Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass in einem einzigen Beratungsgespräch die individuelle und mitunter auch hochkomplexe Leidenssituation einer in Not geratenen schwangeren Frau bewältigt werden kann?
Dazu kommt, dass die Pflichtberatung in Form eines ausführlichen Beratungsgespräches möglichst noch vor der Geburt stattfinden sollte. Ich denke, es ist auch Ihnen klar, dass Frauen in dieser Situation darüber sehr spät, eventuell erst bei einsetzenden Wehen oder kurz vor der Entbindung entscheiden und verzweifelt nach einem Ausweg suchen.
Ich möchte mir nicht vorstellen, was in diesen Frauen vor sich geht, wenn sie wissen, dass sie noch ein ausführliches Beratungsgespräch hinter sich bringen müssen. Hierbei habe ich die ernste Befürchtung, dass viele Frauen geheim gebären anstatt anonym und medizinisch versorgt im Krankenhaus.
Daran ändern leider auch die Babyklappen nichts. Sie senken maximal das Risiko der Aussetzung nach der Geburt. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz, indem sich die Intention des Gesetzentwurfes in ihr Gegenteil kehrt. Ich möchte an dieser Stelle eindringlich dafür werben, die anonyme Geburt niedrigschwellig zu gestalten und die Beratungspflicht zu streichen.
Frau Seifert von der FDP-Fraktion ist diesbezüglich scheinbar schon einen Schritt weiter, konnte sich aber in ihrer Fraktion nicht durchsetzen. Sie forderte bereits im August dieses Jahres klare gesetzliche Regelungen für die anonyme Geburt, eben nicht für die geheime Geburt.
Herr Becker, ich habe sehr wohl wahrgenommen, dass auch Sie in Ihrer Rede nicht von einer geheimen Geburt, sondern von einer anonymen Geburt sprachen. Ich denke, Sie wussten, wovon Sie sprachen.
Die Niedrigschwelligkeit der anonymen Geburt ist eine Zugangsmethode, die Schranken und Barrieren abbau
en hilft und so unter anderem in der sozialen Arbeit das Annehmen von Angeboten überhaupt erst ermöglicht. Deshalb halten wir eine freiwillige begleitende Beratung für angebrachter und für wesentlich sinnvoller.
Genau dies gewährleistet die Beschlussempfehlung - geändert durch CDU und FDP - nach unserer Auffassung nicht. Deshalb werden wir der Beschlussempfehlung auch nicht folgen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau von Angern. - Die Debatte wird abgeschlossen durch den Beitrag der FDP-Fraktion. Es spricht Herr Kosmehl.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin von Angern, ich bin ein Stück weit überrascht, dass Sie offensichtlich die Erfahrungen, die man in Bayern mit dem Projekt „Moses“ gemacht hat, nicht ernst nehmen oder nicht kennen. Dieses Projekt „Moses“ hat, wie ich meine, eindrucksvoll bewiesen, dass eine Pflichtberatung dazu führt, dass sich eine sehr große Anzahl von Müttern für ihr Kind und für das Zusammenleben mit dem Kind entscheidet.
In dem Moment, wo Sie dieses beiseite wischen und sagen: na ja, beraten, begleiten, freiwillig, nehmen Sie den Müttern die Chance, dass es zu einer nichtanonymen Geburt kommt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich war bei der Einbringungsdebatte am 9. Juli 2004 der festen Überzeugung, dass der Bundesrat alsbald eine Entscheidung treffen wird, auch weil sich in den Beratungen des Bundesrates ein, wie ich finde, sehr ausgewogener Kompromiss mit dem Ergänzungsantrag Bayerns herausgebildet hatte.
Leider muss ich heute feststellen, Herr Minister, dass sich im Bundesrat dafür keine Mehrheit gefunden hat. Ich bin Ihnen aber persönlich sehr dankbar, dass Sie dieses Thema aus der Sicht des Landes und für das Land Sachsen-Anhalt weiter begleiten und anregen, eine Lösung zu finden. Wir brauchen eine Lösung für diese Problematik, eine rechtlich fundierte Lösung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte in meiner Rede auch noch einmal betonen, dass die sehr umfangreiche Anhörung eine sehr, sehr gute war, in der wir die vielfältigen Ansätze, die es von den verschiedenen Einrichtungen zur Lösung und zum Umgang mit der Problematik und insbesondere natürlich auch zum Umgang mit den werdenden Müttern und mit Mutter und Kind gibt, kennen gelernt haben. Das hat uns auch in der Erkenntnis gefestigt, dass es sinnvoll, dass es notwendig ist, solche Initiativen zu erhalten und zu fördern, und dass es gleichsam notwendig ist - das ist auch in der Anhörung deutlich geworden -, eine Gesetzesregelung zu schaffen.
Ich möchte auch heute noch einmal herzlich dafür werben, dass wir einen rechtlichen Aspekt in dieser Debatte - wie Sie es getan haben, Frau Kollegin von Angern -
nicht beiseite wischen. Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung ist ein in Deutschland verfassungsgerichtlich festgestelltes und in unserem Grundgesetz verankertes Recht. Ich finde es wirklich - ich sage es mal ein bisschen salopp - daneben, dieses Recht des Kindes gegen das Recht auf Leben abzuwägen.
Diese Situation stellt sich hier nicht. Wir müssen dieses Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung sehr ernst nehmen. Das ist übrigens ein Unterschied zum französischen Recht. Deshalb, finde ich, ist die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auch nicht anwendbar auf Deutschland, zumindest nicht im Verhältnis 1 : 1, weil wir in Deutschland einen viel höheren Schutz des Kenntnisanspruchs haben, als es in Frankreich der Fall ist. Wer die Entscheidung des EGMR liest, der weiß auch, dass sich die Lösung im französischen Recht innerhalb des nationalen Rechts, innerhalb der Möglichkeiten des Spielraums der Nationalstaaten bewegt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hier ist eine genaue Prüfung weiterhin notwendig. Ich denke, dass der Gesetzesantrag von Baden-Württemberg in der Form von Bayern dabei sehr, sehr weit gekommen ist. Deshalb sind wir in den Koalitionsfraktionen auch darüber übereingekommen, dass wir die Landesregierung bitten, im Bundesrat diese Position weiter zu vertreten und vielleicht in den fortlaufenden Gesprächen auch diesen Aspekt der Kenntnis der eigenen Abstammung deutlicher zu verankern.
Lassen Sie mich zusammenfassen. Es herrscht Einigkeit darüber, dass wir die Problematik der anonymen Geburt, und zwar die Situation der werdenden Mütter, die sich in einer schweren Konfliktlage befinden, ernst nehmen müssen und dass wir ihnen einen rechtlichen Rahmen geben müssen. Das ist übrigens auch zum Schutz derjenigen erforderlich, die sich der werdenden Mütter annehmen, nämlich der Krankenhäuser, die das bereits jetzt schon tun.
Wir dürfen dabei aber nicht das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung außer Acht lassen. Diesen Spagat, der sehr, sehr schwierig ist, den müssen wir leisten. Es lohnt sich, diesen Spagat zu versuchen. Ich glaube, er ist möglich. Herr Minister, ich bitte Sie, dass sich das Land Sachsen-Anhalt auch weiterhin dafür stark macht, gegebenenfalls in einem neuen Gesetzgebungsverfahren. Diese Thematik muss endlich geregelt werden. - Vielen Dank.
Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung des Ausschusses in der Ihnen vorliegenden Drs. 4/2453 ab. Wer stimmt zu? - Die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Die Oppositionsfraktionen. Damit ist die Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen worden und der Tagesordnungspunkt 17 ist beendet.
Ich rufe nun unter günstigeren Voraussetzungen, als es vorhin der Fall gewesen wäre, den Tagesordnungspunkt 25 auf:
Meine Damen und Herren! Zunächst einige erläuternde Worte. Für den nach § 39 des Stasi-Unterlagengesetzes bei der Bundesbeauftragten zu bildenden Beirat entfallen auf das Land Sachsen-Anhalt zwei Mitglieder, die gemäß § 7 des Ausführungsgesetzes zum Stasi-Unterlagengesetz vom Landtag mit zwei Dritteln der anwesenden Abgeordneten, jedoch mindestens mit der Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten zu wählen sind.
Der Landtag hat in seiner 38. Sitzung am 2. April 2004 für eine fünfjährige Amtszeit des Beirates Herrn Harald Wernowski und Herrn Peter Oleikiewitz gewählt. Herr Wernowski ist Ende September 2004 verstorben. Der Landtag muss also eine Nachfolgerin bzw. einen Nachfolger wählen.
Dem Plenum liegt nunmehr in der Drs. 4/2479 ein gemeinsamer Wahlvorschlag der genannten Fraktionen vor. Es wird vorgeschlagen, Frau Dr. Ulrike Höroldt als Mitglied in den Beirat zu wählen. Frau Höroldt, ich begrüße Sie auf der Nordtribüne.
Eine Debatte darüber findet nicht statt. Gemäß § 77 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung wird mit Stimmzetteln gewählt. Das Wahlverfahren ist hinreichend bekannt. Der Stimmzettel enthält den gemeinsamen Wahlvorschlag. Sie kreuzen bitte entweder bei „Ja“, bei „Nein“ oder bei „Enthaltung“ an. Sie wissen, dass derjenige, der mehr als ein Kreuz macht, den Stimmzettel ungültig macht.
Sie werden jetzt durch ein Mitglied des Sitzungsvorstandes in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen und erhalten hier vorn vom Schriftführer den Stimmzettel. Das übliche Verfahren kennen Sie, das brauche ich Ihnen jetzt nicht weiter vorzutragen.
Ich bitte jetzt die Schriftführerinnen und Schriftführer, die Wahlhandlung zu unterstützen. Frau Schmidt nimmt den Namensaufruf vor, Frau Brakebusch gibt die Stimmzettel aus, Frau Grimm-Benne führt die Wählerliste, Herr Grünert beaufsichtigt die Wahlkabine und Herr El-Khalil beaufsichtigt die Wahlurne.
Im Interesse des Ablaufs bitte ich Sie, sich wieder auf Ihren Platz zu setzen, wenn Sie gewählt haben.
Ich bitte nun die Schriftführer, gemäß ihrem Amte zu verfahren. - Herr El-Khalil, Sie überzeugen sich bitte, ob die Wahlurne leer ist, und bestätigen das.
Hat ein Mitglied des Landtages, das im Saal anwesend ist, noch nicht gewählt? - Das ist offensichtlich der Fall.
Meine Damen und Herren! Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Abgegeben wurden 103 Stimmen. Alle 103 Stimmen waren gültig. Für den Wahlvorschlag haben 88 Abgeordnete gestimmt. Gegen den Wahlvorschlag haben vier Abgeordnete gestimmt. Es gab elf Stimmenthaltungen. Damit sind alle Quoren erreicht worden.