Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne hiermit die 52. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der vierten Wahlperiode. Dazu begrüße ich Sie, sehr verehrte Anwesende, auf das Herzlichste.
Ich darf daran erinnern, dass sich für die heutige Sitzung Herr Staatsminister Robra, Minister Becker und Minister Professor Dr. Paqué entschuldigt haben. Herr Ministerpräsident Professor Dr. Böhmer, der aus Berlin angereist ist, ist ebenfalls für die heutige Sitzung entschuldigt. Er will aber von 9 Uhr bis etwa 11 Uhr anwesend sein.
Herr Präsident, in Ergänzung zu Ihren Ausführungen beantragen wir als CDU-Fraktion, dass wir den Tagesordnungspunkt 23 - Missbilligung der Amtsführung von Herrn Minister Gerry Kley - nach der Aktuellen Debatte und vor der Fragestunde beraten. Dann wäre nämlich gewährleistet, dass dieser Tagesordnungspunkt noch in Anwesenheit des Ministerpräsidenten behandelt wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir setzen nunmehr die 27. Sitzungsperiode fort und beginnen vereinbarungsgemäß mit dem Tagesordnungspunkt 4. Danach folgen die Tagesordnungspunkte 2, 23, 3, 12, 13 - die von der gestrigen Tagesordnung eingeschoben wurden - und dann setzen wir planmäßig mit dem Tagesordnungspunkt 15 fort. Gibt es dagegen Einspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.
Bevor ich den Startschuss für die Beratung gebe, möchte ich mich einer angenehmen Aufgabe entledigen. Ich möchte Frau Röder, die leider noch nicht im Saal ist, herzlich zu ihrer Hochzeit gratulieren, und ich würde Sie bitten, dieses trotzdem mit einem kräftigen Klatschen zu quittieren.
Ich bitte Sie auch, meine Damen und Herren, mit mir Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Benndorf auf der Tribüne zu begrüßen.
Zukunftsfähigkeit des Landes sichern - Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt nicht zum Ost-West-Konflikt degradieren
- Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, den Schallpegel etwas zu dämpfen. - Die Redezeit je Fraktion beträgt zehn Minuten. Die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten. Für die Debatte ist folgende Reihenfolge vorgeschlagen worden: PDS, CDU, SPD und FDP. Zunächst erhält für den Antragsteller, die PDS-Fraktion, die Abgeordnete Frau von Angern das Wort. Bitte sehr, Frau von Angern.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich nehme positiv zur Kenntnis, dass Sie, sonst beim Thema Kinderbetreuung durch Abwesenheit glänzend, an der heutigen Debatte teilnehmen und zur Thematik Stellung nehmen werden. Sie haben mich mit dem am Nikolaustag veröffentlichten Interview in Erstaunen und Entsetzen versetzt.
Eines muss man Ihnen allerdings lassen: Sie bringen immer wieder neue Sichtweisen auf die Dinge, insbesondere auf das Thema Kinderbetreuung. Ich kann nur hoffen, dass der von Ihnen heraufbeschworene OstWest-Konflikt genauso schnell verebbt wie Ihr Interesse an der Zukunftsdebatte. Letzteres bedauere ich allerdings. Das Heraufbeschwören eines Ost-West-Konfliktes im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Volksentscheid finde ich nicht nur unsensibel, sondern in höchstem Maße verantwortungslos.
Wir nehmen durchaus zur Kenntnis, dass Sie mit einem Erfolg des Volksentscheides rechnen. Vor diesem Hintergrund ist es natürlich auch legitim, dass die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen argumentativ ihr Gesetz verteidigen, genauso wie das Bündnis seinen Gesetzentwurf verteidigt. Die Menschen haben ein Recht auf eine transparente Diskussion. Doch was Sie getan haben, geht über eine Nothilfe für das Kinderförderungsgesetz hinaus. Sie haben der Ost-West-Debatte einen merklichen Schaden zugefügt.
Anstatt Ihrer Rolle als Ministerpräsident gerecht zu werden und Vorurteile zwischen Ost- und Westdeutschland abzubauen, schüren Sie diese noch. Das finde ich besonders schade vor dem Hintergrund, dass Sie als Präsident des Bundesrates durchaus Türen für SachsenAnhalt und Ostdeutschland geöffnet haben, die Sie aber jetzt mit voller Wucht wieder zuschlagen.
Gerade weil das Thema Solidarpakt so sensibel ist - wie Sie es selbst treffend festgestellt haben -, erwarte ich von Ihnen, dass Sie damit auch sensibel umgehen. Sie haben stattdessen zum einen versucht, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes zu erpressen und ihnen einen schlechtes Gewissen einzureden.
Zum anderen war es vielleicht auch ein Versuch, bei Ihren Amtskollegen in den so genannten Geberländern um gut Wetter zu bitten.
Doch wollen Sie tatsächlich, dass Sachsen-Anhalt lediglich ein Anhängsel von Bayern wird und vor jeder anstehenden Entscheidung um Erlaubnis bittet?
Oder wollen Sie nicht, dass wir ein selbständiges Bundesland bleiben und dass sich Sachsen-Anhalt selbstbewusst gegenüber den anderen Bundesländern behauptet und vor allem eigene Werteentscheidungen trifft?
Warum sollte Sachsen-Anhalt nicht stolz darauf sein, sich bei der politischen Prioritätensetzung für Kinder und ihre Bildung entschieden zu haben?
Warum sollte Sachsen-Anhalt nicht den Mut haben, selbstbewusst in das Fundament einer Gesellschaft zu investieren?
Lassen Sie es uns doch den anderen Bundesländern vormachen, wie es geht, damit diese ihre Standards in der Kinderbetreuung anheben. Davon haben alle etwas. Das entspricht im Übrigen auch den Empfehlungen der OECD.
Ich denke, gerade im Bereich der Kinderbetreuung sollte es nicht um einen Abbau Ost, sondern um einen Aufbau West gehen. Denn in Fragen der Kinderbetreuung sind die alten Bundesländer Entwicklungsland; da sollten wir ihnen doch als Expertinnen hilfreich zur Seite stehen.
Wissen Sie, Herr Ministerpräsident, wenn die Verteidigung einer hohen Qualität in der Kinderbetreuung, wie von Ihnen festgestellt, keine Sympathien bei Herrn Eichel oder Herrn Stoiber bringt, kann ich damit gut leben. Entscheidend ist für mich und meine Fraktion vielmehr, dass wir in diesem Land endlich erkennen, was für uns tatsächlich wichtig ist.
Interessant finde ich im Übrigen auch, wer sich alles in der Ost-West-Debatte zu Wort meldet und Ängste schürt. Wie leicht gehen doch die Floskeln über die Lippen, dass die Gesellschaft durch Egoismus geprägt ist. Die Rede ist von einer so genannten Ellenbogengesellschaft und davon, dass es kein Miteinander und kein Füreinander mehr gibt. Doch glauben Sie allen Ernstes, dass Sie diesem Trend entgegenwirken, indem Sie Zwietracht sähen, indem prophylaktisch angekündigt wird, wie beispielsweise von Ihrem Staatssekretär Willems, dass eine Verbesserung - auch er spricht von einer Verbesserung - der Kinderbetreuung zulasten der schulischen Bildung geht?
Oder glauben Sie, dass es hilfreich ist, wenn sich der Ministerpräsident hinstellt und von einer konsumorientierten Mehrheit spricht?
Herr Böhmer, sind Sie allen Ernstes der Meinung, dass Menschen, die von ihrem in der Verfassung festgeschriebenen Recht Gebrauch machen und sich für mehr Rechte für Kinder einsetzen - denn diese Intention steht zweifelsohne hinter dem Volksentscheid -, konsumorientiert sind?
(Beifall bei der PDS - Unruhe bei der CDU - Herr Gürth, CDU: Quatsch! - Zuruf von Frau Feußner, CDU)
Es geht bei dem Volksentscheid nicht um mehr Spielzeug oder mehr Computerspiele, sondern es geht um die Rechte von Kindern, die nicht zu einem Geld verschlingenden Kostenfaktor degradiert werden dürfen.