Protokoll der Sitzung vom 18.07.2002

Vielen Dank, Herr Minister Jeziorsky. - Möchte jemand dazu sprechen? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen damit zur Ausschussüberweisung.

Es wurde vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung und Berichterstattung an den Innenausschuss und zur Mitberatung an den Finanzausschuss zu überweisen. Wenn das Ihre Zustimmung findet, dann bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Das ist die Mehrheit. Ist jemand dagegen? - Stimmenthaltungen? - Einige Stimmenthaltungen, keine Gegenstimmen. Das ist so beschlossen. Damit ist der Tagesordnungspunkt 13 erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:

Beratung

Erledigte Petitionen vom 1. Dezember 2001 bis 31. Mai 2002

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Petitionen - Drs. 4/76

Berichterstatterin ist Frau Knöfler. Bitte, Frau Knöfler, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir, in der heutigen Sitzung einige persönliche Worte an Sie zu richten. Zunächst einmal darf ich Ihnen versichern, dass es mir eine überaus große Ehre ist, erneut als Vorsitzende des Petitionsausschusses im Landtag Sachsen-Anhalt tätig zu sein. Ich darf ein Dankeschön an meine Fraktion richten, die erneut den Vorschlag eingebracht hat und sich für die Übernahme des Vorsitzes im Petitionsausschuss beworben hat.

Diejenigen, die mich bereits in diesem Amt erlebt haben und mich aus der vorigen Legislaturperiode kennen, wissen, dass ich souveräne, kooperative und parteiübergreifende Arbeit im Sinne der Petitionen schätze. Ich setze dieses Engagement bei mir selbst voraus und erwarte souveräne, parteiübergreifende Arbeit der Ausschussmitglieder.

Ebenso wird in unserer Arbeit großer Sachverstand vonnöten sein. Dieser wird als wirksames Mittel, sehr geehrte Damen und Herren, zur Kontrolle der Landesregierung und deren Ämtern bei der Fassung von Beschlüssen, die Bürgerinnen und Bürger betreffen, eingebracht werden. Wir werden prüfen, ob es eine Möglichkeit gibt, Bürgerinnen und Bürgern zu helfen. Wir kontrollieren also die Landesregierung.

Meine hohen Erwartungen möchte ich nur in einigen Punkten nennen. Hat der Petitionsausschuss in der vorigen Legislaturperiode an Leistungsfähigkeit zugenommen, so heißt das nicht zurücklehnen, sondern kontinuierlich und konstruktiv weiterarbeiten. Selbstzufriedenheit schützt nicht. Im Gegenteil.

Lassen Sie uns internen und externen Ansprüchen durch hervorragende Arbeit gerecht werden. Ich freue mich deshalb ganz besonders, dass das enorme Wissenspotenzial zweifelsfrei durch die Ausschussbesetzung zum Tragen kommen wird.

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Mitglieder des Petitionsausschusses, lassen Sie es uns zum wichtigsten Ziel machen, die Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern ernst zu nehmen, die Petitionen fach- und sachgerecht sowie kompetent und möglichst zeitnah

abzuarbeiten und beispielgebend zu sein für einen guten öffentlichen Dienstleister.

In der Vergangenheit konnten viele Bürgerinnen und Bürger erreicht werden, auch über die eigentlichen Beschwerdeführer hinaus. Anteil daran hatte möglicherweise auch die neue Form der Arbeitsweise des Petitionsausschusses. Ich verweise, um nur eines zu nennen, auf die Möglichkeit der öffentlichen Anhörung dank der geänderten Geschäftsordnung des Landtages. Auch das Medieninteresse ist gewachsen, was zuträglich für die Ausschussarbeit ist.

Ich bin mir sicher, dass unser gemeinsames parteiübergreifendes Agieren und Reagieren im Sinne und zum Wohle der Petenten zur weiteren Verbesserung der Arbeit und der Wahrnehmung des Petitionsausschusses in der Öffentlichkeit beitragen wird. Wir sind das Frühwarnsystem der politischen Auseinandersetzung. Ich bitte Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Arbeit sehr ernst zu nehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der Beschlussempfehlung in der Drs. 4/76 ist Ihnen ein umfängliches Zahlenmaterial zugegangen. Dieses Zahlenmaterial enthält keine analytische Bewertung, da der Jahresbericht diese zusammenfassend vorlegen wird. Der Zeitraum der abgearbeiteten Petitionen reicht vom 1. Dezember 2001 - wie schon erwähnt - bis zum 31. Mai 2002. Der obligatorische Jahresbericht wird wiederum in gewohnter Weise vorgelegt werden. Ich wünsche mir, dann einige Aspekte der Zusammenarbeit und einige Erfolge im Sinne von Bürgerinnen und Bürgern, die möglicherweise durch den Petitionsausschuss erreicht worden sind, nennen zu können.

In Anbetracht der schon fortgeschrittenen Zeit werde ich meine Rede etwas verkürzen. Ich möchte uns als Parlamentarier und Mitglieder des Petitionsausschusses Kraft, Erfolg und Zuversicht im Sinne unseres politischen Auftrages wünschen. Ich wünsche uns Durchhaltevermögen und Erfolg.

Abschließend darf ich Sie, sehr geehrte Damen und Herren, darum bitten, der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Ihre Zustimmung zu geben. Ich möchte den Hinweis geben, dass diese Beschlussempfehlung im Petitionsausschuss einstimmig verabschiedet worden ist. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Interesse.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

Vielen Dank, Frau Knöfler. - Eine Debatte wurde nicht vereinbart. Möchte jemand dennoch das Wort ergreifen? - Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Drs. 4/76. Der Ausschuss für Petitionen empfiehlt dem Landtag, die in den Anlagen 1 bis 9 der Drucksache aufgeführten Petitionen mit Bescheid an die Petenten für erledigt zu erklären. Darüber stimmen wir jetzt ab. Wer stimmt dem zu? - Das ist die Mehrheit. Stimmt jemand dagegen? - Stimmenthaltungen? - Weder noch. Damit ist eine einstimmige Annahme erfolgt. Der Tagesordnungspunkt 14 ist damit erledigt.

Da Tagesordnungspunkt 15 vereinbarungsgemäß der letzte Tagesordnungspunkt der heutigen Sitzung sein soll, rufe ich den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Beratung

Zulassung einer Ausnahme gemäß Artikel 67 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 2 des Ministergesetzes

Antrag der Landesregierung - Drs. 4/50

Für die Landesregierung bitte ich Herrn Ministerpräsident Böhmer das Wort zu ergreifen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung beantragt bei Ihnen die Zulassung einer Ausnahme nach Artikel 67 Abs. 1 Satz 2 der Landesverfassung für den Minister der Justiz Herrn Curt Becker.

Herr Minister Becker ist seit 1983 Mitglied des Aufsichtsrates der Gesellschaft für Siedlungs- und Wohnungswesen mit Sitz in Sigmaringen in Württemberg. Gesellschafter dieser Gesellschaft ist der Verband deutscher Kriegsopferfürsorge Baden-Württemberg. Herr Minister Becker möchte diese Tätigkeit fortführen dürfen. Dazu ist die Ausnahmegenehmigung des Landtages auf der Grundlage des genannten Artikels 67 unserer Landesverfassung erforderlich. Da nicht alle diesen Artikel parat haben, möchte ich den Wortlaut des Absatzes 1 vorlesen:

„Die Mitglieder der Landesregierung dürfen kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe, keinen Beruf ausüben und weder der Leitung noch dem Aufsichtsrat eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören. Der Landtag kann Ausnahmen zulassen, insbesondere für die Entsendung in Organe von Unternehmen, an denen das Land beteiligt ist.“

Das Land Sachsen-Anhalt ist nicht an der Gesellschaft für Siedlungs- und Wohnungswesen in Sigmaringen beteiligt. Es geht hier also nicht um eine Tätigkeit im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zur Landesregierung, sondern um eine außerdienstliche, ehrenamtliche und unentgeltliche Tätigkeit.

Das grundsätzliche Verbot einer anderweitigen Tätigkeit soll Pflichten- und Interessenkollisionen verhindern und die von fremden Pflichten und Interessen unbeeinträchtige Ausübung des Amtes eines Landesministers sicherstellen.

Es geht uns also mit diesem Antrag nur um zweierlei: Das Mitglied der Landesregierung darf nicht widerstreitende Interessen wahrzunehmen haben. Darüber hinaus darf seine Tätigkeit als Mitglied der Landesregierung nicht in anderer Weise beeinträchtigt werden.

Wir glauben sicher, dass beide Voraussetzungen in dem vorliegenden Fall erfüllt sind. Zwischen der Tätigkeit eines Ministers des Landes Sachsen-Anhalt und der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der Gesellschaft für Siedlungs- und Wohnungswesen in Sigmaringen gibt es keinerlei Berührungspunkte, sodass Interessengegensätze nicht vorkommen können. Im Übrigen hindert die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat den Minister nicht an der Wahrnehmung seiner Regierungsgeschäfte. Der Aufsichtsrat tagt drei- bis viermal im Jahr für etwa zwei Stunden. So viel Freizeit billigen wir einem Minister bei uns gerade eben zu. Die zeitliche Beanspruchung wird sich also in Grenzen halten.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, bitte ich um eine solche Genehmigung und darum, uns diesen Antrag zu genehmigen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Dazu ist eine Debatte vereinbart worden. Die Fraktionen sprechen in der Reihenfolge PDS, CDU, SPD und FDP. Für die PDSFraktion spricht Frau Tiedge. Bitte, Frau Tiedge, Sie haben das Wort

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist heute das zweite Mal, dass im Parlament auf die Respektierung der Landesverfassung verwiesen werden muss. Herr Doege tat es im Zusammenhang mit dem Nachtragshaushalt. Ich tue es im Zusammenhang mit diesem Antrag.

Am 16. Juli 2002 jährte sich zum zehnten Mal die Verkündung der Landesverfassung von Sachsen-Anhalt. Auf der Festveranstaltung betonten alle Festredner die hohe Qualität der Landesverfassung.

Ich will heute keine Verfassungsdiskussion beginnen und auch nicht auf unsere Kritikpunkte eingehen, die wir nach wie vor in Bezug auf verschiede Regelungen in der Landesverfassung haben. Vielmehr will ich auf das hinweisen, was wir ebenfalls für wichtig und gut erachten. Dazu gehört der Artikel 67 Abs. 1 der Landesverfassung. Ich möchte ihn nicht zitieren; Herr Professor Böhmer hat es eben getan.

Mit dieser Unvereinbarkeitsregelung soll vermieden werden, dass es zu einer Pflichten- und Interessenkollision kommen kann und dass die Arbeitskraft der Mitglieder der Landesregierung für Fremdaufgaben in Anspruch genommen wird. Minister sollen dem Allgemeinwohl dienen und nicht den Einzelinteressen von Unternehmen. Der faktische Einfluss von privaten Wirtschaftsinteressen, der Grad der Verfügbarkeit von politisch Regierenden für die privaten Interessen der Wirtschaft soll unterbunden werden.

Um nicht missverstanden zu werden: Es geht uns hierbei nicht um Misstrauensbekundungen gegenüber Herrn Justizminister Becker. Dazu gibt es nicht die geringste Veranlassung. Das möchte mit aller Deutlichkeit betonen.

(Zuruf von Herrn El-Khalil, CDU)

Wir haben dazu eine prinzipielle Auffassung, die unabhängig von der jeweiligen Person von uns vertreten wird. Uns geht es um die von mir genannte strikte Trennung zwischen politischem Amt und privatwirtschaftlichen Interessen.

In dem BGH-Urteil vom 6. Dezember 2001 - Aktenzeichen StR 215/01 - heißt es - ich zitiere mit Ihrer Genehmigung -:

„Im gegebenen Fall kann dahinstehen, ob die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht des Aufsichtsrates zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Gesellschaft bei einer Betätigung außerhalb der Geschäftssphäre der Gesellschaft und bei Rechts

geschäften mit ihr nur in einem beschränkten Umfang gilt, weil in Rechnung gestellt werden muss, dass die Tätigkeit dort eine typische Nebentätigkeit ist, sodass Interessenkollisionen mit anderen Tätigkeiten der Aufsichtsratsmitglieder absehbar sind und mitunter zwangsläufig eintreten.“

Frau Tiedge, möchten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Kurze beantworten?

Zum Schluss, bitte. - Die Grauen Panther, Landesverband Niedersachsen, schrieben im Februar 2000 einen offenen Brief an den Ministerpräsidenten von Niedersachsen, um ihn in seinen Bemühungen, einen neuen Ehrenkodex für Minister einzuführen, zu bestärken. In diesem Brief wiederholen sie die von ihnen bereits seit Jahren gestellte Forderung nach der strikten Trennung von politischen und wirtschaftlichen Mandaten.

Genau aus diesen Gründen sind in allen Landesverfassungen gleich lautende oder ähnliche Unvereinbarkeitsregelungen verankert. Wir sollten sie nicht aufweichen.

Wir müssen noch auf einen weiteren Punkt hinweisen. Als Regelfall einer Ausnahme wird die Entsendung in Organe von Unternehmen bezeichnet, an denen das Land beteiligt ist. Das dürfte im vorliegenden Fall nicht gegeben sein, da wir nicht der Auffassung sind, dass das Land Sachsen-Anhalt an der Gesellschaft für Siedlungs- und Wohnungswesen, Sigmaringen/Württemberg beteiligt ist, sodass wir diese Ausnahme für verfassungsrechtlich bedenklich halten. Auch aus diesem Grund lehnen wir den Antrag an.