Protokoll der Sitzung vom 07.07.2005

(Herr Gürth, CDU: Es ist ein schlimmes Erbe, das wir damit übernommen haben!)

Bei der letzten Landtagswahl, bei der sich der heutige Verkehrsminister unseres Landes fast mit seinem Namen für eine erfolgreiche Luftverkehrslösung in Cochstedt eingesetzt hat, waren die Erwartungen noch sehr hoch. Vielleicht wird diese Lösung von der Landesregierung genauso leise wie das Luftdrehkreuz in der Altmark zu Grabe getragen.

(Minister Herr Dr. Daehre: Ein Grab haben wir hier nicht!)

Ihre Aussage, - ich zitiere - der Flughafen Cochstedt verstehe sich als sinnvolle Ergänzung zum Flughafen Halle/Leipzig, scheint zumindest aus heutiger Sicht weit an der Realität vorbeizugehen. Wir können gespannt darauf sein, was die Gespräche mit den Ministerpräsidenten Thüringens und Sachsens ergeben werden. Herr Althaus hat sich zumindest zum Flughafen Altenburg vor einiger Zeit klar geäußert.

Ein Lichtblick am Horizont ist die Ansiedlung von DHL am Flughafen Halle/Leipzig. Dadurch wird der mitteldeutsche Raum als Logistikstandort an Bedeutung gewinnen. Die SPD unterstützt diese Aktivitäten.

Meine Damen und Herren! Der ÖPNV ist aus der Sicht der SPD nach wie vor ein Sorgenkind in der verkehrspolitischen Diskussion in unserem Land. Das wird Sie nicht verwundern; denn wir haben unsere Kritik an dem jetzt geltenden ÖPNV-Gesetz nie verheimlicht. Wir haben kritisiert, dass der straßengebundene ÖPNV als Pflichtaufgabe unseres Landes nur durch Bundesmittel über das im Jahr 2007 zur Revision anstehende Regionalisierungsgesetz abgesichert ist und dass sich das Land aus der eigenen Finanzierung völlig zurückgezogen hat. Wir wagen zu bezweifeln, dass das eine Basis für die Zukunft ist.

Mit Sorge sehen wir, dass nach der Novellierung des ÖPNV-Gesetzes der Anteil investiver Mittel von den Aufgabenträgern nicht mehr zwingend für Investitionen genutzt werden muss. Wenn dies aufgrund der angespannten Haushaltslage der Kommunen dazu führt, dass die Wahrnehmung des ÖPNV als Aufgabe der Daseinsvorsorge langfristig zu Problemen führt und die

Anlagen auf Verschleiß gefahren werden, dann kann das nicht unsere Zustimmung finden. Die Zukunft wird zeigen, ob unsere Bedenken berechtigt waren und ob eventuell Veränderungen vorgenommen werden müssen.

Ich plädiere dafür, dass insbesondere die Preise für Dauerkarten gesenkt werden, um eine stärkere Unternehmensbindung und eine größere Attraktivität des ÖPNV zu erreichen. Insbesondere in den Ordnungsräumen der großen zentralen Orte ist eine weitere Verlagerung des Verkehrs auf öffentliche Verkehrsmittel wünschenswert; denn dies führt zu einer höheren Auslastung und Verkehrsvermeidung sowie zu Energieeinsparungen.

Für den ÖPNV in der Fläche wird künftig mit Blick auf die absehbare Revision der Regionalisierungsmittel die Übernahme von SPNV-Leistungen durch den Busverkehr zunehmen.

Wir unterstützen die flexiblen Bedienformen als eine effiziente Anpassungsstrategie. Diese flexiblen Bedienformen dürfen aber nicht zum Ausstieg aus dem ÖPNV führen. Eine Grundversorgung mit ÖPNV-Leistungen in Kombination mit dem Schüler- und Ausbildungsverkehr muss in jedem Fall langfristig sichergestellt werden.

Meine Damen und Herren! Vieles von dem, was in der Regierungserklärung vorgetragen worden ist, waren allgemeine Erläuterungen und relativ unverbindliche Willensbekundungen. Zum Teil wurden Lösungen mit einem hohen Maß an Abhängigkeit von Bundes- und Europageldern beschrieben. Wir können gespannt sein, wie sich der Solidarpakt II bis 2019 und die Neuordnung der EU-Förderlandschaft auswirken werden.

Herr Abgeordneter, Sie haben Ihre Redezeit bereits um mehr als drei Minuten überzogen. Kommen Sie bitte zum Ende.

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

In der Regierungserklärung wurde zu Recht gefordert, „die Mobilität des 21. Jahrhunderts zu gestalten. Das verlangt von uns ein neues Denken, das sich stärker auf die Anforderungen der Welt von morgen konzentriert.“

Diese großen Worte haben wir mit Interesse vernommen. Wir sind gespannt, wie die bundespolitische Landschaft auf die Vorschläge des Verkehrsministers zur Ökosteuer reagiert und wie er eine europaweit angeglichene Besteuerung der Kraftstoffe erreichen will.

Hinsichtlich der landespolitischen Entwicklung werden wir ihn weiter kritisch begleiten und deutlich machen, in welche Richtung diese Entwicklung gehen sollte. Dies geschieht unter dem Motto „Keine Zukunft ohne SPD“. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sachse. - Meine Damen und Herren! Die Debatte wird mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fortgesetzt. Dazu erteile ich dem Abgeordneten Herrn Qual das Wort. Bitte sehr, Herr Qual.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Minister hat in seinen Ausführungen sehr ausführlich den Stand der Verkehrsinfrastruktur beschrieben und ist dabei auf viele Details eingegangen. Ich will mir in meinen Ausführungen Wiederholungen möglichst ersparen. Vielmehr will ich hauptsächlich darauf eingehen, was uns bei aller Wertschätzung des unübersehbar Erreichten noch hemmend entgegensteht.

Verehrte Damen und Herren! Mobilität ist ein Teil der Freiheit. Sie ist die Voraussetzung für Flexibilität, für individuelle Lebensqualität, für Fortschritt und Wirtschaftswachstum. Bürger und Wirtschaft wollen und brauchen Bewegungsfreiheit und Entscheidungsfreiheit, um zukünftigen Herausforderungen gerecht werden zu können.

Seit der deutschen Einheit können wir enorme Fortschritte bei der Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur feststellen, auch in unserem Bundesland. Darüber sind wir sehr froh. Unser Land hat auf der Grundlage des Landesverkehrswegeplanes - Teil Straße - ernsthaft versucht, den Nachholbedarf bei der Sanierung von Landesstraßen und von Brücken zu reduzieren. Natürlich ist es nicht zufrieden stellend, dass weiterhin viele Brücken in einem unbefriedigenden Zustand sind. Abgesehen davon gibt es einen hohen Nachholbedarf bei den Gemeindestraßen. Dabei hilft das Land aber, wo es kann. Besonders wertvoll ist das GVFG-Mehrjahresprogramm 2003 bis 2007.

Dennoch steht Deutschland in puncto Mobilität im Stau, vor allem auf unseren bundesweiten Verkehrswegen. Die Infrastruktur ist überlastet. Das Durchschnittstempo hat sich verlangsamt. Der Staat hemmt die Mobilitätsentwicklung zusätzlich durch Steuern, Abgaben und ideologisch begründete Lenkungsmaßnahmen.

Deutschland braucht nach Ansicht von uns Liberalen generell eine neue Verkehrspolitik. Eine Verkehrspolitik, die die Mobilität der Menschen und der Güter als eine Voraussetzung des wirtschaftlichen Wohlstands sichert. Bewegungsfreiheit muss wieder bezahlbar werden. Die Infrastruktur muss zügig fit gemacht werden. Deshalb müssen alle Verkehrsträger mit ihren spezifischen Vorteilen zu einem attraktiven, umweltschonenden und sicheren Gesamtsystem vernetzt werden.

Das künftig zu erwartende Wachstum des Verkehrs muss unter Beachtung von Verkehrssicherheit und von Umweltschutz bewältigt werden. Technischer Fortschritt bietet neue Chancen für die Bewältigung der steigenden Mobilitätsbedürfnisse. Dies gilt insbesondere auch für Techniken, die die Emissionen von Verkehrsmitteln reduzieren.

Neue Logistiksysteme müssen es ermöglichen, die durchschnittlichen Transportentfernungen zu reduzieren und Leerfahrten weitgehend zu vermeiden. Eine intelligente Verkehrssteuerung ist mithilfe der Telematik möglich und hilft, Staus zu vermeiden. Forschung und Entwicklung müssen diese Möglichkeiten mit Priorität zur Anwendungsreife bringen.

Auch das Feinstaubproblem braucht eine Lösung, die dafür sorgt, dass an der Quelle der Verschmutzung Vorsorge getroffen wird. Alle bisher genannten Maßnahmen, vom Fahrverbot für Lkw über die Citymaut bis hin zum autofreien Sonntag, sind schierer Aktionismus und lösen kein einziges Problem wirklich. Eine mobile Ge

sellschaft braucht alle Verkehrsträger und muss für neue Entwicklungen und moderne Technologien offen sein.

Mobilität ist auch für Menschen mit Behinderungen und für ältere Menschen von besonderer Bedeutung. Deshalb müssen Hindernisse aller Art abgebaut werden. Dies ist in unseren neuen Verkehrskonzepten zu berücksichtigen. Wir müssen davon ausgehen, dass Menschen mit eingeschränkter Mobilität einfach darauf angewiesen sind.

Verehrte Damen und Herren! Der Herr Minister sagte, dass der Auf- und Ausbau der wesentlichen Fernverkehrsverbindungen im Land in wenigen Jahren beendet sein wird. Umso mehr wird es dann darauf ankommen, Kapazitätsreserven im Zusammenspiel der verschiedenen Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasser zu erschließen. Dies ist wichtig, bedenkt man, dass die Verkehrsleistung nicht nur vor dem Hintergrund der EUOsterweiterung bis 2015 im Personenverkehr um 20 % und im Güterverkehr um 64 % ansteigen wird.

Das Land Sachsen-Anhalt jedenfalls hat es verstanden, durch entsprechende Anpassungen der Landesentwicklungsplanung und der Landesverkehrswegeplanung den planungsrechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es darf kein Tempolimit bei den notwendigen Reformen geben.

(Zustimmung bei der FDP)

Der bisherige Ordnungsrahmen, die staatlichen Lenkungsinstrumente und Subventionen und nicht zuletzt das unternehmerische Handeln des Staates im Verkehrssektor haben sich nicht bewährt. Die vergangenen Reformen zur Liberalisierung und zur Privatisierung des Verkehrssektors waren richtig, reichen aber nicht aus.

Die Steuer-, Abgaben- und Investitionspolitik ist zu einem staatlichen Abkassier- und Umverteilungsmechanismus verkommen, statt verursachergerechte Kostenentlastungen zu fördern und durch Wettbewerb Mobilität effizient und bezahlbar zu machen.

(Zustimmung bei der FDP)

Hinzu kommt, dass die Haushaltsmittel durch den Bund nicht den tatsächlichen Verkehrsleistungen der Verkehrsträger entsprechend verteilt werden.

Die liberale Verkehrspolitik baut auf zwei Grundsätzen auf: Zum einen wissen die Bürger selbst besser als der Staat, in welcher Form sie mobil sein wollen.

(Herr Bullerjahn, SPD: Wo sie lang fahren dür- fen!)

Zum anderen sollte sich die Rolle des Staates darauf beschränken, die Infrastruktur zu gewährleisten und den Wettbewerb der Verkehrsträger untereinander zu fördern. Aus diesen Grundsätzen ergeben sich aus der Sicht der FDP-Fraktion vier Forderungen an eine moderne Verkehrspolitik für Deutschland:

Das Verursacherprinzip ist konsequent anzuwenden; denn nur dann ist die freie Wahl der Verkehrsmittel durch den Bürger gesamtwirtschaftlich effizient. Sofern Subventionen im Verkehr erforderlich sind, sollen sie so gezahlt werden, dass sie nicht Wettbewerb verhindern, sondern Wettbewerbsverzerrungen vermindern.

Für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur ist zukünftig so viel privates Kapital wie möglich zu erschließen.

Bei der Privatisierung ist darauf zu achten, dass keine neuen privaten Monopole geschaffen werden, sondern Strukturen, die den funktionsfähigen Wettbewerb sichern.

Zur Sicherung der Daseinsvorsorge reicht es letztlich aus, wenn Bund, Länder und Kommunen als Bedarfsträger auftreten und notwendige und politisch gewünschte Verkehrsleistungen im Wettbewerb an private Unternehmen vergeben. So gesehen muss es aus unserer liberalen Sicht perspektivisch auch um die Privatisierung von Leistungen gehen, die gegenwärtig durch unseren Landesbaubetrieb wahrgenommen werden.

Verehrte Damen und Herren! Die FDP will auch ein weiteres Vorantreiben der Bahnreform. Voraussetzung dafür ist die Trennung von Netz und Transport bei der Deutschen Bahn AG. Nach unseren Vorstellungen bleibt das Netz als Aktiengesellschaft zunächst im Mehrheitseigentum des Bundes. Auf längere Sicht ist auch eine Privatisierung des getrennten Netzes im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten anzustreben.

Einen Börsengang der Deutschen Bahn AG mit integriertem Netz lehnen wir ab. Das Ergebnis eines solchen Börsenganges wäre eine verkleinerte, dauerhaft hoch bezuschusste, intransparente und gegen Wettbewerb abgeschirmte Bahn.

Das Land Sachsen-Anhalt hat die Wettbewerbssituation im Schienenverkehr durch die Vergabe von Netzen an private Betreiber aktiv beeinflusst und verbessert. Das ist anzuerkennen.

(Zustimmung bei der FDP und von Herrn Schom- burg, CDU)

Beim ÖPNV muss es darauf ankommen, trotz der ungünstigen demografischen Entwicklung weiterhin eine flächendeckende Bedienung unter Beachtung eines vertretbaren Kostenaufwandes abzusichern. Ein sinnvoller Verkehrsträgermix sollte zur Optimierung des ÖPNV beitragen. Planungssicherheit wird dazu der noch in diesem Jahr vorzulegende ÖPNV-Plan als Teil des Landesverkehrskonzeptes geben.

Verehrte Damen und Herren! Das System der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur über die öffentlichen Haushalte ist angesichts des Verkehrswachstums vor allem auf der Straße überfordert. Die Investitionen in den Neu- und Ausbau reichen nicht aus, um die Infrastruktur zeit- und bedarfsgerecht bereitzustellen. Die Betriebs- und Erhaltungsaufwendungen sind viel zu gering; der Substanzverlust ist vorprogrammiert.

Mittelfristig muss die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur deshalb von der Haushaltsfinanzierung auf die Nutzerfinanzierung umgestellt werden. Aus der Sicht der FDP sind daher ein benutzer- und verursachergerechtes Gebührensystem sowie die Einbeziehung privater Unternehmen in Bau, Betrieb und Unterhaltung der Verkehrsinfrastruktur erforderlich, um deren Effizienz zu steigern und überflüssigen Neubau zu verhindern.