Protokoll der Sitzung vom 14.04.2005

Vielen Dank, Herr Ruden. - Möchte jemand dazu das Wort nehmen? - Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Nach § 46a Abs. 5 des Abgeordnetengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt ist der Sonderausschuss verpflichtet, nach dem Abschluss seiner Tätigkeit einen Bericht vorzulegen. Der Sonderausschuss ist dieser Pflicht mit dem Bericht in der Drs. 4/2126 und der heutigen Berichterstattung nachgekommen. Ich stelle fest: Der Landtag hat damit den Bericht zur Kenntnis genommen. Der Tagesordnungspunkt 13 ist somit erledigt.

Wir hatten uns für heute noch zwei Tagesordnungspunkte vorgenommen. Ich ziehe den Tagesordnungspunkt 15 vor, weil er insgesamt nur zwei Minuten dauern soll.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Beratung

Neuwahl der Vertrauensleute und deren Stellvertreter für den bei dem Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt zu bestellenden Wahlausschuss gemäß § 23 der Finanzgerichtsordnung

Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der PDS und der FDP - Drs. 4/2127

Der Einbringer des Antrages ist Herr Zimmer. Bitte, Herr Zimmer, nehmen Sie das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann meine Rede kurz halten. Ihnen liegt ein interfraktioneller Antrag vor. Es geht hierbei darum, dass das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt auch mit ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern arbeitet. Deren fünfjährige Amtszeit endet am 5. September 2005.

Die ehrenamtlichen Richter werden nicht vom Landtag gewählt, sondern dafür gibt es einen Wahlausschuss. Ihm gehören unter anderem sieben Vertrauensleute an. Diese Vertrauensleute wiederum müssen durch den Landtag gewählt werden, das heißt, es gibt dafür zwei Verfahrensmöglichkeiten. Entweder läuft das Prozedere im Plenum oder mit dieser Aufgabe wird der Ausschuss für Recht und Verfassung beauftragt.

Bei allen bisherigen diesbezüglichen Verfahren haben wir von der zuletzt genannten Möglichkeit Gebrauch gemacht. So sollte auch für diesen Sachverhalt der Ausschuss für Recht und Verfassung bestimmt werden, die

Wahl der Vertrauensleute und deren Vertreter für den beim Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt zu bestellenden Ausschuss durchzuführen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Zimmer. - Wünscht jemand dazu das Wort zu nehmen? - Das ist nicht der Fall. Somit können wir über den Antrag in der Drs. 4/2127 abstimmen. Wer stimmt zu? - Das sind offensichtlich alle. Stimmt jemand dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist der Ausschuss für Recht und Verfassung beauftragt worden, die Wahl der Vertrauensleute und der Stellvertreter vorzunehmen. Der Tagesordnungspunkt 15 ist beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14, den letzten für den heutigen Tag, auf:

Erste Beratung

Übergang zur Grundschule

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/2117

Ich bitte Frau Dr. Hein, die Einbringung vorzunehmen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schulreformen haben in der Bundesrepublik einen schweren Stand. Da bekommen es Politikerinnen und Politiker gerade noch hin, wenn auch oft nach endlosen Debatten und nicht selten ideologischer Kleingeisterei, einen Beschluss zur Veränderung des Systems Schule zu fassen.

Aber was ist das regelmäßige Schicksal solcher Beschlüsse? - Sie werden nach der Beschlussfassung entweder verbürokratisiert oder gleich ganz vernachlässigt. Die notwendigen Rahmenbedingungen werden nicht geschaffen oder sie fallen vor oder kurz nach der Einführung dem Streichkonzert des Finanzministers zum Opfer. Informationen kleckern zäh, zu spät oder gar nicht aus den Fenstern der Verwaltung.

Die Folge: Die Betroffenen gehen mit großer Skepsis an die neuen Methoden heran. Pädagoginnen und Pädagogen fühlen sich überfordert oder haben kein Interesse an der Umsetzung, weil sich ihnen der Sinn nicht erschließt, weil sie nicht wissen, wie die Umsetzung überhaupt erfolgen soll.

Eltern erfahren nichts von den Vorteilen der beschlossenen Segnungen für ihre Sprösslinge und halten das Abgehen vom Althergebrachten zumindest für vollständig verzichtbar, wenn nicht gar für schädlich. In der Konsequenz gelingt die Umsetzung auch nur punktuell oder gar nicht. Alle noch so weit hergeholten Vorurteile bestätigen sich, die Ablehnung wächst und der Widerstand gegen die eingeführten Veränderungen erhält Nahrung und öffentliche Resonanz. Die Landesregierung steht dumm da. Und dann? - Dann kommt eine Wahl. Nach der Wahl führt die neue Regierung die Reformen womöglich zurück. So ist es in Sachsen-Anhalt immer gewesen.

Nun gut, bei dem vorliegenden Thema wird das nicht zu befürchten sein; denn hierbei gibt es inhaltlich ausnahmsweise eine große Übereinstimmung zwischen den

Fraktionen im Landtag. Die Kritik an der Umsetzung beschlossener Reformvorhaben in der Öffentlichkeit aber bleibt.

An den nun gesetzlich verankerten Reformen der Grundschule liegt uns aus mehreren Gründen besonders viel: zum Ersten, weil alle Erfahrungen der letzten Jahre besagen, dass man später nicht nachholen kann, was in der frühkindlichen Bildung und in der Primarstufe versäumt wurde, zum Zweiten, weil die Grundschule das einzige Stück akzeptierte Gemeinschaftsschule oder auch Einheitsschule ist, in der, zum Dritten, auch als der derzeit einzigen Schulform ein Nachteilsausgleich möglich ist, indem insbesondere der Abhängigkeit der Bildungsergebnisse vom sozialen Status und vom Bildungshintergrund der Eltern erfolgreich entgegengewirkt werden kann.

Mithin sind die Grundschule und die vorschulische Bildung der Ausgangspunkt für mehr Chancengleichheit und höhere Bildungsbeteiligung. Damit sich nun die Grundschule dieser schwierigen Aufgaben widmen kann, braucht sie Stärkung. Das sage ich in dem Wissen, dass die Grundschule durch das Engagement der Lehrerinnen und Lehrer und der Erzieherinnen und Erzieher bereits in der Vergangenheit aus eigenem Antrieb ein hohes Innovationspotenzial entwickelt hat.

Die Landesregierung hatte nun mit dem von uns ansonsten kritisierten KiFöG und mit der neunten Schulgesetznovelle sehr viel versprechende Veränderungen an der Schnittstelle zwischen Kindergarten und Schule auf den Weg gebracht. Das betrifft den Bildungsauftrag im Kindergarten und die Zusammenarbeit von Grundschulen und Kindereinrichtungen, das Verfahren der Aufnahme in die Grundschule und die Gestaltung der flexiblen Schuleingangsphase. Gespräche mit Erzieherinnen, Lehrerinnen, Schulleiterinnen und Eltern lassen uns aber regelmäßig mit großer Beunruhigung zurück.

Offensichtlich gibt es bei der dafür notwendigen Vorbereitung und der Weitergabe der Informationen an die Akteurinnen, nämlich die Pädagoginnen und die Eltern, erhebliche Defizite und Unklarheiten über die Konditionen. Fortbildungen zur Zusammenarbeit von Kindereinrichtung und Schule soll es zwar geben, aber sie sind zumindest für die Erzieherinnen in den Kindereinrichtungen mit erheblichen Kosten verbunden.

Zur Aufnahme in die Grundschule gibt es seit mehr als einem Jahr einen Erlass und ein ausführliches erläuterndes Material auf dem Landesbildungsserver. Aber ist dies auch in den Kindereinrichtungen bekannt? Wie steht es in dieser Sache überhaupt mit der Zusammenarbeit zwischen den beiden Ministerien? Ich meine, wenn man das von den Einrichtungen erwartet, muss es auch oben geleistet werden.

Ganz verrückt wird es nun bei der Umsetzung der flexiblen Schuleingangsphase. Nun ist es sicherlich noch kein Kriterium, wenn die PDS-Fraktion nicht alle Anstrengungen des Kultusministeriums kennt. Das sagt zwar etwas über die schlechte Informationspolitik der Landesregierung gegenüber dem Parlament aus, aber noch nicht viel mehr.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Aber auch über die Unkenntnis der PDS!)

Darum schaue ich mir gelegentlich - das werden Sie von mir nicht anders erwarten - den Landesbildungsserver an. Wenn ich etwas nicht kenne, das das Kultusministe

rium in Gang gesetzt hat, suche ich zunächst dort. Das können seit März 2005 übrigens auch alle Lehrerinnen und Lehrer; denn es gibt jetzt Computer in den Schulleitungen.

(Herr Bischoff, SPD: Echt? - Frau Mittendorf, SPD: Ach ja?)

- Ja, seit März. Dazu gibt es einen Erlass. Sie sollen sogar zweimal in der Woche hineinschauen. Oder sogar schon dreimal?

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Es geht doch vor- wärts! - Heiterkeit und Zustimmung bei der PDS und bei der SPD)

- Warten Sie ab, Herr Minister. So lustig bleibt es leider nicht.

Ich gebe also in die Suchmaske den Begriff „flexible Schuleingangsphase“ ein und finde: eine leere Seite - keine Fortbildungsangebote, keine Konzeptionen, noch nicht einmal Erfahrungsberichte der 14 Modellschulen, die es seit 2000, also seit fünf Jahren, gibt. Auch beim Lisa werde ich nicht fündig.

Schaut man im Internet über eine Suchmaschine nach, dann findet man unter dem gleichen Suchbegriff 767 Einträge aus Brandenburg, aus Nordrhein-Westfalen, sogar aus Sachsen, nicht aber von der Landesregierung oder dem Fortbildungsinstitut in Sachsen-Anhalt.

(Herr Dr. Eckert, PDS, lacht)

Schulfachliche Dezernenten sollen auf konkrete Fragen von Lehrerinnen hin auch gelegentlich mit den Schultern zucken.

Was ist das für eine Reform, die sich in aller Heimlichkeit vollziehen soll, also offensichtlich im Schlaf? Die Frage ist vielmehr, wer da schläft. Die Lehrerinnen und Lehrer sind es nicht, sie sind hellwach. Vermutlich schläft das Kultusministerium. Das aber ist in keinem Fall hinzunehmen, und schon gar nicht - jetzt ist es immerhin April -, wenn der oberste Chef des Kultusministeriums Erziehungswissenschaftler und zudem Professor ist. Dann müssen die Leute sauer werden, und das werde ich auch.

Darum hoffen wir, dass die Landesregierung hierfür schnellstens Abhilfe schafft und die zuständigen Ausschüsse ausführlich über die eingeleiteten Maßnahmen informiert. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Dr. Hein. - Bevor wir die Fraktionen dazu hören, erteile ich Herrn Minister Olbertz das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag bietet immerhin die Gelegenheit, einen Überblick über die Arbeit der Landesregierung zur Gestaltung des Übergangs vom Vorschulbereich zur Schule zu geben.

Viele Defizite, die sich leider in der Biografie zu vieler Schülerinnen und Schüler einstellen, gehen in ihren Ursachen weit in die Kindheit zurück. Die Kinder kommen je nach Lebensumständen, familiärer Fürsorge und Förderung sowie individuellem Entwicklungsstand mit höchst unterschiedlichen Voraussetzungen an die Schu

le. Dann stellt sich oft das ein, was Franz Weinert als Matthäus-Effekt bezeichnete: Wer schon hat, dem wird gegeben.

Das heißt in diesem Fall: je besser die Ausgangsbedingungen, desto größer sind auch die Lernfortschritte. Leider geht es aber auch umgekehrt: je schlechter die Ausgangsbedingungen, desto größer sind auch die Hemmnisse für eine Erfolg versprechende und harmonische Entwicklung.

Für das Lernen ist die frühe Kindheit eine ganz entscheidende Phase. Der Erwerb der grundlegenden Kulturtechniken sowie die Einübung des sozialen Empfindens werden in dieser Zeit angebahnt. Das ist für die nachfolgende, auch für die schulische Bildung von erstrangiger Bedeutung; denn Bildung ist so etwas wie ein kumulativer Prozess. Ohne diese elementaren Kompetenzen, die Kommunikationsfähigkeit und die Interaktionsfähigkeit, ist Bildungsaufwuchs, der sich eben genau darauf stützt, nicht möglich.