Nach meinem Eindruck gibt es zwei Barrieren für die Entwicklung im Bereich der Arbeitsplätze und damit auch im Bereich der Ausbildungsplätze; das hängt ja sehr eng miteinander zusammen.
Die eine Barriere, meine Damen und Herren, sind die perfektionistischen und in hohem Maße zulasten der jeweiligen Arbeitgeber und mittelständischen Betriebe gehenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen in der Bundesrepublik Deutschland. Wenn ich sehe, wie man den Kündigungsschutz - vielleicht aus guter Absicht, aber mit fatalen Folgen - immer stärker bis in den mittelständischen Bereich hinein ausgedehnt hat, dann kann ich nur sagen: Dies ist keine Regelung zugunsten der Arbeitnehmer, sondern eine Regelung, die die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze blockiert.
Ich kenne hier im Land so manchen Mittelständler, der noch ein, zwei zusätzliche Arbeitskräfte bräuchte, der aber lieber über eine irgendwie geartete Nebenstrecke sein Ziel erreicht, zum Beispiel über Überstunden, weil ihm das heutige Arbeitsrecht dann, wenn er die beiden, die er zusätzlich eingestellt hat, nicht mehr braucht, so belastet, dass er lieber darauf verzichtet, sie einzustellen.
Wenn wir nicht den Mut haben, das zu tun, was ökonomisch sinnvoll ist, werden wir uns immer wieder über die Arbeitslosigkeit und über den Mangel an Ausbildungsplätzen unterhalten müssen.
Deshalb sage ich: Wir müssen in Berlin - ich hoffe, dass der neue so genannte Superminister den Mut dazu hat - das machen, was wirklich zum Ziel führt. Ich habe mit Interesse gehört, dass er das Thema Kündigungsschutz auf die Tagesordnung gesetzt hat. Ich bin gespannt, was dabei herauskommen wird.
Nehmen wir einen anderen Fall: die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Niemand will den Arbeitnehmern das Risiko der Erkrankung aufbürden. Aber die jetzige Regelung, meine Damen und Herren, ist eine enorme zusätzliche Belastung für jeden Unternehmer, für jedes mittelständische Unternehmen.
Die Krankheitsquoten betragen im Schnitt fünf, sechs oder mehr Prozent. Dies bedeutet: Jemand, der Tariflohn zahlt, muss vom Aufwand her von vornherein 5, 6, 7 % oben drauflegen, weil er in dieser Größenordnung zusätzliche Belastungen hat.
Nun plädiere ich nicht dafür, dass wir das Risiko dem Arbeitnehmer übertragen. Aber ich plädiere dafür, dass man hierfür versicherungsrechtliche Lösungen findet, die eben nicht ausschließlich zulasten des Arbeitgebers gehen.
Ich darf daran erinnern, dass die frühere Bundesregierung wenigstens den ersten oder zweiten Tag, gewissermaßen den Montag oder den Freitag, wenn die Migräne oder der Schnupfen sich gemeldet hat, als überschaubares Risiko dem einzelnen Arbeitnehmer zuordnen wollte. Wenn es länger als einen Tag dauert, sollte die Versicherung greifen. Das ist wieder abgeschafft worden. Das bedeutet, dass das Risiko der Erkrankung in vollem Umfang beim Unternehmer bleibt.
Anspruch auf Teilzeitarbeit: Jeder in diesem Hause will, dass die Möglichkeiten der Teilzeitarbeit genutzt werden, im öffentlichen wie im privaten Bereich. Aber man kann nach meinem Dafürhalten einen Unternehmer, der eine Vollzeitkraft benötigt, nicht dazu zwingen, Teilzeitkräfte in Kauf zu nehmen. Und das hat man geschaffen, mit der Folge, dass die zwei Teilzeitkräfte teurer sind als die Vollzeitkraft.
Das heißt, wir haben bei uns inzwischen ein Arbeitsrecht, das ein vernünftiges Wirtschaften in vielen Fällen nicht mehr möglich macht. Und solange wir das nicht korrigieren, werden wir in Zukunft weniger Unternehmen und weniger Unternehmer haben, nicht nur in SachsenAnhalt, sondern bundesweit; denn wir haben als Folge dieser Regelungen und der dazu kommenden enormen
steuerlichen Belastungen durch die Ökosteuer, die Versicherungssteuer oder durch die Verschiebung der zweiten Stufe der Einkommen- und Lohnsteuerkorrektur um ein Jahr - - Wir haben durch alle diese steuerlichen Maßnahmen eine Situation, die dazu führt, meine Damen und Herren, dass unsere Unternehmen immer weniger erwirtschaften.
Die Folgen einer ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung des einzelnen Unternehmens sind Arbeitslosigkeit und nicht genügend Ausbildungsplätze. Und wer nicht den Mut hat, dort mit seiner Politik anzusetzen, der wird immer wieder über alle möglichen Hilfsmaßnahmen und Krücken diskutieren müssen, aber er wird das eigentliche Problem nie lösen können.
Und deswegen sage ich: Ich bin nicht bereit, immer nur über Sonderprogramme des Staates zu reden, solange wir nicht über die eigentlichen Ursachen der Probleme auf dem Ausbildungsstellen- und Arbeitsmarkt reden.
Ich sage: Es ist ein großes Problem, und Sie sehen, wenn Sie zum Beispiel an die Steuern und an anderes denken, welche großen Aufgaben dabei dem Bund ins Haus stehen.
Herr Minister, Sie haben jetzt den Kündigungsschutz und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall angesprochen und dass man grundsätzlich darüber reden muss, wie man Ausbildungsplätze schafft.
Das sind Sachen, die ich seit sechs, sieben Jahren höre. Das ist so neu nicht. Die Frage lautet konkret: Was machen Sie jetzt, damit Jugendliche in Sachsen-Anhalt in diesem, im nächsten und im übernächsten Ausbildungsjahr und bis zum Jahre 2006 mehr betriebliche Ausbildungsplätze vorfinden als im Moment?
Die Situation, die Sie beschrieben haben - - Ich sage einmal: Das ist ganz nett, das kennen wir auch schon. Aber konkrete Konzepte hätte ich gern gehört.
(Zustimmung bei der PDS - Frau Feußner, CDU: Die Frage! - Weitere Zurufe von der CDU und von der FDP)
Frau Ferchland, die Situation, die ich beschrieben habe, ist nicht ganz nett, sie ist beschissen; denn sie ist die Folge einer falschen Politik, die seit Jahren betrieben wird.
Und solange wir - - Entschuldigen Sie den Kraftausdruck, ich nehme ihn mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück; aber ab und zu platzt einem mal der Kragen.
Meine Damen und Herren! Es hat doch keinen Zweck, immer an den Symptomen herumzukurieren und das eigentliche Problem von sich wegzuschieben. Und deswegen - - Sie fragen, warum wir zum Beispiel einen Rückgang von über 15 % im Bereich der betrieblichen Ausbildungsplätze haben. - Das ist die Folge dieser falschen Rahmenbedingungen, die vom Bund seit Jahren gesetzt werden.
Und deswegen müssen wir die Rahmenbedingungen verbessern, wenn wir unsere Probleme lösen wollen. Das ist die Botschaft.
(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Frau Ferchland, PDS: 16 Jahre Kohl! - Weitere Zurufe von der PDS)
Meine Damen und Herren! Wir haben im Bereich des Einzelhandels seit dem Bestehen der Bundesrepublik den schlimmsten Umsatzeinbruch. Wir haben im Bereich des Handwerks bundesweit und so auch in SachsenAnhalt einen Schrumpfungsprozess wie noch nie. Und dann fragen Sie: Warum gibt es weniger betriebliche Ausbildungsplätze? - Das eine hat doch mit dem anderen sehr viel zu tun.
Die Handwerker wollen ausbilden. Aber wenn sie selbst nicht einmal mehr schwarze Zahlen erwirtschaften, dann können sie nicht ausbilden. Das ist das eigentliche Problem.
Herr Kollege, Sie haben uns eine ganze Reihe Rahmenbedingungen, die Sie als „be...schissen“ bezeichnet haben, beschrieben. Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr Fazit lautet, dass der Handlungsspielraum eines Landesministers für Wirtschaft und Arbeit gleich null ist; die Ausbildungspolitik ist nun Sache des Bundes?
dass die Probleme bewältigt werden. Nur, ich sage: Es hat wenig Zweck zu versuchen, über eine Korrektur der Symptome das eigentliche Problem lösen zu wollen. Deshalb habe ich mir die Freiheit genommen, das an dieser Stelle anzusprechen.
(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Frau Bull, PDS: Das geht doch voll an der kon- kreten Frage vorbei!)
Verehrte Frau Ferchland, Sie haben ganz interessante Zahlen vorgetragen. Vielleicht sollten Sie sich an die offiziellen Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit und des Landesarbeitsamtes Sachsen-Anhalt/Thüringen halten. Sie sehen, sie liegen in diesem Fall ganz frisch auf dem Tisch, extra für Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten, heute für diese Debatte.