Das Nächste ist, Herr Heyer, dass man im vergangenen Jahr berechtigterweise darüber nachdenken musste - dazu stehe ich auch -, welche Strecken rentabel oder nicht rentabel sind. Deshalb ist die Nasa beauftragt worden. Dann gab es das Papier - das ich den Abgeordneten schnell übergeben habe, meine Damen und Herren -, obwohl wir in den Ausschüssen immer gefragt hatten: Ist in irgendeiner Form etwas im Hinblick auf Abbestellungen bekannt? Herr Kasten hat Sie oft gefragt, ob es in irgendeiner Form Abbestellungen gäbe. Die Antwort lautete: Nein, machen wir nicht, wir arbeiten daran.
Es ist nie gesagt worden, dass die Nasa Ihnen im Prinzip bereits im September des Jahres 2001 dieses Papier vorgelegt hat. Deshalb muss man die Frage stellen: Warum haben Sie dieses Papier den Abgeordneten vorenthalten? Warum hat dieses Papier nach meiner Kenntnis - -
- Nein, nein. Das hätten Sie schon mit den Abgeordneten diskutieren sollen. Ich kann immer nur das wiedergeben, was mir nach der Regierungsübernahme gesagt worden ist. Mir wurde mitgeteilt, dass nicht einmal der Aufsichtsrat der Nasa dieses Papier kannte. Wenn darüber nicht einmal der Aufsichtsrat Bescheid weiß, dann muss ich fragen, ob eine Direktive von Ihnen ausgegeben worden ist, wer dieses Papier in die Hand bekommen soll. Fakt ist, dass ausführliche Untersuchungen - das ist mehrfach gesagt worden - der Nasa zu diesen Streckenabbestellungen führen sollten und müssten.
Nun hatten wir zwei Möglichkeiten: Die eine bestand darin, dass wir gesagt hätten, wir lassen das alles noch einmal untersuchen, wir lassen auch mit den Kommunen Wochen und Monate darüber diskutieren, und am Ende des Jahres haben wir ein Defizit, das weit über dem liegt, das ich jetzt skizziert habe.
Die Wahl hatten wir. Aber auch nach einer weiteren drei- oder viermonatigen Untersuchung wären wir zu keinem anderen Ergebnis gekommen. Deshalb mussten wir handeln.
Jetzt sagen wir eines - das steht übrigens auch im Kabinettsbeschluss; deshalb ist es hilfreich, wenn die Fraktionen das betonen -: Wir wollen diese Strecken zum 1. Oktober abbestellen - unter den Voraussetzungen, die wir genannt haben, nämlich dass bis dahin ein Übergang zu einem sehr gut organisierten Busverkehr geschaffen ist. Wenn das in dem einen oder anderen Fall nicht passiert, müssen wir uns darüber unterhalten, ob wir diese Kilometer für einen Zeitraum X weiter bestellen müssen. Das ist der Ausgangspunkt.
Wir kriegen nun natürlich viele Leserbriefe und viele Proteste, auch von Pro Bahn usw. Ich spreche mit ihnen allen. Wir bekommen auch E-Mails. Die am weitesten entfernte kam aus Chicago. Ich finde es ja in Ordnung, wenn sich in Chicago jemand damit beschäftigt, wie der Nahverkehr in Sachsen-Anhalt organisiert wird. Aber das können wir jetzt einmal beiseite lassen.
Wichtig ist, dass die Bürger in diesen Regionen, ob in der Börde oder in der Altmark, wissen, dass wir ihnen die Möglichkeit geben, dass sie sich weiter vom öffentlichen Personennahverkehr bedienen lassen können, und zwar so, dass sie zum Beispiel nicht zu einem etwas entfernteren Bahnhof gehen müssen, sondern aus dem Ortskern heraus abgeholt werden, und zwar zu einer Zeit, zu der der Zug bisher auch fährt. Warten wir das erst einmal ab, meine Damen und Herren.
Ich sage Ihnen voraus, dass sogar mehr den Bus nutzen werden als die Schiene, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: In meinem Heimatort liegt der Bahnhof 1,2 km vom Ortskern entfernt. Da geht heute gar keiner mehr hin. Sie wollen aus dem Ort, vom Ortskern abgeholt werden. Das wollen wir erst einmal organisieren. Da liegen wir gar nicht weit auseinander. Es ist ja auch Ihre Aufgabe gewesen, das so zu organisieren und in Auftrag zu geben. Wenn das nicht so wäre, hätten Sie es nicht gemacht.
Nun zu dem Bahnvertrag, meine Damen und Herren. Das eine ganz interessante Konstruktion. Sie haben eines vergessen: In dem Bahnvertrag steht nämlich auch, dass Sie Strecken abbestellen wollen, und zwar in der Größenordnung von mehreren Millionen Zugkilometern. Das muss man auch dazu sagen, wenn man über dieses Thema spricht. Dass der Vertrag nicht zum Abschluss
gekommen ist - ja, da müssen Sie Ihr Kabinett fragen. Es muss irgendetwas daran gewesen sein, Herr Minister, dass die anderen Kabinettskollegen der Meinung waren, dass er so nicht abgeschlossen werden soll.
Wir haben uns acht Wochen nach der Regierungsübernahme dazu bekannt, einen ÖPNV errichten zu wollen, was Ihnen in acht Jahren - in acht Jahren! - nicht gelungen ist. Es ist Ihnen nicht gelungen, mit der Bahn einen Vertrag abzuschließen. Alle anderen Länder haben einen Bahnvertrag.
haben den Bahnvertrag - bzw. den nicht existierenden - um ein Jahr verlängert. Wir haben die Strecke dann finanziert.
Sie hätten das längst regeln können. Sie haben das nicht geregelt. Deswegen sagen wir Ihnen noch einmal eines: Zum 1. Oktober dieses Jahres werden wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die entsprechenden Bedienungsleistungen erfolgen können, und zwar vor folgendem Hintergrund - das sind die beiden entscheidenden Punkte -: Das Erste ist, dass wir Regionalisierungsmittel wieder aus dem konsumtiven Bereich in den investiven Bereich hineinstecken wollen und müssen.
Das Zweite ist, dass wir das nicht nur aus fiskalischen Gründen, sondern auch aus ökologischen Gründen gemacht haben. Es ist nämlich nicht mehr vertretbar, dass zum Beispiel - um diesen landläufigen Ausdruck zu gebrauchen - Ferkeltaxen durch die Börde oder die Altmark fahren. Wer einmal eine Energiebilanz bei diesem Fahrzeug und einem Kleinbus macht, muss zu dem Ergebnis kommen, dass es ökologisch Sinn macht, nicht überall Strecken zu bedienen, die es von der Anzahl der zu transportierenden Personen her überhaupt nicht rechtfertigen.
Meine Damen und Herren! In den nächsten Wochen und Monaten wird es eine spannende Auseinandersetzung über die Frage geben: Wo gehen wir mit dem schienengebundenen Nahverkehr hin? Das heißt natürlich - da komme ich wieder zur Bahn zurück -, dass wir uns überlegen müssen - das gilt nicht nur für SachsenAnhalt, sondern das ist eine Grundsatzfrage für ganz Deutschland -, wie viel wir uns als Gesellschaft an Investitionen in das Netz leisten wollen. Das ist die ganz spannende Frage. Wollen wir umsteuern? Wollen wir es uns leisten, Millionen oder auch Milliarden in das Netz zu investieren, um die Voraussetzungen für einen attraktiven Personenverkehr auf der Schiene zu schaffen, und zwar nicht nur im Nahbereich, sondern auch im Fernbereich? Das wird die große Herausforderung sein.
Ich sage Ihnen eines ganz leidenschaftslos: Ob in Ost oder West - auf beiden Seiten ist in den letzten 40 Jahren zu wenig passiert. Wir müssen uns überlegen, ob wir hier nicht generell umsteuern müssen. Die Schienensysteme nämlich sind alle derart veraltet, dass die Attrak
tivität an ihre Grenzen stößt. Das ist die Herausforderung. Da sind wir in Sachsen-Anhalt gar nicht allein. Da sitzen wir mit allen anderen Bundesländern im Boot. Da müssen wir Herrn Mehdorn auch das eine oder andere sagen. Jetzt mit dem Säbel zu rasseln und das eine oder andere zu sagen, kann nicht der Weg sein.
Ich sage Ihnen auch noch Folgendes: Wenn man einen Zusammenhang zwischen Bestellungen von Leistungen einerseits und Investitionen andererseits herstellt, muss man die Bahn daran erinnern, dass sie auch noch eine gesellschaftliche Aufgabe hat. Das werden wir auch tun.
Es wird nicht nur in Sachsen-Anhalt so sein, es wird auch in den anderen Bundesländern dazu kommen, dass Wettbewerb auf der Schiene erfolgen wird und erfolgen muss. Eines aber sage ich auch ganz deutlich: Es gibt im Moment außer der Bahn gar keinen anderen Verkehrsträger, der flächendeckend bedienen kann. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Das muss auch jeder wissen. Deshalb werden wir - Sie hatten schon damit begonnen - die Nordharz-Netzbahn ausschreiben.
Danke, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Das wird für die nächsten Jahre die Aufgabe sein. Ich habe auch schon Anrufe von Ministern aus anderen Flächenländern bekommen, die sagen: Jawohl, wir wollen uns mit diesem Thema beschäftigen, Wettbewerb auf der Schiene - Herr Präsident, letzte Anmerkung! -, aber so, dass es nicht zulasten des Bürgers geht. Deshalb wird die Bahn in den nächsten Jahren der entscheidende Partner sein. Das heißt auch, dass die Bahn eine Verpflichtung hat, weiter zu investieren. - Ich bedanke mich.
Danke, Herr Minister. - Meine Damen und Herren! Beschlüsse zur Sache werden gemäß der Geschäftsordnung des Landtages in der Aktuellen Debatte nicht gefasst. Damit ist das Thema im Rahmen der Aktuellen Debatte beraten.
Herr Dr. Köck, Sie haben eine Frage. - Herr Minister, wären Sie bereit, eine Frage des Herrn Dr. Köck zu beantworten?
Nein, nein. Die Debatte wird doch noch einmal aufgemacht, oder? Sie kommen jetzt schon zum Abgesang. Ich hätte gern noch etwas gesagt.
Gut, Herr Dr. Köck. Ich wollte im Interesse der Verkürzung der Debatte nicht unbedingt darauf aufmerksam machen.
Das ist der Nachteil, wenn man einen Antrag mit einer Aktuellen Debatte verknüpft. Normalerweise hätte ich als Antragsteller das letzte Wort. Ich möchte hier doch noch ein paar Dinge sagen.
Ich habe es bewusst vermieden, auf die ganz große Verkehrspolitik Bezug zu nehmen und habe mich auf die Bahnpolitik bezogen. Ich sehe mich jetzt leider veranlasst, abschließend doch noch Folgendes zu sagen:
Die gesamte Verkehrspolitik steht hier zur Debatte. Das, was wir erlebt haben, war das Paradebeispiel dafür, dass ein Verkehrsträger sektoral einzeln herausgegriffen wurde. Viele der Argumente, die vorgetragen worden sind, waren durchaus richtig. Wenn ich alle Verkehrsträger zusammen als integrative Verkehrspolitik betrachte, als Verkehrsträger, die miteinander konkurrieren, und zwar gnadenlos, dann muss die Politik einschreiten, muss die Rahmenbedingungen für diesen Wettbewerb setzen. Das macht sie nicht oder macht sie einseitig, und zwar zugunsten der Straße. Das ist das Hauptproblem.
Ich habe noch von keinem den Vorschlag gehört, wir sollten mit dem gesamten Straßensystem an die Börse gehen. Einzelne lukrative Strecken - Maut ja, Tunnel, Brücken. Aber überlegen Sie einmal, was passieren würde, wenn wir mit den Straßen an die Börse gingen. Was wäre mit den Kreisstraßen und Ortsdurchfahrten? Die würde auch keiner haben wollen.
(Herr Scharf, CDU: Dann brauchten wir alle keine Mineralölsteuer mehr zu bezahlen zum Erhalt der Strecken!)
Sie wissen ganz genau, dass das alles nicht reicht, wenn wir alle Kosten einberechnen. Die Kernaufgabe des Staates ist doch die Schaffung und die Erhaltung der Infrastruktur, die für alle zugänglich sein muss. Weiter ist es eine Aufgabe der Daseinsvorsorge, dazu beizutragen, dass ein Minimum an Mobilität für sämtliche Menschen da ist, ob Kind, ob Alter, ob Frau, ob Behinderter oder sehr potenter Mensch, der sich sehr viel mehr leisten kann.
Die Kosten für diese Daseinsvorsorge werden aber zunehmend auf die Kommunen übertragen. Das sind die vorletzten Kostenträger. Sie können die Kosten nur noch auf die Bürger übertragen.
Was passiert, sehen wir ja. Der SPNV erhöht permanent die Preise. Das Angebot wird überall schlechter. Am Ende steht letztendlich wie in vielen anderen Bereichen auch die Forderung, der Einzelne muss schon ein wenig
mehr Verantwortung für sich selbst übernehmen. - Deshalb wird ein integratives Verkehrskonzept notwendig.
Die ökologischen Argumente sind fadenscheinig, fadenscheiniger geht es gar nicht; denn es ist nachgewiesenermaßen so, dass die Bahn unter dem energetischen Aspekt betrachtet, Herr Daehre, in Bezug auf die Energiebilanz das umweltverträglichste Verkehrsmittel ist.