Protokoll der Sitzung vom 15.04.2005

Ich bitte Herrn Laaß, den Antrag einzubringen. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Es ist schade, dass wir das Thema, welches ich für äußerst wichtig erachte, jetzt in Abwesenheit vieler Kollegen behandeln.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Der eigenen Fraktion! - Herr Sachse, SPD: Nur Ihrer Fraktion! - Weitere Zurufe von der SPD)

- Deshalb bedauere ich es umso mehr.

In den letzten Wochen und Monaten häuften sich die Nachrichten bezüglich der schwierigen Lage mittelständischer Unternehmen in Deutschland und so auch in unserem Land Sachsen-Anhalt.

Ende Dezember 2004 waren noch 18 900 Beschäftigte am Bau tätig. Damit fielen in den Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten innerhalb eines Jahres insgesamt 3 100 Arbeitsplätze weg. Das bedeutet ein Minus von 13,9 %. Der Gesamtumsatz im Bauwesen reduzierte sich im Jahr 2003 um 12 % auf 2,1 Milliarden €. Die Zahl der Baugenehmigungen sank im Jahr 2004 gegenüber dem Vorjahr um 14 % und unterschritt erstmals die Marke von 7 000.

Dies sind die Ausgangspunkte der Überlegungen zur Änderung des rechtlichen Rahmens für die Vergabe öffentlicher Aufträge in unserem Land.

Mir ist in den letzten Wochen und Monaten von Unternehmern berichtet worden, dass insbesondere bei öffentlichen Submissionen die Preisunterschiede der verschiedenen Anbieter enorm groß sind. Sie betragen in manchen Bereichen bis zu 100 %.

Ich konnte in dieser Woche mit einem Unternehmer aus der Elektrobranche sprechen, der ein Angebot abgegeben hatte. Dieses lag bei 97 000 €. Der Höchstbieter lag

bei 111 000 €, das billigste Angebot lag bei 60 000 €. Nach der Einsichtnahme in die Kalkulationsunterlagen konnte ich feststellen, dass mit der Angebotssumme noch nicht einmal die Materialkosten für diesen Auftrag abgedeckt sind. Das ist ein großes Problem. Bei der näheren Analyse hat sich gezeigt, dass die Kalkulation nicht mit einem auskömmlichen Preis berechnet worden war.

Dies führt zwangsläufig dazu, dass solche Unternehmen, die auch „billiger Jakob“ genannt werden, selbst Gefahr laufen, in die Insolvenz zu geraten, wenn sie diese Aufträge erhalten. Dadurch werden Arbeitsplätze vernichtet. Der volkswirtschaftliche Schaden, auch für die öffentliche Hand, ist in diesem Fall enorm groß. Er drückt sich in Nachaufträgen aus oder entsteht dadurch, dass weitere Auftragnehmer engagiert werden müssen, wenn die billigen Firmen diese Aufträge nicht beenden können. Dadurch wird die öffentliche Hand wiederum mit erhöhten Kosten belastet.

Oft wird bei der Auftragsvergabe im kommunalen Bereich bzw. durch die öffentliche Hand auch nicht beachtet, dass die späteren Nachleistungen, Service- und Gewährleistungsarbeiten zu erhöhten Kosten führen, wenn der Preis als Ultima Ratio für die Auftragsvergabe gilt und die Aufträge an Unternehmen vergeben werden, die einen sehr großen räumlichen Abstand zum Ort der Leistungserbringung haben.

Auch unter dem Gesichtspunkt, dass einheimische Unternehmen in der letzten Zeit nicht mehr so hohe Umsätze wie in der Vergangenheit akquirieren konnten, führte dies zu der Überlegung, dieser Situation wie in Bayern durch die Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge entgegenzuwirken. Die Überlegung der Entbürokratisierung und der Vereinfachung spielte in diesem Bereich ebenfalls eine große Rolle. Ziel war es, der überflüssigen Bürokratie in den Kommunen, die durch den fortlaufenden Prozess der Verrechtlichung öffentlicher Auftragsvergaben entstanden ist, entgegenzuwirken.

So sollen im Einführungserlass zur Verdingungsordnung die Wertgrenzen für beschränkte Ausschreibungen für kommunale Bauleistungen im Bereich des Tiefbaus auf 300 000 €, im Bereich des Hochbaus auf 150 000 € und im Bereich Straßenausstattung auf 75 000 € festgelegt werden. In diesem Zusammenhang sollte nach wie vor der Grundsatz der Transparenz der öffentlichen Auftragsvergabe gelten. Dies sollte vor dem Hintergrund geschehen, den Wettbewerb nicht zu beeinträchtigen und Manipulationen und Korruption zu verhindern.

Bei der Durchführung der beschränkten Ausschreibungen sollten folgende Maßnahmen empfohlen und in der Umsetzung beachtet werden:

Erstens. Der regionale Markt soll erkundet werden, und zwar durch formlose Information der Fachöffentlichkeit über größere Bauvorhaben in regionalen Tageszeitungen oder anderen geeigneten Medien. Des Weiteren sollten Baufirmen aufgefordert werden, ihr Interesse an einer Beteiligung zu bekunden.

Zweitens. Abhängig von der Marktsituation und dem Wert des zu vergebenden Auftrages sollten mindestens drei und mehr Bewerber aufgefordert werden.

Drittens. Es ist auf eine ausreichende Streuung der aufgeforderten Bewerber zu achten. So sollten in der Regel

ein bis zwei Bewerber aus anderen Gemeinden oder anderen Landkreisen kommen.

Viertens. Selbstverständlich sind organisatorische Maßnahmen zur Vermeidung von Manipulationen und Korruption zu treffen. Zum Beispiel könnten die Regelungen der Antikorruptionsrichtlinie zum Tragen kommen. Des Weiteren sollte darüber nachgedacht werden, bei freihändigen Vergaben die Wertgrenzen anzuheben.

Die CDU ist der Auffassung, dass die Änderung der Landesvorschriften im Zuge der geplanten Vergaberechtsreform durchzuführen ist. Sollte sich jedoch die von der Bundesregierung beabsichtigte Vergaberechtsreform erneut verzögern, wird die Landesregierung gebeten, die entsprechenden Vorschläge bis Mai 2005 in das Landesrecht zu übernehmen.

Meine Damen und Herren! Im Interesse des Mittelstandes in unserem Land bitte ich Sie, dem Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP zuzustimmen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Abgeordneter Laaß, für die Einbringung.

(Herr Laaß, CDU: Laaß, mit doppeltem a!)

- Mit doppeltem a, Herr Laaß. Trotzdem danke schön. - Für Landesregierung wird jetzt der Minister für Wirtschaft und Arbeit sprechen. Bitte sehr, Herr Dr. Rehberger, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einige wenige Bemerkungen zu diesem Antrag. Ich glaube, er ist hilfreich für die mittelständische Bauwirtschaft in Sachsen-Anhalt, wobei man sich davon keine Wunder versprechen sollte.

Wir haben seit Jahren bundesweit einen zum Teil dramatischen Schrumpfungsprozess in der Bauwirtschaft. Insbesondere in Ostdeutschland und speziell in Sachsen-Anhalt gibt es ganz besondere Probleme, weil bedingt durch die Entwicklung unmittelbar nach der Wende die Bauwirtschaft bei uns volkswirtschaftlich gesehen ein Gewicht hatte, das die heutige Nachfrage nicht mehr trägt. Deswegen befindet sich diese ganze Branche gerade auch in unserem Land in einem Schrumpfungsprozess, bei dem aber auch Unternehmen insolvent werden und aus dem Markt ausscheiden, bei denen das zu bedauern ist, weil wir trotz aller Reduktion auch in Zukunft in gewissem Umfang leistungsfähige Betriebe brauchen.

Der Schrumpfungsprozess, die bundesweite Krise der Bauwirtschaft bringt einen zwangsläufigen Verdrängungseffekt in Richtung Mittelstand mit sich. Warum? - Die großen Firmen interessieren sich inzwischen für kleine Aufträge, weil sie sagen, lieber kleine als gar keine Aufträge. Deswegen sind die großen Firmen, die bundesweit oder weit über die Bundesrepublik hinaus tätig sind, inzwischen auch an Aufträgen aus dem kommunalen Bereich interessiert, die vor fünf oder zehn Jahren für die betreffenden Unternehmen noch völlig uninteressant waren.

Dieser Effekt führt dazu, dass die heimische Bauwirtschaft immer stärker ins Hintertreffen gerät, weil sie sich

neben den ganz großen, die zum Beispiel auch mit Dumpingangeboten arbeiten, nicht mehr behaupten kann. Deswegen, so glaube ich, ist der Ansatz, der hier vorgeschlagen wird und der in Bayern bereits umgesetzt worden ist, durchaus richtig. Es ist ein Ansatz, der den Wettbewerb nicht aufheben soll - darauf lege ich ganz großen Wert -, der aber zweifellos die Chance eröffnet, bei Auftragsvergaben stärker als bisher im Rahmen des Wettbewerbs auch heimische Unternehmen zu begünstigen.

Wenn wir das, was nach der VOB zulässig ist, ausschöpfen, dann können wir die so genannten Bagatellgrenzen, die eigentlich gar nicht so niedrig sind, so weit ausdehnen - Herr Laaß hat das im Einzelnen ausgeführt, ich möchte das jetzt nicht wiederholen -, dass man deutlich höhere Auftragsvolumina in der beschränkten Ausschreibung vergeben kann. Bei der beschränkten Ausschreibung bleibt der Wettbewerb durchaus gewahrt.

Zum einen muss vorab die Absicht, einen Auftrag auszulösen, publiziert werden. Zum anderen sind mehrere Firmen einzuladen. Die ausschreibende Stelle muss dann allerdings den günstigsten Anbieter nehmen. Sie hat wenig Spielräume. Sie kann sich aber von vornherein auf solche Firmen konzentrieren, bei denen eine entsprechende Leistungsfähigkeit erwartet werden kann.

Da der Bund für seine Pläne, die einschlägigen Vergaberegeln umfassend zu novellieren, sicherlich noch einen größeren Zeitraum benötigen wird, beabsichtige ich, der Landesregierung am nächsten Dienstag vorzuschlagen, dass wir in Zukunft im Wesentlichen entsprechend den im Antrag enthaltenen Anregungen verfahren und damit im Jahr 2005 und wohl auch im Jahr 2006 unserer mittelständischen Bauwirtschaft eine etwas größere Chance eröffnen, als sie sie bisher hat. Ich glaube, das ist volkswirtschaftlich sinnvoll. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke sehr, Herr Minister. - Als erster Redner der Fraktionen erhält der Abgeordnete Herr Dr. Thiel für die PDS-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn mit dem vorliegenden Antrag zur Minderung des Aufwandes, zu einem besseren Gewährleistungsservice und zu mehr Chancen für Sachsen-Anhalts Unternehmen beigetragen werden soll, dann wird die PDS das immer ausdrücklich begrüßen;

(Herr Gürth, CDU: Das ist schon einmal ein guter Anfang!)

denn diesen Schritt haben wir seit der Abschaffung des Vergabegesetzes immer wieder gefordert. Es ist auch zu begrüßen, dass weiterhin finanzielle Mittel für die Verbesserung der Situation in der krisengeschüttelten Bauwirtschaft wie im jüngsten Programm „Stadtumbau Ost“ bereitgestellt werden. Damit wurden vorzeitig Mittel in Höhe von 9,3 Millionen € freigegeben.

Aber, meine Damen und Herren, der Antrag und dessen Begründung stellen doch wohl ein paar Dinge auf den Kopf. Die Ursachen für die Krise unserer Bauwirtschaft sind doch nicht in den gesetzlichen Regelungen zu suchen, sondern eher in der mangelnden Investitionsbereitschaft der privaten Investoren und in den leeren

Kassen der öffentlichen Hand. Das muss man doch an dieser Stelle einmal sagen dürfen.

(Beifall bei der PDS)

Der ruinöse Preiskampf, geschürt mit Thesen wie „Geiz ist geil“, von Privaten und von öffentlichen Auftraggebern hat um sich gegriffen. Das Motto „Geiz ist geil“ und die Forderung nach solider Qualität am Bau sind in den seltensten Fällen miteinander in Einklang zu bringen.

(Beifall bei der PDS)

Die Situation im Baugewerbe haben Herr Laaß und Herr Minister Rehberger bereits ausführlich erläutert. Deshalb brauche ich darauf jetzt nicht mehr einzugehen. Als Fakt ist jedenfalls festzustellen: Der Abwärtstrend konnte nicht gestoppt werden. Daran haben auch die Abschaffung des Vergabegesetzes im Jahr 2002 und der Erlass diverser Verordnungen durch das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit in letzter Zeit nichts geändert.

(Beifall bei der PDS)

Herr Minister Rehberger, wenn Sie sagen, von Bayern lernen heißt siegen lernen, dann sollten Sie auch wissen, Bayern hat ein Vergabegesetz. Sie haben das bei uns bereits vor zwei Jahren abgeschafft.

(Beifall bei der PDS - Herr Gürth, CDU: Mit ganz anderem Inhalt!)

Wie die Kommunen allerdings die Möglichkeit wahrnehmen sollen, öffentliche Aufträge verstärkt nach den Kriterien der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit an Unternehmen vor Ort zu vergeben, das bleibt doch auch bei dem vorliegenden Antrag nach wie vor ein Geheimnis.

Herr Gürth hat in seiner jüngsten Pressemitteilung geäußert, dass diese Initiative den Grundsätzen der Sparsamkeit und der Wirtschaftlichkeit diene, weil bei der Auftragsvergabe an leistungsfähige örtliche Unternehmen sowohl die Wahrung von Gewährleistungsansprüchen als auch der nach der Auftragserfüllung erforderliche Service oftmals besser gewährleistet werden könne. - Herr Gürth, ich hoffe, ich habe Sie richtig zitiert.

Aber es sind doch einmal ein paar Fragen zu stellen. Erstens. Ist die Erhöhung der Wertgrenze für beschränkte Ausschreibungen tatsächlich ein Kriterium, um die Einnahmenseite bei Steuern und Abgaben in SachsenAnhalt zu stärken?