Protokoll der Sitzung vom 20.01.2006

Gleichwohl, meine Damen und Herren, hat es trotz der anerkannten ressortübergreifenden Bedeutung dieses Themas und trotz der vielfältigen Aktivitäten auf der Landesebene bisher keine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Programm und keine umfangreiche Berichterstattung im Landtag, in diesem Hause, gegeben. Eine Regierungserklärung zu diesem Thema hat es auch nicht gegeben.

Nachdem Herr Minister Dr. Daehre am 7. Juli 2005 seine Regierungserklärung „Mobilität für Sachsen-Anhalt“ abgegeben hatte, erwiderte der Abgeordnete Herr Sachse auf diese Erklärung, hierbei handele es sich quasi im Fließbandverfahren um einen Bilanz- oder Rechenschaftsbericht, der nur einen Teilbereich des Ministeriums ohne das wichtige Thema Stadtumbau bearbeite. Diese Aussage ist nur so zu bewerten, dass auch in der Opposition der Wunsch besteht, im Landtag eine ausführliche Berichterstattung zu diesem Thema vorzunehmen.

Meine Damen und Herren! Eine Debatte im Landtag, auch in der Februarsitzung, entspricht dem hohen Stellenwert der Stadtentwicklung für die Zukunft unseres Landes und ist auch mit Blick auf den Zeitpunkt sinnvoll. Zur Halbzeit des Programms „Stadtumbau Ost“ sind eine Wirkungsanalyse und mögliche Nachjustierungen erforderlich.

Zumindest in den Beratungen im Ausschuss gab es wenig Dissens zum Beispiel dahin gehend, dass das Programm in seiner jetzigen Ausgestaltung die demografischen Probleme in unseren Städten nicht lösen kann und dass wir auch die technische Infrastruktur einbeziehen und neue Finanzierungsquellen erschließen müssen.

Außerdem ist der Stadtumbau in Sachsen-Anhalt durch landeseigene Konzepte weiterhin zu begleiten. Es bleibt wichtig, Wohneigentum oder neue Formen des Wohnens insgesamt zu fördern. Auch kleine Städte - das sage ich ganz bewusst - brauchen weiterhin unsere Hilfe, wenn es um die Beseitigung besonderer städtebaulicher Missstände geht.

Meine Damen und Herren! Der Stadtumbau gehört zweifellos zu den wichtigsten Zukunftsaufgaben in SachsenAnhalt. Mit Interesse habe ich auch die Wahlaussagen in den Programmen der einzelnen Parteien gelesen und bemerkt, dass es durchaus viele Schnittmengen zwischen den Parteien gibt. Ich möchte Sie deshalb bitten, unseren Antrag nicht als Wahlkampfmanöver zu verstehen,

(Zuruf von der Linkspartei.PDS: Nein! - Herr Dr. Thiel, Linkspartei.PDS, und Herr Dr. Eckert, Linkspartei.PDS, lachen)

das allein dazu dienen soll, sich in der zweifellos guten Bilanz der Landesregierung zu sonnen. Vielmehr wagen wir zur Halbzeit des Stadtumbaus Ost den Ausblick auf das Erreichte und auf die Zukunft. Ich bitte Sie deshalb recht herzlich um Zustimmung zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen. - Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schröder, für die kurze und prägnante Einbringung. - Meine Damen und Herren! Wir treten jetzt in eine Debatte mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion ein. Für die SPD-Fraktion erteile ich als erstem Redner dem Abgeordneten Herrn Felke das Wort. Bitte sehr, Herr Felke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, was haben Sie bei diesem Antrag nur mit sich machen lassen?

(Zustimmung von Frau Fischer, Naumburg, SPD, und von Herrn Bischoff, SPD - Herr Scheurell, CDU: Wie bitte?)

Ich schicke voraus: Wir nehmen Ihre Anträge ernst und wir hätten gern mit Ihnen im Rahmen einer Regierungserklärung über den Stadtumbau geredet, dann aber auch in dem Umfang wie gestern über die Bildungspolitik. Dass es dazu nicht kommt, hat Ihre Landesregierung versäumt. Nun werden Sie quasi missbraucht, um irgendwie durch die Hintertür doch noch etwas zu retten.

(Zustimmung bei der SPD und bei der Linkspar- tei.PDS)

Wir sind der Meinung, dass das Thema eine solche Behandlung nicht verdient hat. Dem von Ihnen beschriebenen hohen Stellenwert wird eine Fünfminutendebatte nicht gerecht.

(Herr Schröder, CDU: Februarsitzung!)

Im Übrigen wäre es auch fair gewesen, wenn durch den Minister eine Information darüber gegeben worden wäre, welche inhaltlichen Schwerpunkte er in seinem Bericht setzen will.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich unabhängig davon kurz aus unserer Sicht auf einige Aspekte eingehen. Auch für den Stadtumbau gilt: Kein Blick voraus ohne einen Blick zurück. Festhalten können wir, dass wir seit dem Start des Bundesprogramms ein gutes Stück vorangekommen sind. Insbesondere die Veränderungen durch den Abriss von Wohnungen sind deutlich sichtbar.

Allerdings würde ich mich gegen den Begriff „Halbzeit“ wehren; denn ich denke, dass uns der Stadtumbau noch über das Jahr 2009 hinaus beschäftigen wird. Eine programmatische Fortsetzung wird es geben müssen. Die ersten Signale dazu aus der Berliner Koalitionsvereinbarung sind zweifellos positiv zu bewerten.

Bei der Umsetzung des Programms und korrespondierender Maßnahmen in Sachsen-Anhalt gibt es derzeit Licht und Schatten. Positiv ist sicherlich die Entscheidung, die Investitionsbank in die Zwischenfinanzierung der Abrissmaßnahmen einzubinden. Die Abrechnung ließe sich aber wie in anderen Ländern noch erheblich vereinfachen und entbürokratisieren.

Im Programmteil „Aufwertung“ wurden Schulen und Kindertagesstätten prioritär behandelt. Diese Schwerpunktsetzung findet unsere Unterstützung. Künftig wird es allerdings darauf ankommen, eine deutlichere Verschiebung hin zu Aufwertungsmaßnahmen vorzunehmen und mehr für das Wohnumfeld und die Aufwertung des vorhandenen Bestandes zu machen. Die Begleitung durch die Kommunen muss dabei unterstützt und abgesichert werden.

Meine Damen und Herren! Der Stadtumbau wird nur zu einem Erfolg geführt werden können, wenn es tatsächlich gelingt, eine Vernetzung aller betroffenen Ressorts herzustellen. In der Vergangenheit ist dies nicht wirklich erfolgreich praktiziert worden. Zum Teil hat das Land bestimmte Entwicklungen sogar selbst beeinflusst bzw. beschleunigt, die für die betroffenen Gebiete nicht förderlich waren. Konkret: Standortentscheidungen durch das Land sollten künftig grundsätzlich in enger Abstimmung mit den betroffenen Kommunen und auch mit Blick auf den Stadtumbau getroffen werden. Im Übrigen könnte dabei in Zukunft der Limsa eine wichtige Rolle zukommen.

Für uns steht auch fest, dass der Stadtumbau nicht nur auf das so benannte Programm zu reduzieren ist. Mit der Städtebauförderung, der Wohnraumförderung und dem Programm „Soziale Stadt“ lassen sich zusätzliche, wichtige Impulse setzen. Dass Sachsen-Anhalt bei diesen Programmen des Bundes zum Teil schon seit mehreren Jahren auf Mittel in Größenordnungen verzichtet, ist ein Skandal. Eine Schwerpunktsetzung sieht unserer Meinung nach anders aus. Hinzu kommt, dass man damit die Chance vergibt, mit Kritik gegenüber dem Bund ernst genommen zu werden.

Als besonders problematisch betrachten wir, dass Sachsen-Anhalt das einzige Land ist, das meint, seit dem Jahr 2004 komplett auf das Programm „Soziale Stadt“ verzichten zu können.

(Zuruf von Frau Weiß, CDU)

Die Verbesserung der Wohn- und Lebensverhältnisse in Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf,

(Frau Weiß, CDU: So ist es!)

die Betreuung von Kindern und Jugendlichen in Jugendklubs und in sozialpädagogischen Projekten sowie die Begleitung von Bürgerbeteiligung in Form von Quartiermanagement und durch Stadtteilbüros scheint für die Landesregierung eher von untergeordneter Bedeutung zu sein. Dabei haben CDU und CSU im Bund der alten Bundesregierung demonstrativ den Rücken gestärkt und der aktuelle Koalitionsvertrag unterstreicht ebenso die Bedeutung des Programms. Dieser Umstand scheint sich bis in Magdeburger Regierungskreise aber noch nicht herumgesprochen zu haben.

(Frau Weiß, CDU: So ein Quatsch!)

- Bleiben Sie doch einmal ruhig, Frau Weiß. - Denn auch für das Jahr 2006 wurde nach Berlin bereits ein Verzicht auf diese Mittel gefunkt.

Stattdessen setzt man wieder einmal auf den hohen Stellenwert der Eigentumsförderung. 10 Millionen € in zwei Jahren sollen von den knappen Mitteln dahin gelenkt werden. Dem stehen rund 65 % der Bevölkerung Sachsen-Anhalts gegenüber, die zur Miete wohnen. Dies wird aus unterschiedlichen Gründen auch weiterhin mehrheitlich so bleiben. Für die Familienfreundlichkeit und den Kinderwunsch kommt es nicht darauf an, ob man zur Miete oder im Eigentum wohnt.

(Herr Schröder, CDU: Doch! Ihre Frau Dienel hat das belegt!)

Vielmehr geht es darum, familienfreundliche Strukturen zu schaffen, was auch durch große bezahlbare Woh

nungen im Bestand und geeignete Freiräume für Kinder möglich ist.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Links- partei.PDS)

Hinzu kommt, jede Förderung von Wohneigentum im Neubau führt zu weiterem Leerstand, der wiederum mit öffentlichen Mitteln beseitigt werden muss.

Meine Damen und Herren! Auf viele weitere wichtige Punkte wie die IBA, zu der die Idee noch zu unseren Regierungszeiten geboren wurde, die Zukunft der kommunalen Wohnungsunternehmen als wichtigen Akteuren beim Stadtumbau, die Förderung von Maßnahmen der Wohnraumanpassung für Ältere oder Behinderte, die Umsetzung des Bundesprogramms der energetischen Gebäudesanierung konkret für Sachsen-Anhalt oder die Zukunft der Wohnraumförderung nach der Umgestaltung im Rahmen der Föderalismusreform hätte man noch eingehen können bzw. müssen. Dazu hätte es allerdings, wie anfangs erwähnt, eines anderen Rahmens bedurft.

Nach unserer Überzeugung gibt es beim Stadtumbau in Sachsen-Anhalt noch viel zu tun. Dabei wollen wir ab April nicht alles anders, aber vieles besser machen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD und bei der Linkspar- tei.PDS)

Vielen Dank, Herr Felke. - Für die FDP-Fraktion erhält nun der Abgeordnete Herr Ernst das Wort. Bitte sehr, Herr Ernst.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Rahmen der staatlichen Daseinsvorsorge eine angemessene Versorgung mit Wohnraum für alle Bürger zu garantieren, war nach der Wiedervereinigung das Ziel der sozialen Wohnungspolitik. So sind für Investitionen, Modernisierungen und Instandsetzungen Fördermittel in Größenordnungen eingesetzt worden. Was sich im Jahr 1990 niemand vorstellen konnte: Dieses Ziel wurde in kürzester Zeit erreicht.

Aber bereits Mitte der 90er-Jahre wurden die ersten problematischen Auswirkungen des strukturellen und demografischen Wandels auch auf die Wohnungswirtschaft deutlich sichtbar. Ein gravierender Wohnungsleerstand in den neuen Bundesländern - im Jahr 1999 waren es bereits ca. eine Million Wohnungen - war zu verzeichnen. Ende der 90er-Jahre hatten bereits zahlreiche Wohnungsunternehmen einen Leerstand von weit mehr als 15 % zu verzeichnen. Steigende Mietausfälle, Leerstandskosten und der Kapitaldienst für Altschulden brachten die Wohnungsunternehmen in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten.

Die Bundesregierung hat darauf reagiert und die Expertenkommission „Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Ländern“ eingesetzt. Diese hat in ihrem Ende des Jahres 2000 vorgelegten Bericht vorgeschlagen, ca. 350 000 Wohnungen vom Markt zu nehmen. Der Bund und die Länder haben daraufhin im Jahr 2002 das Programm „Stadtumbau Ost“ beschlossen, mit dem bis Ende des Jahres 2009 rund 2,6 Milliarden € als Hil

fen für die notwendige städtebauliche Entwicklung, zum Abriss bei Leerstand und zur Aufwertung von Wohnquartieren bereitgestellt werden sollen.

Darüber hinaus ist mit der zusätzlichen Altschuldenhilfe nach § 6a des Altschuldenhilfegesetzes für die durch hohe Leerstände in ihrer Existenz gefährdeten Wohnungsunternehmen eine weitere wichtige Rahmenbedingung geschaffen worden.

Das Programm „Stadtumbau Ost“ ist derzeit das umfangreichste stadtentwicklungsrelevante Förderprogramm für die neuen Länder. Es hat zum Ziel, die Wohnungsbestände zu reduzieren, die vom Schrumpfen betroffenen Stadtquartiere aufzuwerten und damit die Attraktivität der Städte und Gemeinden zu erhöhen.

In einem ersten Schritt haben die neuen Länder die Priorität vor allem auf den Abriss der leer stehenden Wohnungen gesetzt. Auch wenn der Stadtumbau Ost in den neuen Ländern nicht überall in dem gewünschten Tempo vorankommt, hat das Programm dazu beigetragen, den Wohnungsmarkt in Ostdeutschland zu stabilisieren.

Die Gesellschaft der Wohnungsunternehmen sieht trotz der positiven Entwicklung Probleme bei der Umsetzung des Stadtumbauprogramms, vor allem bei der unzureichenden Lösung der Altschuldenproblematik - Unternehmen unter 15 % Leerstand werden nicht berücksichtigt -, bei der unzureichenden Planungssicherheit für die Wohnungsunternehmen - die Bewilligung der Zuschüsse erst im dritten Quartal -, bei den fehlenden Eigenmitteln der Kommunen zur Kofinanzierung der Aufwertungsmaßnahmen und bei der fehlenden finanziellen Ausstattung zur Anpassung der technischen und sozialen Infrastrukturen.

Meine Damen und Herren! Hierbei sind wir als Parlamentarier in der nächsten Legislaturperiode noch einmal stark gefragt. Es müssen noch einmal finanzielle Quellen erschlossen werden, um vor allem die infrastrukturellen, sozialen und technischen Probleme in Ordnung zu bringen, damit die Bürger nicht durch höhere Abgaben belastet werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hat frühzeitig das Programm „Stadtumbau Ost“ als einen Schwerpunkt bei der Entwicklung des Landes erkannt und ihm durch begleitende Maßnahmen Schwung und Richtung gegeben.

Ein oft thematisiertes Problem ist das barrierefreie Wohnen. Dieses Thema wurde durch die Landesregierung innovativ aufgegriffen. So hat das Land in diesem Jahr zum zweiten Mal den Wettbewerb „Auf dem Weg zur barrierefreien Kommune“ durchgeführt, an dem sich 13 Kommunen beteiligten. Vor ungefähr einer Stunde fand die Auszeichnung statt. Sieger ist die Stadt Hettstedt geworden.