Hinzu komme, dass die Spanne - so die Pisa-Studie - zwischen den besten Leistungen und den schwächsten nur in Belgien breiter ist als in Deutschland. Dabei belegen Erfahrungen anderer Länder, dass ein relativ hohes durchschnittliches Kompetenzniveau bei deutlich geringerer Leistungsstreuung auch ohne Einbußen bei den Spitzenleistungen erreicht werden kann. Dort, wo das erreicht wird, gibt es allerdings keine Hauptschulklassen.
Aber all das führt eben nicht zum Umdenken in der Koalition. Im Gegenteil, aus Sorge um das Niveau am Gymnasium werden nun für die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern ohne entsprechende Schullaufbahnempfehlung Leistungsüberprüfungen vorgesehen.
Zu den schlechten Ergebnissen der Pisa-Studie gehört weiterhin, dass nur 4,1 % der Schülerinnen und Schüler die höchste Kompetenzstufe erreichen, aber über 20 % in die so genannte Risikogruppe eingeordnet werden müssen. Fast 10 % erreichen nicht einmal die unterste Kompetenzstufe. An den Hauptschulen gehört fast jeder Zweite zur Risikogruppe. Das ist eine Katastrophe, und die Landesregierung lernt nicht.
Dabei weist der Unterschied in der Bewertung von Problemlösungskompetenzen im Vergleich zur mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenz darauf hin, dass längst nicht alle intellektuellen Potenziale von Jugendlichen auch in den unteren Kompetenzbereichen ausgeschöpft sind. Am meisten muss jedoch zu denken geben, dass die Wahl der Schulform das Kompetenzniveau bestimmt, das erreicht werden kann. Wenn man dann noch bedenkt, dass der Besuch einer Schulform viel stärker als in anderen Ländern vom sozialen und vom Bildungshintergrund des Elternhauses abhängt, dann wird das Desaster des bundesdeutschen Bildungssystems gänzlich offensichtlich.
Der Bildungshintergrund und der soziale Hintergrund bestimmen das Schulniveau, das Schulniveau das Kompetenzniveau, und damit ist ein bestimmter Teil von Kindern von vornhinein abgeschrieben.
Eigentlich müsste das der Landesregierung nun endgültig zu denken geben; denn die Leistungsfähigkeit von Schülerinnen und Schülern wird in unterschiedlichen Schulformen eben nicht in gleicher Weise entwickelt und gefördert. Das ist nachweisbar. Bei der achten Schulgesetznovelle „ersparte“ die Landesregierung den vermeintlichen Hauptschülerinnen gleich ein volles Schuljahr, indem sie die Vollzeitschulpflicht auf neun Jahre begrenzte. Das war ein Fehler.
Nun hätte man diese Fehlentscheidung mit dieser Gesetzesnovelle beheben können. Aber ein entsprechender Antrag der PDS-Fraktion wurde abgelehnt.
Auch andere Anträge der Fraktion der PDS zur Verbesserung der Durchlässigkeit zwischen den Bildungsgängen und der Profilierung der Sekundarschule als eine dem Gymnasium gleichwertige Schulform fanden keine Mehrheit. Die Lernfähigkeit dieser Landesregierung und der Koalition, die sie trägt, scheint ausgeschöpft zu sein.
Darum müssen wir konstatieren, dass Chancengleichheit und Durchlässigkeit zwischen den Bildungsgängen wohl auch künftig nur auf dem Papier stehen. Wer von der Sekundarschule auf das Gymnasium will, der wird es auch künftig schwer haben. Das liegt daran, dass an der Sekundarschule nicht optimal gefördert wird, sondern nur auf den Hauptschul- oder den Realschulabschluss hin unterrichtet wird; so steht es im Gesetz.
Zudem haben wir ausgerechnet, dass Sekundarschülerinnen und Sekundarschüler von der 5. bis zur 9. Klasse gemessen an der für das Gymnasium geltenden Stundentafel bis zu 600 Unterrichtsstunden weniger erhalten als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler an den Gymnasien. Wer mit so viel weniger Unterricht in Lerngruppen mit einem geringeren Anspruchsniveau Leistungen entwickeln soll, die noch einen erfolgreichen Abschluss des Gymnasiums bei einem späteren Übergang ermöglichen, der muss überdurchschnittlich gut sein. Er oder sie hat ungleich schwierigere Bedingungen als Schülerinnen und Schüler, die gleich an das Gymnasium gehen. Das ist das Dilemma dieses Schulsystems.
Aber die Landesregierung bewegt sich keinen Millimeter. Wenn der Begriff Schulverweigerung hier nicht zutrifft, dann eine Bildungsverweigerung. Eine ideologische Verbissenheit mache ich hier schon aus.
Nun wirkt leider auch hier das zwangsweise Zuführen - wie bei Ihnen zum Beispiel, Herr Tullner - ebenso wie bei jenen Schülerinnen und Schülern nicht, die nun zwangsweise der Schule zugeführt werden sollen. So entsteht keine Motivation, bei der Landesregierung nicht und bei Schülerinnen und Schülern schon gar nicht. Die Landesregierung bleibt bei ihrer Philosophie: Straff gliedern, und wenn das nicht hilft, restriktiv nachregeln, und dazwischen öfter einmal in die Richtung der Eltern rufen: Haltet den Dieb!
Nun können die Eltern nicht allzu viel für dieses verkorkste Schulsystem. Sie wissen vielleicht nur keinen Ausweg. Das ist auch nicht ihre Aufgabe, die der Landesregierung aber schon. Das grundlegende Bildungsverständnis bleibt eben auch mit diesem Gesetz selektiv. Die in Sachsen-Anhalt zu vergebenden Schulabschlüsse werden nicht gleichwertig sein. Die Chancen, mit diesen Abschlüssen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu landen, bleiben sehr unterschiedlich; sie sind mit dem Hauptschulabschluss ausgesprochen schlecht.
Immerhin beginnen anderswo in Deutschland auch Landesregierungen zu reagieren. So hat die Landesregierung von Schleswig-Holstein eine Studie darüber in Auftrag gegeben, wie das Schulsystem in ihrem Land zu verbessern sei. Auch dort konstatierte der Autor - ich zi
tiere - „erhebliche Zweifel an den Chancen einer Verbesserung der Durchlässigkeit im gegliederten Schulsystem, vor allem in Bezug auf die Anschlussfähigkeit erworbenen Wissens beim späteren Wechsel in einen anspruchsvolleren Bildungsgang“.
Wer einen kritischen Blick auf die Rahmenrichtlinien und Bildungsziele der Bildungsgänge in Sachsen-Anhalt wirft, der muss für Sachsen-Anhalt das Gleiche feststellen. Schleswig-Holstein hat sich beraten lassen und wird hoffentlich der Empfehlung folgen, weiterführende Bildung durchgängig in den Schulen bereitzustellen, die alle Schülerinnen und Schüler - ich zitiere - „nach Beendigung der Grundschulzeit aufnehmen, optimal fördern und zu allen Abschlüssen der Sekundarschule führen können“. Vielleicht sollte sich die Landesregierung in Sachsen-Anhalt auch einmal beraten lassen.
Wir haben nach der Ablehnung eines Großteils unserer Anträge auf eine ausführliche Debatte über die Anträge verzichtet und Ihnen nicht noch einmal alle Anträge vorgelegt.
Zu zwei Änderungsanträgen der PDS-Fraktion möchte ich aber dennoch ganz schnell etwas sagen. Der eine befasst sich mit den Waldorfschulen. Hierzu gibt es auch den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP, der allerdings nur den einen Punkt betrifft. Diesen ersten Punkt unseres Änderungsantrags könnten wir zurückziehen, wenn der wegen des Änderungsantrags der Fraktionen der CDU und der FDP geänderte Antrag von uns dann so angenommen wird. Das wäre möglich.
Auf dem zweiten Teil müssen wir allerdings dann doch bestehen. Er betrifft die pädagogischen Konzepte der Waldorfschule, die sich eben nicht mit denen in anderen Schulen vergleichen lassen. Wir haben festgestellt, dass eine Benachteiligung von Waldorfschulen entstünde, wenn wir diese Veränderung nicht machen.
Ein zweiter Änderungsantrag bezieht sich auf den Entschließungsantrag der Koalition, mit dem nun doch Lockerungen bei der Genehmigungsfähigkeit von Anfangsklassen angestrebt werden, was wir begrüßen.
Wir wollen aber auch die besondere Situation von Mehrfachstandorten in die Debatte bringen. Infolge der Schwankungen der Schülerzahlen und erst recht infolge der Aufhebung von Schulbezirken wird es zu einer erheblichen Instabilität der Schulnetze innerhalb von solchen Mehrfachstandorten kommen. Dies wird zu Disparitäten bei der Nutzung von Schulgebäuden führen, wenn wir es nicht bei Wahrung der Gesamtschülerzahl am Standort möglich machen, dass zwischen den Einzelstandorten ausgeglichen werden kann.
Dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion können wir zustimmen. Ich bitte ansonsten auch um Zustimmung zu unseren Anträgen. - Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte bereits in der ersten Lesung
des Gesetzentwurfs betont, dass mit der heute zu beschließenden Änderung des Schulgesetzes kein weiterer struktureller Umbau des Schulsystems im Land verbunden werden soll. Es geht vielmehr darum, mithilfe einer Reihe von Verbesserungen die Qualität und die Funktionalität des Systems schulischer Bildung zu erhöhen.
Dass dies nur schrittweise passieren kann, wird jedem klar, wenn er sich den Weg vor Augen führt, um landesweit mithilfe einer Gesetzgebung positive Wirkungen in den Klassenzimmern und vor allen Dingen in den Köpfen der Schülerinnen und Schüler zu initiieren. Bei der vorliegenden Änderung des Gesetzes stehen Fragen der inneren Schulgestaltung und der Qualitätssicherung im Mittelpunkt.
Die Qualität der schulischen Bildung wird mit der Einführung von Bildungsstandards und Lehrplänen, mit der Stärkung der Schulprogrammarbeit und mit der Einführung einer verpflichtenden Fortbildung der Lehrkräfte verbessert. Die geleisteten Fortbildungen werden für den Einzelnen in Zukunft in einem Fortbildungspass dokumentiert.
Die gesetzliche Fixierung der neu geordneten Schulaufsicht und deren Aufgaben wie die Bereiche der inneren und äußeren Schulevaluation bilden einen weiteren Schwerpunkt der Gesetzesänderung. Die Zusammenarbeit zwischen Kindertagesstätten und Grundschulen wird durch die landesweite Einführung der Schuleingangsphase an den Grundschulen eine neue Qualität erfahren müssen. Eine Zurückstellung schulpflichtiger Kinder soll es nur noch in ganz besonderen Ausnahmefällen geben.
Meine Damen und Herren! Ein Ziel der FDP-Fraktion war es, die Aufhebung der Schuleinzugsbereiche im Schulgesetz zu verankern. Ab dem 1. August 2006 haben die Schulträger die Möglichkeit, auf die Festlegung von Schuleinzugsbereichen für die Grund- und Sekundarschulen zu verzichten und durch vertragliche Vereinbarungen zwischen benachbarten Schulträgern kommunale Grenzziehungen für Schülerinnen und Schüler durchlässig zu machen. Dies ermöglicht es den Schulträgern, den Eltern nach den jeweiligen Gegebenheiten vor Ort die Wahl der Schule zu überlassen.
Im direkten Zusammenhang mit dieser Öffnung ist der heute zu diskutierende Entschließungsantrag zu sehen. Mit dem hierin formulierten Auftrag zur Ausgestaltung der untergesetzlichen Regelungen zur Schulentwicklungsplanung sollen die in der sehr schwierigen Diskussion im letzten Jahr als bestandsfähig durch die kommunale Schulentwicklungsplanung bestätigten Schulstandorte auch unter den Bedingungen sich verändernder Schülerzahlen, die bei der Öffnung der Schuleinzugsbereiche möglich sind, gesichert werden.
Es ist kein Schritt zurück, wie die Opposition gern glauben machen möchte, sondern nur konsequent, wenn wir unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung mehr Flexibilität und Wettbewerb langsam etablieren wollen. Wir haben in diesem Hause sehr emotionale Debatten über die Notwendigkeit und die Umsetzung der Schulentwicklungsplanung geführt. Inzwischen ist Sachlichkeit eingekehrt und ein realistischer Blick ist möglich.
Meine Damen und Herren! Von besonderer Bedeutung für die Schulen in freier Trägerschaft sind die Änderungen, mit denen die Regelungen für die Schulaufsicht präzisiert werden, indem die Bestimmungen für die Lehr
kräfte und Schulleitungen der freien Schulen zusammengefasst und Verwaltungsvereinfachungen vorgenommen werden. Hierbei geht es unter anderem um Gleichwertigkeitsregelungen statt strikter formaler Vorgaben hinsichtlich der Lehrpläne bzw. der Unterrichtsorganisation oder der Beschäftigung von Lehrerinnen und Lehrern bzw. der Feststellung deren Qualifikation.
Die freien Träger ermöglichen durch ihre verschiedenen pädagogischen Konzepte eine inhaltliche und weltanschauliche Ausrichtung und eine Organisationsform sowie eine Vielfalt in der Schullandschaft, die von staatlichen Schulen nicht annähernd erreicht wird. Es war deshalb unser Ziel, die Stellung der freien Träger zu verbessern. Durch eine Änderung der Fördermodalitäten haben wir jetzt die finanzielle Belastung der zukünftigen Schulträger reduzieren können. Künftig wird es leichter, eine Schule in freier Trägerschaft neu zu etablieren, da über gesetzlich fixierte vorzeitige Finanzhilfen mehr Sicherheit gewährleistet wird.
Es ist richtig, dass sehr kontrovers über die Regelung des Übergangs von der Grundschule auf das Gymnasium diskutiert wurde. In zahllosen Gesprächen mit Schulleitern, Lehrern der verschiedenen Schulformen, Verbänden und Eltern sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass wir beim Abweichen von der qualifizierten Schullaufbahnempfehlung, die die Grundschulen ausgeben, eine gesonderte, von der Entscheidung der Eltern unabhängige Eignungsfeststellung fordern; denn es gibt in der Tat Fälle, bei denen Elternwille und bescheinigtes Leistungsvermögen des Kindes nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. An dieser Stelle bekommt in Zukunft eine wohl überlegte, pädagogisch begründete Entscheidung das Primat.
Es ist falsch und auch ein Stück weit diffamierend, hier eine soziale Differenzierung zu unterstellen. Wir entwickeln sicherlich ein System, das an den Zugang zu Bildungsgängen Leistungsanforderungen knüpft. Es ist aber in sich nicht sozial determiniert. Gleichwohl erkenne ich an, dass das Problem der sozialen Differenzierung besteht, aber es ist ein falscher Weg, dieses Problem durch eine Nivellierung von Leistungsstandards zu lösen.
Vielmehr muss frühzeitig Förderung greifen und die Durchlässigkeit der Bildungsgänge gewahrt und erhöht werden.
Die im Gesetz neu verankerte Verpflichtung der Schulen, Schülerinnen und Schüler beim Wechsel von Bildungsgängen zu fördern, ist mehr als ein Symbol.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluss den Änderungsantrag in der Drs. 4/1973 zu dem Entwurf des Schulgesetzes der Landesregierung einbringen. Mit der Vorlage greifen wir, die Koalition, auch die von der PDS thematisierte Gleichbehandlung von Schulen mit besonderer pädagogischer Bedeutung mit anerkannten Ersatzschulen auf. Wir beschränken uns dabei auf den ersten Teil, auf die Gewährung der vorzeitigen Finanzhilfe.
Nach intensiver Diskussion über die Schulgesetzentwürfe, die in der gemeinsamen Behandlung Berücksichtigung fanden, legen wir ein Gesetz zur weiteren Erhö