Protokoll der Sitzung vom 15.10.2004

dungsbefugten Instanzen aller einzelnen Länder durch einen vorangehenden konstitutiven Basisakt die Ländergesamtheit für bestimmte Materien, die von allen 16 Ländern vorweg akzeptiert wurden, Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit zu treffen.“

Wissen Sie, was das bedeutet? - Wir als Landtage geben vorab mit einem Staatsvertrag die Kompetenz an die Landesregierungen, dass sie sich unter Umständen im Bundesrat überstimmen lassen können. Es passiert genau das, was wir schon in der Kultusministerkonferenz haben, nämlich dass wir als Landtag null Einfluss haben, wo nicht einmal die Landesregierung Einfluss nehmen kann. Genau das würden wir sozusagen aufgeben. Wir haben als Landtag schon genug Kompetenzen aufgegeben, siehe Landesentwicklungsplan usw. Wenn solche Dinge noch Raum greifen würden, dann könnten wir uns gleich ganz auflösen lassen.

Meines Erachtens ist die Strategie der Länder an sich auch nicht zielführend. Wir hören von allen Ländern Vorschläge, die weit über das realistische Ziel hinausschießen. Ich halte es nicht für zielführend, wenn Forderungen aufgemacht werden, die tatsächlich unrealistisch sind. Insbesondere die Vorschläge aus dem süddeutschen Raum kann man schon als Rückfall in die Kleinstaaterei des 18. Jahrhunderts bezeichnen. Gerade für einen Europapolitiker ist das mit der Harmonisierung von Rechtsvorschriften aus meiner Sicht überhaupt nicht vereinbar.

Inzwischen mehren sich dagegen auch die Proteste - manches ist gesagt worden - im Sozial- und auch im Umweltrecht. Der BDI protestiert dagegen, dass das Umwelt- und das Wirtschaftsrecht regionalisiert werden. Es bedeutet eine größere Unübersichtlichkeit für die Betriebe, die teilweise europa- und weltweit agieren. Das führt zu höheren Kosten, und das ist ein Problem für sie.

Ich bin allerdings trotzdem optimistisch, dass Müntefering und Stoiber zu einem Ergebnis kommen. Das wird in der letzten Nacht vor dem 17. Dezember 2004 sein. Das ist das gleiche Prinzip wie beim EU-Konvent. Da hat auch keiner gedacht, dass er zu einer Lösung kommt. Aber wir haben es geschafft, oder Giscard d’Estaing hat es geschafft. So wird es auch sein. Müntefering und Stoiber können sich keine Niederlage leisten. Es wird einen Vorschlag geben, egal wie er aussehen wird.

Zum Antrag an sich. Ich bin schon etwas verwundert, dass die CDU-Fraktion und die Landesregierung sich scheinbar nicht noch einmal abgestimmt haben. Die Landesregierung sagt: Sie will gerne berichten. Die CDUFraktion sagt: Wir wollen überweisen. Eigentlich macht eine Überweisung keinen Sinn.

Punkte 1 und 2 werden wir zustimmen. In Bezug auf Punkt 3, der die Transparenz betrifft, schlage ich vor, dass wir uns enthalten, weil wir anerkennen müssen, dass es zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein wirklich transparentes Verfahren ist.

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

- Sie können dann noch reden, Herr Kosmehl. - Wir haben zwar Arbeitsgruppen, die nicht transparent sind. Aber ich sage auch als Parlamentarier: Es muss auch einen geschützten Raum geben, in dem man einmal nachdenken kann, in dem einmal geredet werden kann, ohne dass es gleich am nächsten Tag im Internet oder in der Zeitung zu lesen ist. Wobei ich Sie korrigieren muss:

Es sind, soweit ich weiß, keine Vertreter der Landtage in den Projektgruppen,

(Herr Kosmehl, FDP: Das ist falsch!)

sondern die sind nur im Plenum dabei.

(Herr Kosmehl, FDP: Das ist falsch!)

- Gut, wenn Sie welche haben. Das kann ich jetzt nicht genau sagen. Meines Erachtens waren die Landtage in den Projektgruppen nicht beteiligt.

Ansonsten würden wir dem Punkt 4 bezüglich der Berichterstattung auch zustimmen. Eine Überweisung bringt im Prinzip überhaupt nichts. Eigentlich ist das von den Formalien her ein Antrag, über den direkt abzustimmen wäre. - Ich bedanke mich.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Tögel. - Für die FDP-Fraktion erhält nun der Abgeordnete Herr Kosmehl das Wort. Bitte sehr, Herr Kosmehl.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Tögel, ähnlich wie bei dem Referendum zur EU-Verfassung mache ich Ihnen heute wieder einen Vorwurf. Es wird langsam ein bisschen zum System. Sie wiederholen alte Reden, ohne sich auf den aktuellen Stand zu bringen. Sie machen Vorhalte über Dinge, die längst entschieden sind. Und Sie machen es sich dabei auch noch sehr einfach, indem Sie sagen: Die Landesregierung hätte damals im Bundesrat nicht zustimmen dürfen, dann wäre das schon alles besser geworden für die Landesparlamente.

Ich habe Sie damals aufgefordert, bevor das kam, in Ihrer Partei, in der SPD, dafür zu sorgen, das endlich auch in der Bundestagsfraktion durchzusetzen. Da haben Sie gesagt: Das geht alles nicht. - Wie gesagt: Sie wiederholen sich häufiger. Davon wird es nicht besser. Davon wird es nicht wahrer.

(Frau Fischer, CDU, Merseburg, lacht)

Ich sage Ihnen nur eines, Herr Kollege Tögel: Nach anfänglichem Zögern sind in den Projektgruppen 1, 3 ,5 und 6 - Sie wissen sicherlich, welche Themenfelder die haben - Fraktionsvorsitzende mit eingebunden bzw. Herr Landtagspräsident Glück ist dort mit eingebunden.

Ich komme zu dem Punkt der Transparenz. Sie sagen, Sie können dem nicht zustimmen. Wenn Sie das Verfahren für transparent halten - - Ich halte es jedenfalls nicht für transparent. Das schließt nicht aus, dass man hier und da einmal eine geschlossene Sitzung durchführt. Aber wenn Sie für die Projektgruppen beispielsweise keine Protokolle bekommen, obwohl das normalerweise Arbeitsgruppen sind, dann halte ich das nicht für transparent. Bei diesem Punkt stimme ich dem Antrag der Fraktion der PDS ausdrücklich zu.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht ein paar Zitate der letzten Tage: Der Kanzler müsse einmal auf den Tisch hauen, hat Herr Wowereit gesagt. „Mit den Vorschlägen, die die Länder machen, kann man Deutschland nicht regieren“, sagt der Kanzler. „Es wäre fatal, wenn sich die beiden Volksparteien nicht einigen“, sagt Thüringens Ministerpräsident Althaus. „Die Länder sind vom Stamme Nimm. Das können wir nicht akzeptieren“,

sagt Frau Künast. „Wenn am Ende nur das Jagdrecht und Notariatswesen übrig bleiben, wird es keine Einigung geben“, sagt Herr Teufel.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Was sagt Herr Wester- welle? - Heiterkeit bei der SPD und bei der PDS)

- Herr Dr. Püchel, Herr Dr. Westerwelle ist nicht Mitglied in der Föderalismuskommission. Deshalb äußert er sich zu diesem Themenkomplex nicht.

(Lachen bei der SPD)

Aber dafür gibt es andere. Ich führe das in der Sache noch aus.

Meine Damen und Herren! Das ist nur ein Bruchteil der Äußerungen in den letzten Tagen und Wochen. Daran wird deutlich, wie verfahren die Situation derzeit in der Föderalismuskommission ist. Die Kommission hatte sich schon zu Beginn ihrer Arbeit hohe Ziele gesteckt. Bis Ende dieses Jahres sollte ein umfassendes Reformkonzept für das föderale System in Deutschland vorgelegt werden. Davon ist man anscheinend noch meilenweit entfernt.

Die Kommission hat seit einigen Monaten Arbeits- und Projektgruppen gebildet, die die eigentliche Arbeit erledigen und dann die Ergebnisse dem Kommissionsplenum vorstellen sollen. Aber auch aus diesen Arbeits- und Projektgruppen, soweit bekannt, kommen bedauerlicherweise nur zögerliche, wenn nicht sogar zerstrittene Signale. So habe ich mitbekommen, dass einige Projektgruppen gar kein Ergebnis vorgelegt haben bzw. weiter verhandeln, obwohl deren Arbeit längst abgeschlossen sein sollte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stimmen Punkt 2 des Antrags der PDS-Fraktion vollkommen zu. Es ist bedauerlich, dass es nicht gelungen ist, die Landesparlamente mit Stimmrecht, Herr Minister Becker, zu beteiligen. Ich bin immer noch der Meinung - Sie als Justizminister können mir das vielleicht bestätigen -, dass die Landesparlamente als Gesetzgeber der Länder durchaus zu beteiligen wären, auch wenn letztlich sicherlich Bundestag und Bundesrat die Zweidrittelmehrheit stellen müssen. Der Gesetzgeber der Kompetenzen, über die sie verhandeln, sind die Landesparlamente. Deshalb hätten die vollwertig mitreden und mitstimmen dürfen müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht wäre es am Ende doch eine Alternative gewesen, ein Konventsmodell, wie es auf der europäischen Ebene so erfolgreich gelaufen ist, zu initiieren, auch wenn es nicht in der Verfassung vorgesehen ist. Ich denke, damit hätten vielleicht die machtpolitischen Kämpfe, die es durchaus gibt, und zwar immer zwischen der Bundes- und der Länderseite und nicht zwischen den einzelnen Parteien, aufgebrochen werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotz all dieser kritischen Töne sollten und dürfen wir die Bestrebungen zu einer umfassenden und erfolgreichen Föderalismusreform nicht aufgeben. Über die Lösungsvorschläge und Ansätze sollte weiterhin intensiv diskutiert werden.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang vielleicht auf zwei Punkte eingehen. Erster Punkt: die weitere Entflechtung der Gesetzgebungskompetenzen. Das ist keine Einbahnstraße, weder von oben nach unten noch von unten nach oben, sondern dabei muss der Verkehr in beiden Richtungen fließen. Für diesen Bereich scheinen derzeit wenig Vorschläge vorhanden zu sein.

Ein weiteres Streitstück ist Artikel 23 des Grundgesetzes, die Frage, inwieweit die Länder auf europäischer Ebene und an europäischen Rechtsetzungsprozessen mitwirken können. Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Punkt stimme ich mit Dr. Edmund Stoiber voll und ganz überein.

(Beifall bei der FDP und bei der CCU)

Er sagt: Brüssel ist auf vielen Politikfeldern wichtiger als Berlin. Diese Aussage wird allein dadurch belegt, dass mittlerweile 70 % aller Gesetze aus Brüssel kommen. Solange es eine Bundesregierung gibt, gleich welcher Couleur, die in Brüssel nur die Interessen des Bundes, nicht aber auch die der Länder vertritt, wird es notwendig sein, dass die Länder ihre Probleme selbst zur Sprache bringen. Wo wären wir heute bei den Fragen der Strukturpolitik, wenn die Länder sich nicht auch selbst in Brüssel gekümmert hätten, und zwar zu allen Zeiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt ausreichend Diskussionsbedarf. Deshalb sollten wir im Ausschuss diskutieren. Deshalb bitte ich um die Überweisung des Antrags. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kosmehl. - Frau Dr. Klein, Sie haben noch einmal das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich eigentlich ziemlich moderat zu der Frage Föderalismus geäußert, weil wir ein ganz bestimmtes Anliegen haben. Die Berichterstattung steht im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten regelmäßig auf der Tagesordnung. Das habe ich eindeutig gesagt. Dort brauchen wir diesen Antrag nicht; denn der Staatsminister wird dort in der nächsten Sitzung ohnehin wieder berichten.

(Frau Budde, SPD: Richtig!)

Mich haben jedoch zumindest die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker meiner Fraktion darauf aufmerksam gemacht, dass sie Informationen dazu haben möchten.

Das erinnert mich wieder an die Diskussion zur Dienstrechtsreform in diesem Hause am 18. Juni 2004, in der Herr Schulz wörtlich gesagt hat: Wozu brauchen wir im Innenausschuss diese unzähligen Berichte und Informationen, wir haben doch so viel zu tun.

Scheinbar liegt es dann also doch an einem gewissen Interesse an Fachdingen, die irgendwo diskutiert werden. Diese kommen letztlich aber auf uns zu, ob wir das nun wollen oder nicht, ob wir Ahnung davon haben oder nicht. Wir müssen sie vielleicht ab dem 1. Januar 2005 realisieren. Deshalb wäre es ganz schön, wenn die Fachpolitiker informiert würden.

(Zustimmung bei der PDS)

Die Landesregierung hat dieses Angebot, das in unserem Antrag unterbreitet wurde, aufgenommen. Warum wollen Sie den Antrag dann an den Europaausschuss überweisen? Wir diskutieren am 28. Oktober 2004 ohnehin darüber.

(Frau Budde, SPD: Ja!)

Dafür brauchen wir den Antrag nicht. Über die anderen Punkte waren wir uns im Wesentlichen - bis auf Punkt 3

vielleicht - einig; denn wir haben darüber hier schon mehrfach diskutiert. Uns ging es wirklich darum, dass die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker sachkundig gemacht werden. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)