Protokoll der Sitzung vom 28.01.2005

Aber nun zum eigentlichen Thema. Kurz nachdem der Mörder von Moshammer aufgrund von DNA-Spuren aufgegriffen werden konnte, kamen die ersten Forderungen insbesondere von der CDU und der CSU auf, die DNAAnalyse routinemäßig anzuwenden und auf alle Straftäter auszuweiten. Verwunderlich beim Ausgangspunkt der Debatte ist erst einmal ein Fakt: Der Fall Moshammer zeigt eigentlich sehr klar und deutlich, dass die bisherigen gesetzlichen Grundlagen ausreichend sind; denn genau auf dieser Grundlage wurde der Mörder von Moshammer ergriffen.

Jetzt sollen nach der Vorstellung derjenigen, die eine Ausweitung wollen, nicht nur Straftaten von erheblicher Bedeutung, sondern nach Plänen der Union auch Bagatelldelikte künftig zu DNA-Analysen berechtigen. Die DNA-Analyse, so tönt Bayerns Ministerpräsident, müsse der Fingerabdruck des 21. Jahrhunderts werden. In dieses Horn bläst auch der hiesige Innenminister, indem er fordert, dass die DNA-Analyse zur Routine bei jeder Tatortarbeit werden müsse,

(Unruhe)

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, etwas leiser zu sprechen.

- vielen Dank, Herr Präsident - genau so wie der Fingerabdruck. Aus meiner Sicht ist die Gleichstellung von Fingerabdruck und DNA-Analyse Unfug und falsch. Aus Fingerabdrücken kann man nun mal weder das ungefähre Alter noch gewisse Krankheitsbilder bzw. bestimmte Krankheitslagen ableiten.

Und auch das muss bedacht werden: Eine Schuppe oder ein Haar kann man an einem Tatort leichter verlieren, als man einen Fingerabdruck hinterlässt. Unschuldige Bürger und Bürgerinnen können somit sehr schnell in das Visier der Ermittler geraten. Das Prinzip der Unschuldsvermutung wird dadurch umgekehrt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 14. Dezember 2000 die Ermittlungsarbeit mit dem so genannten genetischen Fingerabdruck für grundgesetzkonform erklärt, aber zugleich hohe Hürden gesetzt. Das ist auch gut so, da das einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Bürgerinnen und Bürger bedeutet. Selbst Genforscher, die dem Anliegen der CDU/CSU folgen, wie Matthias Platzer aus Jena, mahnen im Nachsatz:

„Die Forschung wird neue Erkenntnisse über weitere Erbinformationen einer DNA bringen und damit auch ein Datenschutzproblem.“

Meine Damen und Herren! Am gestrigen Tag hat der Deutsche Bundestag auf Grundlage eines CDU/CSUAntrages über die Ausweitung der DNA-Analyse diskutiert. Der Freistaat Bayern bereitet zurzeit eine Bundesratsinitiative vor, welche nächste Woche eingereicht werden soll.

Sowohl von Bundesinnenminister Schily wie auch aus anderen SPD-Kreisen wird offen Sympathie für eine solche Ausweitung signalisiert. Das hat uns veranlasst, diesen Antrag heute und hier zu stellen. Wir wollen, dass der Landtag ein klares Signal gegen eine weitere Ausweitung der DNA-Analyse setzt.

Gegner der Ausweitung der DNA-Analyse werden als Technikfeinde beschimpft, die Ängste schüren, statt Kriminalität zu bekämpfen. Ich sage: Es geht nicht um Technikfeinde, es geht um Bürgerrechtsfreunde; denn die DNA fällt unter das informationelle Selbstbestimmungsrecht, und das ist durch das Grundgesetz geschützt.

(Zustimmung bei der PDS)

Das sollten wir auch heute und hier tun. Deshalb, meine Damen und Herren, bitte ich um Unterstützung des PDS-Antrages. Meine Damen und Herren von der FDP, Sie haben jetzt die zweite Möglichkeit, sich an dieser Stelle als Bürgerrechtspartei zu zeigen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der PDS - Herr Wolpert, FDP: Ihre Hausaufgaben machen Sie mal schön sel- ber!)

Vielen Dank, Herr Gärtner. - Meine Damen und Herren! Nun hat für die Landesregierung Herr Justizminister Becker um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Justizminister.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Verehrter Herr Gallert, mit Ihrem Antrag auf ein Verbot der Ausweitung der DNA-Analyse und gegen eine entsprechende Bundesratsinitiative umschleichen Sie die Koalition gleichsam wie der Fuchs den Hühnerhof. Sie wollen Unruhe in die Koalition hineinbringen.

(Herr Tullner, CDU: Das wird Ihnen nicht gelin- gen!)

Aber das wird Ihnen nicht gelingen, verehrter Herr Gallert. Das wird Ihnen nicht gelingen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Zu- ruf von Herrn Gallert, PDS)

Denn ich bin mir natürlich mit meinem Kollegen Kosmehl darüber einig, dass er dazu eine andere Position als ich und als ein Großteil der CDU einnimmt. Nur, das hält diese Koalition aus.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Das kann sie aushalten; denn sie deckt ein sehr großes politisches Spektrum unserer Gesellschaft ab. Da gibt es eben Kosmehls, da gibt es Beckers, da gibt es Stahlknechts und noch einige andere. Sie markieren ganz bestimmte Punkte und ganz bestimmte Meinungen. Darauf sind wir auch stolz.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Ich verhehle auch gar nicht, mein verehrter lieber Herr Gallert, dass wir uns in dem Punkt eigentlich näher bei der SPD befinden. Den SPD-Antrag könnte ich vollkommen unterstützen und auch unterschreiben.

(Zuruf von Frau Mittendorf, SPD)

Deshalb werde ich namens der Landesregierung anregen, dass wir nicht das tun, was wir am liebsten täten, nämlich Ihren Antrag abzulehnen, sondern dass wir ihn hineintragen in den Ausschuss für Recht und Verfassung und dass wir uns dort über die Problematik unterhalten und eine Anhörung durchführen. Ich rege an, dass wir zur Anhörung zur DNA zum Beispiel Herrn Professor Dr. Krause vom Institut für Rechtsmedizin von der hiesigen Universität, den Direktor des Landeskriminalamts Herrn Hüttemann, den Generalstaatsanwalt, einen Vertreter des Bundeskriminalamtes, den Inhaber des Lehrstuhls für Strafprozessrecht an der Universität in Halle Herrn Professor Dr. Lilie und auch den Landesbeauftragten für Datenschutz in Sachsen-Anhalt einladen.

(Zuruf von Frau Dr. Sitte, PDS)

Ich bin nämlich der Überzeugung, dass wir alle noch lernen müssen. Wenn ich an Herrn Kosmehl denke und mir Herrn Kosmehl ansehe, dann, verehrter Herr Kollege, erinnere ich daran, was Ihr Parteifreund van Essen vor zwei Tagen im Rechtsausschuss des Bundestags angekündigt hat. Er hat nämlich gesagt, er wolle einen Vorschlag vorlegen, der die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt. Also habe ich Hoffnung, dass wir uns infolge der Anhörung sehr stark aufeinander zu bewegen.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

Deshalb, meine ich, ist es gut, wenn dieser Antrag nicht, wie Sie, Herr Gallert, es wollten, abgelehnt wird, sodass es Zwist gibt, sondern dass wir uns darüber unterhalten und dass wir auch den Antrag der SPD mitnehmen. Dann wird daraus ein Schuh; denn auch die SPD - das muss ich sagen - ist in Bezug auf dieses Problem geradezu führend, wenn ich nur an Herrn Schily denke.

(Zuruf von Herrn Reck, SPD)

Lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, hier einiges zur DNA-Analyse zu sagen.

(Zuruf von Herrn Reck, SPD)

- Herr Reck, bitte?

(Zuruf von Herrn Reck, SPD)

- Ja. Aber Schily ist doch ein Markenzeichen, verehrter Herr Kollege Reck. Wir wären alle froh, wenn wir so einen Schily in unseren Reihen hätten. Das ist doch unser Problem. Da sind wir ganz ehrlich.

(Heiterkeit und Zustimmung von allen Fraktionen - Zuruf von Frau Dr. Weiher, PDS)

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, auch einmal etwas dazu zu sagen, was wir in Sachsen-Anhalt zum Beispiel aufgrund der DNA-Analyse alles erreicht haben. Etwa im Jahr 1998 wurde die Tötung einer 84-jährigen Rentnerin aufgeklärt. Am Waschbecken konnte eine winzige Blutspur sichergestellt werden. Aufgrund der DNA-Analyse wurde der Angeklagte überführt und zu einer mehrjährigen Jugendstrafe verurteilt.

Ein zweites, anderes Beispiel. Bei einer Serienstraftat in Magdeburg, bei der im Zeitraum von 1991 bis 2001 alleinstehende Frauen in ihren Wohnungen überfallen, erpresst und teilweise vergewaltigt wurden, kam es aufgrund der DNA-Spuren schließlich zur Überführung des Angeklagten im September 2004.

(Zuruf von Herrn Reck, SPD)

- Herr Reck, hören Sie bitte zu. - Der Angeklagte wurde zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Ein dritter Fall aus dem Jahr 2002, ein Mord. An einer gefesselten Leiche konnte DNA-taugliches Material sichergestellt werden, das aufgrund weiterer Indizien vom Täter stammen musste. Der Angeklagte wurde überführt und zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt.

Schließlich konnte die Tötung von mehreren Neugeborenen auf diese Weise aufgeklärt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es steht zu erwarten, weil angekündigt, dass die Länder Bayern und Hessen eine Gesetzesinitiative auf den Weg bringen werden. Danach soll die DNA-Analyse künftig unter ähnlichen Voraussetzungen wie ein normaler Fingerabdruck durchgeführt werden. Dies soll im Wesentlichen durch zwei Punkte erreicht werden können:

Erstens. Die DNA-Analyse soll als einfache erkennungsdienstliche Maßnahme durchgeführt werden können. Damit sollen die nach geltendem Recht gemäß § 81g der Strafprozessordnung bestehenden Einschränkungen entfallen. Zurzeit müssen für eine DNA-Analyse zu erkennungsdienstlichen Zwecken noch zwei einschränkende Voraussetzungen erfüllt sein.

Zum einen muss der Beschuldigte einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verdächtig sein - das ist die so genannte qualifizierte Anlasstat. Zum anderen muss aufgrund vorliegender Erkenntnisse Grund zu der Annahme bestehen, dass gegen den Beschuldigten wieder Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind - das ist die so genannte qualifizierende Prognose.

Dies Anforderung sind allgemein als zu hoch anerkannt worden und haben sich als eine nicht gebotene Hürde erwiesen. Deshalb soll mit dieser bayerisch-hessischen Gesetzesinitiative erreicht werden, dass künftig allein der Tatverdacht und die einfache Prognose, dass der Beschuldigte erneut straffällig werden könnte, ausreichen. So wird dies übrigens auch schon bei dem konventionellen Fingerabdruck nach § 81b der Strafprozessordnung gehandhabt.

Zweitens. Die Anordnung über die Durchführung der DNA-Analyse soll die Polizei treffen.

Ich als Justizminister unterstütze diese Gesetzesinitiative; daher die Abgrenzung zu meinem lieben Kollegen Kosmehl. Aber ich denke, wir beide untereinander und auch wir im Ausschuss werden noch einige Überzeugungsgespräche führen.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

Das ist übrigens kein bloßer Populismus; denn ich habe bereits im Jahr 2003 eine ähnliche Initiative unterstützt.