Gestern wurden dem Landtagspräsidenten 1 450 Unterschriften übergeben. Ich unterstreiche ausdrücklich das, was der Landtagspräsident am gestrigen Tag gesagt hat - ich darf zitieren -:
„Wir dürfen nicht schweigen, wenn Rechtsextremisten rechte Parolen verbreiten. In SachsenAnhalt ist kein Platz für Rassismus und Extremismus.“
Ich denke, der Landtag sollte diese Worte heute unterstreichen, ein einmütiges zivilgesellschaftliches Signal gegen Rechtsextremismus und Gewalt setzen und ausdrücklich zivilgesellschaftliches Engagement würdigen und unterstützen. Davon braucht es mehr in diesem Land.
Die Übergriffe im Harz sind aus unserer Sicht nur die Spitze des Eisberges. Im ersten Halbjahr 2005 müssen wir im Land Sachsen-Anhalt einen deutlichen Anstieg von rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Straftaten verzeichnen. Die Zahl der rechtsextremen Straftaten stieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 138 auf 404, bei fremdenfeindlichen Straftaten ist für denselben Zeitraum ein Anstieg von 45 auf 48 Delikte zu registrieren.
Aber auch im Bereich der rechtsextremen SkinheadKonzerte müssen wir insbesondere im Raum Sangerhausen eine Vielzahl von Aktivitäten zur Kenntnis nehmen. Allein in Sotterhausen haben im ersten Halbjahr 2004 sieben Konzerte mit zum Teil mehr als 100 Teilnehmern aus verschiedenen Bundesländern stattgefunden. Gerade solche Veranstaltungen dienen dazu, junge Leute aus dem vorpolitischen Spektrum zu binden.
Auch in Sachsen-Anhalt soll in den nächsten Tagen flächendeckend eine neue Auflage der so genannten NPD-Schulhof-CD verteilt werden. Inhaltlich knüpft diese NPD-CD an das aus dem vergangenen Jahr bekannte Projekt „Schulhof“ an. Diese CD war unter maßgeblicher Mitwirkung rechtsextremer Versandfirmen aus Sachsen-Anhalt zustande gekommen. Alle auf der Musik-CD vertretenen Bands veröffentlichten bereits einschlägige rechtsextremistische Musikproduktionen. Darunter befinden sich Bands wie „Faustrecht“ oder „Sleipnir“ und der rechtsextreme Liedermacher Frank Rennicke.
Aber auch in unserem unmittelbaren Umfeld werden wir regelmäßig mit rechtsextremen und fremdenfeindlichen Umtrieben konfrontiert. So wurde in den letzten Wochen das Wahlkreisbüro meines Kollegen Thiel in Weißenfels Opfer von Schmierereien. Aufkleber von NPD und DVU mit rassistischen Parolen und Zeichen „zierten“ das Büro. In dieser Woche wurde die Scheibe eines Schaukastens mit schwarzer Farbe blind gemacht. Auch der Briefkasten wurde in Mitleidenschaft gezogen. Einige Beispiele sind hier auch fotografisch festgehalten.
Die Kollegin von Angern berichtet über eine an sie gerichtete rassistische E-Mail, in der gegen die vor kurzem in Magdeburg eröffnete dreisprachige Grundschule gehetzt wird. Zudem erinnern wir uns alle an die rechtsextremen Aufmärsche in Magdeburg, Halle und in anderen Städten.
Meine Damen und Herren! Auf der Grundlage eines gemeinsamen Antrages aller vier Fraktionen in diesem Hause fand bereits im März dieses Jahres hier im Haus eine ausführliche Diskussion zur Bewahrung von Demokratie und Toleranz, von Rechtsstaatlichkeit und Freiheit mit dem Ziel der Bündelung aller maßgeblichen gesellschaftlichen Kräfte unseres Landes und damit der Schaffung eines breiten zivilgesellschaftlichen Fundaments gegen Extremismus und Gewalt statt.
Alle Fraktionen betonten die Notwendigkeit der Schaffung eines „Netzwerkes für Demokratie und Toleranz“. Der Landtag beschloss einmütig, dass er es für angemessen hält, dass der Ministerpräsident und der Präsident des Landtages die notwendigen Schritte zur Bildung eines solchen Netzwerkes einleiten. Auch in der letzten Sitzung des Landtages wurde wiederum über dieses Thema diskutiert. Es ging insbesondere darum, wie die Arbeit dieses Netzwerkes qualifiziert werden kann. Ein Antrag der Fraktionen der SPD und der PDS wurde zu dem damaligen Zeitpunkt als überflüssig betrachtet und deshalb abgelehnt.
Meine Damen und Herren! Gerade die Entwicklungen der letzten Tage und Wochen sollten Anlass dazu sein, dass die Koalitionsfraktionen ihre Haltung nochmals überdenken. Es muss ein Ruck durch unser Land gehen. Der Landtag könnte hier und heute den Anfang machen, indem er ein klares Signal gegen jede Form von Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus aussendet.
Meine Damen und Herren! Wir sollten den Menschen vor Ort, die sich demokratisch und entschlossen gegen Gewalt und Intoleranz auflehnen, den Rücken stärken. Diesen Mut sollten und müssen wir stärken.
Zugleich zeigt sich, dass die Arbeit des „Netzwerkes für Demokratie und Toleranz“ intensiviert werden muss. Hierbei sollte insbesondere nach den Regionalkonferenzen in diesem Monat deutlich an Tempo zugelegt werden. Der Worte sind genug gewechselt. Wir wollen jetzt, denke ich, Taten sehen.
Meine Damen und Herren! Wir müssen jetzt und sofort handeln, ansonsten erleben wir, wie im Jahr 1998 geschehen, ein böses Erwachen. Wir brauchen keine hektischen Reaktionen, sondern wir brauchen kontinuierliches Engagement für den Erhalt unserer Demokratie. Dieses muss parteiübergreifend geschehen. Die rassistischen Gewalttaten der letzten Tage und Wochen sollten uns Warnung genug sein.
In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu dem gemeinsamen Antrag der Fraktionen der Linkspartei.PDS und der SPD. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Gärtner. - Meine Damen und Herren! Begrüßen Sie mit mir auf der Südtribüne eine Seniorengruppe des Bauvereins für Kleinwohnungen eG Halle (Saale).
Bevor wir in die Debatte eintreten, für die eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion vorgesehen ist, hat für die Landesregierung der Minister des Innern Herr Jeziorsky um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Minister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der vergangenen Woche habe ich das Kabinett über die Entwicklung der politisch motivierten Kriminalität unterrichtet und darüber anschließend die Öffentlichkeit in der Landespressekonferenz informiert. Die Berichterstattung haben die Fraktionen der Linkspartei.PDS und der SPD offensichtlich zum Anlass genommen, den nun vorliegenden Antrag zu stellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In meinem Bericht habe ich bereits auf die Entwicklung der Gesamtzahlen der politisch motivierten Kriminalität hingewiesen. Hierbei gab es im ersten Halbjahr 2005 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einen Anstieg um 238 Delikte. Das ist ein Zuwachs um knapp 70 %.
Dieser Trend war bereits bei der Bekanntgabe der „Polizeilichen Kriminalstatistik - Staatsschutz“ für das Jahr 2004 im Februar dieses Jahres erkennbar. Als mögliche Ursache habe ich auf das Scheitern des Verbotsverfah
Die Aktivitäten im rechten Bereich haben sich im ersten Halbjahr 2005 fortgesetzt und führten nun auch zu einer Vielzahl von Gegenreaktionen der linken Szene, verbunden mit Straftaten im Rahmen von Veranstaltungen und Demonstrationen sowie in deren Umfeld.
Der Schwerpunkt der politisch motivierten Kriminalität liegt nach wie vor eindeutig im Phänomenbereich „rechts“. Den prozentual größten Anstieg haben wir allerdings im Phänomenbereich „links“ zu verzeichnen. Hier stieg die Zahl der Delikte von 27 Straftaten auf 102 Straftaten. Die überwiegende Anzahl dieser Straftaten wurde im Rahmen von Veranstaltungen, Demonstrationen und bei Auseinandersetzungen zwischen Personen der linken und rechten Szene registriert. Auffällig bei den Straftaten durch Angehörige der linken Szene ist dabei besonders der überproportionale Anstieg der Gewaltdelikte. Die Zahl der Fälle stieg von sieben auf 32.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gewalt darf niemals Mittel der politischen Auseinandersetzung sein. Und Gewalt darf niemals politische Argumente ersetzen.
Der Anstieg der von Rechten begangenen Straftaten ist im Wesentlichen auf eine Steigerung bei den so genannten Propagandadelikten um 122 Fälle zurückzuführen. Der Anteil dieser Delikte an allen von Rechten verübten Straftaten liegt mittlerweile bei 73 %; das heißt, nahezu drei Viertel der Delikte im Phänomenbereich „rechts“ sind Propagandadelikte. Dazu gehören insbesondere Hakenkreuzschmierereien und das Zeigen des Hitlergrußes. Im ersten Halbjahr 2004 lag der Anteil dieser Straftaten noch bei 65 %. Allein 88 Strafanzeigen sind im Zusammenhang mit dem Tragen von Bekleidung mit dem verbotenen Logo „Thor Steinar“ erstattet worden. Es ist ein Phänomen, das im ersten Halbjahr 2004 noch nicht existierte.
Die Zahl der Gewaltdelikte durch Angehörige der rechten Szene ist um drei Fälle auf 34 Fälle gestiegen. Die Zahl der fremdenfeindlichen Straftaten ist ebenfalls gestiegen, und zwar um drei Fälle auf 48 Fälle.
Die in Sachsen-Anhalt zu verzeichnende Entwicklung politisch motivierter Delikte ist auch in anderen Bundesländern erkennbar. So hat Brandenburg Steigerungen im Bereich der politisch motivierten Straftaten und Bayern im Bereich der politisch motivierten Gewaltdelikte zu verzeichnen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die von mir dargestellten Zahlen machen deutlich, Gewalt und Extremismus jeglicher Art - egal, ob von rechts oder von links - stellen eine besondere Gefahr und eine besondere Herausforderung für unser demokratisches Gemeinwesen dar.
Die Landesregierung sieht - das nicht erst seit heute - in der Bekämpfung des Extremismus von links und von rechts einen Schwerpunkt ihrer Arbeit. Sowohl repressiv als auch präventiv ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen umgesetzt worden. Dabei war es immer das Ziel, eine einseitige Ausrichtung zu vermeiden und allen extremistischen Bestrebungen die gleiche Aufmerksamkeit zu widmen. Ich habe an dieser Stelle schon häufig darüber berichtet.
Angesichts der aktuellen Entwicklung werden bereits erfolgreich praktizierte Verfahrensweisen intensiviert fortgesetzt, und zwar durch konsequentes polizeiliches Vor
gehen bei Bekanntwerden von möglichen SkinheadKonzerten, durch eine Erhöhung der polizeilichen Präsenz an einschlägigen Treffpunkten und an erkannten Kriminalitätsschwerpunkten der rechten und linken Szene, durch täterorientierte Ermittlungs- und Präventionsarbeit und durch das Einrichten von Sonderkommissionen und Ermittlungsgruppen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Gewaltkriminalität gibt es bundes- und landesweit eine Fülle von Konzepten und Maßnahmen, mit denen vor allem Kindern und Jugendlichen Toleranz und Verständnis gegenüber anderen und ein angemessener Umgang mit Konflikten vermittelt werden. Diese Ansätze sind ein wichtiger Baustein bei der erfolgreichen Bekämpfung des politischen Extremismus. Sie gehen über das rein polizeiliche Tätigwerden hinaus.
Der Beschluss des Landtags in seiner 55. Sitzung vom 3. März dieses Jahres zielt ebenfalls in diese Richtung. Mit einem „Netzwerk für Demokratie und Toleranz - gegen Extremismus und Gewalt“ sollen die notwendigen Schritte unternommen werden, um eine Bündelung aller maßgeblichen gesellschaftlichen Kräfte unseres Landes zu erreichen und ein möglichst breites zivilgesellschaftliches Fundament gegen Extremismus und Gewalt zu schaffen.
Auch die mit der Initiative der kommunalen Kriminalprävention von der Landesregierung angestrebte wirksame Verzahnung aller mit Sicherheitsaufgaben betrauten staatlichen und kommunalen Verantwortungsträger berührt die repressive und präventive Bekämpfung der politisch motivierten Straftaten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die aktuellen Ereignisse in Tanne und Wernigerode sind von mir auf das Schärfste verurteilt worden. In beiden Fällen wird auch im Rahmen einer Ermittlungsgruppe mit Hochdruck an der Aufklärung dieser Straftaten gearbeitet. Nähere Einzelheiten kann die Landesregierung zum jetzigen Zeitpunkt weder im Plenum noch in den Ausschüssen des Landtages bekannt geben, weil es sich um laufende Ermittlungsverfahren handelt. Diese Ereignisse haben nochmals zu einer punktuellen Verstärkung von polizeilichen Maßnahmen geführt, zusätzlich zu den schon bisher umfangreichen Maßnahmen.
Dass diese Maßnahmen erfolgreich sind, kann man insbesondere am konsequenten Vorgehen unserer Polizei im Zusammenhang mit den im gesamten Bundesgebiet durchgeführten dezentralen Aktivitäten zu den so genannten Hess-Tagen erkennen. Mögliche kurzfristig geplante Aktivitäten, insbesondere Aufmärsche der rechtsextremistischen Szene in Sachsen-Anhalt konnten so entweder von vornherein verhindert oder durch frühzeitiges polizeiliches Einschreiten unterbunden werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat in Sachen Extremismus jeglicher Couleur nicht nur Aktivitäten angekündigt; sie hat auch gehandelt. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren! Wir treten jetzt ein in eine Debatte mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion. Diese wird eröffnet durch
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion wird dem Änderungsantrag von CDU und FDP zustimmen. Wir haben uns in der Vergangenheit in einer breiten Mehrheit dieses Hohen Hauses gegen Extremismus ausgesprochen. Ich gehe davon aus, dass wir auch heute ein solches Signal senden werden.
Inhaltlich kann ich zum Thema Extremismus auf den Redebeitrag meines verehrten Kollegen Rauls in der Landtagssitzung am 3. März 2005 verweisen. Dem schließe ich mich ausdrücklich an.
Ich möchte heute die Gelegenheit nutzen, bei Ihnen, sehr verehrte Damen und Herren der Opposition, dafür zu werben, ebenfalls dem Antrag der Koalitionsfraktionen zuzustimmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wieder einmal - diesmal hat sich auch die SPD-Fraktion dem angeschlossen - wird in einem Antragsentwurf
- Herr Bischoff, hören Sie doch erst einmal mein Argument zu Ende; vielleicht wird es dann klar - eine Form des Extremismus bewusst oder unbewusst ausgegliedert. Anders als die Koalitionsfraktionen, die sich gegen jegliche Art - das haben Sie in der Vergangenheit ja mitgetragen; das ist ja vollkommen richtig - von Extremismus aussprechen, hat der Antrag von Linkspartei.PDS und SPD nun den Linksextremismus ausgeklammert, bewusst oder unbewusst.