Ich würde vorschlagen, dass wir der Anregung des Herrn Justizministers folgen sollten, im Rechtsausschuss eine Anhörung von wirklich Sachverständigen durchzuführen.
Der einfachste Weg, dorthin zu kommen, ist der, dass wir den PDS-Antrag mit dem Alternativantrag in den Rechtsausschuss überweisen,
Meine Damen und Herren! Die schnelle Aufklärung des Mordes an dem Münchner Rudolph Moshammer hat zu einer Zuspitzung der Debatte über die DNA-Analyse als Instrument der Verbrechensbekämpfung geführt.
Der bayerische Ministerpräsident hat auf den Ermittlungserfolg umgehend mit der Forderung reagiert, DNAAnalysen zum regulären erkennungsdienstlichen Instrument der Polizei zu machen. Dabei ist doch wohl der Ermittlungserfolg in diesem Fall auf der Grundlage des geltenden Rechts erzielt worden.
Leider lehnt der PDS-Antrag eine Ausweitung der DNAAnalyse ebenso undifferenziert ab, wie Herr Stoiber sie fordert.
Unser Alternativantrag zielt auf eine differenzierte Befassung mit den Chancen und Risiken. Wir gingen, als wir ihn formuliert haben, allerdings davon aus, dass der in der Justizministerkonferenz vereinbarte Fahrplan eingehalten wird, dass also im Monat April über das Ergebnis der Arbeitsgruppe „Effektivierung der DNA-Analyse“ beraten und möglichst im Konsens die Schlussfolgerungen daraus gezogen werden.
Es ist kein Beitrag zur Föderalismusreform, dass vor drei Tagen die Herren Stoiber und Koch entgegen diesem vereinbarten Fahrplan mit einem Gesetzentwurf vorgeprescht sind, der der Arbeitsgruppe der Justizministerkonferenz vorgreift. Ich registriere, dass in der Firma Böhmer und Becker solches keine Zustimmung findet; jedenfalls ist man nicht dabei.
Es ist meines Erachtens eine angemessene Reaktion auf das Vorpreschen von Bayern und Hessen, dass die Bundesministerin der Justiz gestern im Bundestag ihre Eckpunkte für die Fortentwicklung der DNA-Speicherung vorgestellt hat. Diese Eckpunkte will ich kurz wiedergeben. Sie sind in der Regierungskoalition im Bund abgestimmt und sie widerspiegeln den Diskussionsstand auch in der SPD-Landtagsfraktion.
Frau Zypries hat gestern festgestellt, dass bei der Untersuchung von anonymen Spuren am Tatort der Richtervorbehalt entbehrlich ist. Sie hat sich damit eine Position zu Eigen gemacht, die Manfred Püchel schon als Innenminister öffentlich vertreten hat.
Bei der Entnahme von Körperzellen beim Beschuldigten soll nach dem Willen der Bundesjustizministerin die richterliche Anordnung erforderlich bleiben, es sei denn, der Betroffene willigt in die Entnahme und die sich anschließende molekulargenetische Untersuchung ein. Eine weitere Ausnahme sieht Frau Zypries bei Gefahr im Verzug vor, also wenn die Untersuchung unaufschiebbar ist und der Ermittlungserfolg sonst gefährdet wäre.
Die Zulässigkeit der Speicherung zum Zwecke künftiger Strafverfolgung soll unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch bei mehrfachen einfachen Straftaten gegeben sein, wenn von diesem Täter weiter kriminelles Verhalten zu erwarten ist. Dazu bedarf es einer Prognose, für die es auf Art, Schwere und Begehungsweise der Taten des Anlassverfahrens und auf die Persönlichkeit des Täters ankommt. Dort ist also der Richtervorbehalt keineswegs entbehrlich.
Schließlich will die Bundesjustizministerin die Zulässigkeit von so genannten Reihengentests gesetzlich regeln.
Zu solchen Tests werden Teile der Bevölkerung zur Mitwirkung bei der Aufklärung einer schweren Straftat durch Abgabe ihrer Speichelprobe aufgerufen. Dabei geht es in der Regel um Mord oder um schwere Sexualdelikte, bei denen der Täter mit großer Wahrscheinlichkeit aus einem bestimmten Umfeld kommt.
Meine Damen und Herren! Beim Stichwort Reihengentests wird deutlich, wo in Sachsen-Anhalt das eigentliche Problem liegt. Es geht um die Analysekapazität, um die personellen und finanziellen Ressourcen der Polizei. Im Mordfall Maria Juhl hat es anderthalb Jahre gedauert, bis die rund 2 000 Speichelproben ausgewertet waren und man sich nun auf die Suche nach den Testverweigerern macht. Dabei geht es um einen fünfstelligen Eurobetrag - ein sicherlich angemessener Aufwand.
Wir sollten uns in den Ausschüssen mit der Auslastung der Analysetechnik, mit dem Personaleinsatz und mit der Länder übergreifenden Zusammenarbeit bei diesem Thema befassen, statt uns mit Gesetzgebungsvorschlägen zu übertrumpfen, bei denen die tatsächlichen Möglichkeiten eine Umsetzung gar nicht zulassen.
Der Gipfel war der Kollege Kolze mit seiner Forderung im Juni 2004, gentechnische Proben auch präventiv bei „auffälligen Personen“ - wer immer das sein mag - zu nehmen und dauerhaft zu speichern.
Die SPD-Landtagsfraktion hat sich schon mit ihrem Antrag „Besserer Schutz vor Sexualstraftätern“ vom 28. November 2001 für eine maßvolle Erweiterung der Gendatei ausgesprochen. Tatsächlich ist die von uns geforderte Erweiterung der DNA-Analyse auf alle Sexualstraftaten seit dem 1. April 2004 geltendes Recht. Wir haben an dieser Stelle nichts versäumt. Wir werden auch künftig nüchtern abwägen, welche Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit geeignet, erforderlich und angemessen sind.
Meine Damen und Herren! Ich darf die Anregung des Justizministers dahin gehend erweitern, dass wir die Überweisung federführend in den Rechtsausschuss, aber bitte mitberatend auch in den Innenausschuss vornehmen sollten. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Rothe. - Für die FDP-Fraktion erhält nun der Abgeordnete Herr Kosmehl das Wort. Bitte sehr, Herr Kosmehl.
Sehr geehrter Herr Minister Becker, wenn Ihr Wunsch, einen Schily in Ihren Reihen zu haben, Wirklichkeit werden würde, würde wahrscheinlich doch noch Unruhe in die Koalition kommen.
Was die Eckpunkte der Bundesjustizministerin betrifft, Herr Rothe, so kann ich Ihnen durchaus Gesprächsbereitschaft signalisieren. Was die Reihengentests betrifft, handelt es sich übrigens um eine Forderung, die die FDP seit einigen Jahren im Bundestag erhoben hat und wozu auch bereits ein Antrag eingebracht wurde. Also auch das ist nichts Neues. Was den Vorschlag zum Vorgehen bei mehrfach wegen einfacher Delikte Beschuldigten angeht, so hat die Bundesjustizministerin höchstwahrscheinlich aus einer Pressemitteilung des Justizministers von Baden Württemberg, Herrn Goll, vom 20. Januar 2005 abgeschrieben. Dort hat er genau diesen Vorschlag gemacht, den er auch der Justizministerkonferenz unterbreiten will.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! In gewisser unregelmäßiger Regelmäßigkeit - wenn Sie mir das so zu sagen erlauben - wird die Frage nach der Ausweitung der DNA-Analyse diskutiert. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die schnelle Aufklärung des Falles Moshammer die Diskussionen wieder neu entfacht hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die DNA-Analyse ist ein sehr wichtiges Instrument der Strafverfolgung. Niemand kann und wird die Erfolge dieses Instruments infrage stellen. Diesbezüglich stimme ich mit dem Justizminister völlig überein.
Zunächst muss es jedoch das Ziel sein, die vorhandenen gesetzgeberischen Spielräume vollumfänglich auszunutzen. Der Gesetzgeber ist nämlich stets schlecht beraten, wenn er in einem Hauruck-Verfahren emotionale Ereignisse als Anlass für Gesetzesänderungen nimmt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies, Herr Tullner, gilt insbesondere dann, wenn diese Gesetzesänderungen grundsätzlich einer verfassungsrechtlichen Prüfung bedürfen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich ganz kurz die derzeitige Rechtslage und die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts skizzieren.
Erstens. Die Strafprozessordnung erlaubt bereits heute bei allen Straftaten im Ermittlungsverfahren eine Untersuchung, um die DNA eines Beschuldigten mit etwa am Tatort aufgefundenem Spurenmaterial zu vergleichen.
Zweitens. Seit 1998 darf von einem Beschuldigten, der einer Straftat von erheblicher Bedeutung, insbesondere des Verbrechens einer gefährlichen Körperverletzung,
eines Diebstahls in besonders schwerem Fall, einer Erpressung oder einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verdächtig ist, eine DNA-Probe auch für mögliche zukünftige Strafverfahren entnommen und gespeichert werden.
Drittens. Ebenfalls seit 1998 dürfen auch DNA-Proben von bereits Verurteilten noch nachträglich erfasst und gespeichert werden, wenn sie eine dieser Straftaten begangen haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie einen Blick in das DNA-Identitätsfeststellungsgesetz werfen und sich den Katalog angucken, welche Straftaten umfasst sind, der mittlerweile 41 Nummern enthält, werden Sie feststellen, dass dabei - aus meiner Sicht - keine Lücke mehr bleibt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch das Bundesverfassungsgericht war mehrfach mit dieser Problematik befasst. Insbesondere in dem Beschluss vom 15. März 2001 hat es sich intensiv mit der DNA-Analyse auseinander gesetzt und festgestellt, dass die Feststellung, Speicherung und künftige Verwendung der DNA in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift. Ausdrücklich hat das Bundesverfassungsgericht formuliert, dass die Anordnung einer Maßnahme für zukünftige Strafverfahren eine Straftat von erheblicher Bedeutung voraussetzt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, das Bundesverfassungsgericht hat zudem klargestellt, dass die DNA-Analyse mit dem herkömmlichen Fingerabdruck nicht vergleichbar ist.
Ich bin auch dieser Auffassung und damit widerspreche Ihnen, wenn auch ungern, Herr Minister, ausdrücklich.
Das ist auch weithin unstrittig, denn auch Ihr Ministerkollege aus Rheinland Pfalz, Herr Mertin, ist der Auffassung, dass die DNA-Analyse nicht mit dem herkömmlichen Fingerabdruck gleichzusetzen ist. Bereits heute sind aus dem nichtkodierten Bereich einer DNA Rückschlüsse - die Bestimmung des Geschlechts wurde bereits erwähnt - auf das ungefähre Alter sowie Hinweise auf bestimmte Krankheiten und auf die ethnische Herkunft möglich. Ich freue mich ausdrücklich auf die Anhörung. Dort werden wir das sicherlich noch einmal bestätigt bekommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich ganz kurz noch auf zwei Punkte eingehen. Zunächst ist das der Richtervorbehalt. Auch den werden wir diskutieren. Dabei ist durchaus offen, ob man bei so genannten anonymen Spuren tatsächlich einen Richtervorbehalt braucht. Das ist, denke ich, eine Diskussion, die in den nächsten Monaten rechtspolitisch und vielleicht innenpolitisch geführt werden muss. Auf den Richtervorbehalt hinsichtlich Personenspuren werden wir nicht verzichten können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir als Liberale fordern seit Jahren eine gesetzliche Grundlage für so genannte Massengentests - übrigens nicht nur für Massengentests im Bereich der Strafprozessordnung, sondern durchaus auch - ich würde da weitergehen - im zivilen Bereich. So will ich das einmal nennen.