Protokoll der Sitzung vom 15.10.2004

denn allein die Tatsache, dass Sie als einzige Fraktion eine Pressemitteilung über den Inhalt dieser Anhörung veröffentlicht haben, in der Sie erklärten, dass die Anhörung ein Erfolg für den Gesetzentwurf des Volksbegehrens gewesen sei, macht Ihre Sicht der Dinge nicht zur Wahrheit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich kann verstehen, dass der Ausgang der Anhörung nicht in Ihr Konzept gepasst hat. Sie versuchen letztlich aber, in der Öffentlichkeit ein falsches Bild darzustellen. Deshalb ist es wichtig, dass wir das hier noch einmal ganz deutlich auseinander klamüsern.

(Frau Ferchland, PDS: Jawohl! Machen Sie das!)

Deshalb muss hier und heute festgestellt werden, dass die Anhörung tatsächlich zu einem anderen Ergebnis geführt hat als das, was zurzeit von Ihnen in der Öffentlichkeit vermittelt wird. Ich denke, Sie sollten sich das Protokoll der Ausschusssitzung noch einmal in Ruhe zu Gemüte führen. Ich bin mir sicher, dass man dann am Ende zu einer ganz anderen Auffassung kommen wird.

(Zuruf von Frau Ferchland, PDS)

Lassen Sie mich nun die Position der CDU-Fraktion kurz zusammenfassen, Frau Ferchland. Ausgangspunkt für das KiFöG und damit für die Ablehnung des Gesetzentwurfes des Volksbegehrens war und ist unser Verständnis von Familie. Wir haben bundesweit den umfassendsten Rechtsanspruch auf eine Kinderbetreuung. Das KiFöG garantiert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und ist eine qualitative Verbesserung gegenüber dem früheren KiBeG, weil darin der Rechtsanspruch auf einen Platz in der Kindertageseinrichtung verknüpft ist mit einem Bildungsauftrag und so umgesetzt wird. Im Gegensatz zu dem Gesetzentwurf des Volksbegehrens ist das KiFöG auch finanziell dauerhaft gesichert.

Gestatten Sie mir zum Abschluss noch einmal eine Anmerkung in die linke Richtung. Wir alle wissen, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der PDS-Fraktion, das Volksbegehren mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen. Ich möchte das auch gar nicht kritisieren. Ich hätte mir aber schon gewünscht, dass Sie sich mit dieser Kraft bei Ihren in Mecklenburg-Vorpom

mern in der Regierungsverantwortung stehenden Kolleginnen und Kollegen genauso eingesetzt hätten, damit diese das KiFöG, das sie dort verabschiedet haben, mit anderen, und zwar mit solchen Standards versehen, wie wir es gemacht haben.

Ich möchte dazu nur drei Punkte kurz benennen. In Mecklenburg-Vorpommern hat man im April dieses Jahres ein Kindertagesstättengesetz verabschiedet, in dem man in § 3 den Rechtsanspruch festschrieb. Dieser besteht dort ab dem dritten Lebensjahr eines Kindes; bei uns besteht er ab dem Alter von null Jahren.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Herr Schröder, CDU: So ist es!)

In § 10 regelte man den Personalschlüssel. Dort sind es 18 Kinder pro Fachkraft, bei uns sind es 13 Kinder.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

In § 4 geht es letztlich um die Vorbereitung auf die Schule. Da geht man von mindestens vier Stunden aus; bei uns sind es fünf Stunden. Ich denke schon, dass man hier noch einmal ganz deutlich aufzeigen sollte, wie weit der Anspruch unserer Kollegen auf der linken Seite und die Wirklichkeit auseinander klaffen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es ist mir an dieser Stelle ein Bedürfnis, einmal deutlich zu machen, mit welch gespaltener Zunge Sie bei dem Thema Kinderbetreuung agieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird Sie sicherlich nicht überraschen, wenn ich Ihnen mitteile, dass die CDU-Fraktion den Gesetzentwurf des Volksbegehrens ablehnt und der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport zustimmen wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kurze, möchten Sie eine Frage von Frau von Angern beantworten.

Danke, nein.

(Frau Ferchland, PDS: Das war klar!)

Er möchte nicht. - Für die SPD-Fraktion erteile ich nun Herrn Bischoff das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser demokratisches Verständnis von Grundrechten, die in unserer Landesverfassung verankert sind, gebietet es, ein Volksbegehren nicht nur ernst zu nehmen, sondern auch zu würdigen.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind gewählte Vertreter des ganzen Volkes. Auch der Einwurf, uns hätten ja nicht alle gewählt, weil die Wahlbeteiligung so gering war, bedeutet ja nicht, dass wir, wenn sich jemand der Wahl enthält, dadurch eine Einschränkung des Vertretungsrechtes hätten. Nein, das

ist Bestandteil unserer Ordnung: Wir vertreten das ganze Volk.

Ein weiteres Mittel der demokratischen Mitbestimmung sind aber die direkten Möglichkeiten der Entscheidungsbefugnis durch die Bürgerinnen und Bürger selbst; zum Beispiel eine erfolgreiche Volksinitiative - davon kann man ja ausgehen -, die über ein Volksbegehren zu einem Volksentscheid führen kann. Das sind legitime demokratische Mittel der Willensbildung durch das Volk.

An dieser Stelle, meine Kolleginnen und Kollegen, endet unser Mandat und unsere Entscheidungsgewalt. Hier geht Gesetzgebungsgewalt zum Bürger über - ich sage aber auch: mit allen Konsequenzen.

Dieses Grundrecht ist ein hohes Gut und wir Parlamentarier sollten dieses Grundrecht würdigen und schützen, so wie wir von den Bürgerinnen und Bürgern auch erwarten, dass sie unsere Position als Vertreter des Volkes würdigen und schützen.

Die Sozialdemokraten nehmen den Bürgerwillen ernst und wir appellieren an die Bürgerinnen und Bürger im Land, verantwortungsvoll zu entscheiden. Unsere Pflicht ist es, hier im Parlament verantwortlich über die Zukunft unseres Landes und auch über die Zukunft unserer Kinder zu entscheiden. Da ist es wenig hilfreich und auch beschämend, wenn CDU- und FDP-Vertreter, wie in der Landtagssitzung, in der der Gesetzentwurf eingebracht worden ist, geschehen, die Volksinitiative beschimpfen und bloßstellen.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Hilfreich ist eine sachliche Auseinandersetzung, wie sie vielleicht heute geschieht, und zwar darüber, was wichtig ist und was richtig ist für die Zukunft unseres Landes. Hierzu müssen wir uns auch über den Umfang von Bildung, auch im vorschulischen Alter, auseinander setzen. Herr Minister Kley, Sie haben es uns vorhin nicht ganz einfach gemacht, als Sie zu dem Bildungsauftrag sagten, spielen würde nicht zur Bildung gehören. Natürlich gehört spielen sehr dazu.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Wir Sozialdemokraten werden uns trotz allem der Stimme enthalten, und zwar deswegen, weil wir in dieser Auseinandersetzung einen Weg gewiesen haben - in Verantwortung für die Kinder und deren Zukunft - zwischen Volksinitiative und Landesregierung. Wir wollten vermitteln, und zwar mit einem verstärkten Bildungsanspruch und mit einer zweistündigen Ausdehnung der Betreuungszeit, nämlich auf sieben Stunden. Leider war auf beiden Seiten keine Bereitschaft vorhanden, diesen Vorschlag ergebnisoffen zu diskutieren. Unser Vorschlag kommt aus der Opposition heraus, wobei uns manchmal zum Vorwurf gemacht wird, manchmal auch aus den eigenen Reihen, das sei nicht Aufgabe von Opposition. Wir halten es in diesen Zeiten für wichtig, dass auch die Opposition Vorschläge macht, weil das verantwortungsvolle Politik ist.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Ich möchte nur daran erinnern, dass das etwas anderes ist als in den acht Jahren Opposition der CDU im Land, die oft in Totalverweigerung war.

(Widerspruch bei der CDU)

Das werden wir nicht tun. Ich glaube, diejenigen, die hier im Raum saßen - ich will das jetzt nicht verschärfen -,

werden wissen, wie das ausgesehen hat und wie es bezüglich der Frage der Augenhöhe war. Wenn gestern Frau Wernicke gebeten hat, wir sollten der Landesregierung entgegenkommen: Das hätten wir uns manchmal von der Opposition auch gewünscht. Ich kann mich nicht erinnern, dass Sie uns damals irgendwo entgegengekommen sind.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Nun, die Welt dreht sich weiter.

(Zurufe von der CDU)

- Also, dann müssen es so wenige Dinge sein, dass ich mich daran nicht mehr erinnern kann.

Aber wichtiger ist: Die jüngsten Wahlergebnisse in Sachsen und in Brandenburg müssen uns doch hellhörig machen; denn tatsächlich ist Politikverdrossenheit heute anzutreffen, weil wir, glaube ich, viel zu viele Versprechungen machen, die wir nicht halten können, und populistische Versprechungen - das sieht man dort - verhelfen rechtsradikalen Parteien zum Erfolg. Deshalb sollte es ein parteiübergreifendes Interesse sein, ehrliche Antworten auf die Fragen der Zukunft des Landes SachsenAnhalt zu geben.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zustim- mung von Herrn El-Khalil, CDU, und von Herrn Kehl, FDP)

Deshalb bitte ich die PDS, in ihren Diskussionen und Vorschlägen, wo sie überlegt und Regierungsverantwortung trägt, zu berücksichtigen, was Kinderbetreuung tatsächlich zukunftssicher macht. Denn dort - das ist mein Vorwurf -, wo sie Verantwortung hat, sieht die Welt in dieser Frage ganz anders aus.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Auch das gehört zu einem ehrlichen Disput und es ist kein einfacher Weg; wir spüren es ja selbst.

Natürlich ist eine Finanzierung immer möglich und auch 40 Millionen € sind in dem Haushalt zu finden, keine Frage. Aber die Frage ist, ob es richtig ist, sie dort hineinzustecken oder zu sagen: Wir brauchen sie für Schulsozialarbeit, wir brauchen sie für Jugendarbeit, wir brauchen sie für Ausbildung und wir brauchen sie noch für viele andere Dinge und wir wissen, dass die Finanzen in Zukunft immer enger werden. Darüber müssen wir uns sachlich unterhalten.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)