Im Internet findet man zwar eine Menge von Dokumenten zu den einzelnen Fragestellungen und Problemen, aber keine Positionen, auf die sich die Mitglieder der Kommission einigen konnten. Die Arbeit der beiden Arbeitsgruppen und der Projektgruppen ist nicht öffentlich wie auch die gestrige Klausur der Kommission. Die Vertreter der Landesparlamente, die nur beratende Stimme haben, sind in den Projektgruppen nicht vertreten.
In der Veranstaltung der Stiftungsallianz „Bürgernaher Bundesstaat“, die am 23. September 2004 hier in diesem Saal stattgefunden hat, reichte der Spannungsbogen von harscher Kritik an der Arbeit der Kommission bis zu verhaltener Zustimmung, je nachdem, wie weit der Betroffene in die Arbeit einbezogen ist.
Ebenen, die als Vorgriffe auf Entscheidungen der Bundesstaatskommission betrachtet werden müssen, so die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Ladenschluss, zur Kampfhundeverordnung und auch zur Juniorprofessur. Die Konsequenzen der Entscheidung zur Juniorprofessur auch für das föderale System hatten wir in der vergangenen Landtagssitzung auf der Tagesordnung.
Im Juni hatte die PDS-Fraktion Positionen der Landesregierung zur Dienstrechtsreform im Kontext mit der Föderalismusdiskussion eingefordert. Beschlossen wurde dann mit den Stimmen der Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, im Ausschuss für Inneres gegen Ende des dritten Quartals einen Bericht vorzulegen. Inzwischen ist dieser auf das vierte Quartal verschoben worden.
Aber hier hat uns und die Bundesstaatskommission das Leben überholt. Bundesinnenminister Schily, ver.di und der Beamtenbund haben, ohne die Länder und/oder die Kommission zu fragen, Vorstellungen zur Reformierung des Beamtenrechts vorgelegt.
Aber auch der beschlossene Ausstieg Niedersachsens aus der Kultusministerkonferenz und die Verhandlungen der Finanzministerkonferenz über den Tausch von KfzSteuer gegen Versicherungssteuer und Biersteuer zeugen nicht unbedingt vom Willen der Akteure, das föderale System in der Bundesrepublik wirklich zu reformieren und zu modernisieren.
In dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 26. Juni 2003 war in Bezug auf die Steuern noch gefordert worden, dass Fragen der Steuererhebungspraxis mit dem Ziel der Modernisierung und der Steigerung der Effizienz der Steuerverwaltung einer kritischen Überprüfung zu unterziehen seien. Von Kungelei nach dem Motto „Bund, gibst du mir diese Steuer, gebe ich dir diese“, war dort nicht die Rede. Aber das können wir natürlich auch falsch verstanden haben. Im Finanzausschuss haben wir uns darüber jedenfalls noch nicht verständigt und haben davon auch noch nichts gehört.
Die Landesregierung und der Landtagspräsident haben zwar relativ regelmäßig im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten über das Fortschreiten der Arbeiten berichtet, doch diese Informationen gingen und gehen meist über diesen Rahmen nicht hinaus, weil die Details noch nicht öffentlich gemacht worden waren oder auch den Rahmen des Ausschusses gesprengt hätten.
Uns interessieren die Positionen der Landesregierung zu der Vielzahl der Probleme. Diese sind weder den Medien noch den vorliegenden Dokumenten zu entnehmen. Die Verunsicherungen werden durch die bekannt gewordenen Positionen aus der Arbeit der Projektgruppen noch größer.
Deshalb möchten wir - insofern muss ich den vorliegenden Antrag in Punkt 4 ergänzen -, dass eine Unterrichtung der Landesregierung zu den von uns aufgeführten Fragen in den jeweiligen Fachausschüssen erfolgt.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß, dass man als Abgeordneter und als Abgeordnete zu allen Themen reden können sollte. Aber ich für meinen Teil bin zumindest ehrlich genug zu sagen, dass es Gebiete gibt, zu denen ich relativ wenig zu sagen habe, weil es eben
nicht mein Thema ist. Deshalb halten wir die Information in den Fachausschüssen für wichtig, weil dort sachkundig die Folgen abgeschätzt und diskutiert werden können.
So gibt es eben in der gegenwärtigen Föderalismusdebatte sehr widersprüchliche Positionen über die Zuständigkeiten in der öffentlichen Fürsorge, insbesondere in der Kinder- und Jugendfürsorge. Es gab und gibt Bestrebungen, diese den Ländern zu übergeben. Dann aber kam wieder eine kurze Notiz in der Presse: Es bleibt alles so, wie es ist. Heute steht auf der Tagesordnung des Bundesrates ein Gesetzentwurf des Freistaates Bayern zur Entlastung der Kommunen im sozialen Bereich, der zumindest aus der Sicht meiner Partei verheerende Folgen gerade für die Kinder- und Jugendfürsorge hätte. Darüber kann im Fachausschuss wesentlich kompetenter beraten werden, als wenn wir eine Information im Bundes- und Europaausschuss bekommen.
Auch die bekannt gewordenen Meinungsäußerungen über die Aufgabenverteilung im Bereich von Bildung und Forschung sind nicht gerade aufbauend. Hierbei gewinnt man den Eindruck, Bildung, Wissenschaft und Forschung sind lediglich Verfügungsmasse im Machtpoker zwischen Bund und Ländern. Über die Zukunft der Blaue-Liste-Einrichtungen, die im Zusammenhang mit der Föderalismusdebatte den Ländern zugeordnet werden sollen oder auch nicht, haben wir im September diskutiert.
Aber die Forderung nach einer alleinigen Zuständigkeit der Länder für das Bildungs- und Wissenschaftssystem, die einige Länder erheben, halte ich aus der Sicht als Europapolitikerin für katastrophal; denn dort wird ein einheitlicher europäischer Wissensraum gefordert. Ich bin also nicht davon überzeugt, dass dieser Kurs der Länder europatauglich ist; aber die Bildungspolitiker können das durchaus anders sehen. Also ist dazu eine Standpunktbildung notwendig.
Auch die Gemeinschaftsaufgaben stehen in den Projektgruppen auf dem Prüfstand. Hinsichtlich der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ gibt es ebenfalls gravierende Auffassungsunterschiede, zumindest in den Veröffentlichungen. Hatten sich die Ministerpräsidenten im Jahr 2003 für einen solidarischen Ausgleich von gesamtstaatlich nicht hinnehmbaren strukturellen Unterschieden ausgesprochen, wobei die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ eine nicht unwichtige Rolle spielt, soll diese nun nach dem Willen und der Vorstellung zum Beispiel des hessischen Ministerpräsidenten aus dem Grundgesetz gestrichen werden. Stattdessen soll es Hilfen vom Bund und den Ländern geben, über die der Bundestag und der Bundesrat aber jährlich beraten sollen.
Ein anderer Vorschlag kommt von Volker Kröning, Mitglied des Bundestages und Mitglied der Kommission. Er spricht sich für die Fortführung der Gemeinschaftsaufgabe aus, allerdings befristet.
Die ins Auge gefassten Bundeszuschüsse für die schwächeren Regionen würden bei beiden Vorschlägen von der Kassenlage des Bundes abhängen. Das hätte auch entsprechende Folgen für die EU-Strukturförderung, die an die GA gebunden ist. Zwar soll am Solidarpakt als solchem nicht gerüttelt werden, aber die GA trifft nicht nur den Osten. Eine Information des Wirtschaftsausschusses zu diesen Fragen wäre auch für die weitere Arbeit bei der Haushaltsdiskussion wichtig.
Die vom Bundespräsidenten initiierten Diskussionen über die Berechtigung ungleicher Lebensverhältnisse in Ost und West soll uns schon einmal darauf vorbereiten, dass es eine tiefgreifende Veränderung dieser Artikel im Grundgesetz geben könnte. Aber gerade die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist aus unserer Sicht eine der wesentlichen Kernaufgaben eines solidarischen und kooperativen Föderalismus.
Nun könnte man eine kurze Replik zum Wettbewerbsföderalismus geben, aber ich glaube, dazu haben wir an anderer Stelle noch genügend Gelegenheit.
Sicherlich, es ist kompliziert, die sehr unterschiedlichen Interessen der Länder, bedingt durch die unterschiedliche Größe und Leistungsfähigkeit, und die des Bundes unter einen Hut zu bringen. In diesem Zusammenhang wäre auch die Frage der Zugriffsrechte der Länder auf die vom Bund geregelten Materien der konkurrierenden Gesetzgebung zu diskutieren; denn damit könnten die Rechtseinheit, die Wirtschaftseinheit und die Einheitlichkeit der Lebensbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland aufgebrochen werden. Welche Folgen hätte das für uns?
Es gibt also mehr als genug Fragen zur Föderalismusdebatte. Wir haben als Landesparlament bis jetzt die kleine Chance, die es gab, als Landtag konkrete und geeignete Vorschläge und Anträge für eine Reform der bundesstaatlichen Ordnung im Sinne der Stärkung der Landesparlamente vorzulegen, so wie es auch unser Landtagspräsident erhofft hatte, wenn ich seine Worte auf der ersten Sitzung der Bundesstaatskommission richtig interpretiere, nicht genutzt. Wir konnten sie aber auch kaum nutzen, weil das Wissen dazu nicht öffentlich war bzw. über die Medien Verschiedenes berichtet wurde. Nutzen wir deshalb die verbleibenden Wochen wenigstens für eine Information, zu einer Debatte über bestimmte Grunddinge.
Sonst wird sich an dem eigentlichen Grundübel, an dem der Föderalismus zurzeit krankt, nichts ändern. Die Landesparlamente und die Bürgerinnen und Bürger, der eigentliche Souverän, sind zunehmend außen vor. Es wird in kleinen Runden verhandelt und wir sind zu Weihnachten allesamt überrascht, wenn sich die Föderalismuskommission den Gabentisch deckt. An sich kann man Weihnachtsgeschenke umtauschen, wenn sie einem nicht gefallen; ob uns das aber in diesem Punkt gelingt, bezweifele ich. Deshalb wäre zumindest eine Information vorab wichtig und sinnvoll, denn die Bundesstaatskommission ist nun einmal nicht der Weihnachtsmann. - Wir bitten um direkte Abstimmung.
Vielen Dank, Frau Dr. Klein. - Frau Dr. Klein, Sie haben eine Änderung Ihres Antrages in Punkt 4 beantragt. Ich darf diese Änderung einmal vortragen:
„Der Landtag ersucht die Landesregierung noch vor Abschluss der Verhandlungen der Bundesstaatskommission um eine Unterrichtung über den aktuellen Stand der Diskussionen zur Reform des Föderalismus in allen Fachausschüssen. In dieser Unterrichtung ist auch das Ergebnis der bisherigen Meinungsbildung... abzubilden.“
Bevor wir in die Debatte eintreten, meine Damen und Herren, hat in Vertretung des Staatsministers Herrn Robra der Minister der Justiz Herr Becker um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Minister.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Frau Dr. Klein, wir als Landesregierung wollen Ihnen diese Unterrichtung in den einzelnen Ausschüssen gern geben. Sie kommen damit im Grunde genommen einem Anliegen dieser Landesregierung entgegen.
Wir wissen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die Föderalismusdebatte in Deutschland eine Tradition hat. Schon im 19. Jahrhundert hat man sich in Schrifttum und Politik mit diesen Fragen befasst. Seitdem lassen uns diese Fragen, weil bei uns der Föderalismus gelebte politische Qualität hat, nicht mehr los.
Immer wieder hat diese gedankliche Auseinandersetzung auch zu Veränderungen in der Struktur des Föderalismus geführt, zu Reformen. Wenn wir uns jetzt die Reformbemühungen anschauen, so muss man sagen, sie unterscheiden sich von früheren Reformen dadurch, dass sich die Landtage stärker als je zuvor in diese Arbeit, auch in die Arbeit der Bundesstaatskommission einbringen.
Mit den Erklärungen von Lübeck und Quedlinburg liegen erstmals abgestimmte einheitliche Positionspapiere der Landtage vor, die als offizielle Kommissionsdrucksachen Gegenstand der Verhandlungen in der Bundesstaatskommission sind. Sechs Vertreter der Landtage nehmen mit allen Mitgliedsrechten an den Sitzungen der Kommission und der Arbeitsgruppen teil. Mit dem bayerischen Landtagspräsidenten Glück haben die Landtage einen Vertreter, dem durchaus die Nähe zu und der Einfluss auf den Kovorsitzenden der Föderalismuskommission, den bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber, nachgesagt werden kann.
Ich weiß und verstehe es aufgrund meiner langjährigen Erfahrungen als Parlamentarier, dass viele Kolleginnen und Kollegen dennoch Unbehagen empfinden und die in der Bundesstaatskommission gefundene Beteiligungsmöglichkeit der Landtage nicht als ausreichend ansehen. Die Bundesregierung und viele Bundestagsabgeordnete stehen einer stärkeren Übertragung von Kompetenzen auf die Länder äußerst misstrauisch gegenüber. Sie brauchen sich heute nur einmal die Zeitung anzuschauen, dann werden Sie einiges von diesem Misstrauen verspüren.
Die Länder haben in dieser Situation gegenüber dem Bund ohnehin einen strukturellen Nachteil, denn sie müssen 16 Ländermeinungen auf einen Nenner bringen. Wenn sich die Länder auch noch in Vertreter der Landtage und Landesregierungen auseinander dividieren lassen, werden sie in der Kommission überhaupt nichts mehr erreichen. Deshalb sollten sich die Landtage - das ist der Gegenstand dieses Antrages - darauf konzentrieren, die ihnen zur Verfügung stehenden Informationsquellen und Beteiligungsinstrumente zu nutzen und ihre Standpunkte innerhalb und außerhalb der Bundesstaatskommission geltend zu machen.
Die Landesregierung ist deshalb gern bereit, das Engagement des Landtages zu unterstützen. Dazu gehört selbstverständlich auch die Unterrichtung.
In der gestrigen Sitzung der Föderalismuskommission stand eine Art Zwischenbilanz an. Die Ministerpräsidenten haben dazu in ihrer Konferenz am vergangenen Freitag in Berlin einen Beschluss gefasst. Dieser Beschluss legt die Eckpunkte für das weitere Verhandlungsmandat der Länderseite fest. Inhaltlich wurde dabei das Positionspapier der Ministerpräsidenten vom 6. Mai 2004 vor dem Hintergrund des erreichten Verhandlungsstandes weiter konkretisiert.
Ausgangspunkt war dabei die im Länderkreis einmütige Feststellung, dass die bisherigen Verhandlungen in der Föderalismuskommission noch keine hinreichenden Reformen erwarten lassen. Dies muss leider so festgestellt werden. Während die Länder beispielsweise bereit sind, im Rahmen des Artikels 84 Abs. 1 des Grundgesetzes auf Mitwirkungsrechte zu verzichten, ist der Bund bislang noch nicht bereit, im Gegenzug die Gestaltungsrechte der Länder und vor allem der Landtage substanziell zu stärken. Das gilt für die Bundesregierung wie für den Bundestag gleichermaßen.
Die Abschichtung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern hat sich dabei erwartungsgemäß als eine der schwierigsten Aufgaben erwiesen. Die Schwierigkeit liegt dabei zugegebenermaßen auch darin, dass die Interessenunterschiede hier nicht nur zwischen Bund und Ländern, sondern auch zwischen finanzstarken und finanzschwachen Ländern bestehen und dass hier natürlich auch ein ungeheuer starkes Beharrungsvermögen zum Tragen kommt, am alten Zustand festzuhalten.
Derzeit besteht nur in wenigen Bereichen Einigkeit zwischen Bund und Ländern hinsichtlich einer Übertragung von Aufgaben in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder. Hierzu darf ich aus dem Bereich des Rechts der Wirtschaft erwähnen, dass man bereit ist, in die Hände der Länder zu übergeben: das Gaststättenrecht, das Ladenschlussrecht, das Schornsteinfegerrecht, örtliche Angelegenheiten im Gewerberecht, und aus dem Wohnungswesen etwa das Zweckentfremdungsrecht, das Wohnungsbindungsgesetz, das Wohnungswirtschaftsvermögensgesetz, das Gesetz über den Abbau von Fehlsubventionierungen.
Wenn wir das alles anschauen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann werden wir sehen: Dies bewegt Deutschland nicht. Das sind wichtige Dinge, aber sie sind nicht so wichtig, wie wir es uns als Länder eigentlich erhoffen, damit wir die Gestaltungsmöglichkeiten wieder erhalten.
Unter den Ländern - also nicht zwischen Bund und Ländern, sondern unter den Ländern - gibt es in folgenden Bereichen einen grundsätzlichen Konsens über eine Übertragung in die ausschließlich Gesetzgebungskompetenz der Länder:
fünftens Mitwirkung der Länder in EU-Angelegenheiten und Neufassung der Hauptstadtregelung im Grundgesetz.
Darin besteht nur unter den Ländern Einigkeit, aber nicht schon zwischen den Ländern und dem Bund. Neuerdings besteht allerdings, was die Hauptstadtregelung anbelangt, Einigkeit auch, wie ich heute der Zeitung entnehmen konnte, zwischen Bund und Ländern.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, was bewegt das schon? Die Hauptstadt ist Berlin. Ob man dafür noch eine Regelung braucht? Man muss sich wirklich fragen, ob das schon der große Durchbruch ist.