Für das Lernen ist die frühe Kindheit eine ganz entscheidende Phase. Der Erwerb der grundlegenden Kulturtechniken sowie die Einübung des sozialen Empfindens werden in dieser Zeit angebahnt. Das ist für die nachfolgende, auch für die schulische Bildung von erstrangiger Bedeutung; denn Bildung ist so etwas wie ein kumulativer Prozess. Ohne diese elementaren Kompetenzen, die Kommunikationsfähigkeit und die Interaktionsfähigkeit, ist Bildungsaufwuchs, der sich eben genau darauf stützt, nicht möglich.
Das Bemühen, in diesen Ausgangsbedingungen einen größeren Ausgleich zu schaffen, hat also nichts mit Nivellierung zu tun. Es ist vielmehr ein Auftrag der sozialen Verantwortung. Dabei ist nicht nur an einen Ausgleich von Benachteiligungen zu denken. Es ist hinzuzufügen, dass auch besondere Begabungen, wenn sie nicht frühzeitig aufgegriffen und gefördert werden, verkümmern können.
Das Schulgesetz formuliert aus diesen Gründen in § 1 Abs. 3 übergreifend: Danach hat die Schule die Pflicht, „die individuellen Lernvoraussetzungen und Lernbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler (zu) berücksichtigen.“
Die Einmütigkeit hierüber in diesem Hause ist auch daran zu erkennen, dass vor vier Monaten in einem breiten Konsens eine Reihe von Änderungen im Schulgesetz beschlossen worden ist, zum Beispiel dass der Anfangsunterricht an Grundschulen an die Grunderfahrungen der Kinder anknüpfen soll und dass insbesondere Bildungsbereiche und Grunderfahrungen der Kinder in der vorschulischen Bildungsarbeit in Tageseinrichtungen berücksichtigt werden sollen. Dazu sollen Grundschulen und Tageseinrichtungen sowie Frühförderstellen bei der Vorbereitung des Schuleintritts zusammenarbeiten.
Die Schuleingangsphase, also die ersten beiden Schuljahrgänge, je nach Lernentwicklung der Schülerinnen und Schüler in ein bis drei Schuljahren zu absolvieren, gilt künftig an allen Grundschulen. Das ist der neue § 4 des Schulgesetzes.
Die Zusammenarbeit zwischen Grundschulen und Kindertagesstätten und natürlich den Eltern ist keine einseitige, ausschließlich auf die abnehmende Einrichtung, also die Schule, bezogene. Sie ist ebenso sehr von dem vernünftigen, in der Koalitionsvereinbarung gesetzten Ziel abgeleitet, die Kinder bereits im vorschulischen Bereich durch altersgerechte Bildungselemente und Übungsphasen auf das schulische Lernen vorzubereiten.
Beide zuständigen Ministerien haben sich diesen Aufgaben gestellt. Das Kultusministerium novellierte schon vor der Gesetzesänderung den Erlass zur Aufnahme an die Grundschulen. Das Ministerium für Gesundheit und Soziales erarbeitete für die Kindertagesstätten im Land Sachsen-Anhalt das Programm „Bildung elementar“, das
auch als Bezugsrahmen für die Zusammenarbeit zwischen Kindertageseinrichtungen und Grundschulen dienen soll.
Das Ministerium für Gesundheit und Soziales hat über das für die Fort- und Weiterbildung zuständige Landesjugendamt ab 2005 ein Programm aufgelegt, um die Fachkräfte in der Kinderbetreuung bei der Umsetzung des Bildungsauftrags und des Bildungsprogramms zu unterstützen. Mit diesem Fortbildungsprogramm wird bereits gearbeitet. Gegenstand der Fortbildung sind das Programm „Bildung elementar“ und selbstverständlich auch die einschlägigen gesetzlichen Grundlagen sowie die damit im Zusammenhang stehenden Rechtsvorschriften.
Herr Kley und ich haben mit dem Landkreistag, dem Städte- und Gemeindebund, der Liga der Freien Wohlfahrtspflege und den Kirchen in Sachsen-Anhalt im November 2004 eine Bildungsvereinbarung zur Umsetzung dieses Bildungsprogramms abgeschlossen. Übrigens haben auch alle Medien darüber berichtet.
Ein wesentliches Ziel dieser Bildungsvereinbarung, die seitdem gilt und nach der wir arbeiten, ist die Fortbildung, und zwar sowohl durch das Landesjugendamt als auch durch die Verbände. Es werden Fachberaterinnen und Fachberater, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verbände fortgebildet, und zwar so, dass sie selbst innerhalb der Verbandsarbeit wiederum Fortbildungsangebote zum Bildungsprogramm planen und durchführen können.
Das vom Kultusministerium neu geregelte Schulaufnahmeverfahren ist schon im Januar 2004, also vor gut einem Jahr, in Kraft gesetzt worden. Seitdem fanden auf allen Verwaltungsebenen Fortbildungsveranstaltungen zu diesem Thema statt. Dieses Thema ist auch Gegenstand der landesweiten, der regionalen und der schulinternen Fortbildung.
Seit Dezember 2004 unterbreitet das Kultusministerium eine besondere Möglichkeit zur Fortbildung, und zwar unter dem Motto: Gestaltung des Übergangs vom Vorschulbereich zu Schulen als gemeinsam zu verantwortende Aufgabe von Kindertagesstätten und Grundschulen. Das geht übrigens auf eine Initiative der Kultusministerkonferenz und der Jugendministerkonferenz - es kommt nicht oft vor, dass sie gemeinsam Initiativen ergreifen - zurück, und zwar vom Juni des vergangenen Jahres.
Nach diesem Konzept nehmen an solchen Veranstaltungen sowohl Beschäftigte von Grundschulen als auch von Kindertagesstätten einer bestimmten Region teil. Der Zuschnitt der Regionen korrespondiert gelegentlich mit den Landkreisen, er ist aber nicht ganz identisch. Dabei wird konkret abgestimmt, wie das Schulaufnahmeverfahren in der Region auf der Grundlage der neuen Regelungen verlaufen soll, wie man es gemeinsam gestalten will und wie man dabei sowohl aktuelle fachwissenschaftliche als auch praktische Besonderheiten der jeweiligen Region berücksichtigen kann. Bisher haben sich immerhin die Grundschulen und die Kindertagesstätten aus acht Regionen des Landes auf diese Weise über ihre gemeinsame Arbeit verständigt.
Ich bin also zuversichtlich, dass sowohl die Kindertagesstätten als auch die Schulen für diese neuen Aufgaben durch Fortbildung gut vorbereitet sein werden und dass sie diese in guter Qualität bewältigen werden.
Eines möchte ich einräumen: Wenn Anlass zu Kritik an der Art und Weise besteht, wie dieses Thema in die Öffentlichkeit getragen wird, dann gehe ich solchen Hinweisen natürlich nach. Sie können sich sicher sein, dass ich selbst im Bildungsserver nachsehe, wo dort Defizite sind. Auf so etwas aufmerksam gemacht zu werden, kann nur Anlass dafür sein, diesbezüglich Abhilfe zu schaffen. Es mangelt aber nicht an Themen und Initiativen. Es kann jedoch sein, dass es an der Kunst mangelt, zum Handwerk eben auch zu klappern.
Was nun den vorliegenden Antrag betrifft, so ist vielleicht ersichtlich geworden, dass die Landesregierung die geforderte Fortbildung bereits in großem Umfang umsetzt und immerhin eine entsprechende Vereinbarung mit den Dachorganisationen der Träger abgeschlossen hat, und zwar ganz im Sinne der von Ihnen aufgeworfenen Schwerpunkte. Insofern ist unter Punkt 1 Ihres Beschlussvorschlages nichts grundlegend Neues in der Sache zu finden.
Zu Punkt 2, in dem es darum geht, Konzepte und BestPractice-Beispiele zu dem Thema zu veröffentlichen, möchte ich sagen: Natürlich stimme ich dem zu. Das haben wir auch vor. Aber gerade im Einstein-Jahr muss ich um die Beachtung von Zeit und Raum bitten; denn solche Best-Practice-Modelle können natürlich erst vorliegen, wenn die ersten praktischen Modelle umgesetzt werden.
Das ist in der Zeitschiene noch gar nicht möglich; denn der Runderlass zur Aufnahme in die Grundschule gilt erstmals für das Schulaufnahmeverfahren 2006/2007. Dann wird zum ersten Mal nach diesen neuen Projekten verfahren.
Die Kinder, deren Schulunterricht dann beginnen wird, sind im Januar 2005 an den Schulen angemeldet worden. Sie werden derzeit schulärztlich untersucht, während sich parallel dazu die Schulen mit den Kindertagesstätten und den Eltern darüber abstimmen, und zwar ganz im Zeitplan, wie die bevorstehende Übergangsphase der Kinder dann gestaltet werden soll. Das heißt nichts anderes, als dass die genannten Konzepte gegenwärtig entwickelt werden. Welche sich davon schließlich als Best-Practice-Beispiele eignen, das wird sich ab dem kommenden Herbst deutlich zeigen.
Es ist auch ganz selbstverständlich, dass wir im Sinne des Benchmarking - um einmal in dieser Sprache zu bleiben - diese gelungenen Konzepte kommunizieren und sie im Rahmen der Fortbildung auch nutzen werden,
um daran zu lernen. Dazu gehört natürlich auch eine öffentliche Würdigung; denn es ist ganz richtig, dass die besten Beispiele öffentlich Anerkennung erfahren müssen.
Bezogen auf Punkt 3 des Antrages möchte ich sagen: Die beiden Ministerien sind selbstverständlich gern und ohne weiteres bereit, über die bisherige Arbeit auf dem Gebiet der Gestaltung des Übergangs zur Grundschule im Detail zu berichten und dabei auch zu den kritischen Anmerkungen im Hinblick auf die Präsenz der Thematik in den Medien Stellung zu nehmen. - Vielen Dank.
Herr Minister, ich habe eine solche Fortbildung miterleben dürfen, und zwar mit Kindergärtnerinnen und Schulleiterinnen von Schulen im Kreis Merseburg-Querfurt. Es ist eine hervorragende Sache, die Frau Hasenkrug dort wirklich vorzüglich abarbeitet. Alle Kindergärtnerinnen und auch die Schulleiterinnen waren mit Eifer bei der Sache.
Mich würde interessieren, wie die Ergebnisse dieser Konferenzen oder dieser Workshops in die weitere Arbeit im Ministerium einfließen; denn es gab auf die vielseitigen Fragen auch Antworten. Ich bin gespannt, wie diese in Regierungshandeln umgesetzt werden. Das ist das Erste.
Das Zweite ist, dass die Kindergartenleiterinnen von den Trägern ihrer Kindertageseinrichtungen teilweise keine Freistellungen bekommen, um an einer solchen Veranstaltung teilzunehmen. Diese finden zwar von 13 bis 18 Uhr statt, trotzdem fällt ein gewisser Teil dieser Stunden noch in die Arbeitszeit. Je nach Träger gibt es dann eine Freistellung oder es gibt keine. Das müsste vielleicht mit den Wohlfahrtsverbänden noch einmal geklärt werden.
Drittens. Ich habe gehört, dass zum Beispiel Sachsen für genau so ein Programm zusätzliche Stunden sowohl in der Schule als auch in den Kindertagesstätten zur Verfügung stellt. Ich bitte Sie, einmal zu prüfen, ob das auch in Sachsen-Anhalt möglich wäre.
Ich bin gern bereit, auf diese drei Fragen kurz einzugehen. Der erste Punkt ist: Wie werden solche Eindrücke bzw. Erfahrungen aus den Fortbildungsveranstaltungen zurückgespiegelt? Es sind Veranstaltungen, die sehr häufig vom Kultusministerium selbst initiiert werden.
Sie haben eine Mitarbeiterin genannt, die das ausgesprochen gut macht - das darf ich hier vielleicht auch einmal sagen - und die natürlich die Eindrücke und die Rückmeldungen in das Ministerium zurückspiegelt, die dann in den Dienstberatungen unseres Hauses, in der Entwicklung von Optimierungsstrategien oder auch in der Analyse von Fehlern ihren Ausdruck finden. Das wird ganz regelmäßig durch die zuständige Fachabteilung bzw. das zuständige Referat gemacht. Gerade dadurch haben wir einen relativ guten Einblick in die Entwicklung, wie sie im Moment verläuft, sowohl in die Vorzüge als auch in die Defizite.
Der zweite Punkt betrifft die Freistellung der Kindergartenleiterinnen und -leiter. Es ist in der Tat so, dass das in der Autonomie der Trägerschaft jeweils unterschiedlich gehandhabt wird. Ich kann es nur als Anregung aufnehmen, um das mit den Wohlfahrtsverbänden bzw. den Rahmenverbänden zu besprechen und an dieser Stelle zu erreichen, dass zumindest im Sinne einer freiwilligen Übereinkunft eine Praxis verabredet wird, die dem Anliegen dieser Fortbildung eher entgegenkommt. Ich habe von solchen Fällen bisher nicht gehört.
Der dritte Punkt. Wir haben in den Grundschulen ein beträchtliches Potenzial an pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die wir speziell auf die Aufgabe der Begleitung und Gestaltung der Schuleintrittsphase hin qualifizieren wollen. Wir haben im Haus gerade einen Katalog von Handreichungen für die Aufnahme der Schülerinnen und Schüler erarbeitet, der an das Bildungsprogramm der Kindertagesstätten anknüpft, an das, was wir landläufig „vorschulische Bildung“ nennen. Dann sollten wir natürlich dafür sorgen, dass die dortigen Prämissen auch in der Schule, insbesondere in den ersten Monaten der Schule, fortgesetzt werden, sodass die Schuleingangsphase sozusagen als gleitender Prozess verlaufen kann.
Diese Handreichungen, wie wir sie nennen, werden in den nächsten Tagen verabschiedet und werden dann den Schulen zur Verfügung gestellt. Extra Lehrerstunden können wir hierfür sicherlich nicht ausweisen, weil wir ein beträchtliches Potenzial an pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben, das wir aber, wenn wir ihnen solche Aufgaben zuweisen, auch besser legitimieren können als im Moment. Genau das ist die Absicht dieser Planung, um dann auch die zusätzlichen Potenziale in den Schulen für diese besondere Aufgabe rechtfertigen zu können.
Herr Minister, ich habe die Schuleingangsphase so verstanden, dass damit auch versucht werden kann oder sollte, den Zustrom von Kindern zu den Sonderschulen einzudämmen oder geringer zu gestalten als in der Vergangenheit. Das setzt aus meiner Sicht voraus, dass den Kolleginnen und Kollegen entsprechendes Wissen vermittelt wird. Welchen Stellenwert hat dieses Wissen in der Qualifizierung oder in der Fortbildung? Nach meiner Kenntnis ist das unterbelichtet.
Herr Eckert, ich möchte das nicht vorschnell dahin gehend bewerten, dass das unterbelichtet ist. Ich denke eher, dass das ziemlich ausdifferenziert ist zwischen einigen Befunden, die uns beunruhigen müssen, und einer ganzen Reihe von Lehrerinnen und Lehrern, die gerade auf diesem Gebiet, beispielsweise der Schuleingangsdiagnostik, sehr erfahren sind und gemeinsam mit dem schulärztlichen Dienst und dem schulpsychologischen Dienst eine sehr gute Arbeit leisten.
Sie haben Recht, dass wir sicherlich angesichts der relativ hohen Quoten diagnostizierter Lernbehinderungen fragen müssen, wo diese eigentlich herkommen. Gerade die zunehmende Heterogenität der Eingangsklassen vor dem Hintergrund immer stärker ausdifferenzierter fami
liärer Bedingungen des Aufwachsens führt dazu, dass man, glaube ich, sehr oft Lernbehinderungen oder geistige Behinderungen vorschnell diagnostiziert und dass man analytisch nicht genau überprüft, ob tatsächlich eine Lernbehinderung vorliegt oder nur eine soziale Beeinträchtigung der Bedingungen des Aufwachsens. Dies ist eine gerade für Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer ganz wichtige Thematik.
Sie merken vielleicht an der Antwort, dass uns diese Problematik natürlich bewusst ist. Ich möchte es nur ungern ummünzen in eine Schelte der Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer, die möglicherweise hierbei versagen. Es ist Gegenstand einer konzertierten Aktion, diese Thematik in der Fortbildung zu beachten.
Ich weiß aber, dass dieses Thema im Land sehr stark im Gespräch ist und dass inzwischen eine hohe Sensibilität dafür vorhanden ist, diese hohen Übertrittsquoten an die Sonderschulen angemessen und sachgerecht zu interpretieren und dann Interventionsstrategien zu entwickeln.
Vielen Dank, Herr Minister Olbertz. - Nun kommen die Beiträge der Fraktionen. Es spricht Frau Seifert für die FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Vorbereitung eines neuen Schuljahres muss viel Aufmerksamkeit gewidmet werden. Dabei ist es aus unserer Sicht wichtig, dass gerade der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule besonderes Augenmerk erhält.
Mit dem ersten Schulbesuch beginnt für die Kinder und deren Eltern unbestritten ein neuer Lebensabschnitt. Deshalb tragen neben den Eltern in besonderer Weise auch die Lehrer und die Kindergärtnerinnen und Kindergärtner sowie die Schulbehörden Verantwortung dafür, dass die notwendigen Voraussetzungen für den erfolgreichen Start in die neue Lebensphase geschaffen werden.
Wir haben in dieser Legislaturperiode die Rahmenbedingungen verändert, die diesen wichtigen Schritt in diese neue Lebensphase begleiten. Eine der wichtigsten Veränderungen war aus meiner Sicht die Einführung und die Festschreibung von Bildungsinhalten für die Arbeit mit Kindern bis zum Schuleintritt. Das ist zu Recht im KiFöG als Bildungsauftrag verankert worden.