Protokoll der Sitzung vom 20.01.2006

Ich frage Sie, Herr Minister: Wäre es nicht angebracht einzuräumen, dass versäumt worden ist, eine geeignete Software für BSM anzuschaffen, nicht aus Finanznot, sondern aus Sorglosigkeit? Und wie wäre es, wenn man das Bedürfnis von Menschen ernst nimmt, einem überschaubaren Arbeitskollektiv anzugehören?

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Links- partei.PDS)

Wo Managementfehler in Magdeburg gemacht werden, darf man die Verantwortung doch nicht der Revierebene zuschieben, und wo im nachgeordneten Bereich Fehler gemacht werden, sollte sich ein Minister vor seine Mitarbeiter stellen!

Herr Minister, beim Thema innere Sicherheit habe ich Sie lange Zeit geschont und mir deswegen manchen Vorwurf eingehandelt. Ich respektiere Ihre Biographie, zumal ich selbst den damaligen Bedingungen hier nicht ausgesetzt war. Man muss mit den Sicherheitskräften nicht gleich warm werden. Ich selbst habe als Rechtsreferendar ein halbes Jahr lang bei der Bonner Polizei gearbeitet und blieb solange sehr auf Distanz.

(Herr Tullner, CDU, lacht)

Aber dass Sie als Minister in fast vier Jahren Ihre innere und äußere Distanz nicht überwunden haben, dass Ihr Verhältnis zur Polizei noch immer ein Nichtverhältnis ist, das belastet die Landespolizei.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Links- partei.PDS - Widerspruch bei der CDU - Frau Weiß, CDU: Quatsch!)

Heute haben wir es mit einer handfesten Führungskrise bei der Polizei zu.

(Widerspruch bei der CDU - Herr Tullner, CDU: Das ist Wahlkampfgetöse! - Herr Reichert, CDU: So eine Vorstellung! - Herr Dr. Schellenberger, CDU: Sie müssen einmal die Polizisten fragen, aber die richtigen!)

Im Idealfall geht ein Polizeiführer ohne Vorbehalte auf seine Mitarbeiter zu, nach dem Motto: Vertrauen gegen Vertrauen. Das Vertrauen wird gewährt, bis im Einzelfall der Beweis des Gegenteils geführt ist. Mit dieser Führungsphilosophie habe ich in der Polizeidirektion Merseburg den Leitenden Polizeidirektor Rainer Bauch kennen gelernt, der dann übrigens als erster Beamter ostdeutscher Herkunft in Sachsen-Anhalt zum Polizeipräsidenten ernannt wurde und mittlerweile im Ruhestand ist.

Weil Polizeibeamte von ihrer Kundschaft selten Dank erfahren,

(Herr Tullner, CDU, und Herr Dr. Schellenberger, CDU, lachen)

müssen sie umso mehr spüren, dass die Polizeiführer, nicht zuletzt der Minister, zu ihnen stehen und ihre Arbeit wertschätzen.

In diesem Zusammenhang will ich noch ein paar Worte zur Ausstattung der Polizei sagen. Das ist ein großer Kostenblock. Auch die Polizei muss einen Beitrag zur Konsolidierung des Landeshaushaltes leisten. Aber von dem zuständigen Ressortminister darf man erwarten, dass er sich für die Belange seiner Beamten stark macht und auch einmal einen Streit mit dem Finanzminister und der Staatskanzlei riskiert, wie das Ihr Amtsvorgänger getan hat, anstatt in Fatalismus zu verfallen.

(Herr Tullner, CDU: Das muss man doch nicht in der Öffentlichkeit austragen! Unerhört! - Zurufe von Frau Rotzsch, CDU, von Frau Weiß, CDU, und von Herrn Dr. Schellenberger, CDU)

Nachdem es jahrelang keine Beförderungsperspektive für die Beamten gab, nützt es nichts, kurz vor der Landtagswahl die Schleusentore zu öffnen. So wird das Vertrauen nicht zurückgewonnen.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Jeziorsky, ich bin der Meinung, dass es Ihnen nicht mehr möglich sein wird, das verlorene Vertrauen der Polizei zurückzugewinnen. Sie sind als Polizeiminister gescheitert. Bleiben Sie trotzdem bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt.

(Frau Weiß, CDU: Das bestimmen Sie doch nicht!)

Ich mag mir nämlich nicht vorstellen, was ein Innenminister Thomas Webel in den 100 Tagen alles anrichten könnte. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Herr Tullner, CDU: Unerhört! Persönliche Diffamierung! - Frau Brakebusch, CDU: Sie sollten sich was schämen! - Herr Kosmehl, FDP: Also! - Weitere Zurufe von der CDU)

Vielen Dank, Herr Rothe. - Zum Abschluss der Debatte hören wir den Beitrag der FDP-Fraktion. Es spricht Herr Kosmehl. Bitte, Herr Kosmehl.

Herr Präsident! Meinen sehr geehrten Damen und Herren! Werter Herr Kollege Rothe, ich habe Sie hier in den vergangenen fast vier Jahren als jemanden kennen gelernt, der durchaus pointiert redet und das eine oder andere auch einmal zugespitzt darstellt. Ich sage ganz offen, dass ich das an Ihnen mag. Aber das, was Sie heute hier abgeliefert haben, ist einfach Ihrer nicht würdig, und ich denke, es ist auch des Hohen Hauses nicht würdig.

(Beifall bei der FDP - Starker Beifall bei der CDU - Herr Dr. Thiel, Linkspartei.PDS: Sachbeschädi- gung!)

Herr Kollege Rothe, ich hoffe wirklich, dass Herr Püchel die Zeit finden wird, das Protokoll und die ganzen Lobreden auf seine Person zu lesen. Er konnte sie leider nicht hören. Aber ich glaube, die Fakten - ich werde versuchen, dies in meiner Rede darzustellen - stellen sich doch etwas differenzierter dar.

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Geben Sie sich mal Mühe!)

Wenn man alles über die Jahre betrachtet - vielleicht versuchen wir einmal den Bogen über die vergangenen 15 Jahre zu spannen -, dann werden wir feststellen, dass es über die Jahre allen Innenministern gegenüber den Finanzministern schwer gefallen ist, eine angemessene

Ausstattung für die Polizei zu bekommen. Ich denke, am Ende haben wir im Landtag als Haushaltsgesetzgeber immer eine Lösung gefunden, und ich glaube, das sollte man auch nicht in Abrede stellen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch zwei weitere Punkte im Rahmen der Vorbemerkung nennen. Ich glaube, es ist richtig, dass sich der Landtag mit der Situation der Polizei beschäftigt. Ich glaube aber, dass es besser gewesen wäre, Frau Tiedge, wenn wir dies im Ausschuss für Inneres gemacht hätten -

(Zuruf von Herrn Gallert, Linkspartei.PDS)

nicht weil ich die Öffentlichkeit scheue, sondern weil ich glaube, dass wir uns dann besser, intensiver und vielleicht auch etwas nüchterner dem Thema hätten widmen können - wir können es auch gerne nachholen - und es gerade nicht zu einer Wahlkampfrede, wie Sie sie gehalten haben, gekommen wäre. Das ist nämlich der Polizei nicht angemessen; denn ich glaube, dass man mit der Polizei und mit der Motivation der Polizei keinen Wahlkampf machen sollte.

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Auf keinen Fall! - Weitere Zurufe von der Linkspartei.PDS und von Frau Dr. Kuppe, SPD)

Die Polizei ist ein wichtiger Punkt. - Frau Kuppe, Sie können gerne eine Frage stellen. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar; das verlängert meine Redezeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Polizei ist der Garant für die innere Sicherheit unseres Landes und deshalb ist sie notwendig. Sie ist ein Teil der Kernaufgabe des Staates, den wir erfüllen müssen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sobald die Studie endgültig ausgewertet ist und offiziell auch dem Landtag zugeleitet wird, werden wir uns intensiv mit dieser Studie und den darin angesprochenen Themen beschäftigen müssen. Ich glaube, wir müssen diese Befragung sehr ernst nehmen. Ich bin dem Innenminister sehr dankbar dafür, dass er diesen Weg gewählt hat, dass er eine solche Befragung initiiert hat, weil man daraus durchaus ein Stimmungsbild erhalten kann. Ob die jetzige Studie in ihrem Umfang mit ca. 500 Befragten ein belastbares Aussagebild für die gesamte Polizei geben kann, wage ich zu bezweifeln, aber sie kann zu Diskussionen anregen, und ich denke, diese Diskussionen müssen wir auch führen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einige wenige Punkte, die meine Vorredner angesprochen haben, noch einmal beleuchten. Da ist das Thema Statistiken. Frau Tiedge, Sie haben es ins Gespräch gebracht. Ich glaube - das meine ich sehr ernst -, dass Statistiken auch für die Bewertung polizeilicher Arbeit notwendig sind. Ich glaube aber, dass man sich über den Umfang durchaus unterhalten und streiten kann.

Ich denke, auch wir als Abgeordnete müssen uns das eine oder andere Mal vielleicht selbst die Frage stellen, ob jede der Kleinen Anfragen - dabei gucke ich die Kollegen Gärtner und Rothe an und beziehe mich selbst ein -, die wir in den letzten Jahren in Bezug auf die Statistiken gestellt haben, wirklich notwendig war und ob wir nicht in Zukunft gegebenenfalls auf die eine oder andere

verzichten können, weil es natürlich die Verwaltung und die Polizei insgesamt belastet, diese Statistiken zusammenzustellen. Wir werden Wege finden, um das auszuwerten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz etwas zur sächlichen Ausstattung sagen. Frau Tiedge, in dem von Ihnen hier vorgestellten Wahlprogramm kam die Ausstattung erst an Punkt 5 Ihrer Aufzählung. Ich glaube, das wird der Situation in der Polizei nicht gerecht; denn die Ausstattung ist aus meiner Sicht der wichtigste Punkt, weil es die Hilfsmittel, die Einsatzmittel und auch die Schutzmittel sind, mit denen die Polizei ausgestattet werden muss. Das ist eine Aufgabe, der wir uns widmen müssen, bevor wir uns weiter in Strukturdebatten ergehen. Deshalb muss die Ausstattung nach vorne.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt komme ich auf den Punkt, den ich bei Ihnen, Herr Rothe, kritisiert habe. Wenn wir uns den Stand der Ausstattung, beginnend ab dem Jahr 1990 bis heute, anschauen, so ist festzustellen, dass sich die Ausstattung verbessert hat. Wir haben auch in den letzten Jahren weitere Schritte gemacht. Ich kann Ihre Aussage, dass Herr Innenminister Jeziorsky eine gut aufgestellte Polizei von Herrn Püchel übernommen hat, nicht teilen, weil Defizite in der Ausstattung vorhanden waren, die sich über die Jahre bis zum Jahr 2002 angesammelt hatten.

Diese müssen wir auch unter schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen Stück für Stück abarbeiten. Das ist von heute auf morgen gar nicht machbar, aber dieser Aufgabe werden wir uns widmen müssen und dabei sind wir vielleicht ein Stück weit vorangekommen. Aber wir sind längst nicht fertig und es wird immer wieder neue Ausstattungsmittel geben, über die wir diskutieren müssen und die wir unseren Beamtinnen und Beamten auch zuteil werden lassen müssen. Wenn ich zum Beispiel an die Schutzwesten denke, dann sollte gelten: Jedem seine Schutzweste!

Das sind die Punkte, an denen wir weiter kontinuierlich arbeiten müssen und bei denen ich glaube, dass die Kritik, die in der Studie geäußert wird, teilweise berechtigt ist, weil man einerseits merkt, es fehlt noch an Ausstattung, was aber andererseits insofern relativiert werden kann, als die Politik in den letzten Jahren kontinuierlich an der Ausstattung gearbeitet hat. Es ist nicht so, dass wir keine Ausstattung angeschafft oder die Ausstattung nicht verbessert hätten.

Das gilt übrigens auch für die Computertechnik. Hierbei haben wir über die Jahre, weil es nach der Anschaffung Anfang der 90er-Jahre nicht prioritär war, dies auszutauschen, weil die finanziellen Nöte natürlich auch schwierig waren, dies ausgewechselt. Aber auch dort muss man Stück für Stück vorangehen und das abarbeiten.

Ich glaube, selbst wenn wir von heute auf morgen alles das, was wir an Arbeitsmitteln haben, austauschen würden, würde man - das gilt nicht für die Polizei allein, sondern für jeden anderen Bereich - in einer Befragung feststellen, dass es immer irgendetwas zu kritisieren gibt und dass es immer möglich sein wird, etwas zu verbessern.

Ich glaube, die Kritik ist nicht falsch. Aber man muss die Kritik - ich denke, dafür müssen wir in der Politik Sorge tragen - auch mit Blick auf das Gesamtkonzept bewerten. Ich meine, wird sind zumindest in Bezug auf die sächliche Ausstattung auf einem guten Weg.

Gleiches gilt, meine Damen und Herren, für das Personal. Frau Tiedge, Ihre Ausführungen zu den Beförderungen konnte ich nicht nachvollziehen. Vielleicht liegt das daran, dass Beförderungen einen sehr hohen Stellenwert haben, dass die Befragungen bereits im Mai, Juni, Juli stattgefunden haben, als die Beförderungen - das gebe ich gern als einen kritischen Punkt zu -, die wir bereits zum Ende des Jahres 2004 angekündigt hatten, noch nicht vollzogen waren.

Aber wenn Sie heute noch einmal Befragungen durchführen würden, dann würden Sie die Äußerungen, dass es keine Beförderungen gibt und dass es einen Beförderungsstau gibt, sicherlich nicht mehr in dem starken Umfang hören. Sie würden eher hören, dass vielleicht die Falschen oder zu wenige befördert worden sind. Aber ich glaube - darauf hat der Minister auch hingewiesen -, dass es im Rahmen des Beförderungskonzeptes durchaus eine beträchtliche Anzahl von Beförderungen gibt.

Herr Rothe, zumindest ich habe in meinem Gesprächen, die ich in verschiedenen Polizeidirektionen mit den Polizeipräsidentinnen und -präsidenten geführt habe, festgestellt: Das ist kein Scheunentor, das man vor der Landtagswahl sozusagen als Goodwill öffnet; vielmehr ist dabei ordentlich bewertet worden und es hat eine Auswahl stattgefunden. Ich glaube, wir haben damit einen großen Schritt getan, um den Beförderungsstau aufzulösen. Das ist auch gut so. An dieser Stelle müssen wir weitermachen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluss zwei Punkte herausgreifen.