Protokoll der Sitzung vom 08.07.2005

wendigkeit, mindestens 60 Schülerinnen und Schüler für die Bestandsfähigkeit ihrer Schule nachzuweisen. Das gefährdet die bisher mithilfe einer Ausnahmeregelung bestandsfähigen Schulstandorte, zu denen aus den umliegenden Einzugsbereichen noch Schüler zu den Grundschulen gefahren werden. Das bedeutet, dass neben den in den drei Orten wohnenden Kindern auch die in den umliegenden Ortschaften wohnenden Kinder genauso betroffen sind.

Solche Probleme, wie sie uns anhand dieses Beispiels bekannt geworden sind, kann es in den nächsten Jahren auch an anderen Stellen geben, nämlich überall dort, wo Einheitsgemeinden aus relativ großen Territorien gebildet werden - so etwas gibt es bereits - oder wo es wieder um Eingemeindungen von Orten in größere oder kleinere Städte geht. Das kann und konnte man bei der Schulentwicklungsplanung noch nicht berücksichtigen. Das ändert wie gesagt auch nichts an den räumlichen Beziehungen in diesen Territorien.

Wir haben jetzt das erste konkrete Problem auf dem Tisch. Wir hatten vor eineinhalb Jahren schon einmal darauf aufmerksam gemacht, dass so etwas passieren kann. Jetzt passiert es genau genommen zum ersten Mal. Deshalb wollen wir mit unserem Antrag erreichen, dass für Grundschulen, die in eingemeindeten Orten oder in zusammengeschlossenen Einheitsgemeinden existieren, die gleichen Grundsätze gelten sollen wie für eigenständige Gemeinden.

Dies und nichts anderes möchten wir mit unserem Antrag erreichen. Es geht also nicht um eine Zurückführung der derzeitigen Schulentwicklungsplanung, sondern um Bestandsgarantien für das, was derzeit genehmigungsfähig ist. Darum bitten wir Sie, mit uns im Ausschuss darüber zu diskutieren, wie das am vernünftigsten geregelt werden kann. - Danke schön.

(Zustimmung bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Dr. Hein. - Meine Damen und Herren! Zunächst hat für die Landesregierung der Kultusminister Herr Professor Dr. Olbertz um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Kultusminister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst danke ich Ihnen noch einmal für die Nachsicht, mit der Sie mich haben ziehen lassen, um ein wunderbares studentisches Gartenfestival eröffnen zu können. Das wollte ich einfach würdigen

(Minister Herr Dr. Daehre: Ah!)

und bin Ihnen dafür sehr dankbar.

(Frau Kachel, SPD: Es war aber bestimmt schlechtes Wetter!)

- Ja, leider. Aber ab morgen soll es schöner werden.

Der zweite Punkt. Verehrte Frau Dr. Hein, den Vorwurf der Starrheit können Sie eigentlich nicht guten Gewissens aufrechterhalten, wenn Sie sich unsere Verfahrenspraxis beispielsweise bei den Sekundarschulen ansehen. Das darf man, glaube ich, so nicht machen; denn wir sind inzwischen mit einem beträchtlichen Maß an

Flexibilität herangegangen. - Dies nur der Fairness halber.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Die Verordnung zur mittelfristigen Schulentwicklungsplanung unterscheidet bei den Grundschulen zwischen Einfachstandorten und Mehrfachstandorten. An den Einfachstandorten, also dort, wo es in einer Gemeinde keine weitere öffentliche Grundschule gibt, beträgt die schulische Mindestgröße nicht 60, sondern 40 Schüler, also durchschnittlich zehn Schüler pro Jahrgang. Wer noch kleinere Schulen fordert, der muss sich möglicherweise fragen, wie die funktionieren sollen. Das haben Sie nicht gemacht. Ich sage das nur im Allgemeinen.

Solche Ausnahmen an Einzelstandorten sind ausdrücklich gewollt. Diese Praxis reagiert auf die Bedingungen des ländlichen, dünn besiedelten Raumes und gewährleistet ein stabiles und gut erreichbares Grundschulnetz. Sie ist eine wesentliche Stütze für ein wohnortnahes Angebot an Grundschulen, da die Schulwegezeiten überwiegend in den innerhalb des vom Kultusministerium empfohlenen Zeitrahmens von ca. 30 Minuten in eine Richtung beachtet werden.

Folgt man der Rechtsprechung und allgemein gültig veröffentlichten Hinweisen, zum Beispiel Satzungen von Trägern der Schülerbeförderung, sind für diese Altersgruppen Schulwegzeiten von bis zu 45 Minuten in eine Richtung zulässig. Wir empfehlen allerdings ausdrücklich 30 Minuten. Grundsätzlich davon abweichende Einzelfälle für das Gebiet Sachsen-Anhalts sind im MK nicht bekannt.

Im Lichte dessen und angesichts der demografischen Entwicklung können wir guten Gewissens sagen, dass wir in Sachsen-Anhalt die gelegentlich geforderte kleine, gut erreichbare, wohnortnahe Grundschule längst haben. Jahrgangsübergreifender Unterricht als Prinzip der Unterrichtsorganisation ist an diesen Schulen möglich und notwendig.

Was nun Ihren Antrag im engeren Sinne betrifft: Es ist richtig, dass bei einer Eingemeindung bisherige Einfachstandorte zu Mehrfachstandorten werden. Das gilt übrigens nur bei Eingemeindungen, nicht bei Verwaltungsgemeinschaften. Verändern bisher eigenständige Grundschulstandortgemeinden ihr Gemeindegebiet und fusionieren, entstehen Mehrfachangebote im Sinne der Schulentwicklungsplanung.

Allerdings hat diese Eigenschaft als Mehrfachstandort für die einzelnen Schulen bisher und auch im kommenden Schuljahr noch gar keine Folgen. Die Schulen sind genehmigungsfähig, solange sie die Anforderungen für die Ausnahme an Einzelstandorten erfüllen. Ich erwähne dies nur, damit wir uns keinem falschen Zeitdruck ausgesetzt sehen. Wohlgemerkt: Frühestens ab dem Schuljahr 2006/2007 müssten diese Standorte die schulischen Mindestgrößen für Mehrfachstandorte von 60 Schülerinnen und Schülern nachweisen.

Die Problematik ist im Landesverwaltungsamt und im Kultusministerium übrigens seit längerem bekannt. Auch die Überlegungen zum Umgang mit solchen Einzelfällen sind weit fortgeschritten.

Lassen Sie mich dazu Folgendes sagen: Es gibt in der Sache keinen Grund, Mehrfachstandorte aufgrund von

Eingemeindungen - es handelt sich dabei übrigens um eine sehr geringe Zahl, unserer Auffassung nach deutlich unter zehn - grundsätzlich anders zu handhaben als andere Mehrfachstandorte. Entsprechend sollte perspektivisch nach den einschlägig und lange bekannten Regelungen verfahren werden, wobei wir uns über den Zeitpunkt noch verständigen müssen.

Aber es wird niemand im Hinblick auf den ländlichen Raum ignorieren, dass wegen der real zwischen den Ortsteilen bestehenden Entfernungen in Einzelfällen Schulwegzeiten entstehen können, die die empfohlenen Grenzwerte von 30 Minuten überschreiten. Für diese Fälle, also nicht pauschal, benötigen wir auch langfristig ein differenzierendes Kriterium, das mögliche Ausnahmegenehmigungen mit Bezug auf die Schulwegzeit begründet. Damit benachteiligen wir die Schülerinnen und Schüler eingemeindeter Ortsteile gegenüber denen in anderen ländlichen Gemeinden mit einer Grundschule nicht. Wir stellen sie aber auch nicht besser.

Meine Damen und Herren! Mit Interesse habe ich gelesen - offenbar wurde der Antrag mit Bedacht formuliert -, dass für Grundschulen in eingemeindeten Ortsteilen die Ausnahmeregelung angewendet werden kann und nicht ausnahmslos angewendet werden soll. Würden wir ausnahmslos und unbefristet so verfahren, entstünde das Problem, dass wir letztlich nicht die Eingemeindung, sondern den Zeitpunkt der Eingemeindung zum ausschlaggebenden Kriterium erklärten. Das kann kein gerechtes Kriterium sein.

Wir würden den Zeitpunkt der Eingemeindung zur Entscheidungsgrundlage machen, nicht den Tatbestand. Deswegen kann man es so nicht machen; denn es gibt Ortsteile, die schon seit längerem eingemeindet worden sind und auf die die geltenden Regelungen der Schulentwicklungsplanung wie selbstverständlich angewendet wurden.

Folgte man dem Antrag der PDS und ließe an den im Ergebnis von Gemeindegebietsveränderungen neu entstandenen Mehrfachstandorten auf Dauer kleine Grundschulen zu, so könnten - ich sage es einmal so - alte Mehrfachstandorte Ähnliches beanspruchen, dies aber zumindest als Benachteiligung empfinden, falls an diesen Standorten eine der vorhandenen Grundschulen zu klein werden würde. Es wäre also ein Präzedenzfall.

Die Situation stellt sich anders dar, wenn man den neu entstandenen Mehrfachstandort in der Genehmigungspraxis differenziert betrachtet, seine dezentrale Siedlungsstruktur in einer ländlichen Lage zum Beispiel besonders würdigt. In diesem Fall könnte und müsste das Kriterium der Schulwegzeit ansetzen. Überschreitet diese einen als zumutbar zu bewertenden Rahmen, kann also auch hierfür eine Ausnahme erteilt werden, die eine schulische Mindestgröße toleriert, die der Regelung in § 3 Abs. 2 der Schulentwicklungsplanungsverordnung vergleichbar ist. Ein direkter Bezug für die Ausnahme auf § 3 Abs. 2 der mittelfristigen Schulentwicklungsplanungsverordnung ist dagegen nicht möglich, da sich dieser unmittelbar auf Einzelstandorte bezieht.

Ihr Antrag, meine Damen und Herren, sieht diesen differenzierenden Ansatz nicht vor. Deswegen kann man ihm - so generalisiert jedenfalls - nicht zustimmen. Ich bin aber bereit, die Problematik mit Ihnen im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft zu erörtern, um zu konstruktiven Einzelfalllösungen zu gelangen, und zwar um zu klären, welche Übergangsfristen innerhalb des Planungszeitraums sinnvoll erscheinen, damit sich die Schulträger in der Fortschreibung ihrer Schulentwicklungsplanung

auf die neue Situation einstellen können. Nur so kann man eine gerechte und ausgeglichene Lösung finden, das heißt, eine Frist definieren, innerhalb deren diese für die Gemeinden überraschende Konstellation be- und verarbeitet werden kann.

Aber eine generalisierte Ausnahme würde heißen, die übrigen Schulen an Mehrfachstandorten unter Umständen zu benachteiligen und ein außerlogisches Kriterium anzusetzen, das sich nur aus dem Zeitpunkt der Eingemeindung und aus nichts anderem ergibt. Dies wäre im Rahmen der Schulentwicklungsplanung im Ganzen niemandem zu erklären. Ansonsten sind wir für einen offenen, sinnvollen und vernünftigen Weg Ansprechpartner.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren! Wir treten nun in eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion ein. Für die FDP-Fraktion eröffnet Herr Dr. Volk die Debatte. Bitte sehr, Herr Dr. Volk.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Antragsteller greifen, wie es bei der PDS häufig geschieht, demonstrativ ein Thema auf, das sich in der Diskussion befindet, um sich daran ein Stück weit zu profilieren.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Na klar!)

Ich stimme diesem Antrag inhaltlich zu, aber der Weg ist ein Stück weit Schaufensterpolitik.

Meine Damen und Herren! Durch die von uns gewollte Bildung von Einheitsgemeinden kommt es unter Umständen dazu, dass Regelungen, die für Verwaltungsgemeinschaften Sondertatbestände schaffen, in den neuen Gebilden, also in den Einheitsgemeinden, außer Kraft gesetzt sind. So ist es auch in der Verordnung zur mittelfristigen Schulentwicklungsplanung.

Dabei ist der Zusammenschluss von Gemeinden in erster Linie ein administrativer Vorgang, der an der Situation vor Ort nichts ändert. Weder die Einwohnerdichte noch die Schulwege sind betroffen, wenn sich mehrere Gemeinde zusammenschließen. Konnte in einer Verwaltungsgemeinschaft eine Grundschule aufgrund der Ausnahmegenehmigung bestehen bleiben, weil sie an einem Einzelstandort existierte, gibt es in einer größeren Gemeinde nun mehrere solcher Grundschulen. Ein Ortsteil reicht für die Bestimmung als Einzelstandort nach der gültigen Verordnung nicht aus.

Das Problem tritt im Land auf - an einigen Standorten, wie wir hörten - und sollte im Sinne der Schülerinnen und Schüler gelöst werden. Ich sage das auch mit Blick auf Fälle, die ich kenne, wie zum Beispiel in der Gemeinde Jessen.

Meine Damen und Herren! Wir sollten uns im Bildungsausschuss mit dieser Problematik auseinander setzen, um eine Lösung im Sinne der betroffenen Schüler zu finden, und sollten uns vom Kultusministerium einen entsprechenden Verordnungsvorschlag vorlegen lassen.

Ich beantrage die Überweisung des Antrages in den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Vielen Dank, Herr Dr. Volk. - Die Debatte wird mit dem Beitrag der SPD-Fraktion durch den Abgeordneten Herrn Reck fortgesetzt. Bitte sehr, Herr Reck.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde erst einmal, dass die PDS einen sehr guten Antrag geschrieben hat.

(Zustimmung bei der PDS)

Das findet auch meine Fraktion. Ich könnte diesem Antrag heute zustimmen, denn das Bilden von Einheitsgemeinden ist auch für uns das Gebot der Stunde.

(Zustimmung bei der SPD)

Da es aber anscheinend in den anderen Fraktionen noch Diskussionsbedarf gibt, werden wir uns dem nicht verschließen und werden eine Überweisung des Antrages in den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft und in den Innenausschuss beantragen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Innenthema, ein kommunales Thema.

(Zustimmung von Herrn Czeke, PDS)

Wir brauchen das auch im Innenausschuss. Ich bitte also darum: Stimmen Sie der Überweisung in diese beiden Ausschüsse zu. - Danke.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)