Verehrte Frau Ferchland, Sie haben ganz interessante Zahlen vorgetragen. Vielleicht sollten Sie sich an die offiziellen Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit und des Landesarbeitsamtes Sachsen-Anhalt/Thüringen halten. Sie sehen, sie liegen in diesem Fall ganz frisch auf dem Tisch, extra für Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten, heute für diese Debatte.
Danach ergibt sich folgendes Bild: Im September des vergangenen Jahres gab es in Sachsen-Anhalt 449 nicht vermittelte Bewerber. Im September 2002 gab es 406 nicht vermittelte Bewerber. Parallel dazu ist die Zahl der unbesetzten Stellen von 110 auf 115 gestiegen. Das ist nicht aufregend viel und löst das Problem nicht allein. Aber ich möchte damit deutlich machen: Die Tendenz geht immerhin und Gott seit Dank dahin, dass das Problem sich langsam etwas reduziert.
Das ändert nichts daran, meine Damen und Herren, dass die Landesregierung auch weiterhin im Rahmen dessen, was wirtschaftlich machbar ist, durch Sonderprogramme dazu beitragen wird, dass wir zusätzliche Ausbildungsstellen insbesondere in der gewerblichen Wirtschaft schaffen. Deswegen werde ich auch in Kürze ein zusätzliches Programm anbieten, nach dem Unternehmen, die bisher noch nie ausgebildet haben, aber die Voraussetzungen dafür erfüllen, besonders gefördert werden, wenn sie erstmals Lehrlinge in ihre Verantwortung übernehmen.
Das ist ein Beitrag unter vielen. Die bisherigen Programme sind Ihnen ja bekannt, wobei ich noch einmal sage: Wir können partiell, sehr begrenzt das eine oder andere korrigieren. Und das machen wir auch.
Aber wir werden das gesamte Problem überhaupt nur dann lösen können, wenn wir an die Wurzeln gehen und dafür sorgen, dass in Deutschland wieder Wirtschaftswachstum stattfindet und dass Deutschland hinsichtlich des Wirtschaftswachstums nicht die Nr. 15 unter 15 Staaten in der EU ist, sondern wie viele Jahrzehnte davor vorneweg marschiert. Dann werden wir auch über dieses Thema nicht mehr solche Debatten führen müssen. - Danke schön.
Herr Minister, möchten Sie eine weitere Frage der Abgeordneten Frau Ferchland beantworten? - Bitte, Frau Ferchland.
Sie rufen mich natürlich auf den Plan, wenn Sie so etwas sagen. Das ist klar. - Das Sonderprogramm: Können Sie uns sagen, wann das Sonderprogramm kommt?
- Weil Unternehmen - wir wissen das ja, sage ich einmal, aus den Gutachten, die in den letzten Jahren erstellt worden sind - schon darauf warten, wann Sonderprogramme gestartet werden, um betriebliche Ausbildungsplätze anzubieten. Das ist die erste Frage.
Zur zweiten Frage. Die vorherige Landesregierung hatte das so genannte Lutz-Gutachten in Auftrag gegeben, über das auch im Landtag bereits debattiert wurde. In dem Gutachten wurden Empfehlungen im Hinblick darauf erarbeitet, wie die Landesregierung gerade mit den Fördertatbeständen umgehen sollte. Die Frage lautet: Inwieweit setzen Sie das Lutz-Gutachten noch um und, wenn ja, wann?
Erstens habe ich ein zusätzliches Programm angekündigt. Das wird im November 2002 den betreffenden Unternehmen angeboten.
Zweitens möchte ich darauf hinweisen, dass die Bundesanstalt für Arbeit in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich die Mittel zurückgefahren hat, insbesondere im letzten Jahr.
Eines ist auch sonnenklar: Wenn die Bundesanstalt für Arbeit kontinuierlich ihre Programme und die Mittel zurückfährt, die bereitgestellt werden, wird das Land Sachsen-Anhalt nicht in der Lage sein, das alles zu kompensieren. Wir haben uns bisher bemüht, das einigermaßen aufzufangen. Aber eines ist sonnenklar: Wenn dieser Trend von der Seite des Bundes her weitergehen sollte, dann werden wir nicht in der Lage sein, dieses Problem zu lösen.
(Frau Bull, PDS: Das sind Ihre Forderungen, die Zuschüsse für die Bundesanstalt für Arbeit zu kürzen!)
(Frau Bull, PDS: Das sind doch Ihre Forderun- gen, der Freien Demokraten im Bund, die Zu- schüsse für die Bundesanstalt für Arbeit zurück- zufahren!)
Es gibt Bereiche, in denen man in der Tat die Mittel zurückführen muss. Das bestreite ich gar nicht. Ich sage in aller Deutlichkeit, dass die Zeiten der großen AB-Maßnahmen, bei denen wir die schönsten Dorfteiche und die besten Waldwege hatten, bundesweit mit einem Millionenaufwand gefördert, zu Ende sein sollten.
Ich bin der Meinung, man sollte die Mittel für den Arbeitsmarkt auf die Qualifizierung und auf die junge Generation konzentrieren. Das führt uns ein Stückchen weit aus der Krise, vorausgesetzt, wir haben auf der Bundesebene die Kraft, die Rahmenbedingungen, die ich angesprochen habe, so zu verändern, dass wir wieder Wirtschaftswachstum bekommen und wieder mehr Arbeitsplätze, mehr Ausbildungsplätze haben als bisher.
Vielen Dank, Herr Minister Rehberger. - Bevor wir die Debatte fortsetzen, habe ich die Freude, eine Jugend-
und Seniorengruppe aus dem Südharz auf der Gästetribüne begrüßen zu können. Mit ihnen ist unser ehemaliger Abgeordnetenkollege Herr Ritter gekommen, den ich herzlich begrüße.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ferchland, ich wollte eigentlich mit der Bemerkung beginnen: Die Zahlen stimmen. - Aber so ganz stimmten sie doch nicht. Deshalb danke ich Herrn Minister Rehberger dafür, dass er sie ein bisschen korrigiert hat. Ich dachte nämlich, ich hätte falsche Zahlen. Hinsichtlich der Wertung sind wir sicherlich nicht auf einer Linie, aber wie sollten wir das auch?
Die berufliche Erstausbildung sichert die Verfügbarkeit qualifizierter und motivierter Fachkräfte. Sie ist unter anderem Voraussetzung für das Wachstum ansässiger und die Ansiedlung neuer Unternehmen.
Wie wichtig es ist, dass wir uns dieses Themas immer wieder annehmen, zeigen die erschreckend zurückgehenden Zahlen gerade bei der betrieblichen Ausbildung, worauf meine Vorredner schon hingewiesen haben. Viele junge Menschen haben zurzeit noch keinen Arbeitsplatz. Diese Feststellung ist richtig. Es wird so sein wie eigentlich immer: Im letzten Quartal des Jahres werden wir über Förderprogramme für benachteiligte Jugendliche, über das Ausbildungsplatzprogramm Ost 2002 von Bund und Ländern, über die Förderung von Ausbildungsverbünden das Problem vorerst wieder glattziehen - aber nicht zu unser aller Zufriedenheit.
Auf diese Art und Weise bekommen wir dieses Problem absolut nicht vom Tisch und gefährden meiner Ansicht nach das Kernstück der Berufsausbildung in Deutschland, das duale System. Nachgewiesenermaßen haben nämlich die Auszubildenden mit einer betrieblichen Ausbildung, das heißt im Wesentlichen gekennzeichnet durch das Zusammenwirken von Ausbildungsbetrieb und Berufsschule, eine größere Chance, im Arbeitsmarkt zu verbleiben, als andere Auszubildende. Das ist eine Binsenweisheit.
An dieser Stelle, meine Damen und Herren, sollte für uns Politiker der Ansatz sein. Das Hauptaugenmerk muss auf die Förderung der Ausbildung im dualen System gelegt werden. Ich bin Ihnen, Herr Minister, auch dafür dankbar, dass Sie bereits im November ein Programm vorlegen werden, von dem ich hoffe, dass es wirklich in diese Richtung geht.
Wir brauchen dazu die Wirtschaft an unserer Seite. Spätestens an dieser Stelle frage ich ganz einfach einmal umgekehrt die ehemalige Landesregierung aus SPD und PDS: Warum ist denn die Ausbildungsbereitschaft der Wirtschaft in Sachsen-Anhalt so stark rückläufig? Frau Ferchland, diese Tendenz haben wir nicht erst seit der Regierungsübernahme im April, diese Tendenz haben wir schon eine ganze Weile in diesem Land.
Die schwierige konjunkturelle Lage in unserem Bundesland wirkt sich selbstverständlich auch auf den Ausbildungsstellenmarkt aus. Besonders deutlich wird das im Handwerk und bei den kleinen mittelständischen Unternehmen. Sie haben nämlich in früheren Zeiten - wir ha
ben leider nicht mehr allzu viel davon mitbekommen - oft über Bedarf ausgebildet, was sie heute nicht mehr tun. Eine Schuldzuweisung in Richtung Wirtschaft halte ich für fatal.
Es gibt so viele engagierte Unternehmen, die jungen Auszubildenden eine Chance geben wollen. Sie beteiligen sich an Berufsbildungsmessen, an Aktionstagen, an Jobbörsen usw. Sie stellen während der Schulzeit Praktikumsplätze zur Verfügung, um Schülerinnen und Schüler schon an künftige Berufe heranzuführen. Nein, in diese Richtung nicht!
Aber die SPD-geführte Landesregierung hat es auch in den letzten acht Jahren nicht geschafft, Ausbildungsimpulse in Richtung Wirtschaft zu geben. Wenn wir mehr Ausbildungsplätze haben wollen, dann brauchen wir auch mehr Arbeitgeber, mehr Unternehmer. Wo war denn die Gründerwelle in Sachsen-Anhalt? Ihre Gründerbilanz, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und PDS, liebe Frau Ferchland, heißt nämlich mehr Abmeldungen als Anmeldungen von Unternehmen, heißt nämlich höchste Insolvenzquote, heißt letztlich Minuswachstum - eine Sache, die ich mir überhaupt nicht vorstellen kann.
Diese gravierende Unternehmens- und Unternehmerlücke in diesem Land zwingt uns zum Umsteuern. In Not geratene Mittelständler, Unternehmer bilden nicht mehr aus. Wo war an dieser Stelle die Unterstützung für bestandsgefährdete Unternehmen, liebe Kollegen von SPD und PDS? Sie hielten das absolut nicht für nötig und haben das demonstriert, indem Sie einen Antrag der CDUFraktion abgelehnt haben, in dem es darum ging, Konsolidierungshilfen in diese Richtung zu geben.
Dafür zu sorgen, dass Konkurslehrlinge in andere Betriebe übernommen werden können, kann doch nicht wirklich die Lösung des Problems sein.
Wir haben jetzt die Verantwortung wieder übernommen und wir werden eine Wirtschaftspolitik machen, die sich an den Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, an den Interessen der Auszubildenden orientiert. Aber es wird auch eine Wirtschaftspolitik mit den Unternehmern und Unternehmerinnen und nicht gegen sie sein. Es darf nicht nur darum gehen, für Ausbildung zu sensibilisieren, sondern es muss uns ganz einfach darum gehen - ich denke, darüber sind wir uns alle einig -, jedem Auszubildenden nach der Ausbildung einen dauerhaften, wettbewerbssicheren Arbeitsplatz anbieten zu können.
Das muss geschehen über Entbürokratisierung - ich kann es nur kurz andeuten, weil die Redezeit nicht ausreicht -, über eine zielführende Steuerreform gerade für diejenigen, die die Ausbildungsplätze bringen, nämlich für den Mittelstand, das kleine Handwerk, auch über Liquiditätssicherung. Wir haben gestern gemeinsam den Antrag beschlossen, in dem es um die Besteuerung der Unternehmen geht. Ich denke, das sind erste Schritte, um Liquidität zu schaffen, Unternehmen auch wieder eine gewisse Sicherheit zu geben und sie darüber nachdenken zu lassen: Was mache ich mit dem Geld, das übrig bleibt?
Über Liquiditätssicherung, über Investitionen werden wir in Zusammenarbeit mit der Landesregierung versuchen, das Klima für die Unternehmen so zu gestalten, dass die Begriffe Ausbildungsplatz, Arbeitsplatz ebenso positiv belegt sind wie die Begriffe Wachstum, Konjunktur und auch Gewinn. All diese Begriffe bedingen in der Wirtschaft einander. - Danke.
Vielen Dank, Frau Fischer. - Nun spricht für die SPDFraktion der Abgeordnete Herr Metke. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst eine Vorbemerkung insbesondere zu dem, was Herr Minister Rehberger vorgetragen hat. Ich kann nur sagen: Herr Minister, als ich Ihre neoliberale Predigt gehört habe, sind mir zwei Dinge durch den Kopf gegangen. Einmal hoffe ich, dass möglichst viele Menschen im Lande - wir haben ja auch Zuschauer auf der Tribüne - mitbekommen, was Sie hier zur Lohnfortzahlung und zum Kündigungsschutz gefordert haben.
Zweitens bin ich heilfroh, dass die FDP im Bund keine Verantwortung übernimmt. Insofern stellt sich die Wahlentscheidung vom 22. September als eine sehr weise Entscheidung der Wählerinnen und Wähler heraus.
(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU und bei der FDP - Herr Hauser, FDP: Das ist nur eine Frage der Zeit, bis ihr weg seid! - Heiterkeit)