Protokoll der Sitzung vom 16.12.2004

Neuverschuldung immer noch zu hoch, höher jedenfalls - das sage ich ganz deutlich - als wir es uns wünschen.

Allerdings haben wir gegenüber Ländern mit vergleichbarer Gesamtsituation deutlich aufgeholt. Mehr als das: Wir haben gleichgezogen und sogar zum Überholen angesetzt. Die Länder Thüringen und Brandenburg - beides neue Länder, die nach Größe und Struktur mit Sachsen-Anhalt gut verglichen werden können - werden im Jahr 2005 mehr Schulden aufnehmen als SachsenAnhalt. Brandenburgs Regierung strebt eine Neuverschuldung von 980 Millionen € an, Thüringen wird mit 995 Millionen € nur ganz knapp unter der Milliardengrenze liegen.

Sachsen-Anhalt ist auf dem Weg der Haushaltskonsolidierung. Wir sind von einer äußerst schwierigen Haushaltsposition aus gestartet, aber wir arbeiten uns nach vorn. Sachsen-Anhalt beschreitet diesen Weg noch ein gutes Stück konsequenter als viele andere Länder.

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir an dieser Stelle, ein paar zentrale Fakten ins Gedächtnis zu rufen, die belegen, wie hart diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen der CDU und der FDP in den letzten Jahren daran gearbeitet haben, vor allem konsumtive Ausgaben zu senken, um dieses Land fiskalisch gesund zu machen. Ich nenne nur drei Punkte - ich könnte noch viel mehr nennen -:

Erstens. Wir haben große soziale Leistungsgesetze reformiert und finanzierbar gemacht, allem voran die Kinderbetreuung. Wir haben dort auf Dauer 25 % der Kosten eingespart, das sind fast 50 Millionen € pro Jahr für den Landeshaushalt. Wir haben durch flexiblere Standards auch den Kommunen eigene Einsparungen wahrscheinlich in ähnlicher Größenordnung ermöglicht. Noch immer, meine Damen und Herren, haben wir die beste Kinderbetreuung in Deutschland. Aber sie ist endlich auf Dauer verantwortungsvoll finanzierbar geworden.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von Minister Herrn Dr. Rehberger)

Zweitens. Wir haben die Personalkosten unter Kontrolle gebracht, und zwar vor allem durch die konsequenteste Personalbewirtschaftung in Deutschland mit rigoroser Kontrolle und Begrenzung von Neueinstellungen nur mit Genehmigung des Ministerpräsidenten, durch einen Tarifvertrag für Angestellte, der dort, wo es möglich ist, die Arbeitszeit verkürzt, und durch drastische Kürzung der Sonderzuwendungen für Beamtinnen und Beamte in einem Ausmaß, wie es in Deutschland bisher nicht geschehen ist. Ich werde auf diesen Punkt noch einmal gesondert zurückkommen.

Drittens. Wir haben selbst den Universitäten und den Fachhochschulen bis zum Jahr 2006 Kürzungen der Zuweisungen um 10 % zugemutet, bei gleichzeitiger größerer Autonomie durch Globalhaushalte und mit der Auflage, Schwerpunkte zu setzen, ihre interne Struktur zu modernisieren, konsumtive Ausgaben einzusparen, um dadurch im überregionalen Standortwettbewerb noch besser bestehen zu können.

Meine Damen und Herren! Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass es wohl kein Bundesland in Deutschland gibt, in dem der Kampf gegen das Ausufern konsumtiver Ausgaben härter geführt wird als in Sachsen-Anhalt in dieser Legislaturperiode.

(Herr Bullerjahn, SPD: Das ist aber pfiffig, Herr Paqué! Also!)

Auch der Präsident des Landesrechnungshofs hat das in seinen jüngsten Äußerungen im Grundsatz anerkannt.

Vielleicht können Sie deshalb meinen Verdruss verstehen, wenn uns zusammen mit anderen neuen Ländern vom Bundesfinanzminister in jüngster Zeit öffentlich vorgeworfen wird, wir würden Solidarpaktmittel im Konsum verschwenden, statt sie in Investitionen zu stecken. Mit Verlaub gesagt, meine Damen und Herren: Dieser Vorwurf ist eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU und von der Regierungsbank)

Er zeigt nur, wie wenig der Bundesfinanzminister vom Aufbau Ost versteht und wie wenig seinem Chef, dem Bundeskanzler, der Aufbau Ost am Herzen liegt.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Wir in Sachsen-Anhalt können mit ruhigem Gewissen feststellen: Wir haben die wichtigsten Weichen gestellt, um die konsumtiven Ausgaben zu senken. Dafür haben wir unseren Bediensteten schwere Opfer auferlegt.

Wir können nicht zaubern. Die Erblast hoher Zinsausgaben und eines noch immer zu hohen Personalbestandes können nicht von einem auf den anderen Tag korrigiert werden, auch wenn der Bundesfinanzminister offenbar denkt, das ginge. Um es deutlich zu sagen: Acht Jahre verfehlte sozialdemokratische Finanzpolitik lassen sich nicht in zwei Jahren korrigieren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ach! bei der SPD)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gallert, Herr Minister?

Frau Präsidentin, bitte am Schluss.

(Herr Bullerjahn, SPD: War das die Rede aus dem vorigen Jahr, Herr Paqué? - Herr Kühn, SPD: Das ist die Rede für jedes Jahr!)

- Warten Sie es doch einmal ab! Die Probleme haben sich so schnell nicht geändert.

(Herr Bullerjahn, SPD: Das ist doch der letzte Haushalt, Herr Paqué! Ich kann nicht länger war- ten!)

Meine Damen und Herren! Dass der Bundesfinanzminister dies alles nicht sieht, ist wohl das Ergebnis einer fiskalischen Wahrnehmungsstörung. Wer dreimal hintereinander die Maastricht-Defizitlatte gerissen hat, der weiß vielleicht gar nicht mehr, wie ein echter Sparhaushalt aussieht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Störung der Wahrnehmung geht weiter; denn Herr Eichel blendet die Mitverantwortung des Bundes für die Situation in den Ländern völlig aus.

(Zustimmung von Herrn Kurze, CDU)

Es ist doch der Bund, der durch seine lasche Verhandlungsführung in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder über Jahre hinweg hohe Tarifabschlüsse zugelassen hat, weil er selbst nur über wenig Verwaltungspersonal

verfügt und deshalb unter den Abschlüssen kaum leidet, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für das Land Sachsen-Anhalt bringt der Beschluss von Potsdam - eine Lohnsteigerung um 7 % in zwei Jahren - eine schwere Belastung mit sich. Der Bund hat davon kaum etwas gemerkt.

(Zustimmung von Herrn Wolpert, FDP)

Es ist wiederum der Bund, der den Ländern durch eine Fülle von Leistungsgesetzen die Standards vorschreibt und den Ländern damit die Kosten in Form von konsumtiven Ausgaben, die Herr Eichel anschließend öffentlich beklagt, aufbürdet. Das muss deutlich gesagt werden. So läuft das Spiel in Deutschland. Das müssen wir deutlich sagen und das dürfen wir uns nicht bieten lassen.

Meine Damen und Herren! Vielleicht hat die fiskalische Blindheit des Herrn Eichel auch ganz andere, profanere Gründe. Herr Eichel schimpft auf andere, um sie dann in die Verantwortung für seine eigenen Fehler einzubeziehen.

(Frau Budde, SPD: Das ist Ihnen doch bekannt, Herr Paqué, oder?)

Das zeigen seine jüngsten Vorschläge für eine Beteiligung der Länder an EU-Sanktionen bei gesamtstaatlicher Überschreitung der 3%-Difizitgrenze. Der Bundesfinanzminister will, dass die Länder an Sanktionen beteiligt werden, auch wenn sie selbst weder insgesamt noch allein für sich genommen die Grenze überschreiten. In den letzten Jahren war die Überschreitung der Grenze ausschließlich durch das Fiskalverhalten des Bundes und nicht der Ländergesamtheit bedingt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Genau eine solche kollektive Verantwortung ist Teil der Vorschläge, die Müntefering und Stoiber in der Föderalismuskommission leider aufgenommen haben. Wenn diese Vorschläge verwirklicht würden, könnten alle unsere Sparbemühungen zunichte gemacht werden, und zwar allein aufgrund der fiskalischen Verantwortungslosigkeit des Bundes.

Allein im Jahr 2003, in dem ausschließlich der Bund und nicht die Gesamtheit der Länder für das Überschreiten der Defizitgrenze verantwortlich war, hätte das Land Sachsen-Anhalt nach diesen Regeln, wenn sie gegolten hätten, fast 140 Millionen € an Strafe nach Brüssel überweisen müssen. Dies wäre nicht auf eigene Sünden, sondern auf die Sünden der rot-grünen Bundesregierung zurückzuführen. Das ist nicht akzeptabel. Diese Vorschläge dürfen nicht Realität werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sie würden nur zur Verantwortungslosigkeit erziehen und uns um die Früchte unserer Sparpolitik bringen.

(Lachen bei und Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren von der Opposition, die Früchte dieser Sparpolitik gibt es. Wir werden sie schon in den nächsten Jahren deutlich erkennen. Die strukturellen Weichenstellungen, die wir vorgenommen haben

und für die wir von Ihnen kritisiert worden sind, haben einigen Mut erfordert. Ich komme nachher noch dazu.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Frau Budde, SPD: Sie haben nicht mehr viel Zeit!)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nun zum Doppelhaushaltsplan zurückkehren, der Ihnen vorliegt. Im Vergleich zum Regierungsentwurf vom September wird die Neuverschuldung im Jahr 2005 um 60 Millionen € aufgestockt. Im Jahr 2006 fällt sie um 14 Millionen € geringer aus.

Die Erhöhung der Neuverschuldung im Jahr 2005 hat aufseiten der Opposition zu dem Vorwurf an die Landesregierung und die Regierungsfraktionen geführt, man gönne sich vor Abschluss des Haushaltsverfahrens noch einen kräftigen Schluck, um allseitig Geschenke verteilen zu können. - Meine Damen und Herren! Diese Einschätzung ist falsch und die Tatsachen sind relativ schnell klargestellt. Es sind im Wesentlichen drei Fakten:

Erstens ist im Ergebnis der jüngsten Steuerschätzung mit Mindereinnahmen für das Land zu rechnen, im Jahr 2005 in Höhe von netto 39 Millionen € und im Jahr 2006 in Höhe von netto 23 Millionen €. Der kommunale Anteil - er beläuft sich auf 14,1 Millionen € für 2005 und auf 9,1 Millionen € für 2006 - ist hierbei bereits in Abzug gebracht worden. Damit ist klar: Trotz der Verbesserung der konjunkturellen Entwicklung wird sich das Steueraufkommen in den beiden kommenden Jahren nicht erholen, nein, es wird sinken. Eine Rückkehr auf das Niveau von vor drei oder vier Jahren zeichnet sich für die kommenden Jahre nicht ab. Dem musste Rechnung getragen werden.

(Herr Bullerjahn, SPD: Das ist aber neu!)

Zweitens. Zu einer weiteren Belastung im Jahr 2005 wird die Inanspruchnahme des Landes als Bürge im Fall der Insolvenz und der sich anschließenden Sanierung eines sachsen-anhaltischen Großunternehmens führen. Es geht hierbei um rund 1 000 Arbeitsplätze und es geht um eine Mehrbelastung von rund 31 Millionen €, die allein dem Umstand zu verdanken ist, dass die damalige Regierung des Landes Bürgschaftsbedingungen akzeptierte, die uns heute fiskalisch schwer belasten. Die Verträge stammen aus dem Jahr 1998, aus einer Zeit, in der die SPD regierte.

(Frau Budde, SPD: Bürgschaften belasten immer fiskalisch!)