Protokoll der Sitzung vom 11.11.2005

Die nächste Frage stellt Frau Dr. Hüskens.

Frau Fischer, mir ist aufgefallen, dass in Ihrer Rede die drei Sitzungen des Finanzausschusses, in denen auf der Grundlage eines Selbstbefassungsantrages der Fraktionen der FDP und der CDU lange über Allstedt diskutiert worden ist, überhaupt nicht vorkamen. Meiner Erinnerung nach ist das deshalb so, weil Sie gar nicht dabei waren.

Wie kommt es, dass Sie damals offensichtlich überhaupt kein Interesse an der Diskussion hatten, sich jetzt aber offensichtlich zum Retter von Allstedt machen wollen und zu einem Zeitpunkt, zu dem alle Messen gesungen sind, auf einmal Interesse zeigen, während Sie sich damals überhaupt nicht engagiert haben? Ich kann mich gut entsinnen, dass die Äußerung von Frau Rotzsch, die sich damals auch sehr engagiert hat, damals bei Ihnen auf großes Desinteresse gestoßen ist.

(Starker Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Frau Dr. Hüskens, wir wollen uns nicht zum Retter der Region und auch nicht zum Retter von Allstedt machen. Wir haben uns wochen- und monatelang sehr intensiv mit der Region beschäftigt und haben mit der Bürgerinitiative diskutiert. Wir haben uns dort auch umgeschaut. Wir haben also nicht von heute auf morgen oder urplötzlich die Bürgerinitiative und die Probleme im Ziegelrodaer Forst kennen gelernt. Vielmehr haben wir uns dessen angenommen, weil wir wollten, dass im weiteren Verfahren das Parlament beteiligt bzw. informiert wird. Das ist unser Anliegen und nichts anderes.

(Zustimmung bei der SPD - Unruhe bei und Zuru- fe von der CDU)

- Damals waren die Probleme noch nicht so weit.

(Oh! und Lachen bei der CDU - Frau Feußner, CDU: Es ist schon seit zwei Jahren so!)

Es lag noch kein Kaufvertrag vor und es wurde immer gesagt: Wir wissen doch gar nicht, wer diesen Kaufvertrag überhaupt macht. Ich kann mich gut daran erinnern, dass gesagt wurde: Es ist noch gar nicht beschlossen, ob es überhaupt zu einem Kaufvertrag kommt.

(Frau Feußner, CDU: Sie waren doch gar nicht dabei!)

Wochen- und monatelang wurde auch im Finanzausschuss, wenn das Thema dort angesprochen worden ist, geäußert: Ich weiß gar nicht, was Sie wollen; der Kaufvertrag ist noch gar nicht unterzeichnet. - Das waren die tatsächlichen Bedingungen und nichts anderes.

(Herr Gürth, CDU: Nein! So etwas nennt man ei- nen Schuss in den Ofen!)

Frau Dr. Hüskens hat noch eine Nachfrage? - Das hat sich erledigt. Dann bedanke ich mich, Frau Fischer.

Wir kommen jetzt zur Debatte. Zunächst haben wir aber die Freude, Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schulen Quedlinburg auf der Südtribüne begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kehl. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit geraumer Zeit wird heftig über den Bau einer Schweinemastanlage in Allstedt diskutiert. Die Bürgerinitiative ist sehr aktiv und hat uns alle mit Post und Argumenten bedacht.

Der Widerstand ist für mich und meine Fraktion durchaus verständlich. Ich - das wissen auch viele von uns - weiß nämlich selbst, wie es ist, wenn man unmittelbar in seinem Umfeld, womöglich sogar vor der eigenen Haustür, ein Gewerbeobjekt hat, das die Landschaft nachteilig verändert, seien es Windkraftanlagen oder große Tierställe.

Deshalb hat sich die FDP sehr ausführlich mit dem Thema befasst. Herr Professor Paqué war sogar vor Ort, um sich ein Bild zu machen. Ihm jetzt daraus einen Vorwurf zu machen ist mehr als ungerecht. Niemand von der FDP und schon gar nicht Herr Professor Paqué missachtet die Bürgerinitiative oder womöglich deren Anliegen - im Gegenteil.

(Zustimmung bei der FDP)

Aber wir sind eben auch an das geltende Recht gebunden und sind darüber hinaus dankbar für jeden einzelnen Arbeitsplatz, der bei uns entsteht. Wir sind auch dankbar für jedes Stück Land, das wir Gewinn bringend an einen Investor verkaufen können.

Gleichwohl müssen geltende Vorschriften natürlich auch vom Investor strikt eingehalten werden. Die FDP fordert daher die zuständigen Behörden auf - ohne ihnen zu unterstellen, dass sie das nicht bereits tun würden -, sehr genau darauf zu achten, dass die strengen deutschen Umweltvorschriften genauestens beachtet und Grenzwerte unbedingt eingehalten werden.

Wenn sich Beeinträchtigungen schon nicht vermeiden lassen, dann sollen diese zumindest so gering wie möglich gehalten werden. Dabei sollte man auch bedenken, dass es sich hinsichtlich der Emissionen um moderne Anlagen handelt, die nicht mit den alten Anlagen verglichen werden können.

Als unerträglich empfand ich jedoch den Auftritt der Linkspartei.PDS, namentlich des Herrn Krause, vorhin vor der Tür: immer nur Opportunismus und Populismus, und das in einer unerträglichen Lautstärke. Das ist nicht auszuhalten.

(Starker Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank - Ministerin Frau Werni- cke: Genau!)

Gäbe es eine Bürgerinitiative für den Bau der Anlage, ich wette, Herr Krause würde auch für sie reden. Es geht ihm nämlich nicht um die Sache, sondern nur um den Populismus vor der Wahl.

(Zuruf von Herrn Krause, Linkspartei.PDS)

Aber auch die SPD treibt hier offensichtlich ein doppeltes Spiel. Wir haben es schon gehört: Der frühere Minister Herr Rehhahn ist sowohl Berater der SPD-Fraktion als auch des Investors.

(Herr Bullerjahn, SPD: Erzählen Sie nicht so ei- nen Unsinn! Passen Sie genau auf, was Sie sa- gen, Herr Kehl! - Frau Dr. Kuppe, SPD: Da muss man schon bei der Wahrheit bleiben!)

- Das habe ich gehört. Ob es stimmt, weiß ich nicht. - An dieser Stelle muss man aber fragen dürfen, ob eine 100prozentige Objektivität vonseiten der SPD in dieser Sache wirklich gewährleistet ist.

(Unruhe bei der SPD)

Allein deshalb macht es Sinn - um auch das zu beleuchten -, sich dieses Themas einmal grundsätzlich anzunehmen, durchaus auch anhand des Beispiels Allstedt. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass wir für jegliche Anlagen dieser Art im ganzen Land, nicht nur für Allstedt, die Verantwortung tragen. Deshalb sollten wir alle möglichen Gesichtspunkte des Themas beleuchten. Dazu gehören neben den umweltpolitischen Fragen durchaus auch struktur- und wirtschaftspolitische Fragen. - Schönen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kehl. - Nun spricht Herr Höhn für die Linkspartei.PDS.

(Herr Krause, Linkspartei.PDS, meldet sich zu Wort)

- Herr Krause, möchten Sie eine Frage stellen? - Herr Kehl, möchten Sie die Frage beantworten? - Nein, er möchte nicht. Dann erteile ich Herr Höhn das Wort. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe von Herrn Gürth gerade ein schönes Stichwort gehört: Glaubwürdigkeit. Dazu komme ich gleich.

Bevor mir die Frage gestellt wird, warum ich rede und warum ich mich erst seit heute mit diesem Thema befasse - so etwas in der Art wäre doch jetzt gekommen -, möchte ich auf Folgendes hinweisen: Ich bin seit länge

rem an diesem Thema dran. Ich hatte auch schon vor längerer Zeit mit Frau Wernicke Briefkontakt dazu und bin seit vielen Monaten Mitglied dieses Vereins. - Damit wäre das am Anfang geklärt.

Ich möchte auf zwei Punkte hinweisen. Frau Fischer hat den Verlauf sehr ausführlich geschildert. Auf einen zentralen Punkt, der den Betroffenen vor Ort am Herzen liegt, möchte ich eingehen. Es geht um die Frage: Was passiert grundsätzlich in dieser Region?

Frau Fischer hat auf die Potenziale aufmerksam gemacht, die wir dort vor Ort haben. Wir haben mit dem Ziegelrodaer Forst eine sehr schöne Landschaft. Wir verfügen über archäologisch wertvolle Fundorte im näheren Umfeld, die von einer solchen Anlage betroffen wären. Ich möchte nur an den Fundort der Himmelsscheibe erinnern.

Vor diesem Hintergrund stellt sich schon die Frage, ob sich die Errichtung einer solchen Anlage, die dieses Gebiet weiträumig belasten würde, sich in ein schlüssiges Konzept einfügt. Einerseits möchte man in diese Region Interessierte und Touristen locken - das unterstützen wir -; andererseits setzt man dort eine solche Anlage hin, die die Region belastet und den touristischen Effekt nachhaltig schädigt. Das ist etwas, das nicht zusammengeht.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS - Herr Schomburg, CDU: Dafür machen wir Genehmi- gungsverfahren!)

Zu einem zweiten Punkt, der mir wichtig ist. Damit bin ich bei der Glaubwürdigkeit, von der hier oft geredet wird.

(Frau Feußner, CDU: Ja, bei Ihnen bestimmt!)

Die Rolle von Herrn Paqué ist hier schon mehrfach angesprochen worden. Herr Kehl hat eben erklärt: Herr Paqué war vor Ort; ihm daraus jetzt einen Vorwurf zu machen, wäre nicht gerecht. - Ein Vorwurf, dass er vor Ort war, ist mir nicht bekannt. Ich glaube, dass die Bürgerinitiative sehr erfreut darüber war, dass der Minister vor Ort war. Die Verärgerung, die aufgekommen ist, geht auf Äußerungen zurück, die er dort vor Ort gemacht hat.

Dazu möchte ich doch etwas sagen. Die Betroffenen vor Ort - der Minister versucht in letzter Zeit, das zu relativieren, und sagt, er habe das so nicht geäußert - haben vom Minister den Vorschlag unterbreitet bekommen, doch ihrerseits ein Angebot für dieses Objekt zu unterbreiten und es als Bietergemeinschaft zu erwerben.

Wenn Sie, Herr Minister, sich heute hinstellen und sagen: „Das habe ich so nicht gesagt“, dann erscheint das nicht schlüssig. Sie haben von der Bürgerinitiative auch nach diesem Angebot vor Ort zweimal Post bekommen, in der um eine Präzisierung dieses Angebotes Ihrerseits gebeten worden ist. Sie haben die Briefe nicht beantwortet. Wenn also die Offerte missverstanden worden wäre, dann hätten Sie zumindest diese Gelegenheit nutzen können, um das zurückzunehmen.

(Lebhafter Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das haben Sie nicht getan, also können Sie sich nicht heute hinstellen und beklagen, dass es ein großes Missverständnis gäbe und Sie das nie so gemeint hätten. Dann hätten Sie der Bürgerinitiative im Nachhinein mitteilen können: Das war nicht der Fall. Dann hätte es vermutlich auch das Angebot der Bürgerinitiative nicht gegeben.

Nach dem Angebot aber zu versuchen, die Situation jetzt zu retten, um da irgendwie herauszukommen, das ist unredlich. Daraus resultiert der Vorwurf, Herr Kehl, und nicht daraus, dass er vor Ort war.