im betrieblichen Bereich mit 11 462 angegeben. Diese Zahl liegt also über dem Wert von 10 000. Das zur Klarstellung zu den vorherigen Ausführungen. Das ist ein Zuwachs von 205 neu eingetragenen betrieblichen Ausbildungsverhältnissen.

Meine Damen und Herren! Das ist eine Trendumkehr; denn das war in den vergangenen Jahren nicht der Fall. Wir haben in den vergangenen Jahren bei allen Kammern einen ständigen Rückgang der Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze zu verzeichnen gehabt. Das hat sich in diesem Jahr geändert. Wir hoffen, dass das keine Eintagsfliege sein wird. Sie sehen, das Bild ist viel differenzierter und positiver, als es nach der Formulierung im Antrag zu sein scheint. Im Übrigen sind die Zahlen vom 30. September ein Zwischenstand. Das wissen Sie und das weiß auch ich. Wir werden sehen, wie die Nachvermittlungsverfahren ausgehen.

Ich möchte auf noch einen Aspekt hinweisen. Ich hatte zu Beginn meiner Rede gesagt, dass der Bund die Zahl der überbetrieblichen Ausbildungsverhältnisse zurückgefahren hat. Als Kompensation gibt es jedoch ein Programm, mit dem ab dem 1. Oktober zusätzlich 450 Praktikumsplätze zur Einstiegsqualifizierung angeboten werden. Diese Plätze müssen Sie von den 1 100 Plätzen abziehen. Somit sind wir wieder bei ca. 500 Plätzen, also bei dem Stand vom letzten Jahr.

(Frau Ferchland, PDS: Das sind doch keine Aus- bildungsplätze!)

- Frau Ferchland, Sie haben nachher das Wort. Sie sagen immer, was nicht geht. Das ist doch aber besser als gar nichts. Sie von der PDS müssten doch wissen, dass das besser ist, als wenn die Jugendlichen zu Hause bleiben. Oder nicht? Wollen Sie dem widersprechen?

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Ein paar Worte noch zur Ausbildungsvergütung. Der Finanzminister hat es schon ausführlich gesagt. Wir unterstützen die Auffassung, dass man in diesem Zusammenhang eine größere Flexibilisierung erreichen muss.

Herr Metke, es gibt Beispiele, etwa das Sodawerk Staßfurt, die zeigen, dass mehr betriebliche Ausbildungsplät

ze geschaffen werden können, wenn eine größere Flexibilisierung erreicht wird.

Ich danke der Landesregierung, dass sie einen entsprechenden Vorstoß gemacht hat. Das ist im ersten Anschein sicherlich nicht sehr attraktiv. Aber - ich sage das noch einmal - es geht nicht um Dumpinglöhne; es geht nicht darum, tarifliche Vereinbarungen zu unterminieren; es geht vielmehr darum, den jungen Leuten eine Chance zu geben. Das gehört übrigens auch zum Reformprozess in Deutschland. Da ordne ich es ein.

Meine Damen und Herren! Ich denke, wir alle sind insgesamt nicht auf einem schlechten Weg. Das Thema Ausbildungsplätze sollte das Parlament über die Parteigrenzen hinweg interessieren. Der Weg, weitere betriebliche Ausbildungsplätze zu schaffen, ist sehr wichtig.