Protokoll der Sitzung vom 15.10.2004

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie mich vorab eines feststellen: Sachsen-Anhalt hat bundesweit eines der besten Gesetze, die die Kinderbetreuung regeln. Sachsen-Anhalt leistet sich dieses Gesetz, weil uns das Wohl unserer Kinder am Herzen liegt und weil wir die Voraussetzungen für Mütter und Väter bieten wollen, ihrer Arbeit nachzugehen und ihre Kinder trotzdem gut betreut zu wissen.

Die Aufgaben, welche die staatliche Kinderbetreuung nach unserer Auffassung übernehmen sollte, sind mit dem derzeit gültigen Kinderförderungsgesetz erfüllt. Die staatliche Kinderbetreuung soll die Eltern in ihrer Erziehungsverantwortung unterstützen, ihnen diese aber nicht aus der Hand nehmen. Sie soll die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleisten. Sie soll die Kinder optimal auf das Leben vorbereiten. Sie soll den Einrichtungen und Trägern die Möglichkeit einräumen, kreativ und eigenverantwortlich Konzepte zu erarbeiten. Sie soll

nicht zuletzt auch für ein so hoch verschuldetes Bundesland wie Sachsen-Anhalt langfristig finanzierbar und somit zukunftsfähig und verlässlich für Kinder, Eltern und Erzieher sein.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir haben bewusst weitestgehend auf Detailregelungen und Standards im Gesetz verzichtet, um den vor Ort Handelnden mehr Eigenverantwortung zuzugestehen. Dies ist eine Forderung, die auch vom Städte- und Gemeindebund, vom Landkreistag und von vielen freien Trägern in Einzelgesprächen sowie in der Anhörung im Gleichstellungsausschuss formuliert wurde.

Diese Forderungen stoßen bei uns, bei der FDP, selbstverständlich auf offene Ohren. Natürlich beobachten wir den Umgang mit der zugestandenen Regelungsfreiheit aufmerksam, darf sie, speziell bei dem Umgang mit dem KiFöG, doch nicht zum Nachteil der Kinder ausgelegt werden.

Nach gut einem Jahr Praxis hat sich gezeigt, dass einige Klarstellungen zum Wohle der Kinder - und zwar nur zum Wohle der Kinder; darum muss es gehen - notwendig sind. Trotz der zusätzlichen Informationen, die das Sozialministerium darüber gegeben hat, wie mit den Regelungen zum Mutterschutz und mit dem Wunsch- und Wahlrecht der Eltern bei der Auswahl der Kindereinrichtung umgegangen werden kann oder wie die Regelungen gehandhabt werden sollen, wenn soziale Härtefälle auftreten, haben sich in der Praxis Defizite gezeigt, die sich zum Nachteil der Kinder auswirkten. Diese Punkte sollen mit der Gesetzesnovelle klargestellt werden.

Mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung wollen und konnten wir auch klarstellen, dass die Tagespflege gesetzlich geregelt ist. Ich kann nur noch einmal das wiederholen, was ich in der letzten Plenarsitzung bereits sagte, und zwar dass eine solche Betreuungsform, nämlich die Tagespflege, weder unseren Kindern noch ihren Eltern vorenthalten werden darf. Ich halte eine staatliche Finanzierung aus den genannten Gründen für notwendig und durchaus für legitim. Der Gesetzentwurf der Landesregierung ist ein Modell, das den Bedürfnissen von Kindern und Eltern zeitgemäß und verlässlich Rechnung trägt.

In der Anhörung wurde vom Landkreistag, vom Städte- und Gemeindebund und von den freien Trägern deutlich geäußert, dass das vorliegende Gesetz keiner Änderung bedarf. Es ist umsetzbar und praktikabel.

Diskutiert wurde über die Gewährung von Leiterinnen- und Vorbereitungsstunden für das Erziehungspersonal. Die Gewährung einer solchen Vorbereitungszeit ist im Moment Bestandteil der Verhandlungen zwischen dem Leistungserbringer und dem Leistungsverpflichteten. In der Praxis wird dies aber unterschiedlich gehandhabt. Beispielsweise hat der Vertreter des Trägerwerks Soziale Dienste in der Anhörung deutlich geäußert, dass er darin keine Probleme sehe.

Sollte es hierbei in der praktischen Umsetzung Probleme geben, kann man darüber nachdenken, etwa im Rahmen eines Runderlasses für Klarheit zu sorgen. Genauso möchten wir bezüglich der Feststellung des Bedarfs der Kinder von Arbeitslosengeld-II-Empfängern verfahren. Einer Klarstellung stehen wir natürlich offen gegenüber, halten es aber nicht für notwendig, das Gesetz entsprechend zu verändern.

Ich komme kurz auf den Entwurf der SPD-Fraktion zu sprechen. Diesem Entwurf können wir natürlich nicht zu

stimmen, ist uns doch der größere pädagogische Wert einer Siebenstundenbetreuung gegenüber einer Fünfstundenbetreuung nicht einleuchtend. Wir lehnen eine Siebenstundenbetreuung ab, weil wir keinen positiven pädagogischen Effekt in diesen zwei zusätzlichen Stunden sehen.

Aus diesem Grund bitte ich Sie, der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport zu folgen, den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion abzulehnen und dem Gesetzentwurf der Landesregierung zuzustimmen. - Danke.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Seifert. - Für die PDS-Fraktion spricht nun Frau von Angern.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich denke, eines ist in diesem Parlament unstreitig: Kinderbetreuung ist in Sachsen-Anhalt nicht irgendein Thema. Nein, es ist ein Thema, welches die Gemüter heftig erregt, welches insbesondere die politischen Anschauungen der im Landtag vertretenen Parteien mehr als deutlich macht und dem die Menschen in Sachsen-Anhalt eine hohe Bedeutung beimessen. Das ist auch so berechtigt und sehr begrüßenswert; geht es doch dabei um das Fundament einer Gesellschaft, um Kinder.

Kinder sollten daher grundsätzlich unsere gesamte Aufmerksamkeit und bestmögliche Entwicklungschancen erhalten, die eine chancengleiche Entwicklung ihrer individuell unterschiedlichen Persönlichkeiten ermöglichen, was ein ureigenes Recht des Kindes und eben nicht der Eltern darstellt.

(Zustimmung bei der PDS)

Ich glaube sogar, dass wir uns bis zu diesem Punkt einig sind. Was uns jedoch unterscheidet, ist die Herangehensweise an die Gewährleistung dieser Rechte. Das ist mir in den zurückliegenden Diskussionen erneut sehr deutlich geworden. Es war schon sehr auffallend und auch bedauerlich, dass es in der Diskussion auch im Ausschuss vor allem um die Finanzen - zweifelsohne wichtig - und um die Erleichterungen für die Kommunen ging. Das tatsächlich Entscheidende, nämlich die Rechte von Kindern, wurde von Ihnen jedoch gar nicht thematisiert.

(Beifall bei der PDS)

Für meine Fraktion kann ich sagen: Die PDS bleibt bei ihrem Standpunkt, dass die Kinderbetreuung nicht lediglich eine Aufbewahrdienstleistung des Staates gegenüber den Eltern ist, sondern vielmehr eine Bildungseinrichtung für Kinder darstellt, die ihnen einen gleichberechtigten Start ins Leben sichern soll.

(Beifall bei der PDS)

Es ist die Pflicht des Staates, genau Letzteres zu gewährleisten. Und weil genau dieses durch die Gesetzesänderung nicht erfolgen wird, wird die PDS-Fraktion diese ablehnen.

Ich möchte an dieser Stelle auch auf die Anhörung eingehen, die zu der Gesetzesänderung stattgefunden hat. Ein für mich wesentlicher Fakt, der durch die Anhörung

thematisiert worden ist, ist das Problem der Umsetzung des Bildungsauftrags. Was nützt es Kindern in den Einrichtungen, dass das Land über ein modernes Bildungskonzept für den Elementarbereich mit einem hohen Qualitätsanspruch verfügt, wenn den Erzieherinnen nicht die Möglichkeit gegeben wird, sich genau in dieses Konzept einzuarbeiten und eine entsprechend qualitativ hochwertige fachliche Umsetzung vorzubereiten?

Meine Damen und Herren! Ich unterstelle Ihnen an dieser Stelle grundsätzlich einen guten Willen, doch ich denke, es besteht noch immer ein ungelöster Widerspruch zwischen Zielstellung und Umsetzung. Interessant fand ich in diesem Zusammenhang übrigens auch, dass Frau Professor Dr. Dienel erklärte, dass jene Länder, die europaweit Spitzenklasse in der Kinderbetreuung sind, diese auch unabhängig vom Status der Berufstätigkeit der Eltern anbieten - also kein Alleinstellungsmerkmal der PDS. Es macht mich nicht gerade stolz, dass sie ebenso mitteilte, dass Sachsen-Anhalt inzwischen nur noch europäischer Durchschnitt ist.

(Beifall bei der PDS)

Nun haben wir heute bereits das Argument gehört - Herr Kley und Herr Kurze haben es schon häufig wiederholt -, Sachsen-Anhalt habe bereits heute eines der besten Kinderbetreuungsgesetze überhaupt. Dieses Argument verliert aber schon allein dadurch, dass es schlichtweg im Status quo verharrt und nicht einmal den Versuch unternimmt, den Blick weit nach vorn in die Zukunft zu richten, sondern als Messlatte nur zurückblickt und Ausschau hält, wo die anderen stehen.

(Beifall bei der PDS)

Wer sich aber allein und immer nur am so genannten Mittelmaß orientiert, muss sich nicht wundern, wenn er auf einmal selbst das unterschreitet. Herr Kley, Sie haben mich durch Ihre Rede und Argumentation direkt dazu provoziert: Mir scheint heute, dass Ihre Leistungskurve schon ab 9 Uhr abgefallen ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der PDS)

Frau von Angern, möchten Sie eine Frage von Herrn Kosmehl beantworten?

Nein, danke.

Sie möchte nicht.

Doch noch etwas Positives: Grundsätzlich begrüßt die PDS die zukünftige Möglichkeit, Kindern aus sozialpädagogischen Gründen eine Ganztagsbetreuung zu gewähren. Obwohl § 20 SGB VIII diesbezüglich bereits Vorgaben macht, wird jedoch der sich aus einer Notsituation ergebende sozialpädagogische Handlungsbedarf im Einzelfall zu prüfen sein.

Da es sich bei der Bereitstellung eines Ganztagsplatzes für ein betroffenes Kind laut Ihrem Gesetzentwurf um eine Kannbestimmung handelt, die somit im Ermessen der Kommunen steht, bin ich angesichts der Finanzknappheit bei den kommunalen Haushalten skeptisch, dass

Ganztagsbetreuung dann auch wirklich vom örtlichen Jugendamt dem tatsächlichen Bedarf entsprechend angeboten und vor allem bezahlt wird. Die Kommunen werden auch an dieser Stelle nach der preiswertesten Lösung suchen, sicher suchen müssen, und das wissen Sie auch. Insofern kann nicht, wie von Ihnen behauptet, von einer substanziellen Verbesserung des KiFöG gesprochen werden.

Die Aufnahme der Mutterschutzregelung ist eine logische Folge des existierenden Mutterschutzgesetzes. Aber auch hierbei steckt der Teufel im Detail. Frauen, die sich in der Mutterschutzzeit befinden und deren Ehepartner oder Lebensgefährte Arbeit suchend ist, kommen nicht in den Genuss dieser Regelung, was aus Ihrer Sicht natürlich konsequent ist, was wir aber als Hauptkritikpunkt ansehen. Herr Kley, da passt auch Ihre Argumentation von der sukzessiven Heranführung des Kindes an die neue familiäre Situation nicht wirklich.

Weder der Gesetzentwurf der Landesregierung noch der Kuschelkursentwurf der SPD, der sieben Stunden Betreuungszeit für Kinder arbeitsloser Eltern fordert, löst das Grundübel des Kinderförderungsgesetzes: eine Ungleichbehandlung von Kindern, die nicht dafür verantwortlich sind, dass ihre Eltern arbeitslos sind, beim Zugang zu Bildung, Förderung und Betreuung.

(Beifall bei der PDS)

Daher wird die PDS beide Gesetzentwürfe ablehnen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Frau von Angern. - Damit ist die Debatte abgeschlossen.

Wir stimmen ab über die Beschlussempfehlung in der Drs. 4/1827. Wenn niemand widerspricht, dann lasse ich über die selbständigen Bestimmungen, über die Gesetzesüberschrift - „Gesetz zur Änderung des Kinderförderungsgesetzes“ - und über das Gesetz in seiner Gesamtheit abstimmen. Wer stimmt dem allen zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das ist die PDS-Fraktion. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die SPD-Fraktion. Damit ist das Gesetz mehrheitlich angenommen. Der Tagesordnungspunkt 8 ist beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 4/1835

Ich bitte Herrn Minister Jeziorsky, die Einbringung vorzunehmen. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Finanzausgleichsgesetz des Landes SachsenAnhalt ist seit dem Jahr 1995 in Kraft. In seiner Grundkonzeption setzt es die mit den vorangegangenen Gemeindefinanzierungsgesetzen begonnene Entwicklungslinie fort.

Zur Gewährleistung der finanzverfassungsrechtlich gesicherten kommunalen Selbstverwaltung liegt der Schwerpunkt des Finanztransfers bei den allgemeinen Zuweisungen. Den kommunalen Handlungsspielraum begrenzende gesonderte Zuweisungen für bestimmte Zwecke werden auf ein Mindestmaß beschränkt. Diese konzeptionelle Ausrichtung des Gesetzes hat sich bewährt und soll beibehalten werden.