Protokoll der Sitzung vom 07.10.2005

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

7 Milliarden € sind ein stolzer Betrag. Als Wirtschaftspolitiker ist man jedoch an genaueren Zahlen interessiert. Herr Rehberger, Sie müssen uns einmal im Wirtschaftsausschuss erklären, woher die 7 Milliarden € kommen; darauf bin ich gespannt. Ich habe es beim besten Willen nicht geschafft, die erforderlichen Informationen zusammenzutragen. Ich freue mich auf die Debatte, die wir im Ausschuss führen können.

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: So wie beim Fort- schrittsbericht! - Zuruf von Herrn Metke, SPD)

Dabei ist natürlich die Frage interessant, in welcher Höhe Mittel von dem Landesanteil für Zuschüsse und in welcher Höhe Mittel für Darlehen in den einzelnen Branchen aufgewendet wurden. Wer wird vorrangig mit Zuschüssen, wer mit günstigen Darlehen bedient? Welche Kriterien werden hierbei eigentlich angewandt?

Zum Beispiel meldete die Investitionsbank einen Antragsbestand von 2,3 Milliarden €. Dabei sind doch die Fragen interessant: Welche Branchen stehen dahinter? Wie ernsthaft sind die Anträge zu bewerten? Das ist eigentlich das, was wir im Ausschuss gern mit Ihnen diskutieren wollen.

Wir freuen uns auch über die 20 000 Arbeitsplätze, die neu entstanden sind und die mit diesen Investitionen seit dem Regierungswechsel geschaffen worden sind. Tatsache ist aber auch - Sie kennen sie genauso gut wie ich -: Trotz der verschiedensten Förderinstrumente konnten wir die Arbeitslosigkeit nicht strukturell senken. Wir verzeichnen einen konstanten Rückgang der Zahl der Erwerbstätigen inklusive der Beschäftigten im produzierenden Gewerbe. Eine Ausnahme ist die Zahl der Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe; dort verzeichnen wir eine positive Tendenz.

Genau unter diesem Gesichtspunkt, Herr Minister, mahnen wir seit längerer Zeit - nicht erst seit den Thesen unseres Fraktionschefs - an, die Förderpolitik den Anforderungen einer selbsttragenden Wirtschaftsentwicklung für Sachsen-Anhalt anzupassen.

(Herr Gürth, CDU: Das mit den Thesen war doch Luther, oder?)

Die Zeit, einfach Arbeitsplätze zu kaufen, ist vorbei. Das hängt durchaus auch mit den sinkenden finanziellen Zuweisungen aus den verschiedensten Töpfen zusammen.

Staatliche Wirtschaftsförderung kann und darf nach unserer Auffassung nur ein Katalysator sein, ein Mittel also, das Prozesse in Gang setzt, ohne sich selbst zu verbrauchen. Das heißt in wachsendem Maße mehr Darlehensvergabe als Zuschuss, damit der Wirtschaftsförderfonds des Landes konstant bleiben kann. So sah es gestern der Finanzminister. Wie will hier der Wirtschaftsminister agieren?

Ein weiteres Problem, meine Damen und Herren: In Sachsen-Anhalt nahm der Modernitätsgrad bei Bauten und Ausrüstungen seit dem Jahr 2000 stetig ab. Das heißt, der durch Verbrauch und Verschleiß eingetretene Verlust an Vermögen konnte nicht durch entsprechend hohe Investitionen ausgeglichen werden. Im Jahr 2003 bezifferte sich der Modernitätsgrad für Ausrüstungen bei uns im Land auf 56,7 %; die Tendenz ist weiter fallend.

Diese Entwicklung zeigt sich ebenso im produzierenden Gewerbe; denn hier konzentriert sich fast die Hälfte des Ausrüstungsvermögens der Wirtschaft Sachsen-Anhalts und hier beginnt der Abwärtstrend bereits mit dem Jahr

1996. Wie werden solche Tendenzen in der Förderstrategie des Landes berücksichtigt? Das sollte doch nach unserer Auffassung ein Signal für die Notwendigkeit sein, vorrangig bestehende Unternehmen in ihrer Investitionskraft zu stärken.

Meine Damen und Herren! Wir haben uns alle über die Nachricht gefreut, dass Dell sein Service-Center in Halle errichtet hat. Die Entscheidung von Dell fiel aufgrund zahlreicher Faktoren, unter anderem aufgrund der optimalen Unterstützung durch Land und Stadt, der qualifizierten Mitarbeiter und anderem. Betont wurde aber auch der Vorteil der Kundennähe und des Marktes.

Es würde uns aber doch auch im Wirtschaftsausschuss interessieren, welche optimale Unterstützung durch das Land dem weltgrößten PC-Hersteller gewährt wurde, der ein jährliches Umsatzvolumen hat, das dem Sechsfachen unseres Landeshaushaltes entspricht. Zuschuss oder Darlehen, Herr Minister?

Dann kam die Absage für den Bau einer neuen Computerfabrik am Standort Halle. Die Absage war aber eigentlich keine, weil Dell langfristig angekündigt hatte, dass es nur ein Service-Zentrum geben würde, obwohl es für Halle gewisse Hoffnungen gab, nachdem sich das Unternehmen dort mit dem Service-Zentrum niedergelassen hatte. Diese Hoffnungen wurden auch immer einmal in den Medien verstärkt.

Da spielten bei der Begründung dafür, dass nicht Halle als Standort gewählt worden ist, die Kunden- und Marktnähe wieder eine entscheidende Rolle. Angesichts dessen bleibt die Frage für mich interessant: Warum sind wir denn für Dell kein interessanter Markt, der auch Kundennähe hier offen zeigt?

Osteuropa heißt nun das Ziel von Dell. In diesem Zusammenhang ist zu fragen: Bei welchen Problemen bzw. Anforderungen haben sie gepunktet? Dell verweist auch hierbei darauf, dass die Entscheidung aufgrund verschiedener Faktoren gefallen sei. Dazu gehören wiederum die Kundennähe, das Mitarbeiterpotenzial, die Steuerverhältnisse, die Lohnkosten und die logistische Anbindung. So müssen wir leider sachlich und nüchtern feststellen, dass der Standort Sachsen-Anhalt bei diesen Faktoren nur zweiter Sieger geworden ist und das Rennen verloren hat.

Damit wird aber nach unserer Auffassung gleichzeitig auf eine Gesamtproblematik unserer Wirtschaftsförderung hingewiesen, nämlich darauf, wie flexibel sie ist, wie schnell auf Veränderungen des Marktes reagiert wird und wie sich die Landesregierung darauf einstellen wird, dass die Marktchancen für eine erfolgreiche Unternehmensakquise verbessert werden.

Vor allem ist für uns die Frage relevant, was für ein Markt Sachsen-Anhalt eigentlich für Investoren ist. Ist es ein Markt, auf dem er seine Produkte kundennah absetzen kann? Ist es ein Markt, auf dem er Bestandteil einer Wertschöpfungskette ist, die den Exportanteil des Bruttoinlandsproduktes vergrößert? Oder ist es ein Markt, auf dem er Bestandteil einer Wertschöpfungskette ist, die regionale Wirtschaftskreisläufe initiiert? Oder ist Sachsen-Anhalt ein Markt, auf dem er den Standort nur als kurz- oder mittelfristiges Etappenziel einer globalen Wanderung betrachtet?

Wir brauchen nach unserer Auffassung ein höheres Niveau der Nachhaltigkeit auf diesem Gebiet, nicht nur was ökologische Gesichtspunkte betrifft. Vielmehr muss

erreicht werden, dass noch mehr Partner an einem Strang ziehen, um zukünftige Strukturen aufzubauen in der Gewissheit, dass damit das Potenzial der gesamten Region gestärkt wird.

Dazu gehört nach unserer Auffassung auch, dass jedes gescheiterte Ansiedlungsprojekt genauer unter die Lupe genommen und evaluiert wird. Es sollte geprüft werden, welche Elemente der aktiven und passiven Ansiedlungspolitik sich als tauglich und welche sich als weniger tauglich erwiesen haben.

Auch das Zusammenwirken von IIC, Wirtschaftsförderung Sachsen-Anhalt und regionaler Wirtschaftsförderung gehört auf den Prüfstand. Möglich erscheint uns auch die stärkere Einbeziehung der regionalen und überregionalen Wirtschaft. Auch ausländische Unternehmen sollten hier eine Rolle spielen, wie beispielsweise im Projekt „Regionenmarketing Mitteldeutschland“, in das aktiv weltweit unternehmerisch und investseitig Tätige einbezogen werden. Wir sollten versuchen, die Erfahrungen daraus für Sachsen-Anhalt insgesamt auszuwerten.

Das erfordert, wie gesagt, auch, die Chancen von Sachsen-Anhalt als strategischem Binnenmarkt in die Förderstrategie des Landes bei den Diskussionen im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit einzuordnen. Dazu gehört die Darlegung der Vergabepraxis und der diesbezüglichen Kriterien für den Zuschlag für Investitionsvorhaben. Der Minister sollte uns erläutern, welche Strategie die Landesregierung verfolgt, um sich auf neue Bedingungen und Veränderungen des Marktes, das heißt die Globalisierung, kurz- und mittelfristig einzustellen.

Hier wird nach wie vor vieles im Nebel gelassen bzw. mit der Aura von Geschäftsgeheimnissen umgeben. Erneut müssen wir mehr Transparenz fordern, was den Umgang mit öffentlichen Mitteln betrifft.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Die Aktuelle Debatte von vorhin reiht sich würdig in dieses Trauerspiel mit ein.

(Herr Dr. Schrader, FDP: Das passt jetzt über- haupt nicht!)

Wer öffentliche Mittel einwirbt, der sollte auch öffentlich darüber Rechenschaft ablegen, was er damit getan hat.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Interessant war auch die Anregung in der gestrigen Regierungserklärung, ein zentrales Controlling für den Fördermitteleinsatz zu entwickeln und anzuwenden. Wir würden gern die Intentionen dieses Vorhabens kennen lernen, zumal es uns sehr verwundert, dass es so etwas offenbar noch nicht gibt. Ich bitte deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Herr Dr. Thiel. - Bevor ich nun Herrn Minister Rehberger das Wort erteile, haben wir die Freude, Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schulen Quedlinburg auf der Südtribüne begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun bitte Herr Minister Rehberger.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn der wirtschaftspolitische Sprecher der PDS sich ausdrücklich, in aller Form und mit trefflichen Worten bei den Unternehmern, die bei uns investieren, bedankt, dann freue ich mich darüber.

(Herr Gallert, Linkspartei. PDS: Das ist nur Eigen- lob!)

Das sollten wir festhalten; denn es ist natürlich schon so, dass wir nicht von Staats wegen verfügen können, wer wo etwas macht. Die Zeiten sind vorbei, wenn ich das richtig sehe.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

Wir brauchen Menschen, die unser Land interessant finden, die von uns begleitet werden bei ihren Investitionen und die wir fördern. Diese brauchen wir in großer Zahl.

Wir brauchen uns nicht zu verstecken. Wenn man die Jahre von 2002 bis heute betrachtet, dann stellt man fest, wir liegen auch im Vergleich der Bundesländer ganz weit vorne, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Die Effektivität der Wirtschaftsförderung, wenn es um Ansiedlungen geht, kann man nur daran ablesen, was insgesamt investiert wird und wie viele Arbeitsplätze dadurch entstehen. Diese Zahlen sind bekannt.

Sehr geehrter Herr Kollege, wenn Sie weitere Details in einer nichtöffentlichen Ausschusssitzung hören wollen, sind wir bekanntlich bereit, im Einzelnen darüber zu berichten, soweit wir dabei nicht in interne Angelegenheiten von Unternehmen hineingehen. Das ist nie ein Problem gewesen.

Was Sie aber als Antrag gestellt haben, ist doch eine erstaunliche Sache. Sie wollen wissen, welche Kriterien der „Vergabe von Investitionsvorhaben“ zugrunde gelegt werden. „Vergabe von Investitionsvorhaben“ - wir vergeben keine Investitionsvorhaben. Oder meinen Sie vielleicht den Bauminister?

Was wir machen, ist, dass wir bestimmte private Investitionsvorhaben gegebenenfalls - wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen - fördern. Aber über die Vergabe von Investitionsvorhaben kann ich hier nichts sagen. Das ist nicht unsere Aufgabe.

Sie schreiben weiter: „Es sollte sichtbar gemacht werden, wie sich die Landesregierung auf neue Bedingungen und Veränderungen des Marktes kurz- und mittelfristig einstellt.“ - Das ist ein Thema der Unternehmen. Es ist doch nicht Sache der Landesregierung, sich auf die Bedingungen des Marktes einzustellen.

(Zustimmung von Frau Fischer, Merseburg, CDU)

Der ganze Antrag ist in einer Weise formuliert, dass ich nur sagen kann: Das kann man vernünftigerweise nicht beschließen.

Meine Damen und Herren! Was ich gern mache, ist, über das eine oder andere - wenn Sie konkrete Fragen haben - im Ausschuss Auskunft zu geben. Das habe ich in den letzten Jahren so gehalten. Das wird auch weiterhin der Fall sein.